Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.05.2012, Az.: 4 LC 266/09
Gefährdung von Ziel und Zweck einer Leistung an junge Volljährige bei Sorge um eine Stabilisierung des Volljährigen durch die Heranziehung zu den Kosten
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 22.05.2012
- Aktenzeichen
- 4 LC 266/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 18352
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0522.4LC266.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - 03.09.2009 - AZ: 4 A 174/08
Rechtsgrundlage
- § 92 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 SGB VIII
Fundstellen
- DVBl 2012, 1056
- DÖV 2012, 696
Amtlicher Leitsatz
Bei Leistungen an junge Volljährige kann eine Gefährdung von Ziel und Zweck der Leistung im Sinne von § 92 Abs. 5 Satz 1 1. Var. SGB VIII vorliegen, wenn die Maßnahme gerade abgeschlossen ist und berechtigter Anlass zu der Befürchtung besteht, dass eine bereits eingetretene Stabilisierung des jungen Volljährigen durch die (nachträgliche) Heranziehung zu den Kosten verloren geht.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu den Kosten einer ihr gewährten Hilfe für junge Volljährige aus ihrem Vermögen.
Für die am 20. März 1990 geborene Klägerin, deren Mutter im März 2001 verstarb, bewilligte der Beklagte dem Vater der Klägerin ab dem 1. September 2002 Hilfe zur Erziehung in Form der Internatsunterbringung gemäß § 27 i. V. m.§ 34 SGB VIII. Bis Juli 2005 war die Klägerin zunächst in der Einrichtung Grabbe-Internat in B. untergebracht, ab August 2005 in der Einrichtung CJD Jugenddorf-Christopherusschule in C.. Vor Eintritt der Volljährigkeit beantragte die Klägerin unter dem 3. März 2008 Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII. Der Beklagte gewährte auf ihren Antrag mit Bescheid vom 31. März 2008 unter Bezugnahme auf das Fortschreibungsprotokoll vom 26. Oktober 2007 Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII i. V. m. § 34 SGB VIII in Form der (weiteren) Unterbringung der Klägerin im CJD C. ab dem 20. März 2008. In dem Fortschreibungsprotokoll vom 26. Oktober 2007 führte der Beklagte unter Hinweis auf den Entwicklungsbericht der Einrichtung des CJD C. vom 26. Oktober 2007 u. a. aus, dass die Verselbständigung der Klägerin im Vordergrund stehe und Form und Umfang der bislang gewährten Hilfe weiter bestehen blieben.
Um die Heranziehung der Klägerin zu den Kosten der ihr gewährten Hilfe für junge Volljährige prüfen zu können, forderte der Beklagte die Klägerin mit weiterem Bescheid vom 4. April 2008 auf, Angaben zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu machen. Die Klägerin gab daraufhin auf dem von ihr unterzeichneten Vordruck an, über Einkommen aus Kapitalvermögen in Höhe von 770,- EUR, aus Rentenzahlungen in Höhe von 196,- EUR und über Ersparnisse bzw. Bankguthaben in Höhe von ca. 18.000 EUR zu verfügen sowie darüber hinaus mit einem Anteil von 25 Prozent Miteigentümerin einer Immobilie zu sein.
In dem Fortschreibungsprotokoll vom 18. April 2008 stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin weiterhin Unterstützung, Hilfe und Begleitung u.a. in den Bereichen Verselbständigung und Versorgung sowie bei der Stabilisierung ihres Drogenkonsums benötige, eine Betreuung im Internat jedoch längstens bis zur Beendigung der Schule im Juni 2008 erfolgen könne. Hinsichtlich des Umfangs und der Ausgestaltung der Hilfe vermerkte der Beklagte, dass ein Wechsel der Klägerin in eine eigene Wohnung und ambulante Betreuung ab dem 1. Juli 2008 bzw. ab dem 1. August 2008 "angedacht" seien.
