Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.08.1993, Az.: 3 L 192/90
Landwirt; Pachtvertrag; Anlieferungs-Referenzmenge; Pachtrücknahme; Reduzierung der Referenzmenge
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 23.08.1993
- Aktenzeichen
- 3 L 192/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1993, 13692
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1993:0823.3L192.90.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade 06.09.1990 - 6 A 103/90
- nachfolgend
- BVerwG - 14.02.1994 - AZ: BVerwG 3 B 78.93
- BVerwG - 23.06.1995 - AZ: BVerwG 3 C 6/94
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 6. Kammer Stade - vom 6. September 1990 geändert.
Der Bescheid der Kreisstelle Bremerhaven der Beklagten vom 14. August 1989 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20. März 1990 werden teilweise aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß auf den Flurstücken 53/4 und 53/5 der Flur 1 der Gemarkung Hahnenknoop eine Anlieferungs-Referenzmenge nach der Milch-Garantiemengen-Verordnung ruht.
Die Beklagte und der Beigeladene zu 1) tragen die Kosten des gesamten Verfahrens je zur Hälfte; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2) sind nicht erstattungsfähig.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin ist Eigentümerin der Flurstücke 53/4 und 53/5 Flur 1 Gemarkung Hahnenknoop in einer Größe von insgesamt 5,1717 ha. Mit Pachtvertrag vom 11. März 1983 verpachtete sie die Flurstücke, bei denen es sich nach dem Auszug aus dem Liegenschaftskataster überwiegend um Moorgrünland handelt, für die Dauer von zehn Jahren ab 1. Mai 1983 an die Landwirtin ... zu einem jährlichen Pachtpreis von 827,47 DM (160,-- DM/ha). Mit den von der Klägerin verpachteten Flächen bewirtschaftete die Landwirtin ... mit ihrem Ehemann zum damaligen Zeitpunkt einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchviehhaltung in einer Größe von rd. 90 ha, davon 30,6576 ha Eigentum. An die Milchwerke Unterweser e.G. lieferte sie im Kalenderjahr 1981 209.088 kg und im Kalenderjahr 1983 301.343 kg Milch. Aufgrund der Milchlieferungen berechnete die Molkerei für ihren landwirtschaftlichen Betrieb eine Anlieferungs-Referenzmenge von 263.700 kg.
Mit noteriellem Pachtvertrag vom 20. August 1984 (Urkundenrolle Nr. 1186/84 des Notars Dr. ... in Stade) verpachtete die Landwirtin ... ihren landwirtschaftlichen Betrieb zum 1. Juli 1984 an den Beigeladenen zu 2). Gleichzeitig wurden von dem Beigeladenen zu 2) die von der Landwirtin ... bzw. ihrem Ehemann gepachteten Flächen im Einverständnis mit den Verpächtern (Eigentümern), weiter bewirtschaftet.
Am 2. September 1987 wurde der landwirtschaftliche Betrieb der Landwirtin ... versteigert und am 11. September 1987 der Niedersächsischen Landgesellschaft mbH (NLG) vom Amtsgericht Langen der Zuschlag erteilt, die mit noteriellem Kaufvertrag vom 18. Dezember 1987 (Urkundenrolle Nr. 737/1987 des Notars ... in Hagen im Bremischen) den Hof an den Beigeladenen zu 1) verkaufte. Auf seinen Antrag bescheinigte die Kreisstelle Bremerhaven der Beklagten dem Beigeladenen zu 1) mit Bescheid vom 14. August 1989, daß auf ihn vom Beigeladenen zu 2) durch Pachtrücknahme des Betriebes ... ab 1. November 1988 eine Referenzmenge von 211.159 kg übergegangen sei und bei dem Beigeladenen zu 2) von der gesamten Referenzmenge von 418.264 kg eine Referenzmenge von 207.105 kg verbleibe. Bei der Berechnung der übergegangenen Referenzmenge ging die Kreisstelle der Beklagten nach einer Ortsbesichtigung u.a. davon aus, daß es sich bei dem Grundbesitz der Klägerin um Ödland handele, das nicht der Milcherzeugung gedient habe und deshalb bei der Aufteilung der Referenzmenge unter den Beigeladenen zu 1) und 2) nicht zu berücksichtigen sei. Eine Abschrift des Bescheides der Kreisstelle vom 14. August 1989 mit Anlage und der darin enthaltenen Feststellung, daß es sich bei den Flächen der Klägerin um Ödland handele, das nicht der Milcherzeugung gedient habe, wurde der Klägerin mit Schriftsatz der Kreisstelle Bremerhaven der Beklagten vom 9. Oktober 1989 und einer Rechtsmittelbelehrung übersandt.
