Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.05.2012, Az.: 7 LB 52/11
Auswahl zwischen konkurrierenden Bewerbern für die Zulassung zum Weihnachtsmarkt nach dem Kriterium der Attraktivität in Fällen begrenzter Kapazität
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 16.05.2012
- Aktenzeichen
- 7 LB 52/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 18351
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0516.7LB52.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 24.03.2010 - AZ: 11 A 2443/09
Rechtsgrundlage
- § 70 Abs. 3 GewO
Fundstellen
- DVBl 2012, 4 (Pressemitteilung)
- DÖV 2012, 692
- GewArch 2012, 403-404
- NdsVBl 2012, 238-239
- NordÖR 2012, 566
Amtlicher Leitsatz
- 1.
In Fällen begrenzter Kapazität ist eine Auswahl zwischen konkurrierenden Bewerbern für die Zulassung zum Weihnachtsmarkt nach dem Kriterium der Attraktivität grundsätzlich geeignet, die Wahrung der der Marktfreiheit immanenten Zulassungschance im Rahmen des§ 70 Abs. 3 GewO zu gewährleisten.
- 2.
Fehlt dem Kriterium der Attraktivität, z.B. wegen eines gleichförmigen Getränkeangebotes der Stände, eine hinreichende Unterscheidungskraft, darf die Standplatzvergabe nicht vorschnell auf das Sekundärkreterium "bekannt und bewährt" gestützt werden, weil hierdurch Neubewerbern eine realistische Zulassungschance verwehrt bleibt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Ablehnung seines Antrags auf Zulassung zur Teilnahme am Weihnachtsmarkt 2009 in Hannover rechtswidrig gewesen ist.
Mit Schreiben vom 10. März 2009 bewarb sich der Kläger neben weiteren 36 Bewerbern mit seinem Glühwein- und Feuerzangenbowlenstand um die Zulassung zur Teilnahme am Hannoveraner Weihnachtsmarkt, der von der Beklagten in der Zeit vom 25. November bis 23. Dezember 2009 veranstaltet wurde. Seinem Antrag waren Lichtbilder des Standes sowie eine Liste über sein Warenangebot beigefügt.
Mit Bescheid vom 29. Mai 2009 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Sie verwies auf die hohe Bewerberzahl, angesichts derer ihre Auswahlkommission am 23. April 2009 eine Bewertung der Angebote anhand der Vergaberichtlinien für den Weihnachtsmarkt der Landeshauptstadt Hannover habe vornehmen müssen. Auswahlkriterium seien dabei vorrangig die Attraktivität nach Maßgabe der weihnachtlichen Warenangebots und der weihnachtlichen Gestaltung sowie ergänzend die Zuverlässigkeit der Bewerber nach dem Kriterium "bekannt und bewährt" gewesen. Unter dem Gesichtspunkt der Attraktivität sei der Stand des Klägers als gleichwertig gegenüber den Mitbewerbern anzusehen, doch seien die Mitbewerber mit vergleichbarem Angebot unter dem Gesichtspunkt "bekannt und bewährt" vorzugswürdig.