Unter dem 9. Mai 2008 forderte der Beklagte die Klägerin auf, Nachweise zu dem von ihr angegebenen Vermögen in Höhe von ca. 18.000,- EUR vorzulegen. Mit Schreiben vom 6. Juni 2008 teilte die Klägerin mit, dass sie über ihre Vermögenswerte nicht verfügen könne, da diese von ihrem Vater verwaltet würden. Mit Schreiben vom 10. Juni 2008 reichte der Vater der Klägerin u.a. einen Auszug über ein Sparkonto (Kontonummer 270 4609012 90) mit einem Guthaben von 3.996,95 EUR (Stand 11. Februar 2008) sowie einen Auszug über ein Depotkonto (Nummer 270 4609012 00) bei der Commerzbank mit einem Guthaben von 14.014,- EUR (Stand 31. Dezember 2007). Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 25. Juli 2008 mit, dass sie für die ihr gewährte Hilfe den Teil ihres Vermögens einzusetzen habe, der einen Freibetrag von 2.600,- EUR übersteige, und daher beabsichtigt sei, das Guthaben des Depots in Höhe von 14.014,- EUR in voller Höhe und das Sparkontoguthaben unter Berücksichtigung des Freibetrages in Höhe von 1.396,95 EUR zu fordern.
Mit Schreiben vom 6. August 2008 zeigten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegenüber dem Beklagten unter Vorlage einer Vollmacht "in Sachen D. ./. D. wegen Unterhalt" an, dass sie zur Wahrnehmung der Interessen der Klägerin beauftragt worden seien und teilten zu dem Anhörungsschreiben vom 25. Juli 2008 mit, dass die Klägerin erst ab Oktober 2008 über ihr Depotguthaben und ihr Sparkonto verfügen könne. Im Übrigen benötige die Klägerin ihr Vermögen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes, da sie von ihrem Vater keine Unterhaltszahlungen erhalte und beabsichtige, ab August 2008 ein Berufsgrundschuljahr zu absolvieren. Darüber hinaus bestehe ein kostenintensiver Rechtsstreit mit ihrem Vater. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach Eintritt der Volljährigkeit gezwungen gewesen sei, zur Erlangung des Schulabschlusses noch für etwa vier Monate im Internat zu verbleiben, da sie familiär völlig entwurzelt sei, und dass sie sich nunmehr - nach dem Auszug aus dem Internat - einen kompletten Hausrat und wegen des Schulbesuchs diverse Lernmittel anschaffen müsse. Eine Heranziehung zu den Kosten der Jugendhilfe aus ihrem Vermögen sei daher grob unbillig.
Da die Klägerin am 1. August 2008 aus dem Internat ausgezogen war, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 19. August 2008 die Hilfegewährung mit Ablauf des 31. Juli 2008 ein und setzte mit weiterem Bescheid vom 1. Oktober 2008 für die in der Zeit vom 20. März 2008 bis zum 31. Juli 2008 gewährte Hilfe für junge Volljährige einen Kostenbeitrag in Höhe von 14.555,84 EUR fest mit der Begründung, dass in dieser Höhe Aufwendungen für die Gewährung von Jugendhilfe entstanden seien und die Klägerin keine Gründe dargelegt habe, die eine abweichende Berechnung oder den Verzicht auf eine Heranziehung rechtfertigen könnten. Der Bescheid vom 1. Oktober 2008 wurde der Klägerin am 4. Oktober 2008 im Wege der Ersatzzustellung durch Niederlegung zugestellt. Die Klägerin leitete den Bescheid mit Schreiben vom 31. Oktober 2008 an ihre Verfahrensbevollmächtigten weiter, das dort am 7. November 2008 einging.
Am 10. November 2008, einem Montag, erhob die Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigten gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2008 Klage unter Wiederholung ihres Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2008 hob der Beklagte den Bescheid vom 1. Oktober 2008 auf, soweit darin ein höherer Kostenbeitrag als 13.569,23 EUR festgesetzt worden war, und setzte für die Zeit vom 20. März bis 31. Juli 2008 einen Kostenbeitrag in Höhe von insgesamt 13.569,23 EUR fest. Die Reduzierung des Kostenbeitrags begründete der Beklagte damit, dass die von der Klägerin direkt an die Jugendhilfeeinrichtung geleistete Halbwaisenrente bei der Berechnung der erbrachten Jugendhilfeleistung bislang nicht berücksichtigt worden sei.
Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2008 erklärten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Rechtsstreit für erledigt, soweit der Beklagte seine Kostenbeitragsforderung gegen die Klägerin von 14.555,84 EUR auf 13.569,23 EUR reduziert hatte, und erhoben im Übrigen Klage gegen den Änderungsbescheid vom 3. Dezember 2008 unter gleichzeitiger Beantragung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2008 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 3. Dezember 2008. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. Januar 2009 - 4 B 17/08 - mit der Begründung ab, dass die Klägerin zuvor keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Beklagten gestellt habe. Nachdem der Beklagte einen daraufhin von der Klägerin gestellten Aussetzungsantrag abgelehnt und die Klägerin erneut vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht beantragt hatte, ordnete das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. März 2009 - 4 B 3/09 - die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Kostenbeitragsbescheid vom 3. Dezember 2008 mit der Begründung an, dass durch eine Heranziehung der Klägerin zu den Kosten der ihr gewährten Hilfe aus ihrem Vermögen Ziel und Zweck der Leistung gefährdet seien und daher gemäß § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII ein vollständiger Verzicht auf die Heranziehung geboten sei.
