Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 08.02.2001, Az.: 6 A 100/00
Bestechungsgeld; Foto; Kaserne; Militäranlage; Raketen; Sicherheitsbeamte; Syrien
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 08.02.2001
- Aktenzeichen
- 6 A 100/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 39273
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 51 Abs 1 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Freilassung infolge Bestechung beim Vorwurf des Landesverrats und der Zusammenarbeit mit Israel ist unglaubhaft. "Karatekampf" mit Sicherheitsbeamten.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Er reiste im Oktober 1999 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Zur Begründung dieses Begehrens trug er vor:
Er sei am 01. Juli 1999 aus Syrien ausgereist und in den Libanon gegangen, wo er zwei Monate geblieben sei. Vom Libanon aus sei er zunächst mit dem Schiff gefahren und schließlich mit einem Pkw auf dem Landweg nach Deutschland eingereist. An den Grenzkontrollen habe er vom Schleuser einen Pass erhalten, den er vorgezeigt habe. Insgesamt seien sie in dem Pkw fünf Personen gewesen. In Syrien habe er als Metallschweißer gearbeitet und sehr gut verdient. Von 1994 bis 1998 sei er Mitglied der Baath-Partei gewesen. Im Jahre 1998 habe er mit dem Sicherheitsdienst Probleme bekommen, weil er eine Kaserne fotografiert habe. Das genaue Datum, wann das gewesen sei, könne er nicht mehr angeben. Sein Bruder habe in dieser Kaserne des militärischen Sicherheitsdienstes seinen Militärdienst geleistet. Vor der Kaserne habe er seinen Bruder fotografiert. Daraufhin habe man ihm den Fotoapparat abgenommen. Sein Bruder sei ebenfalls verhaftet worden. Man habe ihnen nicht geglaubt, nur für ein Andenken fotografiert zu haben. Sein Bruder sei früher als er entlassen worden. Wann das gewesen sei, wisse er nicht. Man habe den Bruder zum normalen Soldaten zurückgestuft. Der Bruder sei noch bei der Armee; vielleicht werde er in einem Monat entlassen und sei dann schon zu Hause. Wann er selbst aus der Haft entlassen worden sei, wisse er nicht. Man habe ihm unterstellt, dass er geheime Stellen der Kaserne fotografiert und Kontakt zum israelischen Geheimdienst habe. Eine Gerichtsverhandlung habe nicht stattgefunden. Er sei jeden Tag verhört worden. Man habe ihm die Augen verbunden. Insgesamt habe man ihn sechs Monate inhaftiert. Sie hätten ihn geschlagen, ihm an der Hand und am Arm Verbrennungen zugefügt und einen Fingernagel ausgezogen. Mit Hilfe einer anderen Person sei es ihm gelungen, aus dem Gefängnis zu fliehen. Er habe Beziehungen gehabt. Seine Angehörigen hätten einen Bestechungsbetrag als Sicherheitsleistung gezahlt. Derjenige, der die Sicherheitsleistung gezahlt habe, habe dafür von seinem Vater einen Pkw bekommen. Vor der Flucht in den Libanon habe er noch Arbeiten an einem Ladenschild ausgeführt und das Schild angebracht. Er habe weiter in seinem Beruf gearbeitet. Bis zu dem Vorfall mit den Schweißereiarbeiten sei nichts weiter passiert. Wenn das nicht vorgefallen wäre, wäre er in Syrien geblieben. Bei dem Vorfall seien zwei bewaffnete Personen vom Sicherheitsdienst vorbeigekommen, als er Schweißarbeiten ausgeführt habe. Einer von ihnen habe Funken abbekommen und ihn beschimpft. Daraufhin sei er von der Leiter gestiegen und habe auf beide Personen eingeprügelt. Er sei in Karate ausgebildet und habe einem dieser Leute die Waffe weggenommen, als die beiden ihre Waffen hätten ziehen wollen. Er habe die Waffe durchgeladen und von dem andern die Pistole herausverlangt. Dann habe er die Magazine entfernt, die Waffen weggeworfen und sei mit den Magazinen weggelaufen. Deshalb habe er sein Heimatland verlassen. Er habe die syrische Politik gehasst und davon die "Schnauze voll" gehabt. Man könne nicht machen, was man wolle. Wenn man den Personalausweis verliere, bekomme man große Schwierigkeiten. Wenn er nach Syrien zurückginge, würde er bestraft werden und müsse mit eineinhalb Jahren Gefängnis rechnen, weil er sich gegen den Sicherheitsdienst aufgelehnt und die Leute geschlagen habe. Er habe einen Mann an der Schulter verletzt. In Beirut habe er eine Disco besucht. Als er zu seiner Wohnung zurückgekommen sei, habe eine Person auf dem Flur gesagt, dass der Sicherheitsdienst hinter ihm her sei und er weggehen solle. Der Sicherheitsdienst sei zu seinem Freund gekommen, wo er sich aufgehalten habe. Sie seien bewaffnet gewesen. Das habe jeder sehen können. Der Nachbar habe das auch gesehen und es ihm dann gesagt.
