Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.05.2012, Az.: 10 LB 187/08

Anwendbarkeit der Grundsätze zur Rechtsscheinvollmacht im öffentlichen Recht im Hinblick auf die Formvorschrift des § 4a Abs. 1 S. 5 KartStPrämV

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.05.2012
Aktenzeichen
10 LB 187/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 18231
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0515.10LB187.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 11.09.2007 - AZ: 12 A 4777/06

Fundstelle

  • AUR 2012, 352-357

Amtlicher Leitsatz

Die Grundsätze der Rechtsscheinvollmacht sind im öffentlichen Recht nur anwendbar, wenn sich nicht etwas anderes aus bestimmten Vorschriften des öffentlichen Rechts ergibt. Eine solche, der Anwendung der Grundsätze der Rechtsscheinvollmacht entgegenstehende zwingende Formvorschrift ist in § 4a Abs. 1 Satz 5 Kartoffelstärkeprämienverordnung zu sehen. Die Anforderungen des § 4a Abs. 1 Satz 5 Kartoffelstärkeprämienverordnung stehen einer konkludenten Erteilung einer Vollmacht entgegen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Ausgleichszahlungen für die Herstellung von zur Stärkeherstellung bestimmten Kartoffeln (nachfolgend: Stärkekartoffeln) für das Wirtschaftsjahr 1995/96 sowie die teilweise Rücknahme der zugrunde liegenden Bewilligungsbescheide.

2

Sie betreibt eine Güteragentur für landwirtschaftliche Produkte, zu der auch der Handel mit Kartoffeln gehört. Sie firmierte bis 2008 unter "E. F. GmbH & Co. KG". Die G. GmbH stellt Kartoffelstärke her. Neben ihrem Hauptwerk in H. im Zuständigkeitsbereich der inzwischen aufgelösten Bezirksregierung Weser-Ems unterhielt sie u.a. ein Zweigwerk in I. (Brandenburg). Die Geschäftsanteile der J. GmbH erwarb die G. GmbH durch notariellen Vertrag vom 3. April 1991 von der Treuhandanstalt (im Einzelnen vgl. Senatsurteil vom 12. Dezember 2002 - 10 LB 167/01 -, n.v.). Mit Verschmelzungsvertrag vom 25. Februar 1997 wurde die J. GmbH von ihrer damaligen Muttergesellschaft, der G. GmbH, übernommen. Am 24. April 1997 erfolgte hinsichtlich der J. GmbH als übertragendem Rechtsträger die Eintragung in das Handelsregister des Amtsgerichts K. (HRB 140), am 22. Mai 1997 hinsichtlich der G. GmbH als übernehmendem Rechtsträger in das Handelsregister des Amtsgerichts L. (HRB 201). Die Löschung der J. GmbH im Handelsregister erfolgte am 5. Juni 1997.

3

Die Klägerin und die J. GmbH schlossen unter dem 16. Mai / 24. Mai 1995 für das Wirtschaftsjahr 1995/96 einen Vertrag über den Anbau und die Lieferung von 2.950 t Stärkekartoffeln (netto) auf einer Anbaufläche zur Größe von 55 ha mit der Vertragsnummer 924 (Bl. 6 Beiakte D). In diesem Vertrag wird die J. GmbH als "Fabrik" und die Klägerin als "Erzeuger / Vertragspartner" bezeichnet. Das Stärkeunternehmen verpflichtete sich zur Abnahme von Kartoffeln mit einem Stärkeäquivalent von 583 t sowie zur Zahlung des festgesetzten Erzeugermindestpreises. Da die Klägerin landwirtschaftliche Flächen selbst nicht bewirtschaftete, schloss sie mit den Landwirten M. N. (O.), P. Q. (R.) und S. T. (U.) Verträge über den Anbau und die Lieferung von zusammen 1.500 t Kartoffeln (netto) im Wirtschaftsjahr 1995/96. In diesen (Unter-) Verträgen werden einerseits die Klägerin als "Händler" oder als "Abnehmer" und andererseits die Landwirte als "Erzeuger" bezeichnet. Unter Ziffer 1 der Unterverträge wurde vereinbart, dass der Erzeuger für das Lieferrecht an den Abnehmer einen Betrag von 2,50 DM je 100 kg Rohmenge zu zahlen habe.

4

In dem Zeitraum vom 23. August 1995 bis 24. November 1995 nahm die J. GmbH 38 Lieferungen von 1.047,04 t Kartoffeln (netto) zu dem o.a. Anbau- und Liefervertrag an. Die J. GmbH zahlte darauf an die Klägerin den Kaufpreis für die Kartoffeln sowie die Ausgleichszahlung für Kartoffelerzeuger, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die Ausgleichszahlung erst nach erfolgtem Zahlungseingang durch das Landwirtschaftsministerium erfolge. Der Gesamtbetrag der an die Klägerin weitergeleiteten Ausgleichszahlungen im Wirtschaftsjahr 1995/96 beläuft sich auf 29.752,18 DM (siehe Gutschriften Bl. 161 bis 172 Beiakte B - Abrechnungsläufe 2 bis 15).

5

Die J. GmbH beantragte beim Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Brandenburg sowohl die Gewährung von Prämien für die Stärkeherstellung als auch als Vertreterin für diejenigen, mit denen sie einen Anbau- und Liefervertrag für das Wirtschaftsjahr 1995/96 geschlossen hatte, die Gewährung von Ausgleichszahlungen für Kartoffelerzeuger. Das vorgenannte Ministerium gewährte antragsgemäß mit Bescheiden vom 24. Oktober 1995, 7. Dezember 1995, 11. Dezember 1995, 5. Februar 1996, 6. Mai 1996, 8. Mai 1996 und 10. Mai 1996 u.a. Ausgleichszahlungen in näher bestimmter Höhe "zur Auszahlung an die anspruchsberechtigten Stärkekartoffelerzeuger". Weder den den Bewilligungsbescheiden zugrunde liegenden Anträgen noch den Bewilligungsbescheiden selbst ist eine Aufschlüsselung hinsichtlich der einzelnen Stärkekartoffelerzeuger zu entnehmen. Die J. GmbH leitete anteilig die gewährten Ausgleichszahlungen an die Klägerin weiter. Hinsichtlich der Einzelheiten zu den Anträgen und Bewilligungen wird auf die Aufstellungen Bl. 32 und 34 Beiakte D sowie auf die Gutschriften der J. GmbH (Bl. 161 bis 172 Beiakte B) verwiesen.