Der Kläger hat am 18. Juni 2009 Klage erhoben und vorgetragen, die Beklagte habe ihre eigenen Vergabekriterien nicht ausgeschöpft. Allein nach dem Kriterium der Attraktivität hätte die Entscheidung unter dem Gesichtspunkt der Angebotsvielfalt zu seinen Gunsten ausfallen müssen. Zudem sei die weihnachtliche Gestaltung seines Standes mit nostalgischem Holzschindeldach und Glockenturm einzigartig. Darüber hinaus verfüge sein Stand im Unterschied zu den meisten Mitbewerbern über eine Fußbodenisolierung und Heizstrahler und sei barrierefrei. Das Hilfskriterium "bekannt und bewährt" nehme Neubewerbern eine realistische Zulassungschance.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2009 rechtswidrig gewesen ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat entgegnet, sie habe sich bei der Auswahlentscheidung nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen und nicht gegen den Gleichheitssatz verstoßen. Ihre Auswahlkommission teile alle Bewerbungen in die Hauptkategorien "Kunsthandwerk und Weihnachtsartikel" sowie "Imbiss- und Getränkestände" ein und habe dazu wiederum sachliche Untergruppen gebildet. Die Zuweisung einer Anzahl bestimmter Standplätze je Kategorie diene der Zielsetzung, ein möglichst breit gefächertes Angebot zu schaffen. Das Kriterium der Attraktivität bemesse sich nach der weihnachtlichen Gestaltung der Stände und des Angebots. Von den 37 Bewerbern der Unterkategorie "Getränke" hätten nur 15 berücksichtigt werden können. Davon seien 11 Bewerber ausgewählt worden, bei denen die weihnachtliche Dekoration und Gestaltung der Stände als ausreichend angesehen wurde, um sogleich eine uneingeschränkte Zusage zu erhalten. Die Angebote weiterer fünf Bewerber, darunter auch das des Klägers, hätten dem Kriterium der Attraktivität mit geringen Abstrichen entsprochen. Den vier Konkurrenten des Klägers sei daraufhin nach Maßgabe des Hilfskriteriums "bekannt und bewährt" der Vorzug eingeräumt worden, da sie sich bereits in den vergangenen Jahren als zuverlässig erwiesen hätten; das Kriterium "Barrierefreiheit" sei nicht angewandt worden. Diese vier Bewerber hätten daher eine Zusage mit der Auflage erhalten, die weihnachtliche Gestaltung ihrer Stände nach Maßgabe der "Dekorationsvorschriften" zu verbessern.
Mit Urteil vom 24. März 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Auswahlentscheidung der Beklagten sei rechtmäßig gewesen, soweit diese sich vorrangig auf das Kriterium der Attraktivität gestützt und nur nachrangig an der bisherigen Bewährung der Schausteller orientiert habe. Ein solches Verfahren sei geeignet, die Zulassungschancen auch von Neubewerbern zu gewährleisten. Die Ausrichtung des Attraktivitätskriteriums an der weihnachtlichen Gestaltung der Stände und des Angebots sei nicht sachfremd und die konkrete Auswahlentscheidung trage diesem Kriterium Rechnung. Die Auswahlkommission habe sich unter Beachtung des Gleichheitssatzes an den Darstellungen und Beschreibungen der Stände orientiert, wie sie in den eingereichten Bewerbungsunterlagen enthalten gewesen seien. Trotz leichter sprachlicher Abweichungen stünden nach allen Fassungen der Vergaberichtlinien die weihnachtliche Gestaltung des Angebots und die weihnachtliche Gestaltung der Stände als Indikatoren für die Attraktivität des Angebots gleichberechtigt nebeneinander. Hinsichtlich seines weihnachtlichen Getränkeangebotes habe sich der Kläger nicht von den Mitbewerbern in der engeren Auswahl abgehoben. Es sei daher nicht ermessensfehlerhaft, dem Kriterium der weihnachtlichen Gestaltung und Dekoration größere Bedeutung beizumessen. Weil aber letztlich alle ausgewählten Stände ebenso wie der klägerische Getränkestand über die entsprechenden weihnachtlichen Gestaltungselemente verfügten, sei die Zuschlagserteilung an vier Mitbewerber nach dem Sekundärkriterium "bekannt und bewährt" rechtmäßig erfolgt. Die Maßgabe, dass die erfolgreichen Bewerber ihre Stände mit Blick auf die weihnachtliche Dekoration zu verbessern hätten, sei vor diesem Hintergrund keine gleichheitswidrige Einräumung einer Nachbesserungsmöglichkeit, sondern ein Zuschlag unter der Auflage gewesen, dass durch Korrekturen an der optischen Gestaltung die nach den Vergabegrundsätzen für den Weihnachtsmarkt geltenden Standards eingehalten würden.