Die Klägerin legte Widerspruch ein und machte geltend: Die Flächen seien bereits seit Jahren an den Landwirt ... bzw. dessen Ehefrau, Frau ... verpachtet worden. Nachdem die Eheleute in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten seien und ab 1. Juli 1984 ihren landwirtschaftlichen Betrieb an den Beigeladenen zu 2) verpachtet hätten, sei das Pachtverhältnis mit diesem fortgesetzt worden. Der Beigeladene zu 2) habe ihr gegenüber erklärt, daß die Flächen in den Jahren 1988/89 als Heu- bzw. Silagefläche für die Milchviehhaltung genutzt worden seien. Auf jeden Fall sei aber im Zeitpunkt der Zuteilung der Anlieferungs-Referenzmenge und in den dafür maßgeblichen Jahren eine Nutzung der Flächen zur Milcherzeugung vorgenommen worden. Seit 1980 hätten die Eheleute ... bzw. der Beigeladene zu 2) die Flächen durchgehend zur Heu- bzw. Grassilagegewinnung genutzt. Deshalb müsse auf den Flächen auch eine anteilige Referenzmenge ruhen, die in der Referenzmenge des Beigeladenen zu 2) enthalten sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 1990 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus: Bei der Ortsbesichtigung am 3. April 1989 sei festgestellt worden, daß die Flächen nicht zur Milcherzeugung genutzt worden seien. In ihrer Beschaffenheit seien sie dazu nicht geeignet, und eine ordnungsgemäße Nutzung sei nicht erkennbar gewesen. Die Flächen seien zu etwa 95 % mit Binsen bewachsen gewesen, so daß darauf Futter für das Milchvieh nicht habe erzeugt werden können.
Die Klägerin hat am 20. April 1990 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt und wie folgt ergänzt: Es treffe nicht zu, daß die Flächen zu 95 % verbinst seien und auf ihnen im Jahre 1988 nur ein Pflegeschnitt durchgeführt worden sei. Der Beigeladene zu 2) habe auf der Fläche die üblichen zwei bis drei Schnitte vorgenommen und das darauf gewonnene Gras als Heu oder Silage zur Milchproduktion verwendet. Das sei auch in den Jahren von 1984 bis 1987 der Fall gewesen. Auch in den Jahren von 1980 bis 1984 seien ihre Flächen von den Eheleuten ... zur Milcherzeugung genutzt worden. Demzufolge sei die ursprüngliche, der Landwirtin ... zustehende Milchquote auch auf diesen Flächen mit erwirtschaftet worden. Sie habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß auf ihrer Fläche eine Milchquote ruhe, weil es sich bei den Flächen nicht um hochwertiges Moorgrünland handele, das ohne Milchquote nur schlecht verpachtet werden könne.
Die Klägerin hat beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides der Kreisstelle Bremerhaven der Beklagten vom 14. August 1989 und ihres Widerspruchsbescheides vom 20. März 1990 festzustellen, daß die Flurstücke 53/4 und 53/5 der Flur 1 der Gemarkung Hahnenknoop bis zum 31. Oktober 1988 der Milcherzeugung gedient haben und daß die dem Beigeladenen zu 2) bis zum 31. Oktober 1988 zustehende Milchanlieferungs-Referenzmenge von insgesamt 418.264 kg anteilig auch auf diesen Flurstücken ruht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, daß die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 6. September 1990 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Der Klägerin sei nach der Zurückweisung ihres Widerspruchs die Einstufung der in ihrem Eigentum stehenden Flurstücke 53/4 und 53/5 Flur 1 Gemarkung Hahnenknoop als Ödland in dem Bescheid der Kreisstelle Bremerhaven der Beklagten vom 14. August 1989 durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20. März 1990 die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) nicht abzusprechen. Die Klägerin habe auch ein rechtlich geschütztes Interesse an dem Feststellungsbegehren, daß ihre Flächen bis zum 31. Oktober 1988 der Milcherzeugung gedient hätten, weil einer anteiligen, auf der Fläche ruhenden Referenzmenge ein wirtschaftlicher Vorteil zukomme.
Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Einstufung der Flächen der Klägerin als Ödland in dem Bescheid der Kreisstelle Bremerhaven der Beklagten vom 14. August 1989 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Es könne zwar davon ausgegangen werden, daß die Flächen den Eheleuten ... als Milcherzeugungsflächen gedient hätten und demzufolge, dem Grundsatz der Flächenakzessorietät folgend, mit der Übernahme der Flächen durch den Beigeladenen zu 1) eine anteilige Referenzmenge übergegangen sei, die auf den Flurstücken 53/4 und 53/5 Flur 1 Gemarkung Hahnenknoop geruht habe. Davon könne aber nicht für den hier maßgebenden Beobachtungszeitraum, der mit der Übernahme der Flächen durch den Beigeladenen zu 2) am 1. Juli 1984 begonnen habe, ausgegangen werden. Nach der Übernahme durch den Beigeladenen zu 2) seien die Flächen der Klägerin nicht mehr zur Milcherzeugung genutzt worden. Das ergebe sich aus der gutachtlichen Stellungnahme des Dr. agr. ... vom 8. Mai 1989, das der Beigeladene zu 1) in dem Verfahren 6 A 101/90 vorgelegt habe. In dem von der Klägerin nicht angegriffenen Gutachten werde widerspruchsfrei und in nachvollziehbarer Weise im einzelnen dargelegt, daß der vorgefundene Zustand der Flurstücke 53/4 und 53/5 keine Eignung als Milchviehfutterfläche zeige. Die weitere Frage, wie lange die Eignung oder Nutzung als Milchviehweide zurückliege, habe Dr. agr. ... dahingehend beantwortet, daß die letzte Nutzung zur Futtergewinnung für Milchkühe in dem westlichen und östlichen Teil der Flurstücke nach seiner Schätzungsangabe sieben Jahre, in dem mittleren Teil fünf Jahre zurückliege. Bezüglich des mittleren Teils habe der Gutachter ergänzend dargelegt, daß möglicherweise vor zwei oder drei Jahren, also 1987 oder 1986, letztmalig ein Futterschnitt erfolgt sei, die gewonnene Silage jedoch nicht verfüttert worden sei, welches sich an einer Silagemiete, die am Rande der Fläche mit zerstörter Abdeckfolie und verdorbenem Inhalt liege, zeige. Ferner sei zwar 1988 ein Pflegeschnitt durch Mähen der Binsen erfolgt. Diese lägen jedoch noch dort unverrottet, so daß 1988 ebenfalls kein Futterschnitt erfolgt sei. Aus diesen Angaben in dem Gutachten vom 8. Mai 1989, welches sich auf eine Ortsbesichtigung am 14. April 1989 stütze, folge, daß die Flächen der Klägerin jedenfalls nach der Übernahme durch den Beigeladenen zu 2) nicht zur Milcherzeugung genutzt worden seien.
Gegen diese Entscheidung führt die Klägerin Berufung. Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt sie unter Vorlage eines Gutachtens des landwirtschaftlichen Sachverständigen Dipl.-Ing. ... vom 21. März 1991 vor: Die streitige Fläche sei mit Pachtvertrag vom 11. März 1983 mit Wirkung ab 1. Mai 1983 von ihr an die Landwirtin ... worden. Die Landwirtin ... habe einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchviehhaltung in einer Größe von ca. 90 ha bewirtschaftet und auch die streitige Fläche zur Milcherzeugung genutzt. Nachdem die Landwirtin ... zum 1. Juli 1984 ihre Eigentumsflächen an den Beigeladenen zu 2) verpachtet habe, sei bezüglich der streitigen Fläche auch von ihr das Pachtverhältnis mit dem Beigeladenen zu 2) fortgesetzt worden. Der Beigeladene zu 2) habe in den Jahren von 1985 bis 1987 auf der streitigen Fläche Heu und Silage gewonnen und an das Milchvieh verfüttert. In den Jahren 1988 und 1989 sei es nach der Versteigerung des landwirtschaftlichen Betriebes ... und dem damit verbundenen Verlust der Betriebsgebäude zwar zu gewissen Einbrüchen in der Bewirtschaftung der Flächen durch den Beigeladenen zu 2) gekommen. Dadurch habe aber die streitige Fläche noch nicht ihre Eigenschaft als Milcherzeugungsfläche verloren. Im übrigen spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, daß auf den zu einem milchwirtschaftlichen Betrieb gehörenden landwirtschaftlich genutzten Eigentums- und Pachtflächen Futter für die Milchviehhaltung gewonnen werde und demgemäß eine Verwendung dieser Flächen für die Milcherzeugung erfolge. Diese tatsächliche Vermutung werde durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. ... nicht widerlegt. Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. ... ergebe sich, daß es sich bei der streitigen Fläche um eine Milcherzeugungsfläche handele.
