Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.07.2021, Az.: 1 LB 73/20

Einfriedung; Grünfläche; Grünfläche, private; heimisch; Mauer; Pflanzbindung; Pflanzgebot; rückwärtig; seitlich; seitliche Grundstücksgrenze; standortgerecht; standortheimisch; vordere Grundstücksgrenze; Zweckbestimmung; örtliche Bauvorschrift

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.07.2021
Aktenzeichen
1 LB 73/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70893
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 27.09.2018 - AZ: 4 A 12338/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Festsetzung einer privaten Grünfläche mit Pflanzbindung zur Eingrünung eines Baugebiets und zu dessen ökologischer Anbindung an die umgebende freie Landschaft kann der Einfriedung eines Grundstücks mit einer mannhohen massiven Betonmauer entgegenstehen (hier bejaht).

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine bauaufsichtliche Verfügung, mit der die Beklagte insbesondere den Rückbau einer Mauer angeordnet hat.

Der Kläger ist Eigentümer des im Aktivrubrum genannten Grundstücks. Es liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Heede Nr. 8 „Modellvorhaben Heede“, der unter Hinweis auf § 215 BauGB im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Hannover Nr. 9 vom 27. April 1994 öffentlich bekannt gemacht worden ist. Mit dem Modellvorhaben bezweckte die Beklagte im damaligen Außenbereich die Errichtung einer Siedlung, die sich durch eine besondere Berücksichtigung gemeinschaftlicher und ökologischer Belange auszeichnen sollte. Durch das äußere Erscheinungsbild der Siedlung sollte in Anlehnung an den Standort eine dörfliche Struktur entstehen. Daher sollten die Gebäude zu Hausgruppen gegliedert werden, um die Nachbarschaft zu betonen; ferner sollten Freiflächen einbezogen und vernetzt werden. Der Plan setzt insgesamt fünf allgemeine Wohngebiete von unterschiedlichem Zuschnitt fest. Baugrenzen und überwiegend großzügig dimensionierte nicht überbaubare Grundstücksflächen sorgen für eine starke Durchgrünung des Wohngebiets. Im Norden grenzt eine Wallhecke das Plangebiet zum Außenbereich ab. Im Westen, Süden und Osten ist das Gebiet von privaten Grünflächen ohne weitere Zweckbestimmung umgeben, die nach der textlichen Festsetzung (TF) Nr. 6 mit einheimischen, standortgerechten Gehölzen zu bepflanzen sind. Zur Begründung heißt es, der dörfliche Charakter von St. Hülfe/Heede sei maßgeblich durch den Bestand an einheimischen Gehölzen und Bäumen geprägt. Dieser Charakter solle auch für das Plangebiet erreicht werden. Eine dem Plan beigefügte örtliche Bauvorschrift sieht unter Nr. 6 vor, dass an den seitlichen Grundstücksgrenzen nur Hecken und Holzzäune mit senkrechten Latten bis maximal 1,0 m Höhe zulässig sind; an den Terrassengrenzen sind Holzzäune bis zu einer Höhe von 2,0 m zulässig. Hier heißt es zur Begründung, Hecken und Holzzäune entsprächen dem traditionellen Erscheinungsbild in St. Hülfe/Heede.

Das von seiner Nordseite über einen mit Kraftfahrzeugen befahrbaren Wohnweg erschlossene Grundstück des Klägers liegt mit seiner Nordwesthälfte im Allgemeinen Wohngebiet; die Südosthälfte ist als private Grünfläche festgesetzt. Südlich des Grundstücks verläuft der Kirchweg.

Im Jahr 2016 stellte die Beklagte nach einer Nachbarbeschwerde fest, dass der Kläger entlang der südlichen, zum Kirchweg weisenden Grenze seines Grundstücks eine massive, rund 1,80 m hohe Betonmauer errichtet hatte. Die Mauer, die nicht direkt auf der Grenze steht, sondern rund 1 m hinter diese zurücktritt, umschließt die Grundstücksecken und setzt sich entlang der rechten und linken Grundstücksgrenze auf einer Länge von rund 1-2 m fort. Sie wird durch mehrere, rund 2 m hohe Pfosten gegliedert und verfügt zum Kirchweg hin über eine Öffnung, die eine Durchfahrt mit Kraftfahrzeugen ermöglicht, sowie eine weitere vollständig bepflanzte Öffnung.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2017 und Widerspruchsbescheid vom 7. November 2017 gab die Beklagte dem Kläger unter Androhung von Zwangsmitteln unter anderem auf, die Mauer zu entfernen und die Nutzung des Grünstreifens als Zufahrt zu unterlassen. Zur Begründung verwies sie hinsichtlich der Mauer auf einen Verstoß gegen die örtliche Bauvorschrift in Bezug auf Höhe und Material. Die örtliche Bauvorschrift betreffe angesichts des Planungsziels, ein traditionelles dörfliches Erscheinungsbild zu schaffen, nicht bloß die rechte und die linke, sondern alle Grundstücksgrenzen. Die Erteilung einer Befreiung komme nicht in Betracht, weil eine solche die Grundzüge der von den späteren Bewohnern in einem gemeinsamen Prozess erarbeiteten Planung berühren würde. Die materielle Baurechtswidrigkeit lasse die Beseitigungsanordnung angemessen erscheinen.