Gegen diese Entscheidung führt der Kläger die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung. Er hält die Auswahlentscheidung der Beklagten weiterhin für rechtswidrig. Die Beklagte habe willkürlich eine bestimmte Bewerberanzahl als attraktiv eingestuft und unter diesen dann nach dem Kriterium "bekannt und bewährt" ausgewählt. Insofern könne auch die Argumentation des Verwaltungsgerichts nicht überzeugen, wonach es jeder Bewerber selbst in der Hand habe, durch Steigerung der Attraktivität die Zulassungsentscheidung zu beeinflussen. Denn dies sei nur nachvollziehbar, wenn die Attraktivität auch differenziert betrachtet werde. Das Kriterium "bekannt und bewährt" dürfe erst dann zum Tragen kommen, wenn sich nach Bewertung aller Attraktivitätsaspekte ein Gleichstand von Bewerbern ergebe. Vorliegend habe er aber, gemessen am Kriterium der Attraktivität, das bessere Angebot vorgelegt. Die Beklagte und das Verwaltungsgericht hätten insbesondere die Feuerzangenzubereitung im "Rühmann-Stil" als Kennzeichen der Originalität des klägerischen Standes nicht hinreichend gewürdigt und mit Blick auf die Gestaltung der Stände auch die weiteren Gesichtspunkte der Barrierefreiheit, Beheizung und die Fußbodenisolierung zu seinen Gunsten berücksichtigen müssen. Die Akzentuierung der Attraktivitätsaspekte dürfe nicht der Verwaltung anheimgestellt werden, vielmehr sei eine erschöpfende Anwendung der relevanten Parameter rechtlich geboten. Die Verwaltungspraxis, wonach es Mitbewerbern gestattet worden sei, ihr Angebot nach erfolgter Zulassung nachzubessern, habe ihn benachteiligt. Auch in den Jahren 2010 und 2011 sei er nicht zum Zuge gekommen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2009 rechtswidrig gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht sich durch das Urteil des Verwaltungsgerichts in ihrer Rechtsauffassung bestätigt, dass die Auswahl unter den Bewerbern rechtsfehlerfrei erfolgt sei. Das Kriterium des weihnachtlichen Getränkeangebots habe keinem Bewerber ein Alleinstellungsmerkmal verliehen. Mit Blick auf die weihnachtliche Gestaltung der Stände habe infolge der vorrangigen Anwendung des Attraktivitätskriteriums auch vor Heranziehung des Auswahlgrundsatzes "bekannt und bewährt" für den Kläger eine reelle Zulassungschance bestanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat Erfolg.
Die Klage ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 18.07.2002 - 7 LB 3835/01 -, NJW 2003, 531 <532>) und in der Sache auch begründet.
Die Auswahlentscheidung zulasten des Klägers entspricht nicht den Voraussetzungen des § 70 Abs. 3 der Gewerbeordnung (GewO) i.d.Fass. der Bek. v. 22.02.1999 (BGBl. I S. 202).
1.