Die Klägerin beantragt,
die angefochtenen Bescheide und das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und festzustellen, daß auf den Flurstücken 53/4 und 53/5 Flur 1 Gemarkung Hahnenknoop eine anteilige Referenzmenge ruht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert: Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. ... vom 8. Mai 1989 ergebe sich, daß die streitige Fläche im maßgeblichen Zeitraum nicht der Milcherzeugung gedient habe. Das Gutachten des Sachverständigen ... führe zu keinem anderen Ergebnis. Dieses Gutachten sei aufgrund einer Ortsbesichtigung angefertigt worden, die eineinhalb Jahre nach der Ortsbesichtigung durch den Gutachter Dr. ... stattgefunden habe.
Der Beigeladene zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor: Die streitige Fläche sei nicht mit Milchkühen beweidet worden und darauf sei auch kein Futter für Milchkühe gewonnen worden.
Der Senat hat Beweis erhoben über die Frage, wie die Flurstücke 53/4 und 53/5 Flur 1 Gemarkung Hahnenknoop im Jahre 1983 und in den folgenden Jahren genutzt worden sind, durch Vernehmung der Herren ..., ..., ... und ... und der Frau ... als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Der angefochtene Bescheid der Kreisstelle Bremerhaven der Beklagten vom 14. August 1989 und der Widerspruchssbescheid der Beklagten vom 20. März 1990 mit denen die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Regelung getroffenen und einen Verwaltungsakt erlassen hat, sind rechtswidrig. Eine Rechtsgrundlage ist dafür nicht vorhanden. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Verordnung über die Abgaben im Rahmen von Garantiemengen im Bereich der Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (Milch-Garantiemengen-Verordnung - MGV -) vom 25. Mai 1984 (BGBl I S. 720) in der jetzt geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 1992 (BGBl I S. 1323) mit späteren Änderungen iVm Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Art. 5 c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl EG Nr. L 90/13) - VO (EWG) Nr. 857/84 und Art. 7 Nr. 1 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission vom 3. Juni 1988 mit Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Art. 5 c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (ABl EG Nr. L 139/12) - VO (EWG) Nr. 1546/88 - bescheinigt die Beklagte als zuständige Landesstelle nach § 1 Nr. 9 der Verordnung über die Übertragung von Aufgaben auf die Landwirtschaftskammern vom 8. Mai 1987 (Nds. GVBl S. 93) mit späteren Änderungen einem Milcherzeuger im Falle des Übergangs von Referenzmengen welche Referenzmengen zu welchem Zeitpunkt auf ihn übergegangen sind. In materieller Hinsicht setzten diese Vorschriften für die Bescheinigung des Übergangs einer Referenzmenge eine Besitzwechsel an den zur Milcherzeugung verwendeten Flächen voraus. Daran fehlt es hier. Ein Besitzwechsel hat an den der Klägerin gehörenden Flurstücken 53/4 und 53/5 Flur 1 Gemarkung Hahnenknoop im Zusammenhang mit dem Erwerb des ehemaligen landwirtschaftlichen Betriebes ... durch den Beigeladenen zu 1) und der von ihm beantragten Bescheinigung des Übergangs einer Referenzmenge nicht stattgefunden.
Die Klage ist auch mit dem Feststellungsantrag nach § 43 VwGO zulässig und begründet.