Mit Bescheid vom 23. November 1999 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag als unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG ebenfalls nicht gegeben seien und die Voraussetzungen des § 53 AuslG nicht vorlägen. Außerdem forderte die Behörde den Kläger zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einem Monat nach Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes auf und drohte für den Fall, dass dieser Anordnung nicht fristgerecht nachgekommen werde, die Abschiebung an.
Gegen den am 26. November 1999 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 01. Dezember 1999 Klage erhoben.
Zur Begründung der Klage trägt er vor:
Er habe bei der Anhörung vor dem Bundesamt dargelegt, dass er in Syrien ein halbes Jahr lang inhaftiert und gefoltert worden sei, weil er seinen Bruder vor einer Kaserne fotografiert habe. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis habe er eine tätliche Auseinandersetzung mit zwei Agenten des syrischen Sicherheitsdienstes gehabt. Es sei nachvollziehbar, dass im Falle seiner Ergreifung mit erneuter Haft und Folter zu rechnen sei. In den letzten Monaten seit seiner Ausreise aus Syrien seien 600 bis 700 Zivilisten grundlos verhaftet worden. Dies werde nach seiner Überzeugung auch ihm geschehen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes vom 23. November 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und außerdem festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und des § 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist zu seinem Asylvorbringen in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden; hinsichtlich seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel verwiesen. Diese Unterlagen waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG noch auf die Feststellung durch die Beklagte, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG oder des § 53 AuslG vorliegen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter, weil nach den von ihm gemachten Angaben zu den Einzelheiten seines Reiseweges davon ausgegangen werden muss, dass er auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.
Gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylVfG kann sich nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen und wird nicht als Asylberechtigter anerkannt, wer aus einem Drittstaat eingereist ist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sichergestellt ist. Zu diesen "sicheren Drittstaaten" gehören gemäß Art. 16a Abs. 2 GG i.V.m. § 26a Abs. 2 AsylVfG neben den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaften die in der Anlage I zu § 26a AsylVfG aufgeführten Staaten. Dazu zählen alle Staaten mit Landgrenzen zur Bundesrepublik Deutschland. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Gründe des § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG, die dem entgegenstünden, sind nicht ersichtlich. Auch kann nicht angenommen werden, dass die Durchreise unter Umständen erfolgt ist, nach denen die Möglichkeit ausgeschlossen war, die Reise im Drittstaat zu unterbrechen (vgl. dazu BVerfG, Urt. vom 14.05.1996, EuGRZ 1996, 237 f.; VGH Mannheim, Urt. vom 29.07.1996 - A 12 S 1313/95). Der Kläger hat vorgetragen, mit einem Pkw nach Deutschland gekommen zu sein und hierbei (mehrere) Grenzkontrollen passiert zu haben. Durch welchen Staat er nach Deutschland gekommen ist, ist aus Rechtsgründen unerheblich.
Es besteht auch kein Abschiebungshindernis nach § 51 Abs. 1 AuslG.
Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sind denen des Art. 16a Abs. 1 GG gleich, soweit es die Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale betrifft. Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte haben politisch Verfolgte (Art. 16 a Abs. 1 GG). Dieses Individualgrundrecht kann in Anspruch nehmen, wer bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland politische Verfolgung (erneut oder erstmals) zu befürchten hat. Politische Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen durch den Heimatstaat oder durch Maßnahmen Dritter, die diesem Staat zurechenbar sind, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden oder unmittelbar drohen, die ihn nach ihrer Intensität und Schwere aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschl. vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 315, 333). Dabei beschränkt sich der asylrechtliche Schutz nicht auf die Rechtsgüter Leib und Leben, sondern erfasst auch Einschränkungen der persönlichen Freiheit; die hierin eingeschlossenen Rechte der freien Religionsausübung und ungehinderten beruflichen und wirtschaftlichen Betätigung lösen einen Asylanspruch indessen nur aus, wenn deren Beeinträchtigung nach ihrer Intensität und Schwere zugleich die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Herkunftsstaates allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, Beschl. vom 24.06.1992 - 2 BvR 176/92 u.a., S. 12 f. des Abdrucks unter Hinweis auf BVerfGE 76, 143, 158). Die Gefahr eigener politischer Verfolgung kann sich auch aus gegen Dritte gerichteten Verfolgungsmaßnahmen ergeben, wenn der Asylbewerber sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und auch im Übrigen vergleichbaren Lage befindet, so dass seine (etwaige) Nichtbetroffenheit von ausgrenzenden Rechtsverletzungen eher als zulässig anzusehen ist (BVerfG, Beschl. vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216, 230). Eine solche sog. mittelbare Gruppenverfolgung liegt danach typischerweise vor bei Massenausschreitungen (Pogromen), die das ganze Land oder große Teile desselben erfassen, aber etwa auch dann, wenn unbedeutende oder kleine Minderheiten mit solcher Härte, Ausdauer und Unnachsichtigkeit verfolgt werden, dass jeder Angehörige dieser Minderheit sich ständig der Gefährdung an Leib, Leben oder persönlicher Freiheit ausgesetzt sieht, wobei allerdings nicht ein ganzes Land gewissermaßen flächendeckend erfasst sein muss (BVerfG, Beschl. vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216, 232). Auch ohne Pogrome und diesen vergleichbare Massenausschreitungen liegt eine mittelbare Gruppenverfolgung immer dann vor, wenn die Verfolgungsschläge, von denen die Angehörigen einer Gruppe betroffen werden, so dicht und eng gestreut fallen, dass für jedes Gruppenmitglied die Furcht begründet ist, in eigener Person Opfer der Übergriffe zu werden (BVerwG, Beschl. vom 24.09.1992, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 156; Urt. vom 05.07.1994, BVerwGE 96, 200, 203). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. vom 02.08.1983, BVerwGE 67, 317 m. w. N.) wird eine solche von nichtstaatlicher Seite, insbesondere von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organisationen ausgehende Verfolgung dem Staat zugerechnet, wenn dieser die Verfolgung billigt oder fördert, ferner wenn er nicht willens oder - trotz vorhandener Gebietsgewalt - nicht in der Lage ist, die Betroffenen gegen Übergriffe Privater zu schützen. Dabei besteht die Zurechenbarkeit begründende Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit nicht bereits dann, wenn in dem zu beurteilenden Einzelfall effektiver staatlicher Schutz nicht geleistet worden ist. Kein Staat vermag einen schlechthin perfekten lückenlosen Schutz zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Fehlverhalten, Fehlentscheidungen oder "Pannen" sonstiger Art bei der Erfüllung der ihm zukommenden Aufgaben der Wahrung des öffentlichen Friedens nicht vorkommen. Deshalb schließt weder Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung überhaupt noch die im Einzelfall von dem Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche schon staatliche Schutzbereitschaft oder Schutzfähigkeit aus. Vielmehr sind Übergriffe Privater dem Staat als mittelbare Verfolgung dann zuzurechnen, wenn er gegen Verfolgungsmaßnahmen Privater grundsätzlich keinen effektiven Schutz gewährt. Umgekehrt ist eine grundsätzliche Schutzbereitschaft des Staates zu bejahen, wenn die zum Schutz der Bevölkerung bestellten (Polizei-) Behörden bei Übergriffen Privater zur Schutzgewährung ohne Ansehen der Person verpflichtet und dazu von der Regierung auch landesweit angehalten sind, vorkommende Fälle von Schutzverweigerung mithin ein von der Regierung nicht gewolltes Fehlverhalten der Handelnden in Einzelfällen sind (BVerwG, Urt. vom 05.07.1994, InfAuslR 1995, 24 [BVerwG 05.07.1994 - BVerwG 9 C 1.94]).