Unter Bezugnahme auf den verwaltungsgerichtlichen Beschluss vom 24. März 2009 - 4 B 3/09 - wandte die Klägerin im Klageverfahren gegen die Heranziehung zu den Kosten aus ihrem Vermögen ergänzend ein, dass sie nach dem Auszug aus dem Internat am 1. August 2008 zu ihrer Schwester gezogen sei und dort "ambulant campiert" habe. Nachdem die Schwester zum 1. September 2008 die Wohnung verlassen habe, habe sie die Wohnung mit sämtlichem Inventar übernehmen können, wofür sie der Schwester noch einen Betrag in Höhe von 3.000,- EURO zukommen lassen müsse. Die Übernahme der Wohnung, die sich in E. befinde, sei auch deshalb für sie günstig, da sie von dort ihre neue Ausbildungsstätte in F. besser erreichen könne als zunächst wie geplant von G. aus. Sie beabsichtige, dort ihren Realschulabschluss zu machen, um ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz zu erhöhen. Darüber hinaus müsse sie von ihrem relativ kleinen Vermögen ihren monatlichen Lebensunterhalt bestreiten, um nicht auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfemitteln angewiesen zu sein. In der Zeit von August 2008 bis Ende 2008 habe sie allein von ihrem Vermögen gelebt, da ihr Vater ihr weder die Halbwaisenrente noch das Kindergeld ausgezahlt habe. Soweit der Beklagte darauf verweise, dass sie zu dem bereits bekannten Vermögen auch Mitglied einer ungeteilten Erbengemeinschaft sei und damit zu 25 % Eigentümerin an einer Immobilie, in der bislang noch ihr Vater lebe, so sei dies zwar zutreffend, jedoch sei sie unlängst von dem Prozessbevollmächtigten ihres Vaters aufgefordert worden, für Reparaturkosten an dem Gebäude insgesamt einen Betrag in Höhe von 13.497,12 EUR an ihn zu zahlen. Sowohl die Auseinandersetzung mit ihrem Vater als auch die vorliegende Rechtsstreitigkeit belaste sie psychisch stark.
In der mündlichen Verhandlung am 3. September 2009 hat der Beklagte den Rechtsstreit ebenfalls für erledigt erklärt, soweit die mit Bescheid vom 1. Oktober 2008 geltend gemachte Forderung mit Bescheid vom 3. Dezember 2008 herabgesetzt worden ist.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 1. Oktober 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 3. Dezember 2008 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und erwidert, dass die Klage gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2008 unzulässig sei, da die Klagefrist nicht eingehalten worden sei. Darüber hinaus sei kein besonderer Härtefall gegeben, der ein vollständiges Absehen von der Inanspruchnahme der Klägerin zur Leistung eines Kostenbeitrages aus ihrem Vermögen gebiete. Der Klägerin sei es durch die Inanspruchnahme der ihr gewährten Jugendhilfe möglich gewesen, einen Schulabschluss zu erlangen, so dass sie eine konkrete Aussicht habe, ihr Leben in Zukunft ohne weitere Betreuung durch das Jugendamt zu gestalten. Die Klägerin habe die ihr gewährte Jugendhilfemaßnahme ohne Rücksprache mit dem Jugendamt überraschend mit Ablauf des 31. Juli 2008 beendet und weitere Hilfeleistungen nicht mehr gewünscht. Diese seien aus pädagogischer Sicht aber auch nicht mehr erforderlich gewesen. Da der Gesetzgeber auch junge Volljährige aus ihrem Vermögen ausdrücklich zu einer Kostenbeteiligung für die ihnen gewährten Jugendhilfemaßnahmen heranziehe, sei eine Inanspruchnahme der Klägerin geboten.
Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 3. September 2009 das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, und im Übrigen den Bescheid des Beklagten vom 1. Oktober 2008 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 3. Dezember 2008 aufgehoben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 1. Oktober 2008 zulässig sei, diese insbesondere entgegen der Auffassung des Beklagten nicht verfristet eingegangen sei. Der Beklagte habe sich entschieden, den Bescheid vom 1. Oktober 2008 förmlich zuzustellen, so dass er die für eine förmliche Zustellung vorgeschriebenen Förmlichkeiten zu beachten gehabt habe. Der Beklagte sei daher gemäß § 1 Abs. 1 Nds. Verwaltungszustellungsgesetz i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG verpflichtet gewesen, den angefochtenen Bescheid vom 1. Oktober 2008 an die Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin zuzustellen, da diese sich bereits im Anhörungsverfahren für die Klägerin unter Vorlage einer schriftlichen Vollmacht gemeldet hatten. Nach der sich in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten befindlichen Vollmacht seien die Prozessbevollmächtigten der Klägerin dazu legitimiert gewesen, sie in unterhaltsrechtlichen Streitigkeiten zu vertreten. Grundsätzlich reiche der Inhalt einer Vollmacht soweit, wie sich der Prozessbevollmächtigte bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtungsweise nach dem Streitstoff angesichts des Zwecks, der mit seiner Beauftragung verfolgt wird, zu einer Rechtshandlung im Interesse seines Auftrag- und Vollmachtgebers als ermächtigt ansehen dürfe. Hiervon ausgehend seien die Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch zur Vertretung der Klägerin im kostenbeitragsrechtlichen Verfahren legitimiert gewesen. Etwaige Zweifel des Beklagten hieran hätte dieser den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor Erlass des Bescheides vom 1. Oktober 2008 mitteilen müssen und nicht erst im Anschluss hieran, so dass die Zustellung des angefochtenen Bescheides des Beklagten vom 1. Oktober 2008 zwingend an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hätte erfolgen müssen. Die fehlerhafte Bekanntmachung sei vorliegend jedoch durch § 8 VwZG geheilt worden, da die Prozessbevollmächtigten der Klägerin von dieser am 7. November 2008 den angefochtenen Bescheid tatsächlich erhalten habe. Damit habe die Frist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen, so dass die am 10. November 2008 erhobene Klage gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2008 zulässig sei. Die Klage gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 3. Dezember 2008 sei auch begründet. Die Voraussetzungen des § 92 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. SGB VIII seien im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses gegeben gewesen seien, da durch die Heranziehung der Klägerin zu einem Kostenbeitrag aus ihrem Vermögen Ziel und Zweck der Leistung gefährdet worden wären. Ziel und Zweck der der Klägerin als junger Volljährigen gewährten Hilfe in Form der Internatsunterbringung im CJD Jugenddorf in C. seien insbesondere gewesen, ihr Hilfe für ihre Persönlichkeitsentwicklung sowie zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung zu leisten (§ 41 Abs. 1 SGB VIII sowie § 1 Abs. 1 und 3 SGB VIII). Auch wenn beim Abschluss der Hilfe für junge Volljährige grundsätzlich der Prozess der Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen sowie die Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Lebensführung ohne Fremdhilfe noch nicht vorhanden sein müssten, sei das genannte Ziel der Hilfegewährung nach § 41 SGB VIII durch die vollständige Heranziehung der Klägerin zu den Kosten der ihr gewährten Jugendhilfemaßnahme im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides gefährdet gewesen. Gerade zu diesem Zeitpunkt seien die Einkommensverhältnisse der Klägerin nicht geklärt gewesen, insbesondere hätten regelmäßige Unterhaltszahlungen ihres Vaters gefehlt. Die durch die Hilfemaßnahme zunächst in Aussicht gestellte spürbare Verbesserung und Förderung der Persönlichkeitsentwicklung der Klägerin, die sich in der Erlangung des Hauptschulabschlusses gezeigt habe, wäre durch die vollständige Heranziehung der Klägerin aus ihrem relativ geringen Vermögen in dieser für sie schwierigen Zeit gehemmt und eine weitere Stabilisierung der Klägerin nach Abschluss der Jugendhilfemaßnahme ernsthaft gefährdet worden. Dieses gelte insbesondere vor dem Hintergrund der schwierigen familiären Verhältnisse sowie der sich mit ihrem Vater bereits zum damaligen Zeitpunkt abzeichnenden (und auch weiterhin andauernden) Erbauseinandersetzung, die die Klägerin nach ihrem eigenen Bekunden bis heute psychisch stark belaste. Dabei sei auch der vormalige Drogenkonsum der Klägerin mit in den Blick zu nehmen und angesichts ihrer Labilität Ziel und Zweck der Leistung durch eine eventuelle Rückfallgefahr als gefährdet anzusehen. Da die Voraussetzungen des § 92 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. SGB VIII gegeben seien und von der Sollbestimmung nur in atypischen Ausnahmefällen abgewichen werden dürfe, habe der Beklagte auf die Heranziehung der Klägerin aus ihrem Vermögen vollständig verzichten müssen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Beklagten.