6

Die Bezirksregierung Weser-Ems führte am 18. Juni 1999 eine Kontrolle im Betrieb der Klägerin durch. Unter dem 27. August 1999 hörte die Bezirksregierung Weser-Ems die G. GmbH zur beabsichtigten Rückforderung von Beihilfen an. Die EmslandStärke GmbH erklärte hierauf: Mit der Klägerin sei ein Anbau- und Liefervertrag geschlossen worden. Ein Untervertragsverhältnis sei ihr, aber auch dem Prüfungsbeauftragten des Landes Brandenburg bekannt gewesen. Die Bezirksregierung Weser-Ems forderte zunächst mit Bescheid vom 24. September 1999 von der G. GmbH Ausgleichszahlungen für auf den Anbau- und Liefervertrag der Klägerin im Wirtschaftsjahr 1995/96 gelieferte Kartoffeln in Höhe von 29.752,18 DM zurück und verhängte Sanktionen in Höhe von 44.825,28 DM. Die G. GmbH legte hiergegen Widerspruch ein und machte u.a. geltend: Bei der Klägerin handele es sich um eine Erzeugervereinigung, die für die tatsächlichen Kartoffelerzeuger gehandelt habe. Dass mit der Klägerin auch eine Handelsfirma der Erzeugervereinigung angehört habe, sei nicht schädlich. Sie - die G. GmbH - habe den Mindestpreis für die Kartoffeln an die Klägerin in voller Höhe gezahlt; hierauf komme es allein an. Auch die Klägerin habe den Mindestpreis in voller Höhe an die Erzeuger gezahlt; die berechnete Bearbeitungsgebühr sei von den gewährten Ausgleichszahlungen abgezogen worden. Außerdem sei nicht sie Empfängerin der Ausgleichszahlungen gewesen. Sie habe lediglich die Ausgleichszahlungen durchgeleitet. Der Erzeuger der zur Stärkeherstellung bestimmten Kartoffeln sei Empfänger der Ausgleichszahlung. Dementsprechend habe die Klägerin für die von ihr betreuten Erzeuger die Firma G., I., bevollmächtigt, die Anträge für die Ausgleichszahlung abzugeben und die Verwaltungsakte sowie die Zahlungen entgegenzunehmen.

7

Das Verwaltungsgericht Osnabrück gab der Klage der G. GmbH mit Urteil vom 17. Mai 2000 - 6 A 229/08 - in einem ähnlich gelagerten Verfahren teilweise statt und hob den angefochtenen Rücknahme- und Rückforderungsbescheid insoweit auf, als damit Ausgleichszahlungen zurückgefordert worden waren. Zur Begründung stellte es maßgeblich darauf ab, dass das Stärkeunternehmen nicht der richtige Adressat für die Rücknahme- und Rückforderungsbescheide bezüglich der bewilligten Ausgleichszahlungen für Kartoffelerzeuger sei.

8

Die Bezirksregierung Weser-Ems nahm mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Juni 2000 gegenüber der Klägerin sieben näher bezeichnete Bewilligungsbescheide "insoweit zurück, als es die Zahlung des Ausgleichsbetrages für die an die Firma G., Werk I., auf den Anbauvertrag der Firma E. F. GmbH und Co. KG in der Kampagne 1995/1996 gelieferten Stärkekartoffeln betrifft, die nicht von ihr selbst erzeugt worden sind". Weiter forderte sie die Klägerin zur Rückzahlung der Ausgleichszahlungen in Höhe von insgesamt 29.752,18 DM auf und verfügte sie, dass die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Zur Begründung führte sie aus: Ausgleichszahlungen würden nur für die Kartoffelmenge gewährt, die durch einen zwischen einem Kartoffelerzeuger und einer Stärkefabrik geschlossenen Anbauvertrag gebunden sei. Im Rahmen der Kontrolle sei festgestellt worden, dass die Klägerin in der Kampagne 1995/96 über keine eigenen Anbauflächen verfügt habe und die Stärkekartoffeln nicht selbst angebaut habe, sondern durch Inhaber sog. Unterverträge habe erzeugen und liefern lassen. Es handele sich bei diesen Kartoffeln nicht um vertragsgebundene Kartoffeln mit der Folge, dass eine Ausgleichszahlung hierfür nicht gezahlt werden könne bzw. eine bereits bewilligte Ausgleichszahlung zurückzufordern sei. Die Prüfung habe ferner ergeben, dass die Klägerin den Inhabern der Unterverträge jeweils bis zu 20 DM (je t Kartoffeln) für das Lieferrecht in Rechnung gestellt habe und den Mindestpreis der tatsächlichen Erzeuger somit gekürzt habe. Da der Mindestpreis nicht in voller Höhe an die tatsächlichen Erzeuger weitergeleitet worden sei, sei auch aus diesem Grund die gewährte Ausgleichszahlung zurückzufordern. Aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Osnabrück sei davon auszugehen, dass die Klägerin Antragstellerin und Zuwendungsempfängerin gewesen sei und die G. GmbH lediglich als Vertreterin in deren Namen gehandelt habe. Auf Vertrauensschutz könne sie sich nicht berufen, weil die Bewilligungen der Ausgleichszahlungen durch objektiv falsche Angaben erwirkt worden seien. In diesem Zusammenhang sei der Klägerin das Wissen der G. GmbH zuzurechnen, weil diese als deren Stellvertreterin gehandelt habe. Die G. GmbH sei bereits im Februar 1995 darauf hingewiesen worden, dass nur mit Erzeugern oder Erzeugervereinigungen Anbauverträge geschlossen werden dürften. Hiernach seien Anbauverträge mit Handelspartnern, die selbst keine angebauten Kartoffeln liefern würden, nicht zulässig. Der Klägerin sei daher die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide bekannt gewesen. Zum Ende der Begründung wird ausgeführt: Die Rückzahlungsbeträge seien nach § 14 MOG vom Zeitpunkt des Empfanges an mit 3 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank bzw. dem seit dem 1. Januar 1999 gültigen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu verzinsen. Der Zinsanspruch werde dem Grunde nach geltend gemacht.