Da das Asylgrundrecht auf dem Zufluchtgedanken beruht und von seinem Tatbestand her grundsätzlich den Ursachenzusammenhang von Verfolgung/Flucht/Asyl voraussetzt (BVerfG, Beschl. vom 26.11.1986, BVerfGE 74, 51, 60; Beschl. vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 344), ist ferner von maßgeblicher Bedeutung, ob der Asylbewerber vorverfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Ist der Asylsuchende wegen erlittener oder unmittelbar bevorstehender politischer Verfolgung ausgereist und war ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates wegen Fehlens einer inländischen Fluchtalternative unzumutbar, ist er als Asylberechtigter anzuerkennen, sofern die fluchtbegründenden Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt fortbestehen. Er ist ferner anzuerkennen, wenn diese zwar entfallen sind, aber an seiner Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ernsthafte Zweifel bestehen. Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat hingegen unverfolgt verlassen, kann er nur dann anerkannt werden, wenn ihm politische Verfolgung aufgrund eines asylerheblichen Nachfluchttatbestandes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerfG, Beschl. vom 26.11.1986, aaO., 64 f.; Beschl. vom 10.07.1989, aaO., 344; BVerwG, Urt. vom 20.11.1990, BVerwGE 87, 152; Urt. vom 23.07.1991, DVBl. 1991, 1089). Für die Annahme einer drohenden Verfolgung ist entscheidend, ob aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat unzumutbar erscheint (BVerwG, Urt. vom 05.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169). Die dazu erforderliche Zukunftsprognose hat auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abzustellen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) und muss auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein (BVerwG, Urt. vom 03.12.1985, EZAR 202 Nr. 6). Sie hat die vom Asylbewerber geschilderten Ereignisse zu würdigen und insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahme festzustellen (§§ 15, 25, 74 Abs. 2 AsylVfG). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es, dass die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, Urt. vom 23.11.1982, BVerwGE 66, 237). Die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung kann schließlich nur festgestellt werden, wenn sich das Gericht in vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Asylbewerber behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschafft, wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat bei der Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu berücksichtigen ist (BVerwG, Urt. vom 12.11.1985, EZAR 630 Nr. 13).
Dies setzt voraus, dass der Asylbewerber die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorträgt. Hierzu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG, Beschl. vom 18.09.1989, InfAuslR 1989, 350 [BVerwG 18.09.1989 - BVerwG 9 B 308.89] m.w.N.). Dazu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen. Ein im Laufe des Asylverfahrens sich widersprechendes oder sich steigerndes Vorbringen kann die Glaubwürdigkeit des Asylsuchenden in Frage stellen. Ändert der Asylsuchende in seinem späteren Vortrag sein früheres Vorbringen, so muss er überzeugende Gründe darlegen, weshalb sein früheres Vorbringen falsch gewesen ist, will er nicht den Eindruck der Unglaubwürdigkeit erwecken (BVerwG, Beschl. vom 26.10.1989, InfAuslR 1990, 38 [BVerwG 26.10.1989 - BVerwG 9 B 405.89]; Beschl. vom 21.07.1989, Buchholz 402.24 § 1 AsylVfG Nr. 113). Zwar spricht nicht jede Widersprüchlichkeit im Vortrag eines Asylbewerbers zugleich auch gegen seine Glaubwürdigkeit; vielmehr ist bei der Wertung seiner Aussage zu berücksichtigen, dass sich Missverständnisse aus Verständigungsproblemen ergeben haben können und dass zwischen Asylantragstellung, der Anhörung im Verwaltungsverfahren, der schriftlichen Klagebegründung sowie ggf. der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor Gericht jeweils größere Zeiträume liegen können. Auch dürfen die besonderen Schwierigkeiten, denen Asylbewerber aus anderen Kulturkreisen bei der Darstellung ihrer Verfolgungsgründe besonders dann ausgesetzt sind, wenn sie über einen geringen Bildungsstand verfügen, nicht außer Acht gelassen werden. Grundlegende, für das Verlassen des Heimatlandes und den Asylantrag maßgebende Umstände im individuellen Lebensweg des Asylbewerbers bleiben jedoch im Normalfall zumindest in ihren wesentlichen Einzelheiten in Erinnerung. Widersprüche und Ungereimtheiten, die sich hierauf beziehen, machen das Vorbringen des Asylbewerbers zu seinem persönlichen Verfolgungsschicksal in der Regel insgesamt unglaubwürdig. Vor allem für diejenigen Umstände, die den eigenen Lebensbereich des Asylbewerbers betreffen, ist ein substantiierter, im Wesentlichen widerspruchsfreier Tatsachenvortrag zu fordern. Dabei ist die wahrheitsgemäße Schilderung einer realen Verfolgung erfahrungsgemäß gekennzeichnet durch Konkretheit, Anschaulichkeit und Detailreichtum.