Der Beklagte trägt zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen Folgendes vor:
Es treffe zwar zu, dass die Einkommensverhältnisse der Klägerin zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses im Oktober 2008 unklar gewesen seien, allerdings habe die Klägerin unstreitig über Vermögen verfügt, durch das - auch bei Berücksichtigung des festgesetzten Kostenbeitrags - ihr Lebensunterhalt sichergestellt gewesen sei. Zudem sei eine "völlige" wirtschaftliche Unabhängigkeit nicht das Ziel von Jugendhilfemaßnahmen. In den wenigsten Fällen sei bei Beendigung von Jugendhilfemaßnahmen die wirtschaftliche Unabhängigkeit junger Volljähriger gegeben. Es bedeute auch keine Gefährdung in der Persönlichkeitsentwicklung, wenn ein junger Erwachsener auf die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel angewiesen sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht habe die Klägerin mitgeteilt, dass sie sich nach der Möglichkeit des Bezugs von derartigen Leistungen erkundigt und die Auskunft erhalten habe, dass der Bezug von BAföG-Leistungen daran scheitere, dass Vermögen vorhanden sei. BAföG-Leistungen seien - ebenso wie Jugendhilfeleistungen - als Sozialleistungen von einem finanziellen Bedarf abhängig. Obwohl die Klägerin es offensichtlich akzeptiert habe, dass ihr wegen des vorhandenen Vermögens kein Anspruch auf BAföG-Leistungen zustehe, wende sie sich gegen eine Kostenbeteiligung an der erfolgten Internatsunterbringung, durch die ihr Bedarf gedeckt worden sei. Im Übrigen wäre die Entscheidung über die Gewährung von BAföG-Leistungen voraussichtlich anders ausgefallen, wenn die Klägerin auf die Kostenbeitragsheranziehung durch den Jugendhilfeträger hingewiesen hätte. Es sei ihr daher zuzumuten gewesen, für den beabsichtigten Schulbesuch BAföG-Leistung zu beantragen. Die Jugendhilfemaßnahme habe zudem im Sommer 2008 mit Erreichen des Hauptschulabschlusses geendet, so dass sie eine Perspektive für ihren weiteren Lebensweg hatte. Gefährdet seien Ziel und Zweck einer Jugendhilfemaßnahme nur dann, wenn die Kostenbeitragsforderung dazu führen würde, dass eine Hilfe nicht angenommen oder abgebrochen werde. Da die Klägerin bereist im August 2008 aus eigenem Entschluss aus dem Internat ausgezogen sei, könne die erst im Oktober bzw. Dezember 2008 erfolgte Kostenbeitragsheranziehung für die Beendigung der Maßnahme jedoch nicht ursächlich geworden sein. Schließlich gehe der Gesetzgeber grundsätzlich davon aus, dass junge Volljährige zu in Anspruch genommener Jugendhilfe aus ihrem Vermögen beizutragen haben. Ein Verzicht auf die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag komme daher - abgesehen von den Fällen, in denen die Jugendhilfemaßnahme gefährdet sei - nur in Betracht, wenn im Einzelfall eine besondere Härte anzunehmen sei. Der Fall der Klägerin sei jedoch nicht atypisch.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 4. Kammer - vom 13. September 2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt unter Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung ergänzend aus, dass sie neben dem geltend gemachten Kostenbeitrag in Höhe von 13.569,63 EUR weiteren Kosten wegen des mit ihrem Vater geführten Rechtsstreits ausgesetzt gewesen sei undBAföG-Leistungen nach dem Auszug aus dem Internat nicht erhalten habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
II.
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.
Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Beklagten vom 1. Oktober 2008 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 3. Dezember 2008, mit dem die Klägerin zu den Kosten der ihr in der Zeit vom 20. März 2008 bis einschließlich 31. Juli 2008 gewährten Hilfe für junge Volljährige herangezogen worden ist, zu Recht aufgehoben.