Mit seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere vorgetragen, bei der Mauer handele es sich schon nicht um eine Einfriedung, sondern „um Skulpturen zur Gartengestaltung“. Die örtlichen Bauvorschriften seien nichtig. Es mangele an einer tragfähigen Begründung. Hinzu komme, dass nur die seitlichen, nicht aber alle Grundstücksgrenzen erfasst würden. Das ergebe sich schon aus einem Vergleich mit § 22 BauNVO. Bei der Grünflächenfestsetzung handele es sich um eine unzulässige Negativplanung; jedenfalls aber sei nicht ersichtlich, warum die Mauer nicht als dem Nutzungszweck dienende untergeordnete Nutzung zulässig sein solle.

Nach Aufhebung der Zwangsmittelandrohung durch Bescheid vom 24. September 2018 und übereinstimmenden Erledigungserklärungen insoweit hat der Kläger beantragt,

die Bauaufsichtsanordnung der Beklagten vom 12. Mai 2017 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 7. November 2017 und des Teilabhilfebescheides vom 24. September 2018 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Mauer verstoße gegen Nr. 6 der örtlichen Bauvorschrift. Diese sei wirksam, zumal die Rügefristen gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 NBauO a.F. i.V. mit §§ 214, 215 BauGB längst abgelaufen seien. Soweit in der örtlichen Bauvorschrift von seitlichen Grundstücksgrenzen die Rede sei, seien alle Grundstücksgrenzen gemeint. Zwar sei der Wortlaut unergiebig. Der Begriff diene aber der Unterscheidung zwischen seitlichen Grundstücksgrenzen und Terrassengrenzen, solle also nicht die nördlichen und südlichen Grundstücksgrenzen des Klägers ausschließen. Insofern sei die Begründung als Auslegungshilfe heranzuziehen. Diese betone, dass Hecken und Holzzäune dem traditionellen Erscheinungsbild entsprächen. Vor diesem Hintergrund sei eine Auslegung, die den Regelungsgehalt auf bestimmte Grundstücksgrenzen beschränke, widersinnig, wie gerade der Fall des Klägers zeige. Überdies begegne eine Auslegung, die die Vorschrift auf bestimmte Grundstücksgrenzen beschränke, Bedenken, weil dann die Bestimmtheit der Vorschrift selbst in Frage stehe.

Mit dem angegriffenen Urteil vom 27. September 2018 hat das Verwaltungsgericht Hannover die Klage nach Ortsbesichtigung insgesamt abgewiesen. Die Errichtung der Mauer sei baurechtswidrig. Es sei zwar fraglich, ob die örtliche Bauvorschrift, die von seitlichen Grundstücksgrenzen spreche, tatsächlich alle Grundstücksgrenzen erfasse. Jedoch stehe die Festsetzung einer privaten Grünfläche der Errichtung der Mauer entgegen. Der Plan schließe zwar Einfriedungen nicht generell aus; ein derart massives Bauwerk sei mit den Planungszielen der Beklagten jedoch nicht vereinbar. Mit der planerisch angestrebten Ausweitung des dörflichen Charakters von Heede in das Plangebiet sei es unvereinbar, dörfliche Wohngrundstücke mit (über)hohen blickdichten Mauern zu umgeben, die die gewohnten Blickbeziehungen über die Grundstücke hinweg bzw. auf deren Eingrünung störten. Baurechtswidrig sei auch die Nutzung des den Kirchweg säumenden Grünstreifens als Zufahrt.