Hiernach kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger aufgrund einer erlittenen oder ihm drohenden politischen Verfolgung sein Heimatland verlassen hat. Die Behauptung, seinen Bruder vor einer Kaserne des militärischen Sicherheitsdienstes fotografiert zu haben und deshalb für sechs Monate verhaftet und dabei gefoltert worden zu sein, hält das Gericht für unglaubhaft. Ein derart einschneidendes Ereignis hätte dem Kläger derart nachhaltig in Erinnerung bleiben müssen, wenn er dies tatsächlich erlebt hätte, dass er den Tag der Verhaftung und den Zeitpunkt der Entlassung aus der Haft hätte angeben können. Hierzu sah sich der Kläger jedoch nicht in der Lage. Im Hinblick darauf, dass der Kläger andererseits durchaus konkrete Daten zu benennen vermochte, überzeugt seine Erklärung, dass er nach der Inhaftierung Daten nicht mehr genau im Gedächtnis behalten könne, nicht. Unglaubhaft sind die Schilderungen des Klägers außerdem im Hinblick auf die in mehrfacher Hinsicht widersprüchlichen Angaben beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung. Während der Kläger beim Bundesamt und in der Klagebegründung vorgetragen hatte, wegen Fotografien, die er von dem Bruder vor der Militäranlage gemacht haben wollte, festgenommen worden zu sein, hat er in der mündlichen Verhandlung behauptet, innerhalb der Militäranlage Fotos von Hubschraubern und Raketen aufgenommen zu haben, weil diese ihm gefallen hätten. Den Bruder will er nicht fotografiert haben. Geänderte Angaben hat der Kläger außerdem in Bezug auf die daraus für seinen Bruder vorgeblich entstandenen Folgen gemacht. Beim Bundesamt hatte er geschildert, dass sein Bruder zu einem einfachen Soldaten degradiert worden sei und weiter habe Dienst verrichten können; in der mündlichen Verhandlung hat er auf die Frage nach einer Degradierung und dem anschließenden Dienstgrad des Bruders angegeben, dass dieser nach einer Vernehmung sogleich aus der Armee entlassen worden sei. Auch hinsichtlich der Haftdauer sind die Angaben deutlich widersprüchlich. Bei dem Bundesamt hatte der Kläger eine Haftdauer von sechs Monaten angegeben, während er in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, von Ende 1998 bis Februar 1999 festgenommen worden zu sein. Nicht nachvollziehbar ist außerdem, worauf das Bundesamt zutreffend hingewiesen hat, dass bei dem Tatvorwurf der Zusammenarbeit mit den Israelis und dem Landesverrat eine Freilassung gegen die Zahlung von Bestechungsgeld erfolgt sein könnte (vgl. hierzu: Auswärtiges Amt, Auskunft vom 08.10.1998 an das VG München; Auskunft vom 16.08.1996 an das VG Ansbach). Bestechung ist in Syrien offiziell ein Delikt; es ist deshalb nicht denkbar, dass ranghohe Mitarbeiter - insbesondere im militärischen Bereich und bei einem derart erheblichen Tatvorwurf - ein solches Risiko auf sich nehmen.
Im Übrigen fehlte es an dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen diesem Ereignis und dem Zeitpunkt der Ausreise des Klägers aus Syrien. Der Kläger hatte angegeben, nach der Freisetzung wieder in seinem Beruf tätig gewesen zu sein und keine Absicht gehabt zu haben, deshalb das Heimatland zu verlassen. Erst durch einen weiteren Vorfall habe er sich zur Ausreise entschlossen.