Gegenstand des Anfechtungsbegehrens der Klägerin ist der Bescheid vom 1. Oktober 2008 in der Gestalt, die er durch den im Verlauf des erstinstanzlichen Klageverfahrens erlassenen Änderungsbescheid vom 3. Dezember 2008 erhalten hat. Die Klägerin hat ihre zunächst gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2008 gerichtete Klage zulässigerweise auf den Änderungsbescheid vom 3. Dezember 2008 erstreckt, indem sie mit beim Verwaltungsgericht am 16. Dezember 2008 eingegangenen Schriftsatz vom 15. Dezember 2008 auch die Aufhebung des Bescheids vom 3. Dezember 2008 beantragt hat. Ob darin eine nach § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO grundsätzlich zulässige Erweiterung/Beschränkung des Klageantrags oder eine Klageänderung i.S.d. § 91 VwGO vorliegt, kann dahinstehen. Sollte eine Klageänderung vorliegen, wäre diese nämlich nach § 91 Abs. 1 VwGO zulässig, weil der Beklagte sich ohne Widerspruch auf die Einbeziehung des Änderungsbescheides in das Klageverfahren eingelassen hat (§ 91 Abs. 2 VwGO) und diese außerdem als sachdienlich anzusehen ist.
Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat fristgemäß innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids vom 1. Oktober 2008 Klage erhoben. Hinsichtlich der Einhaltung der Klagefrist in Bezug auf diesen Bescheid nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in den Gründen des erstinstanzlichen Urteils. Auch der Änderungsbescheid vom 3. Dezember 2008 ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe in die Klage einbezogen worden, so dass auch insoweit die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO gewahrt ist.
Die Klage ist auch begründet. Denn der Bescheid vom 1. Oktober 2008 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 3. Dezember 2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 1. Oktober 2008 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 3. Dezember 2008 ist auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Erlasses abzustellen. Grundsätzlich ist die Klägerin, da ihr als junger Volljährigen gemäß § 41 SGB VIII i. V. m. § 34 SGB VIII in der Zeit vom 20. März 2008 bis einschließlich 31. Juli 2008 Hilfe in Form der Heimunterbringung gewährt worden ist, gemäß § 92 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII (in der bis zum 15. Dezember 2008 gültigen Fassung) i. V. m. § 91 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 5 b) SGB VIII zu den Kosten dieser Maßnahme heranzuziehen. Als junge Volljährige ist die Klägerin auch nicht lediglich aus ihrem Einkommen, sondern gemäß § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII (in der bis zum 15. Dezember 2008 gültigen Fassung; nunmehr § 92 Abs. 1a SGB VIII) zusätzlich auch aus ihrem Vermögen nach den §§ 90 und 91 des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuchs heranzuziehen. Hieraus folgt, dass sie gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII grundsätzlich ihr gesamtes verwertbare Vermögen mit Ausnahme der in § 90 Abs. 2 SGB XII genannten Vermögensgegenstände einzusetzen hat. Eine Verwertung des Vermögens darf gemäß § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII indes nicht erfolgen, wenn dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Ergänzend zu den vorgenannten Bestimmungen des SGB XII ist gemäß § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII bei der Heranziehung eines jungen Volljährigen aus seinem Vermögen zu prüfen, ob durch eine Heranziehung Ziel und Zweck der Leistung gefährdet würden oder sich aus der Heranziehung eine besondere Härte ergäbe. Bei Vorliegen einer dieser Voraussetzungen soll von der Heranziehung im Einzelfall ganz oder teilweise abgesehen werden.
Zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Bescheide waren durch die Heranziehung der Klägerin aus ihrem Vermögen Ziel und Zweck der ihr gewährten Maßnahme gefährdet, so dass die Voraussetzungen für ein (vollständiges) Absehen von der Heranziehung vorgelegen haben.