Neben der Aufhebung der angefochtenen Bescheide hat die Klägerin ein besonderes Feststellungsinteresse für die Klärung der unter den Beteiligten streitigen und nach öffentlichen Rechtsvorschriften zu beurteilenden Frage, ob auf den Flurstücken 53/4 und 53/5 Flur 1 Gemarkung Hahnenknoop eine anteilige Referenzmenge ruht. Zwar hätte der Klägerin im Falle der Rückgabe der an den Beigeladenen zu 2) verpachteten Fläche nach der gerichtlichen Aufhebung der von ihr angefochtenen Bescheide, soweit sie davon in ihren Rechten betroffen ist, die Bestandskraft dieser Bescheide nicht mehr entgegengehalten werden können, gleichwohl ist ein besonderes Interesse der Klägerin für die von ihr begehrte Feststellung gegeben, weil die Beklagte ihr eine anteilige Referenzmenge auf den Flurstücken 53/4 und 53/5 Flur 1 Gemarkung Hahnenknoop streitig gemacht hat.
Die Feststellungsklage ist begründet.
Die Flurstücke 53/4 und 53/5 Flur 1 Gemarkung Hahnenknoop sind für die Milcherzeugung verwendet worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urt. v. 26. 4. 1993 - 3 L 200/90; v. 27. 4. 1992 - 3 L 147/89) spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß die zu einem milchviehhaltenden Betrieb gehörenden landwirtschaftlichen Nutzflächen (Acker- und Grünland) sowie Hof- und Gebäudeflächen für die Milcherzeugung verwendet worden sind, weil praktisch jede landwirtschaftliche Nutzfläche zur Futtergewinnung für das Milchvieh genutzt werden kann und in milchviehhaltenden Betrieben in der Regel auch genutzt wird. Diese Vermutung haben der Beigeladene zu 1) mit dem von ihm vorgelegten Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen Dr. agr. Bewer vom 8. Mai 1989 und die Beklagte mit ihren örtlichen Feststellungen am 3. April 1989 nicht widerlegt. Ob das auf einer Grünlandfläche gewachsene Gras von den Pächtern als Grünfutter, Grassilage oder Heu an Milchkühe oder weibliches Jungvieh zur eigenen Nachzucht verfüttert worden ist, ist Tatfrage und regelmäßig eines Beweises durch Sachverständige nicht zugänglich. Im übrigen kann die tatsächliche Vermutung, daß eine Grünlandfläche zur Milcherzeugung verwendet worden ist, nicht bereits dann als widerlegt angesehen werden, wenn ihr Zustand für eine extensive Nutzung spricht.
Bei der Bescheinigung des Übergangs von Referenzmengen kommt es auf die Intensität der Nutzung der Fläche zur Milcherzeugung nicht an (vgl. BVerwG, Urt. v. 20. 2. 1992 - BVerwG 3 C 51.88 -, BVerwGE 90, 18 = AgrarR 1992, 370; EuGH, Urt. v. 17. 12. 1992 - Rs C - 79/91 -, AgrarR 1993, 13). Den Ausführungen des Sachverständigen Dr. agr. ..., die auf Feststellungen im Frühjahr 1989 beruhen und die letztlich darauf hinauslaufen, daß der Zustand der Fläche und ihres Bewuches jedenfalls in den letzten Jahren vor 1989 aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine Verwendung für die Milchkuhhaltung nicht wahrscheinlich erscheinen ließ, kommt daher für die hier zu beantwortende Tatfrage, ob die streitige Fläche von den Pächtern ... und dem Beigeladenen zu 2) zur Milcherzeugung verwendet worden sind, kein entscheidender Beweiswert zu. Maßgebend für die von der Klägerin begehrte Feststellung ist allein, ob die streitige Fläche von den Pächtern für die Milcherzeugung, insbesondere in dem für die Referenzmengenfestsetzung maßgeblichen Kalenderjahr 1983, unabhängig von der Intensität ihrer Nutzung, verwendet worden ist. Davon ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auszugehen. Die Zeugen ... und ... haben übereinstimmend ausgesagt, daß sie als Pächter auf der streitigen Fläche im Referenzjahr 1983 und bis zur Aufgabe ihres landwirtschaftlichen Betriebes im Jahre 1984 Grassilage und Heu gewonnen und an das Milchvieh verfüttert haben. Die Zeugin ... hat weiter bekundet, daß auf der streitigen Fläche nach dem Grasschnitt weibliches Jungvieh geweidet worden ist. Auch nach der Aufgabe ihres landwirtschaftlichen Betriebes sei die Fläche von dem Beigeladenen zu 2) weiter als Grünland für die Milchviehhaltung verwendet worden. Die Flächen der Klägerin haben damit zur Erzeugung der für den ehemaligen landwirtschaftlichen Betrieb Oeltjen festgesetzten Referenzmenge, deren Übergang auf den Beigeladenen zu 1) unter den Beteiligten streitig ist, gedient.