9

Weiter setzte die Bezirksregierung Weser-Ems mit Bescheid vom 19. Juni 2000 gegenüber der Klägerin Kosten und Auslagen in Höhe von 2.511,- DM fest.

10

Die Klägerin erhob gegen beide Bescheide Widerspruch und führte zur Begründung aus: Sie sei weder Antragstellerin noch Leistungsempfängerin der Ausgleichszahlung gewesen. Daneben sei von Anfang an bekannt gewesen, dass sie Unterverträge mit Landwirten geschlossen habe. Auf dieser Basis seien letztlich die Lieferungen an die Stärkefabrik erbracht worden. Klar sei gewesen, dass die von der Stärkefabrik zu zahlenden Mindestpreise sowie die Ausgleichszahlungen den einzelnen Landwirten zukommen sollten. So sei es letztlich auch geschehen. Für sie seien diese Beträge lediglich "durchlaufende Posten" gewesen. Deshalb seien zum Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheides die Beträge bei ihr nicht mehr vorhanden gewesen. Sie könne sich deshalb auf den Einwand der Entreicherung berufen. Ferner genieße sie Vertrauensschutz. Die beschriebene Praxis sei den Behörden in I. bekannt gewesen und sei von ihnen ausdrücklich als gesetzeskonform angesehen und akzeptiert worden. Dabei sei den Behörden seinerzeit bekannt gewesen, dass Händler - wie sie - Verträge mit einzelnen Landwirten geschlossen hätten, die letztlich die Kartoffeln erzeugt und geliefert hätten. Noch in dem an die G. GmbH gerichteten Bescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 4. Dezember 1998 betreffend die Kampagnen 1996/97 und 1997/98 seien die (auf Unterverträge) gelieferten Kartoffeln als "vertragsgebunden" angesehen worden. Die gleiche Konstellation habe auch in der Kampagne 1995/96 vorgelegen. Hinzu komme, dass mehrfach vor Ort Prüfungen durchgeführt worden seien. Die Prüfer hätten diese Vorgehensweise nicht moniert. Schließlich sei die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG nicht gewahrt.

11

Nachdem das Verfahren über den Widerspruch der Klägerin gegen den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 19. Juni 2000 im Hinblick auf die Durchführung eines Musterverfahrens geruht hatte, wies die Beklagte als Funktionsnachfolgerin der Bezirksregierung Weser-Ems den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2006 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die näher bezeichneten Bewilligungsbescheide seien zurückzunehmen gewesen, weil sie rechtswidrig gewesen seien, soweit sie die von der Klägerin belieferten Unterkontingente der Kampagne 1995/96 beträfen. Im Falle der Klägerin seien die in der genannten Kampagne gelieferten Kartoffeln nicht durch einen Anbauvertrag gedeckt gewesen. Für die über Unterverträge von den Erzeugern gelieferten Kartoffeln habe kein Anbauvertrag vorgelegen. Der für diese Kartoffeln gezahlte Ausgleichsbetrag sei daher zu Unrecht beantragt und entgegengenommen worden. Die Antragsangaben über den Erzeuger der Kartoffeln seien objektiv falsch gewesen. Die Klägerin sei weder Erzeugerin noch Erzeugervereinigung gewesen. Die von ihr gewählte Händlerkonstruktion sei nicht als Erzeugervereinigung anzusehen. Die Klägerin sei auch richtige Adressatin des Rückforderungsbescheids. Es sei entscheidend, wie der Empfänger den Verwaltungsakt habe verstehen müssen. Die Klägerin habe für die Kampagne 1995/96 einen Anbauvertrag mit dem Werk in I. abgeschlossen. Gleichzeitig habe sie der G. GmbH eine Vollmacht erteilt, dass diese befugt sei, ihr Unternehmen bei der Antragstellung auf Ausgleichszahlung zu vertreten und entsprechende Zahlungen entgegenzunehmen. Die G. GmbH habe die bewilligten Leistungen entgegengenommen und an die Klägerin ungekürzt weitergeleitet. Die Stärkefabrik habe nur als Vertreterin der Klägerin gehandelt. Der Anbauvertrag sei zwischen der G. GmbH und der Klägerin abgeschlossen worden, entsprechende Vollmachten zur Entgegennahme der Ausgleichszahlung seien vorgelegt worden. Die Stärkefabrik habe im Auftrag der Klägerin die Ausgleichszahlung beantragt und den Mindestpreis an ihre Vertragspartner gezahlt. Somit seien die Bewilligungsbescheide so zu verstehen, dass sie sich u.a. an die Klägerin gerichtet hätten. Eine Behörde könne einen Bescheid nur gegenüber dem jeweiligen Kartoffelerzeuger bzw. demjenigen zurücknehmen, den sie als Kartoffelerzeuger behandelt habe. Da die Ausgleichszahlung im Namen der Klägerin beantragt worden sei, sei sie als Kartoffelerzeugerin behandelt worden. Somit seien die Bewilligungsbescheide gegenüber der Klägerin zurückzunehmen. Eine Rücknahme gegenüber den tatsächlichen Erzeugern sei nicht möglich gewesen, weil diese niemandem eine Vollmacht für die Beantragung der Ausgleichszahlung ausgestellt hätten und somit nicht als Empfänger der Bescheide anzusehen seien. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen, weil sie den Verwaltungsakt unter Angaben erwirkt habe, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gewesen seien. In dem vorgelegten Anbau- und Liefervertrag sei die Klägerin als Erzeugerin bezeichnet worden. Auch sei die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG gewahrt. Die Frist beginne erst zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt habe und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt seien. Zu diesen erheblichen Tatsachen gehöre auch die Kenntnis des korrekten Adressaten des Rückforderungsbescheids. Erst durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 17. Mai 2000 sei bekannt geworden, dass die Ausgleichszahlung nicht von der Stärkefabrik, sondern von den Stärkekartoffelerzeugern zurückzufordern sei. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, sie sei entreichert. Denn sie habe Kenntnis von den Umständen gehabt, welche die Rechtswidrigkeit (der Gewährung von Ausgleichszahlung) bewirkt hätten. Ihr sei bekannt gewesen, dass sie selbst keine Kartoffeln erzeugt, sondern Unterverträge mit Erzeugern abgeschlossen habe.