Aber auch diesen Vorfall, bei dem der Kläger eine Auseinandersetzung mit zwei Beamten des Sicherheitsdienstes gehabt haben will, hat sich nach der Überzeugung des Gerichts nicht zugetragen. Es erscheint schon als nicht glaubhaft, dass der Kläger aufgrund einer verbalen Auseinandersetzung mit bewaffneten Sicherheitskräften, die als solche erkennbar gewesen sein sollen, die in der Überzahl befindlichen Sicherheitsbeamten angegriffen haben will, zumal durch das Verhalten des Klägers die Beamten mit Schweißfunken besprüht worden sein sollen und deshalb ihre Erregung verständlich gewesen wäre. Noch unwahrscheinlicher erscheint es dem Gericht, dass der Kläger in der Lage gewesen sein soll, einem der Sicherheitsbeamten in einem "Karate-Kampf" die Pistole abzunehmen, sie durchzuladen und den anderen Sicherheitsbeamten zur Herausgabe auch dessen Waffe zu zwingen, bevor dieser eine Möglichkeit gehabt haben soll, in der Zwischenzeit die eigene Waffe zu ziehen. Der in der mündlichen Verhandlung vom Kläger geschilderte Ablauf dieses Vorfalls weicht wiederum von seinen Angaben vor dem Bundesamt ab. Bei der Anhörung hatte er angegeben, auf die beiden Sicherheitsbeamten "eingeprügelt" zu haben, worauf einer die Pistole habe ziehen wollen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger geschildert, dass er die Sicherheitsleute mit einem "Kuhfuß" bedroht habe und er von einem der Beamten mit vorgehaltener Pistole gezwungen worden sein soll, das Gerät auf den Boden zu legen, bevor er dem Betreffenden die Waffe abgerungen haben will. Unterschiedliche Darstellungen hat der Kläger auch bezüglich des weiteren Verhaltens gemacht. Während er beim Bundesamt geschildert hatte, die Magazine aus beiden Waffen genommen, die Waffen weggeworfen zu haben und mit den Magazinen weggelaufen zu sein, hat er in der mündlichen Verhandlung angegeben, mit einer der Waffen und dem Magazin der anderen nach Hause gelaufen zu sein. Angesichts der von ihm insoweit gemachten detaillierten Schilderungen beim Bundesamt erscheint ein Übersetzungsfehler als ausgeschlossen. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass der Kläger tatsächlich nicht aus den von ihm genannten Gründen aus Syrien ausgereist ist. Unterschiedliche Angaben hat der Kläger schließlich auch in Bezug auf die Gründe für das Verlassen des Libanon gemacht. Beim Bundesamt hatte er angegeben, von einem Nachbarn angesprochen und gewarnt worden zu sein, dass sich der Sicherheitsdienst nach ihm erkundigt habe. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger behauptet, dass der Nachbar einen Jungen zu ihm geschickt habe, um ihn zu warnen, weil der Sicherheitsdienst noch in seinen Wohnräumen bei dem Freund sei.
Anhaltspunkte für Nachfluchtgründe liegen ebenfalls nicht vor. Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der unverfolgt ausgereisten Kläger bei seiner Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer politischen Verfolgung droht. Die Tatsache, dass der Kläger in Deutschland um Asyl nachgesucht hat, ist kein Umstand, dessentwegen eine solche Befürchtung begründet wäre. Die Asylantragstellung als solche hat keine Maßnahmen syrischer Behörden zur Folge (vgl. den o.g. Lagebericht sowie das Urteil des Nds. OVG Lüneburg vom 04.08.1993, 2 L 5341/92; Beschl. vom 22.08.2000, 2 L 3024/00). Nichts anderes gilt auch für den mit der Dauer des Asylverfahrens zusammenhängenden Auslandsaufenthalt. Dieser wird von den syrischen Behörden ganz regelmäßig nicht zum Anlass für Verfolgungsmaßnahmen genommen (vgl. Nds. OVG Lüneburg ,aaO.; OVG Bremen, Urt. vom 13.04.2000, OVG 2 A 466/99.A; VGH Mannheim, Urt. vom 19.05.1998, A 2 S 28/98; OVG Saarlouis, Urt. vom 08.12.1998, 3 R 72/98). Es entspricht deshalb der ständigen Rechtsprechung der Kammer, dass weder allein der Auslandsaufenthalt noch die Asylantragstellung zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung bei einer Rückkehr nach Syrien führen, sofern die Betroffenen - wie hier - sich nicht in herausgehobener Funktion politisch