Mit der vom Senat mit Beschluss vom 20. April 2020 nur bezüglich der angeordneten Beseitigung der Mauer zugelassenen Berufung macht der Kläger insbesondere geltend, dass weder die örtliche Bauvorschrift noch die Festsetzung einer privaten Grünfläche der Errichtung der Mauer entgegenstünden. Die örtliche Bauvorschrift sei nicht hinreichend bestimmt, weil unklar bleibe, was unter „seitlichen Grundstücksgrenzen“ zu verstehen sei. Überdies sei die örtliche Bauvorschrift abwägungsfehlerhaft; ökologische Gründe seien nach der damaligen Rechtsgrundlage des § 56 NBauO a.F. zur Rechtfertigung ungeeignet. Die Grünflächenfestsetzung stehe der Errichtung der Mauer ebenfalls nicht entgegen. Die Mauer nehme nur einen untergeordneten Anteil, nämlich rund 15 % der Grünfläche ein und führe nicht dazu, dass die Fläche ihre überwiegende Prägung als Grünfläche verliere. Soweit das Verwaltungsgericht darüber hinaus meine, die Mauer sei mit den allgemeinen Planungszielen unvereinbar, seien nicht diese Planungsziele, sondern allein die Planfestsetzungen maßgeblich. Die Festsetzung sei überdies unwirksam, weil sie das Grundeigentum unverhältnismäßig beschränke. Das Pflanzgebot diene unzulässigerweise gestalterischen Zielen und sei nicht hinreichend bestimmt.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Hannover vom 27. September 2018 den Bescheid der Beklagten und Berufungsbeklagten vom 12. Mai 2017 zu Ziffer 1 (Rückbau der Grundstückseinfriedung) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. November 2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und betont insbesondere, dass die Planbegründung und der darin zum Ausdruck gebrachte Wille des Plangebers zur Auslegung der Bestimmungen des Bebauungsplans und der örtlichen Bauvorschrift herangezogen werden müssten. Die siedlungsökologischen und gestalterischen Überlegungen müssten daher in den Plan hineingelesen werden. Lege man das zugrunde, stehe die Grünflächenfestsetzung der Errichtung der Mauer entgegen. Diese wirke in ihrer Massivität wie ein Fremdkörper und gefährde den gewünschten Eindruck eines dörflichen Charakters. Untergeordnete Bedeutung habe die Mauer nicht. Sie störe die Blickbeziehungen über die Grundstücke hinweg sowie die Eingrünung und widerspreche den Planungszielen. Zudem liege auch ein Verstoß gegen die örtliche Bauvorschrift vor. Der Begriff der seitlichen Grundstücksgrenzen sei nach Systematik und Sinn und Zweck dahin auszulegen, dass er sämtliche Grundstücksgrenzen erfasse. Es widerspräche hingegen evident dem Planungsziel, wenn an zwei Grundstücksgrenzen massive Grenzmauern errichtet werden dürften. Tatsächlich sei es zudem so, dass zahlreiche Grundstücke über mehr als zwei Grundstücksgrenzen verfügten. Was insofern gelte, sei nur klar, wenn man die örtliche Bauvorschrift auf alle Grundstücksgrenzen beziehe.

Der Senat hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die beigezogenen Vorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auch bezüglich der Anordnung zum Rückbau der Mauer in Ziffer 1 der bauaufsichtlichen Verfügung vom 12. Mai 2017 und des dazu ergangenen Widerspruchsbescheids zu Recht abgewiesen. Die Anordnung ist rechtmäßig.

Gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen anordnen, die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind, wenn bauliche Anlagen, Grundstücke, Bauprodukte oder Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht widersprechen oder dies zu besorgen ist. Sie kann nach Satz 2 Nr. 4 der vorgenannten Vorschrift namentlich die Beseitigung von Anlagen oder Teilen von Anlagen anordnen. Eine derartige Beseitigungsanordnung setzt mit Blick auf den mit der Beseitigung verbundenen Substanzverlust und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich die materielle Baurechtswidrigkeit der Anlage voraus (vgl. Senatsurt. v. 21.1.2000 - 1 L 4202/99 -, NdsVBl. 2000, 142 = BRS 63 Nr. 120 = juris Rn. 27; Senatsbeschl. v. 18.5.2020 - 1 LA 150/18 -, juris Rn. 6). Diese Voraussetzung ist hier aus zwei Gründen erfüllt.