Grundsätzlich haben Marktteilnehmer gemäß § 70 Abs. 1 GewO einen Anspruch auf Zulassung zu einem nach § 69 GewO festgesetzten Weihnachtsmarkt. Ein Veranstalter kann jedoch aus sachlich gerechtfertigten Gründen, insbesondere wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, einzelne Aussteller von der Teilnahme ausschließen (§ 70 Abs. 3 GewO). Insofern steht es grundsätzlich in seinem gerichtlich nur beschränkt nachprüfbaren Ermessen, nach welchem System er die erforderliche Auswahlentscheidung zwischen mehreren Anbietern trifft (Nds. OVG, Urt. v.26.08.1981 - 9 A 65/81 -, NVwZ 1983, 49 <50>; Urt. v. 16.06.2005 - 7 LC 201/03 -, NVwZ-RR 2006, 177). Dieses Verteilungsermessen unterliegt neben den jede Ermessensentscheidung bindenden Grundsätzen vor allem den sich aus den Grundsätzen der Marktfreiheit ergebenden Schranken, da der in§ 70 Abs. 1 GewO niedergelegte Grundsatz der Marktfreiheit durch die Ermessensregelung in dessen Abs. 3 nur modifiziert, nicht aber aufgehoben werden sollte (BVerwG, Urt. v. 27.04.1984 - 1 C 24.82 - NVwZ1984, 585). Eine Auswahlentscheidung nach einem System, das Neu- oder Wiederholungsbewerbern, die nicht auf dem Markt vertreten waren, weder im Jahr der Antragstellung noch in erkennbarem zeitlichen Turnus eine Zulassungschance einräumt, liegt in jedem Fall außerhalb der Ermessensgrenzen des § 70 Abs. 3 GewO (vgl. BVerwG Urt. v. 27.04.1984 - 1 C 24.82 - NVwZ1984, 585; Nds. OVG, Urt. v. 18.07.2002 - 7 LB 3835/01 -, NJW 2003, 531 <532>).
2.
Diesen Anforderungen hält die angegriffene Auswahlentscheidung der Beklagten nicht stand.
In dem hier betroffenen Angebotssegment "Getränke" auf einem Weihnachtsmarkt führt die konkrete Standplatzvergabe nach dem primären Kriterium der Attraktivität und einer nachgeschalteten Entscheidung nach dem Grundsatz "bekannt und bewährt" in der Regel dazu, dass Neubewerber gegenüber den Altbeschickern in einer Weise benachteiligt werden, die ihnen keine realistische Zulassungschance eröffnet.
a)
Die Anwendung des Kriteriums der Attraktivität als Auswahlmaßstab für die Zulassung zu Weihnachtsmärkten in Fällen nicht ausreichender Kapazität begegnet als solche keinen prinzipiellen Bedenken. Dieses Vergabeverfahren ist im Grundsatz gut geeignet, die der Marktfreiheit immanente Zulassungschance im Rahmen des § 70 Abs. 3 GewO zu garantieren (OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 22.12.2000 - 11 A 11462/99 - Rz. 5 bei [...]; VG Hannover, Urt. v. 09.12.2008 - 11 A 1537/07 -, GewArch 2009, 82 <83>; Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 70 Rn. 13). Vor allem in Ansehung der auf Weihnachtsmärkten vertretenen Anbieter von Kunsthandwerk und Weihnachtsartikeln ist dieses Kriterium durchaus gängig und vielfach geeignet, so schwierig eine Attraktivität im Einzelnen zu bestimmen oder zu vergleichen sein mag (vgl. VG Mainz, Urt. v. 16.02.2009 - 6 K 560/08 MZ - GewArch2010, 313), eine sachgerechte Differenzierung vorzunehmen. Das Kriterium der Attraktivität kann daher grundsätzlich auch als zulässiger Bewertungsmaßstab für die einzelnen Anbieter innerhalb bestimmter Marktsegmente herangezogen werden, soweit dadurch Unterschiede identifiziert werden können, mögen sie auch gering sein (Bay. VGH, Beschl. v. 20.07.2011 - 22 ZB 10.1135 -, BayVBl. 2012, 118 <119>).
b)
In dem hier konkret zu beurteilenden Marktsegment der Glühwein- und Feuerzangenbowlenstände erweist sich das Attraktivitätskriterium in der Art und Weise, wie es von der Beklagten ausgestaltet wurde, als untauglich zur Binnendifferenzierung im Sinne einer qualitativen Unterscheidung der Bewerber. Das nach Maßgabe der - auch seither nicht entscheidend veränderten - Vergaberichtlinien der Beklagten damit regelmäßig zentral zum Einsatz kommende Sekundärkriterium "bekannt und bewährt" kann realistische Zulassungschancen von Neubewerben nicht sichern.