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Mit weiterem Bescheid vom 22. September 2006 setzte die Beklagte Kosten für das Widerspruchsverfahren in Höhe von 1.925,78 EUR fest.

13

Die Klägerin hat am 20. Oktober 2006 Klage erhoben. Sie hat zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug genommen und dieses vertieft.

14

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 19. Juni 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 22. September 2006 sowie die Kostenfestsetzungsbescheide vom 19. Juni 2000 und 22. September 2006 aufzuheben.

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Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Sie hat zur Begründung auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden verwiesen.

17

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 11. September 2007 die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens sei der Verfahrensfehler der mangelnden Anhörung vor Erlass des Ausgangsbescheides geheilt. Die Rücknahme der Bewilligungsbescheide beruhe auf § 10 MOG. Die Bewilligungsbescheide des Landes Brandenburg seien rechtswidrig. Die von der Klägerin im Wirtschaftsjahr 1995/96 an die Stärkefabrik gelieferten Kartoffeln seien nicht durch einen Anbauvertrag gedeckt. Die Klägerin habe zwar einen Anbau- und Liefervertrag zwischen der J. GmbH und ihr vorgelegt, in welchem sie als Erzeugerin benannt worden sei. Die Klägerin sei jedoch unstreitig weder Erzeugerin noch Erzeugervereinigung, sondern eine Güteragentur, die auch mit Kartoffeln handele. Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen. Sie habe den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gewesen seien. Sie habe im Rahmen der Beantragung von Ausgleichszahlungen unrichtige Angaben gemacht. Sie habe über die J. GmbH der Bewilligungsbehörde im Antragsverfahren Anbau- und Lieferverträge vorgelegt, in denen sie fälschlicherweise als Erzeugerin von Stärkekartoffeln bezeichnet worden sei. Das Handeln der GmbH sei der Klägerin zuzurechnen, denn diese habe die Klägerin bei den Anträgen auf Ausgleichszahlungen vertreten und entsprechende Zahlungen für sie entgegengenommen. Maßgebend sei allein die objektive Unrichtigkeit der Angaben, so dass es auf ein mangelndes Verschulden des Begünstigten oder eine mangelnde Sorgfalt der Behörde nicht ankomme. Das Gemeinschaftsrecht setze der Berücksichtigung eines möglichen Mitverschuldens der zuständigen Behörden Grenzen. Denn das gemeinschaftsrechtswidrige Verhalten einer zuständigen nationalen Behörde könne kein berechtigtes Vertrauen eines Wirtschaftsteilnehmers darauf begründen, in den Genuss einer gemeinschaftsrechtswidrigen Behandlung zu kommen. Auch die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG sei eingehalten. Für die Beklagte sei eine Rückforderung gegenüber der Klägerin und damit die Prüfung der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen erst nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Osnabrück mit Urteil vom 17. Mai 2000 in Betracht gekommen, so dass die o.a. Frist frühestens zu diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen habe. Ebenfalls seien die Rückforderung der erbrachten Ausgleichszahlungen und der geltend gemachte Zinsanspruch aus den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid rechtmäßig. Der Einwand der Entreicherung greife nicht durch. Die Klägerin habe gewusst, dass nicht sie, sondern einzelne Landwirte die in den Anbau- und Lieferverträgen genannte Kartoffelmenge erzeugen sollten und sie selbst lediglich als Vermittlerin bzw. Händlerin fungiert habe. Die Klägerin sei auch richtige Adressatin der angefochtenen Bescheide. Aus dem Gesamtzusammenhang der europarechtlichen und nationalen Regelungen wie auch den im Antrags- und Bewilligungsverfahren vorgelegten Anbauverträgen, den zumindest konkludent erteilten Vollmachten und Formulierungen in den Bescheiden folge, dass die Ausgleichszahlungen für die Kartoffelerzeuger bewilligt worden seien, so dass die Kartoffelstärkefabrik die Zahlungen an die Erzeuger weiterzuleiten gehabt habe. Der Kartoffelerzeuger sei als Begünstigter anzusehen, weil er einen Anbau- und Liefervertrag abgeschlossen habe, von dem das materielle Recht die Gewährung von Ausgleichszahlungen abhängig mache. Dabei sei unerheblich, ob das Rechtsverhältnis rechtmäßig eingegangen worden sei. Die Kostenfestsetzungsbescheide seien rechtlich nicht zu beanstanden.

18

Die Klägerin führt die vom Senat mit Beschluss vom 13. Mai 2008 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassene Berufung. Zur Begründung vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen und ergänzt:

19

Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das Vorliegen von Vertrauensschutz verneint. Vor Antragstellung seien die hier in Streit stehenden Verträge dem zuständigen Land Brandenburg zur Vorabprüfung überlassen worden. Das Land habe seine Zustimmung erteilt auch im Hinblick auf die Förderungswürdigkeit. Sie - die Klägerin - habe gegenüber der Bewilligungsbehörde keine falschen Angaben gemacht. Die Grundsätze der Stellvertretung seien darüber hinaus nicht anwendbar. Aus den vorgelegten Anbauverträgen ergebe sich keine Beauftragung der J. GmbH, sie im Antrags- und Bewilligungsverfahren zu vertreten. Da sie als Adressatin der vorgenannten Bewilligungsbescheide nicht festgestellt werden könne, seien die Bewilligungsbescheide nicht ihr gegenüber zurückzunehmen.