Eine "Gefährdung" im Sinne des § 92 Abs. 5 Satz 1 1. Var. SGB VIII ist anzunehmen, wenn berechtigter Anlass zu der Befürchtung besteht, dass Ziel und Zweck der Leistung bei der Erhebung eines Kostenbeitrags nicht erreicht werden. Ziel und Zweck der Maßnahme ergeben sich aus der der Leistungsgewährung zugrundeliegenden Rechtsgrundlage und aus den allgemeinen Zielvorstellungen der Jugendhilfe, wie sie insbesondere in § 1 SGB VIII umschrieben sind (vgl. OVG Brandenburg, Urt. v. 19.6.2003 - 4 A/02 -, FEVS 55, 156; ferner Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl., § 92 Rn. 19; Schindler in Frankfurter Kommentar SGB VIII, 6. Aufl. § 92 Rn. 31). Nach§ 1 Abs. 1 SGB VIII hat jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Jugendhilfe soll zur Verwirklichung dieses Rechts insbesondere junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII). Einem jungen Volljährigen soll Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Es liegt auf der Hand, dass ein bei einem jungen Volljährigen vorhandenes Vermögen eine finanzielle Sicherheit darstellt, den Start in eine Selbständigkeit erleichtert und die Chancen auf eine Verselbständigung verbessert (vgl. dazu OVG Brandenburg, a.a.O.). Dieser Umstand für sich genommen rechtfertigt jedoch nicht, von einem Einsatz des Vermögens für entstehende bzw. entstandene Kosten wegen der Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige abzusehen, da dann - entgegen der Entscheidung des Gesetzgebers - eine Heranziehung junger Volljähriger aus ihrem Vermögen regelmäßig ausscheiden würde. Hinzukommen müssen daher weitere Umstände in der Person des jungen Volljährigen und in seinem Umfeld, die berechtigten Anlass zu der Befürchtung geben, dass durch eine Heranziehung zu einem Kostenbeitrag aus seinem Vermögen eine "Destabilisierung" des jungen Volljährigen eintritt, dadurch die Persönlichkeitsentwicklung, die durch die Hilfe für junge Volljährige gefördert werden soll bzw. sollte, erheblich beeinträchtigt und eine eigenverantwortliche Lebensführung wesentlich erschwert wird. Dieses kann der Fall sein, wenn zu befürchten ist, dass die Heranziehung zu den Kosten zu dem Abbruch der Jugendhilfe führt (vgl. dazu Senatsbeschl. v. 10.1.2011 - 4 LA 190/10). Eine Gefährdung von Ziel und Zweck der Maßnahme kann aber auch dann vorliegen, wenn diese gerade abgeschlossen ist und berechtigter Anlass zu der Befürchtung besteht, dass eine bereits eingetretene Stabilisierung des jungen Volljährigen durch die (nachträgliche) Heranziehung zu den Kosten verloren geht.
Die letztgenannten Voraussetzungen liegen hier vor. Auf der Grundlage des Hilfeplangesprächs vom 18. April 2008 vermerkte der Beklagte, dass die Klägerin im Internat längstens bis zur Beendigung der Schule im Juni 2008 betreut werden könne, wegen der belasteten Vater-Tochter-Beziehung aus Sicht aller Beteiligten eine Verselbständigung anstehe und die Klägerin daher bei einer Wohnungssuche zu unterstützen sei. Dass - seit mehreren Jahren - eine erhebliche Störung in der Vater-Tochter-Beziehung vorgelegen hat, ist durch mehrere Protokolle des Beklagten zu den geführten Hilfeplangesprächen belegt. Seit dem frühen Tod der Mutter der Klägerin im Jahr 2001 bestanden im Übrigen auch zwischen anderen Mitgliedern ihrer Familie erhebliche, bis zur Beendigung der Internatsunterbringung nicht überwundene Spannungen. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide hat die Klägerin daher über keinen bzw. nur geringen familiären Rückhalt (durch ihre Schwester) verfügt. Die Belastung der Klägerin aufgrund der familiären Probleme wurde verstärkt durch die bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Bescheide vorhandene Auseinandersetzung mit ihrem Vater hinsichtlich ihrer Beteiligung an den Reparaturkosten für die von ihr anteilig geerbte Immobilie. Bereits im Fortschreibungsprotokoll vom 18. April 2008 hatte der Beklagte vermerkt, dass zu klären sei, ob ein rechtlicher Beistand bezüglich der "Klärung der Erbansprüche" erforderlich sei. Die mit dem Vater geführte Erbauseinandersetzung wird auch durch das Schreiben ihres Vaters vom 10. Juni 2008 an den Beklagten belegt, in welchem er unter Beifügung einer Aufstellung der Kosten für durchgeführte Reparaturen in Höhe von insgesamt 13.683,59 EUR mitgeteilt hat, dass er für seine Tochter Kosten verauslagt habe und diese an ihn nach Eintritt ihrer Volljährigkeit