betätigt haben. Aus den Lageberichten des Auswärtigen Amtes (z. B. vom 19.07.2000) ergibt sich, dass die Einreise abgeschobener Antragsteller ohne Anhaltspunkte für eine aus der Sicht des syrischen Staates bedeutsamen politische Betätigung weitgehend unbehelligt verläuft und die Asylantragstellung als solche oder ein längerer Auslandsaufenthalt für sich in der Regel keine Anknüpfungspunkte für ein erhöhtes Interesse der Geheimdienste sind. Aus den der Kammer vorliegenden Auskünften von amnesty international (z.B. vom 20.06.1996 an das VG Koblenz) ergibt sich im Ergebnis nichts anderes. Darin wird insoweit übereinstimmend mit den Angaben des Auswärtigen Amtes ausgeführt, dass mit zielgerichteter politischer Verfolgung in der Regel dann gerechnet werden muss, wenn sich jemand aktiv politisch und in herausgehobener Funktion oppositionell oder anderweitig regimekritisch verhält. Es wird zwar auch ausgeführt, dass syrische Asylantragsteller bei der Abschiebung gefährdet seien, von staatlichen Stellen verfolgt zu werden, da sie einem eingehenden Verhör durch die Einwanderungs- und Sicherheitsbehörden unterzogen werden. Außerdem wird aber dargelegt, dass die abgeschobenen Asylantragsteller dann in ein Haft- und Verhörzentrum in Damaskus gebracht werden, wo sie gefährdet sind, gefoltert zu werden, wenn sich bei der Überprüfung der Verdacht auf eine regimekritische Haltung oder frühere oppositionelle Betätigung ergibt. Bei der Befragung am Flughafen sei es hingegen lediglich nicht ausgeschlossen, dass es zu Misshandlungen durch Schläge oder zu anderen Maßnahmen komme. Auch aus dieser Stellungnahme kann daher nicht die erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine politisch motivierte Verfolgung bei einer Rückkehr nach Syrien für diejenigen entnommen werden, die sich - wie der Kläger - nicht politisch betätigt haben und die daher auch nicht in den Verdacht einer regimekritischen Haltung kommen können. Übereinstimmend hiermit gibt das Deutsche Orient Institut (z. B. Auskunft an das VG Ansbach vom 08.05.1995) an, dass auch staatenlose Kurden aus Syrien allein wegen ihrer Asylantragstellung keine Bestrafung zu erwarten haben, da die staatlichen Organe Syriens die Bedeutung eines Asylverfahrens durchaus realistisch einschätzen können und das Asylverfahren in den Augen der syrischen Staatsorgane für nicht bereits in ihrem Heimatland politisch Verfolgte dieselbe Bedeutung hat wie in den Augen der Asylbewerber, die einer Formalie.
Schließlich sind auch Abschiebungshindernisse i.S.d. § 53 AuslG nicht ersichtlich. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erfasst allgemeine Gefahren i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG auch dann nicht, wenn sie den einzelnen Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen. Lediglich dann, wenn dem einzelnen Ausländer kein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 bis 4 und Abs. 6 Satz 1 AuslG zusteht, er aber gleichwohl nicht abgeschoben werden darf, weil die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wegen einer extremen Gefahrenlage die Gewährung von Abschiebungsschutz unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach den §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG gebieten, ist § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass eine Entscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht ausgeschlossen ist (BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, NVwZ 1996, 199 [BVerwG 17.10.1995 - BVerwG 9 C 9/95]). Es ist jedoch nicht wahrscheinlich, dass der Kläger sich bei einer Rückkehr nach Syrien in einer solchen extremen Gefahrenlage befinden würde.
Da das Bundesamt den Kläger zu Recht nicht als Asylberechtigten anerkannt hat und er keine Aufenthaltsgenehmigung besitzt, hatte die Behörde ihn gemäß den §§ 34 f. AsylVfG zur Ausreise aufzufordern und die Abschiebung anzudrohen.
Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b Abs. 1
AsylVfG abzuweisen. Die Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.