20

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem in 1. Instanz gestellten Antrag zu erkennen.

21

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

22

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor: Es sei unschädlich, wenn die begünstigten Kartoffelerzeuger in den (Bewilligungs-)Bescheiden nicht näher identifiziert würden, weil der jeweils Gemeinte aus den in Bezug genommenen Anbauverträgen ohne Weiteres bestimmbar gewesen sei. Grundlage für die Berechnungen und Bewilligungen der Ausgleichszahlungen seien die vom Stärkeunternehmen eingereichten Zahlungsverzeichnisse gewesen, in denen die einzelnen Lieferungen und der jeweilige vertraglich gebundene Kartoffelanbauer genannt seien. Das Stärkeunternehmen habe die im Namen der Kartoffelerzeuger beantragte Summe bewilligt erhalten und diese auf die Kartoffelerzeuger aufgeteilt. Dieses Vorgehen sei stets für alle Beteiligten nachvollziehbar gewesen und von keiner Seite bemängelt worden. Die darauf beruhenden Bewilligungen und die Rückforderung seien hinreichend konkret und inhaltlich bestimmt, und zwar sowohl bezüglich des endgültigen Zuwendungsempfängers als auch hinsichtlich der Höhe der Ausgleichszahlung.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Verfahren unter den Aktenzeichen 10 LB 187/08 und 10 LB 188/08 verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

25

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die gegen die angefochtenen Bescheide gerichtete Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 19. Juni 2000 über die teilweise Rücknahme der Bewilligungen von Ausgleichszahlungen für Erzeuger von Stärkekartoffeln und deren Rückforderung sowie die Kostenfestsetzungsbescheide der Bezirksregierung Weser-Ems vom 19. Juni 2000 und der Beklagten vom 22. September 2006 sind rechtswidrig und verletzen die Rechte der Klägerin (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

26

1.

Die zulässige Klage gegen die teilweise Rücknahme der Bescheide des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Brandenburg vom 24. Oktober 1995, 7. Dezember 1995, 11. Dezember 1995, 5. Februar 1996, 6. Mai 1996, 8. Mai 1996 und 10. Mai 1996, mit denen u.a. Ausgleichszahlungen für Erzeuger von zur Stärkeherstellung bestimmten Kartoffeln im Wirtschaftsjahr 1995/96 gewährt wurden, ist begründet. Der Verwaltungsakt über die teilweise Rücknahme der genannten Bewilligungsbescheide - soweit die Klägerin betroffen ist - erweist sich als rechtswidrig. Dabei ist maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Rücknahme die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens, mithin zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 22. September 2006.

27

a.

Die Rechtsgrundlage hierfür ist § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen in der Bekanntmachung vom 24. Juni 2005 (BGBl. I S. 1847), im Folgenden: MOG. Diese Vorschrift ist hier auch anwendbar, weil die der Entscheidung zugrunde liegenden Bewilligungsbescheide produktbezogene Beihilfen und damit Beihilfen im Sinne von § 6 Abs. 1 Buchst. g MOG betreffen; hierzu zählen u.a. Ausgleichszahlungen für Erzeuger von Stärkekartoffeln nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1766/92 des Rates vom 30. Juni 1992 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide (ABl. Nr. L 181 S. 21) in der für das Wirtschaftsjahr 1995/96 maßgeblichen Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1863/95 des Rates vom 17. Juli 1995 (ABl. EG Nr. L 179 S. 1), im Folgenden: Verordnung (EWG) Nr. 1766/92.

28

b.

Die Rücknahme der Bewilligungsbescheide für das Wirtschaftsjahr 1995/96 gegenüber der Klägerin, soweit sie diese betreffen, ist rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der§§ 6 und 8 MOG, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen.

29

Die angefochtene Rücknahme richtet sich an die unrichtige Adressatin. Die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts ist der Gegenakt zu dem aufzuhebenden Verwaltungsakt. Sie zielt auf die Beseitigung des durch diesen Verwaltungsakt begründeten Rechtsverhältnisses. Um dieses Ziel zu erreichen, muss sie sich an denjenigen richten, dem gegenüber dieses Rechtsverhältnis im Zeitpunkt der Rücknahme besteht. Das ist derjenige, dem gegenüber das Rechtsverhältnis begründet worden ist, sofern nicht zwischenzeitlich eine Rechtsnachfolge stattgefunden hat (BVerwG, Teilurteil vom 9. Dezember 2009 - BVerwG 3 C 37.03 - Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 198 mit weiteren Nachweisen). Im Falle eines begünstigenden Verwaltungsakts ist es nach allgemeinen Grundsätzen der (noch) Begünstigte.

30

Wer in diesem Sinne Regelungsadressat eines Verwaltungsakts ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Hierzu sind in erster Linie die Bestimmungen im Verwaltungsakt selbst heranzuziehen; ergänzend kann auf die Umstände zurückgegriffen werden, unter denen der Verwaltungsakt erlassen wurde. Bei der Auslegung können sämtliche Angaben zur Bezeichnung des Adressaten ebenso wie beigefügte Unterlagen Berücksichtigung finden (BFH, Urteil vom 28. August 1990 - VII R 59/89 -, NVwZ-RR 1991, 660). Auch die den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umstände können als Konkretisierungsmittel herangezogen werden (Ziekow, VwVfG, 2. Aufl. 2010, § 37 Rdnr. 3 m.w.N.). Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2003 - BVerwG 6 C 20.02 -, BVerwGE 119, 282).