nunmehr zurückzuzahlen seien. Darüber hinaus hatten auch die Verfahrungsbevollmächtigten der Klägerin vor Erlass der Kostenfestsetzungsbescheide mit Schriftsatz vom 7. August 2008 darauf hingewiesen, dass kostenintensive rechtliche Streitigkeiten mit dem Vater der Klägerin bestünden und dieser freiwillig keine Auskünfte über das bis zu ihrer Volljährigkeit verwaltete Vermögen erteile. Der Vater hat schließlich kurze Zeit nach Erlass der Kostenbeitragsbescheide die Klägerin als Miteigentümerin an der Immobilie mit einem Anteil von 25 Prozent durch anwaltliches Schreiben vom 20. März 2009 aufgefordert, für geleistete Reparaturarbeiten (anteilig) einen Betrag von 13.683,59 EUR zu zahlen. Es liegt auf der Hand, dass die mit ihrem Vater geführte Auseinandersetzung eine erhebliche psychische Belastung für die Klägerin dargestellt hat. Da sich bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Bescheide abgezeichnet hatte, dass der Vater erhebliche Kostenforderungen gegen sie geltend machen wird, und aufgrund der besonderen familiären Umstände auch langwierige Auseinandersetzungen diesbezüglich absehbar waren, hätte es für die Klägerin eine besonders belastende Situation dargestellt, wenn sie aus ihrem vorhandenen Vermögen die Kosten für die ihr gewährte Jugendhilfemaßnahme hätte aufbringen müssen mit der Folge, dass ihr Vermögen - bis auf den Schonbetrag in Höhe von 2.600,- EUR - vollständig aufgebraucht worden wäre und sie - ohne weitere Unterstützung finanzieller oder sonstiger Art - auf sich allein gestellt und weiteren Kostenforderungen durch ihren Vater ausgesetzt gewesen wäre. Sofern der Beklagte einwendet, dass die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, BAföG-Leistungen zu beantragen, hätten diese Leistungen zwar ihren Bedarf für den Lebensunterhalt und die Ausbildung gedeckt (vgl. § 11 Abs. 1 BAföG). Nach einer Heranziehung zu den Kosten der ihr gewährten Jugendhilfemaßnahme hätte die Klägerin aber nicht sicher stellen können, den erheblichen Kostenforderungen ihres Vaters gegebenenfalls nachkommen zu können. Nach den gegebenen Umständen musste die Klägerin daher bei einer Heranziehung zu den Kosten der ihr gewährten Jugendhilfe eine "Überschuldung" befürchten. Hinzu kommt, dass sich die Klägerin zum Zeitpunkt des Erlasses der Kostenbescheide noch in der schwierigen Phase des Übergangs von der Heimunterbringung in eine eigene Wohnung befunden hat und sich ihre berufliche Zukunft nach Erlangung des Hauptschulabschlusses als unsicher darstellte, so dass berechtigter Anlass zu der Befürchtung bestand, dass die bei ihr durch die Internatsunterbringung und Erlangung des Schulabschlusses eingetretene Stabilisierung durch eine Heranziehung zu den Kosten verloren geht. Da die Klägerin nach eigenen Angaben, was durch die Angaben der Einrichtung, in der sie untergebracht war, bestätigt worden ist, über einen Zeitraum von vier Jahren täglich Drogen (Cannabis) konsumiert hat (vgl. Protokoll zum Hilfeplangespräch vom 18. April 2008), stand auch konkret zu befürchten, dass die Heranziehung zu den Kosten aus ihrem Vermögen unter diesen Bedingungen zu einer signifikanten Erhöhung der Gefahr eines Rückfalls in "alte" Drogenkonsumgewohnheiten geführt hätte. Denn der Beklagte hat noch im April 2008 weitere Unterstützung der Klägerin zu ihrer Stabilisierung im Hinblick auf ihren Drogenkonsum, der zu diesem Zeitpunkt ein Jahr zurückgelegen haben soll, als erforderlich angesehen (vgl. Protokoll vom 18. April 2008). Dass ein erneuter Drogenkonsum zu einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer Persönlichkeitsentwicklung geführt hätte, bedarf keiner weiteren Begründung. Bei der im Fall der Klägerin gegebenen Sachlage bestand daher berechtigter Anlass zu der Befürchtung, dass bei einer Heranziehung der Klägerin aus ihrem Vermögen die bereits eingetretene Stabilisierung verloren geht und daher Ziel und Zweck der bis Juli 2008 gewährten Hilfe für junge Volljährige nicht erreicht werden. Dieses wäre auch bei einer anteiligen Heranziehung der Klägerin aus ihrem Vermögen zu befürchten gewesen.
Da es sich bei § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII um eine Soll-Bestimmung handelt und besondere Umstände, die gegen ein Absehen von der Heranziehung sprechen, nicht vorliegen, scheidet eine Heranziehung der Klägerin zu den Kosten der ihr gewährten Maßnahme aus ihrem Vermögen aus.