Der Senat sieht keinen Anlaß an der Richtigkeit und Glaubwürdigkeit der Aussagen der Zeugen ... und ... ..., aufgrund der Bekundungen der Zeugen ... und ... zu zweifeln. Die Zeugen ... haben im Gegensatz zu den Zeugen ... die Flurstücke nicht selbst bewirtschaftet und ähnlich wie der Sachverständige Dr. ... nur dargelegt, daß der Zustand der streitigen Fläche eine landwirtschaftliche Nutzung nicht habe erkennen lassen. Auf den Zustand einer Grünlandfläche und der sich daraus aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu beurteilenden Eignung zur Milcherzeugung kommt es aber, wie dargelegt, für die hier zu beantwortende Tatfrage nicht an. Aufgrund der Aussagen der Zeugen ... und ... geht der Senat weiter davon aus, daß nach dem Übergang des Pachtverhältnisses im Jahre 1984 auch der Beigeladene die streitige Fläche zur Milcherzeugung genutzt hat, zumal er als Pächter der Flurstück 53/4 und 53/5 Flur 1 Gemarkung Hahnenknoop das entsprechende Vorbringen der Klägerin zu keinem Zeitpunkt angezweifelt hat. Dabei mag es, wie die Klägerin vorträgt, in Jahren 1988 und 1989 nach der Versteigerung des landwirtschaftlichen Betriebes ... und dem damit verbundenen Verlust der Betriebsgebäude zwar zu gewissen Einbrüchen in der Bewirtschaftung der Flächen durch den Beigeladenen zu 2) gekommen sein, die letztlich auch zu dem in dem Gutachten des Sachverständigen Dr. ... beschriebenen Zustand der Flächen, wie er sich auch aus den Lichtbildern ergibt, und zu der Feststellung der Beklagten im Jahre 1989 geführt haben, daß es sich bei den Flurstücken 53/4 und 53/5 Flur 1 Gemarkung Hahnenknoop um Ödland handele. Durch diese Feststellungen im Jahre 1989 wird jedoch nicht in Frage gestellt, daß sie vor diesem Zeitpunkt zur Milcherzeugung verwendet worden sind und auf ihnen eine anteilige Referenzmenge ruht. Dafür sprechen letztlich auch die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Bewer in dem von dem Beigeladenen zu 1) überreichten schriftlichen Gutachten. Darin heißt es (S. 2 des Gutachtens) u.a.:
"Daß die Flurstücke 53/4 und 53/5 in entsprechenden Kulturzustand gebracht werden können, steht nicht in Frage. Es wird auch an der südlichen Nachbarfläche deutlich, die über den gleichen Moorboden verfügt, befriedigend kultiviert und gepflegt ist und als Viehweide dient.
Die Flurstücke 53/4 und 53/5 sind früher in nutzungsfähiger Kultur gewesen. Das beweisen die vorhandenen Entwässerungsgräben und die Gruppen (flache, rinnenartige Entwässerungszüge, die den Gräben das Wasser zuleiten). Es findet sich auch ein Rest früherer Einfriedigung, eine Tränkwassereinfassung (zerbrochen) und das Stativ für eine Selbsttränkpumpe (verrostete Montageplatte ohne Benutzungsspuren."
Das spricht für die Behauptung der Zeugen ..., die Flurstücke seien bis zur Aufgabe ihres landwirtschaftlichen Betriebes auch beweidet worden.
Nach alledem mußte die Berufung Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO; ihre vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2) sind nicht erstattungsfähig, weil Gründe der Billigkeit nicht ersichtlich sind, die es gebieten könnten, diese der unterliegenden Partei aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil dafür die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Beschluß
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren nach § 13 Abs. 1 GKG auf 5.081,80 DM (418.264 kg Referenzmenge: 85,1323 ha Milcherzeugungsfläche = 4.913,11 kg/ha × 5,1717 ha = 25.409 kg anteilige Referenzmenge × 0,20 DM/kg Referenzmenge = 5.081,80 DM) festgesetzt.
Eichhorn
Richter am Oberverwaltungsgericht Schnuhr ist ortsabwesend und kann deshalb nicht unterschreiben.
Eichhorn
Dr. Berkenbusch