31

Nach Maßgabe dessen ist die Klägerin nicht Regelungsadressatin der o.a. Bescheide über die Bewilligung von Ausgleichszahlungen im Wirtschaftsjahr 1995/96. Nach Art. 8 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1766/92 stehen die Ausgleichszahlungen den Erzeugern der Kartoffeln zu, nicht hingegen dem stärkeerzeugenden Unternehmen. Die Erzeuger der Kartoffeln sollen nach der vorgenannten Verordnung die alleinigen materiell Begünstigten sein. Nach § 4a Abs. 1 Satz 1 der Kartoffelstärkeprämienverordnung vom 25. August 1976 (BGBl. I S. 2585) in der Fassung der Dritten Änderungsverordnung vom 23. August 1993 (BGBl. I S. 1512) besteht für die Kartoffelerzeuger die Möglichkeit, sich bei dem Antrag auf Gewährung der Ausgleichszahlung durch den Stärkehersteller, mit dem sie einen Anbau- und Liefervertrag über zur Stärkeherstellung bestimmte Kartoffeln geschlossen haben, vertreten zu lassen. Weiter wird klargestellt, dass in diesem Falle die Vertretungsbefugnis des Stärkeherstellers die Entgegennahme der Ausgleichszahlung umfasst (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Kartoffelstärkeprämienverordnung). Allerdings besteht für die Kartoffelerzeuger keine Verpflichtung, sich bei der Beantragung von Ausgleichszahlung durch den Stärkehersteller vertreten zu lassen, wie § 4a Abs. 2 Kartoffelstärkeprämienverordnung zeigt. Im Falle der Vertretung des Erzeugers durch den Stärkehersteller ist dessen Vertretungsbefugnis zwingend durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen (§ 4a Abs. 1 Satz 5 Kartoffelstärkeprämienverordnung).

32

Zwar haben die an den zugrunde liegenden Bewilligungsverfahren Beteiligten auf diese Möglichkeit Bezug genommen. Die vorliegenden Anträge der J. GmbH im Wirtschaftsjahr 1995/96 zeigen, dass sie neben ihrem Antrag auf Gewährung einer Prämie für die Stärkeherstellung zugleich für sämtliche Vertragspartner, mit denen sie einen Anbau- und Liefervertrag geschlossen hatte, die Gewährung der Ausgleichszahlung für Kartoffelerzeuger beantragte. Allerdings kann aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht festgestellt werden, dass zum einen die Klägerin der J. GmbH eine schriftliche Vollmacht für die Beantragung der Ausgleichszahlung erteilte und zum anderen eine ggf. erteilte Vollmacht der zuständigen Bewilligungsbehörde vorgelegt wurde. Hier könnten die wesentlichen Voraussetzungen für eine Rechtsscheinvollmacht, hier als Duldungsvollmacht, gegeben sein. Soweit nicht besonders geregelt, gelten die im bürgerlichen Recht entwickelten Grundsätze über die Rechtsscheinvollmachten entsprechend im öffentlichen Recht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1994 -, BVerwG 8 C 2.92 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 68; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 14 Rdnr. 16; Clausen, in: Knack, VwVfG, Kommentar, 8. Aufl. 2004, § 14 Rdnr. 8; Ramsauer, a.a.O., § 14 Rdnr. 22; Ellenberger, in: Palandt, BGB, Kommentar, 71. Aufl. 2012, § 172 Rdnr. 7). Unter denselben Voraussetzungen sind ferner die bürgerlich-rechtlichen Regelungen über die Vertretung ohne Vertretungsmacht (§§ 177 ff. BGB) entsprechend anzuwenden (Clausen, a.a.O., § 14 Rdnr. 8; Ramsauer, a.a.O., § 14 Rdnr. 20). Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und auch verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (BGH, Urteil vom 14. Mai 2002 - XI ZR 155/01 -, NJW 2002, 2325 [BGH 14.05.2002 - XI ZR 155/01] m.w.N.; Ellenberger, a.a.O., § 172 Rdnr. 8). Beginnend mit dem Wirtschaftsjahr 1993/94 haben Erzeuger von zur Stärkeherstellung bestimmten Kartoffeln auf Antrag eine Ausgleichszahlung nach Art. 8 Abs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 1766/92 erhalten. Im Regelfall haben die Kartoffelerzeuger - auch aus Gründen der Verfahrensvereinfachung - von der bereits zum damaligen Zeitpunkt eröffneten Möglichkeit der Beantragung der Ausgleichszahlung über den Stärkehersteller als ihren Vertreter nach § 4a Kartoffelstärkeprämienverordnung genutzt. Die an den Verfahren auf Gewährung von Ausgleichszahlungen nach der vorgenannten Verordnung Beteiligten haben stets übereinstimmend vorgetragen, dass die Stärkeunternehmen für diejenigen, mit denen sie Anbau- und Lieferverträge abgeschlossen hatten, stets die Anträge auf Ausgleichszahlungen stellten. Wie in § 4a Abs. 1 Satz 3 Kartoffelstärkeprämienverordnung ausdrücklich vorgesehen, wurden die hiernach bewilligten Ausgleichszahlungen innerhalb einer bestimmten Frist an die Kartoffelerzeuger weitergeleitet. Aufgrund dieser allgemein bekannten Verfahrenspraxis ist in den Fällen, in denen ein Kartoffelerzeuger nicht ausdrücklich das Stärkeunternehmen zur Beantragung von Ausgleichszahlungen bevollmächtigte, im Regelfall davon auszugehen, dass der betreffenden Kartoffelerzeuger Kenntnis hatte, dass das Stärkeunternehmen im Antragsverfahren als sein Vertreter auftritt, und er dies geschehen ließ.