Die Beklagte hat, wie das Verwaltungsgericht zutreffend herausgearbeitet hat, das Attraktivitätskriterium auf mehreren Stufen angewendet. Sie hat nach Maßgabe ihrer Vergaberichtlinien zunächst auf die "Attraktivität des Weihnachtsmarktes" insgesamt abgehoben, um eine Angebotsvielfalt zu gewährleisten. Dies hat zu einer Einteilung in die zwei Hauptkategorien "Kunsthandwerk, Spielwaren, Weihnachtsartikel, Kinderkarussells und Haushaltswaren" sowie "Getränke, Imbiss, Imbiss und Getränke, Süßwaren sowie Obst- und Gewürze" nebst weiteren Untersegmenten geführt, die sich im Wesentlichen aus der Auflistung in der Bezeichnung der Hauptkategorien erschließen. Innerhalb dieser Untersegmente ist die Attraktivität der Angebote primär nach den gleichrangig zur Anwendung gekommenen Auswahlkriterien "Weihnachtliche Gestaltung der Stände" und "Weihnachtliche Gestaltung des Angebots" spezifiziert worden. Ausweislich des Protokolls der Auswahlkommissionssitzung am 23.04.2009 hat diese Vorgehensweise in dem vorliegend relevanten Segment "Getränke" dazu geführt, dass neben Bewerbern, die aus anderen Gründen (z.B. fehlenden Unterlagen) auszuscheiden waren, auch elf Bewerber abgelehnt wurden, weil sie keine bzw. eine nur sehr unzureichende weihnachtliche Gestaltung nachweisen konnten. Bei den verbliebenen Bewerbern ist die Beklagte jedoch zu der Auffassung gelangt, dass mit Blick auf das Getränkeangebot sämtlicher Bewerber keine weitere Differenzierung mehr möglich sei, weil sich das Kriterium der "weihnachtliche Gestaltung des Angebots" für eine nähere Positivdifferenzierung als unergiebig erwiesen habe. Ebenso hat sich gezeigt, dass dem Kriterium "weihnachtliche Gestaltung der Stände" keine maßgebliche Unterscheidungskraft für eine notwendige positive Binnendifferenzierung zukam, weil auch insofern die Ausstattung der konkurrierenden Stände jeweils entsprechende weihnachtliche Gestaltungsmerkmale aufwies. Entsprechend ist dem Kläger in der Begründung zum angegriffenen Bescheid mitgeteilt worden, dass seine "Bewerbung hinsichtlich der Dekoration als gleichwertig gegenüber anderen Bewerbern anzusehen" sei. Verbleibende Unterschiede zwischen den elf vorrangig ausgewählten Bewerbern und den restlichen fünf Bewerbern waren so marginal, dass sie die Beklagte nicht zur Differenzierung zwischen den verbleibenden Bewerbern befähigten, sondern - nach Zuschlagserteilung durch Anwendung des Kriteriums "bekannt und bewährt" - im Wege von Nebenbestimmungen den Dekorationsvorgaben der Beklagten angepasst werden sollten.
c)
Damit hat die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Die Auswahlentscheidung muss transparent und sachgerecht erfolgen (VGH BW, Urt. v.01.10.2009 - 6 S 99/09 -, BWGZ 2011, 613; Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 70 Rn. 43;Wagner, in: Friauf, GewO, Stand: Nov. 2011, § 70 Rn. 58). Sachgerecht im obigen Sinne kann die Entscheidung nur dann sein, wenn sie die Eigenheiten des jeweiligen Marktsegments berücksichtigt. Während es etwa bei den Marktsegmenten "Kunsthandwerk" oder "Karusselle" unter dem Gesichtspunkt der Attraktivität des Angebots durchaus greifbare Unterschiede gibt, ist dies bei Ständen für Glühwein etc. nur eingeschränkt der Fall. Diese zeichnen sich durch ein so hohes Maß an Ähnlichkeit aus, dass eine sinnvolle Unterscheidbarkeit nicht gegeben ist; alle vertreiben ein nahezu identisches Getränkeangebot und verfügen im Regelfall über eine ähnliche äußere weihnachtstypische Gestaltung. Diese Eigenart macht die Stände in gewisser Weise austauschbar und hat dazu geführt, dass die Weihnachtsmärkte der meisten Städte in dieser Hinsicht einander zum Verwechseln ähneln.