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Allerdings finden hier die Grundsätze der Rechtsscheinvollmacht keine Anwendung. Denn diese Grundsätze sind im öffentlichen Recht - wie bereits dargelegt - nur anwendbar, wenn sich nicht etwas anderes aus bestimmten Vorschriften des öffentlichen Rechts ergibt. Eine solche, der Anwendung der Grundsätze der Rechtsscheinvollmacht entgegenstehende zwingende Formvorschrift ist in § 4a Abs. 1 Satz 5 Kartoffelstärkeprämienverordnung zu sehen. Diese Vorschrift verlangt ausdrücklich, dass die Vertretungsbefugnis "durch schriftliche Vollmacht nachzuweisen" ist. Nach dieser Bestimmung bedarf es nicht nur der Erteilung einer Vollmacht in schriftlicher Form, sondern zudem ist deren Erteilung bei Antragstellung der zuständigen Behörde "nachzuweisen"; letzteres geschieht durch Vorlage der Vollmachtsurkunde. Dass es sich bei § 4a Abs. 1 Satz 5 Kartoffelstärkeprämienverordnung um eine zwingende Formvorschrift und nicht lediglich um eine die Wirksamkeit der Vollmacht nicht berührende Regelung handelt, zeigt auch ein Vergleich mit§ 14 Abs. 1 Satz 3 VwVfG. § 4a Kartoffelprämienverordnung geht über die allgemeine Regelung im Verwaltungsverfahren nach § 14 Abs. 1 Satz 3 VwVfG, wonach der schriftliche Nachweis der Vollmacht nur auf Verlangen zu erbringen ist, hinaus und verlangt unmittelbar den Nachweis der schriftlichen Vollmacht bei Antragstellung. Hiernach werden in § 4a Abs. 1 Satz 5 Kartoffelstärkeprämienverordnung im Vergleich zum allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht für die Erteilung einer Vollmacht von weiteren und damit besondere Anforderungen abhängig gemacht. Für dieses Verständnis streitet auch die Erwägung, dass die Grundsätze der Rechtsscheinvollmacht nur durchgreifen, wenn der Erklärungsempfänger schutzwürdig ist, d.h. gutgläubig auf das Vorliegen einer Vollmacht vertrauen durfte. Aber gerade aufgrund der vorgenannten Vorschrift kann die Beklagte sich nicht darauf berufen, eine Bevollmächtigung des Stärkeunternehmens habe vorgelegen. Nach dieser Vorschrift oblag es der Beklagten, das Vorliegen einer schriftlichen Vollmacht positiv festzustellen; kommt sie dieser Verpflichtung nicht nach, ist sie nicht gutgläubig und damit nicht schutzwürdig. Aufgrund der beigebrachten Unterlagen kann weder festgestellt werden, dass die Klägerin der J. GmbH überhaupt eine schriftliche Vollmacht erteilt hat, noch dass eine schriftliche Vollmacht gegenüber der zuständigen Bewilligungsbehörde nachgewiesen worden ist.

34

Hieraus folgt ferner, dass die Beklagte nicht mit dem Einwand durchdringen kann, die Klägerin habe eine Vollmacht konkludent erteilt. Auch in einem solchen Fall werden die in § 4a Abs. 1 Satz 5 Kartoffelstärkeprämienverordnung bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt.

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Hiernach handelte die J. GmbH bei der Beantragung von Ausgleichszahlungen als vollmachtloser Vertreter für die Klägerin. In einem solchen Fall ist der vermeintlich Vertretene nicht materiell-rechtlich Begünstigter des Bewilligungsbescheids. Denn eine gegenüber der Klägerin wirksame verbindliche Regelung über die Bewilligung fehlt. Gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG in Verbindung mit§ 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist, oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Bekanntgabe bedeutet, dass der Verwaltungsakt dem Betroffenen durch die erlassende Behörde mit deren Willen bekannt gemacht wird. Unwirksam dem Betroffenen gegenüber ist die Bekanntgabe an Dritte, die weder Vertreter, Bevollmächtigte noch Empfangsbote des Adressaten oder Betroffenen sind (Bay. VGH, Urteil vom 3. Juni 1983 - 23 B 81 A/2063 -, NVwZ 1984, 184 [VGH Bayern 03.06.1983 - 23 B 81 A/2063]; Ramsauer, a.a.O., § 41 Rdnr. 8). Wie bereits dargelegt, war die J. GmbH im Wirtschaftsjahr 1995/96 nicht wirksam bevollmächtigt. Ebenso wenig ist die J. GmbH Empfangsbote der Klägerin gewesen. Empfangsbote ist derjenige, der vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt worden ist oder wer nach der Verkehrsanschauung als bestellt anzusehen ist. Diese Voraussetzungen liegen hier in Bezug auf die J. GmbH für die Klägerin nicht vor. Da nach dem Vorstehenden die Klägerin die J. GmbH nicht (wirksam) bevollmächtigte, bei der zuständigen Behörde die Bewilligung von Ausgleichszahlungen zu beantragen, scheidet auch eine Bestellung des Stärkeunternehmens als Empfangsbote für die Klägerin hinsichtlich der Gewährung von Ausgleichszahlungen aus.

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Diese Rechtsauffassung steht auch im Einklang mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. August 1999 - BVerwG 3 C 17.98 - (Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 95, NVwZ-RR 2000, 196 = DVBl 2000, 907). Hiernach kann die Rücknahme eines begünstigenden Bescheides auch gegenüber dem im Zeitpunkt der Rücknahme Begünstigten ergehen, wenn der Bewilligungsbescheid diesen in das durch ihn begründete Rechtsverhältnis einbezogen und rechtsverbindlich als Empfänger einer "gestreckten" Zuwendung festgelegt hat. Der auf diese Weise in das Rechtsverhältnis Einbezogene ist damit Begünstigter dieses Bescheides im Sinne des § 48 VwVfG, an den sich eine Rücknahmeentscheidung richten kann. Wer Begünstigter in diesem Sinne ist, muss von der Rechtszuweisung durch den aufzuhebenden Verwaltungsakt ausgehen. Die bloße Weitergabe einer durch Verwaltungsakt gewährten Begünstigung an einen Dritten macht diesen nicht zum Begünstigten des ursprünglichen Bescheides. Ein zivilrechtlicher Akt des Adressaten des Verwaltungsakts kann einen Dritten nicht in ein Verwaltungsrechtsverhältnis einbeziehen. Ein begünstigender Verwaltungsakt kann aber über den eigentlichen Adressaten hinaus einen Dritten in einer Weise einbeziehen, dass (auch) dieser als Begünstigter anzusehen ist. Dies ist nach der vorgenannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls dann zu bejahen, wenn der unmittelbare Zuwendungsempfänger durch den Bescheid verpflichtet wird, die Zuwendung an einen Dritten weiterzuleiten, und wenn die Gewährung von vornherein davon abhängig gemacht wird, dass der Dritte sich den Bedingungen des Bescheids unterwirft (vgl. auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 7. Aufl. 2008, § 48 Rdnr. 243); Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 48 Rdnr. 168). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zum einen ergab sich die Verpflichtung der G. GmbH zur Weiterleitung der Ausgleichszahlungen an die Kartoffelerzeuger nicht aus einer Zweckbestimmung im Bewilligungsbescheid, sondern aus dem der (vermeintlichen) Stellvertretung zugrunde liegenden Auftragsverhältnis mit den Kartoffelerzeugern (vgl. BVerwG, Teilurteil vom 9. Dezember 2004, a.a.O. Rdnr. 18) und aus § 5 Abs. 1 Satz 3 Kartoffelstärkeprämienverordnung. Zum anderen hat die Klägerin im Antragsverfahren keine Erklärung dahin abgegeben, sich den Bedingungen des jeweiligen Bewilligungsbescheids zu unterwerfen, so dass sie nicht in das Bewilligungsverfahren einbezogen ist; aufgrund der fehlenden Bevollmächtigung konnte die G. GmbH eine entsprechende Erklärung für die Klägerin nicht abgeben.

37

Die Klägerin wird durch die Rechtswidrigkeit der Rücknahmeentscheidung in ihren Rechten verletzt. Die Verletzung ihrer Rechte folgt nicht unmittelbar durch die rechtswidrige Aufhebung der Bescheide über die Gewährung von Ausgleichszahlungen; insoweit macht die Klägerin selbst geltend, dass sie nicht Regelungsadressatin und damit Begünstigte der Bewilligungsbescheide sei. Gleichwohl beinhaltet der angefochtene Verwaltungsakt die Klägerin belastende Regelungen. Denn die angefochtene Rücknahmeentscheidung ist zugleich rechtliche Grundlage für die gegenüber der Klägerin ausgesprochene Rückforderung von Ausgleichszahlungen und für die Festsetzung von Kosten für das Verwaltungsverfahren.

38

2.

Die Klage ist auch in Ansehung der Rückforderung der Ausgleichszahlungen begründet. Die Rückforderung ist ebenfalls rechtswidrig und verletzt dadurch die Rechte der Klägerin. Dabei ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Rückforderung ebenfalls auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens, mithin zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 22. September 2006 abzustellen.

39

a.

Die Rückforderung kann zunächst nicht auf § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, Abs. 3 MOG in Verbindung mit § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG gestützt werden, weil die zugrunde liegenden Bewilligungsbescheide über die Gewährung von Ausgleichszahlungen - gegenüber der Klägerin - nicht wirksam aufgehoben worden sind.

40

b.

Das Erstattungsverlangen der im Wirtschaftsjahr 1995/96 gezahlten Ausgleichszahlungen für auf den Anbauvertrag der Klägerin gelieferte Kartoffeln kann gegenüber der Klägerin nicht auf § 10 Abs. 1 Satz 2 MOG gestützt werden. Nach dieser Vorschrift können durch Rechtsverordnungen nach den §§ 6 und 8 MOG auch Dritte zur Erstattung von zu Unrecht gewährten Vergünstigungen unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet werden, soweit Regelungen im Sinne des § 1 Abs. 2 MOG dies erfordern. Diese Bestimmung ermächtigt lediglich den Verordnungsgeber dazu, unter näher bestimmten Voraussetzungen eine Ermächtigungsgrundlage für die Verpflichtung Dritter zu schaffen, enthält diese Ermächtigungsgrundlage aber nicht schon selbst (vgl. BVerwG, Teilurteil vom 9. Dezember 2004, a.a.O.; Urteil vom15. Dezember 2005 - BVerwG 3 C 53.04 -, BVerwGE 125, 34).

41

c.

Der angefochtene Rückforderungsbescheid kann auch nicht auf einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gestützt werden. Bei dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch handelt es sich um ein aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts, dessen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, soweit sie nicht abweichend geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen (vgl. BVerwG, Urteil vom17. August 2011 - BVerwG 6 C 9.10 -, NVwZ 2012, 168; BVerwG, Urteil vom 18. Januar 2001 - BVerwG 3 C 7.00 -, BVerwGE 112, 351; Beschluss vom 16. November 2007 - BVerwG 9 B 36.07 -, Buchholz 316 § 62 VwVfG Nr. 17 m.w.N.). Dieser Anspruch setzt eine Vermögensverschiebung durch Leistung oder in sonstiger Weise im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses voraus, für die ein Rechtsgrund nicht (mehr) besteht.

42

Der Senat kann offen lassen, ob diese Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs gegen die Klägerin gegeben sind, denn jedenfalls fehlt der Beklagten die Befugnis, einen etwaigen, hierauf gestützten Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin durch Verwaltungsakt festzusetzen. Eine solche Befugnis ergibt sich hier - wie bereits dargelegt - nicht aus § 49a VwVfG. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift scheidet hier aus. Die Befugnis, einen Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt festzusetzen, kann hier nicht mit der Begründung hergeleitet werden, die zuvor zurückverlangte Leistung sei auf Grundlage eines Verwaltungsakts erbracht worden (sog. Kehrseitentheorie). Dies würde - wie bereits § 49a Abs. 1 VwVfG zeigt - voraussetzen, dass der Verwaltungsakt, auf dessen Grundlage die zurückverlangte Leistung erbracht wurde, mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben oder aus anderen Gründen unwirksam geworden ist. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

43

3.

Da die Rückforderung von Ausgleichszahlungen gegenüber der Klägerin keinen Bestand hat, folgt hieraus zugleich die Rechtswidrigkeit der Zinsfestsetzung dem Grunde nach.

44

Da darüber hinaus auch die Rücknahme der zugrunde liegenden Bewilligungsbescheide keinen Bestand hat, ergibt sich hieraus die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Kostenfestsetzungsbescheide der Bezirksregierung Weser-Ems vom 19. Juni 2000 und der Beklagten vom 22. September 2006.