Wenn aber im Marktsegment "Getränke" die Attraktivität am Maßstab der Weihnachtlichkeit allein keine plausible Entscheidung begründen kann, ist zur Erreichung einer sachgerechten Ermessensausübung entweder das Kriterium der Attraktivität weiter auszudifferenzieren oder es ist auf zusätzliche objektive Kriterien zurückzugreifen. Denn durch das nach der Vergaberichtlinie der Beklagten andernfalls zum zentral bedeutsamen Maßstab erwachsende Kriterium "bekannt und bewährt" wird die Zulassungschance von Neubewerbern nicht hinreichend gewahrt.
Daran gemessen ist die Auswahlentscheidung der Beklagten ermessensfehlerhaft, denn sie hat ihre Auswahlkriterien, wie es in diesem Marktsegment erforderlich gewesen wäre, um Zugangschancen der Neubewerber zu sichern, weder ergänzt noch weiter ausdifferenziert. Es liegt im sachgerecht auszuübenden Ermessen der Beklagten, auf welche Weise sie dieses Defizit behebt. Unter dem Gesichtspunkt der weiteren Ausdifferenzierung wäre es etwa denkbar, die vom Kläger hervorgehobenen Aspekte der Fußbodenisolierung und einer Beheizung als weitere Attraktivitätskriterien heranzuziehen, denn Isolation und Beheizung von Getränkeständen auf einem Weihnachtsmarkt können in Anbetracht der typischen Witterungsverhältnisse in der Vorweihnachtszeit durchaus Attraktivitätsvorteile bieten. Gleiches gilt für die Barrierefreiheit unter dem Aspekt einer Erreichbarkeit auch für gehbehinderte Besucher. Unter dem Gesichtspunkt der Ergänzung um weitere Kriterien wäre es beispielsweise auch denkbar, einzelne Standplätze speziell für Neubewerber vorzusehen (dazu OVG Hamburg, Urt. v. 04.11.1986 - Bf VI 12/86-, GewArch 1987, 303 <304 f.>) oder im Wege des Losverfahrens zu vergeben, was Neubewerbern ebenfalls bessere Chancen als das Kriterium "bekannt und bewährt" böte (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 04.10.2005 - 6 B 63.05 -, NVwZ-RR 2006, 786; Nds. OVG, Urt. V. 16.06.2005 - 7 LC 201/03 -, NVwZ-RR 2006, 177 <178>).
Die bisherige Zulassungspraxis verletzt jedenfalls die in § 70 Abs. 1 GewO verankerte Marktfreiheit des Klägers. Er muss angesichts des im Segment "Getränke" übermäßig häufig vom Hilfs- zum Hauptkriterium aufrückenden Auswahlgrundsatzes "bekannt und bewährt" stets in Kauf nehmen, nicht berücksichtigt zu werden. Denn ein Neubewerber muss sich diesen Status erst erarbeiten, was aber nicht möglich ist, wenn bei Kapazitätsmängeln regelmäßig bekannte und bewährte Altbewerber bevorzugt werden (vgl. BVerwG Urt. v. 27.04.1984 - 1 C 24.82 -, NVwZ1984, 585). Eine realistische Möglichkeit zur Zulassung ist dem Kläger nach der bisher praktizierten Vergabepraxis somit auf absehbare Zeit verwehrt.