1. Die materielle Baurechtswidrigkeit der Mauer folgt erstens aus einem Verstoß gegen Nr. 6 der dem Bebauungsplan Heede Nr. 8 gemäß §§ 56, 97 NBauO in der zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses geltenden Fassung vom 6. Juni 1986 (Nds. GVBl. S. 157), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. November 1991 (Nds. GVBl. S. 295, im Folgenden: a.F.), beigefügten örtlichen Bauvorschrift. Sie sieht vor, dass an den seitlichen Grundstücksgrenzen Hecken und Holzzäune mit senkrechten Latten bis maximal 1,0 m Höhe zulässig sind. Diese Regelung erfasst die Mauer des Klägers; Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit der Regelung bestehe nicht.

Die im Wesentlichen entlang der südlichen, der Erschließungsanlage des klägerischen Grundstücks gegenüberliegenden Grundstücksgrenze errichtete Mauer verläuft an einer seitlichen Grundstücksgrenze im Sinne der Nr. 6 der örtlichen Bauvorschrift. Mit dem Begriff der seitlichen Grundstücksgrenzen bezeichnet die örtliche Bauvorschrift alle Grenzen eines Grundstücks gleichermaßen. Dies folgt allerdings - insoweit ist dem Kläger zuzustimmen - nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift. Zwar lässt es der allgemeine Sprachgebrauch ohne Weiteres zu, alle Grenzen entlang der vier (oder mehr) Seiten eines Grundstücks als „seitlich“ beschreiben. Zwingend ist dies aber nicht. Als seitliche Grundstücksgrenzen könnten auch nur die - von der Erschließungsanlage aus betrachtet - rechte und linke Seite des Grundstücks erfasst sein, sodass die straßenseitige/vordere und die rückwärtige/hintere Grundstücksgrenze von der Regelung ausgenommen wären. Für dieses engere Verständnis spricht zwar weniger der Vergleich mit § 22 Abs. 4 Satz 2 BauNVO, der in der vorgenannten Weise zwischen den verschiedenen Grundstücksgrenzen unterscheidet. Der Beklagten ist es im Rahmen einer örtlichen Bauvorschrift unbenommen, eigene Begrifflichkeiten zu prägen. Von einigem Gewicht ist aber der Einwand, dass die Beklagte auf eine Qualifikation der Grundstücksgrenzen als „seitlich“ ganz hätte verzichten können, wenn die Regelung alle Grundstücksgrenzen gleichermaßen hätte erfassen sollen. Soweit die Beklagte dem entgegenhält, der qualifizierende Zusatz habe zur Abgrenzung der „seitlichen“ Grenzen von den „Terrassengrenzen“ dienen sollen, mag das zutreffen; sprachlich erforderlich ist der Zusatz dennoch nicht.

Lässt der Wortlaut daher verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zu, kommt dem Sinn und Zweck der Vorschrift, wie er sich aus der Regelung selbst, dem Regelungszusammenhang sowie den Planaufstellungsvorgängen - nicht aber nachträglichen Äußerungen des damals verantwortlichen Planers - ergibt, maßgebliche Bedeutung zu. Dieser zielt erkennbar darauf ab zu verhindern, dass sich die Grundstücke „einmauern“ und die Blick- und Kommunikationsbeziehungen durch massive Wände unterbrochen werden. Das entspricht dem Planungsziel einer Zuordnung der Gebäude zu Hausgruppen mit starker Betonung der Nachbarschaft sowie der Einbeziehung und Vernetzung von Freiflächen. Dieses Ziel erfordert eine Erfassung aller Grundstückseinfriedungen an den vorderen, rückwärtigen und im engeren Sinne seitlichen Grenzen, um die gewünschte Durchlässigkeit herzustellen. Mit dem weiteren Planungsziel der Anlehnung an das „traditionelle Erscheinungsbild in St. Hülfe/Heede“ wäre es zudem in ganz besonderer Weise unvereinbar, wenn die Baugrundstücke an ihrer für die Öffentlichkeit primär sichtbaren und daher gestalterisch besonders empfindlichen Seite zur Erschließungsanlage hin eine beliebige Einfriedungsgestaltung und -höhe wählen könnten. Der Feststellung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, bei einer solchen Auslegung ergebe Nr. 6 der örtlichen Bauvorschrift keinen Sinn, tritt der Senat deshalb bei. Hecken und niedrige Zäune an allen Grenzen stehen mit dem Planungsziel hingegen zwanglos in Einklang; sie stellen sich selbst als Orts- bzw. Landschaftsbestandteile dar, wie sie für ein niedersächsisches Dorf typisch sind.

Hinzu kommt, dass sich die Regelung in Nr. 6 der örtlichen Bauvorschrift rechtlichen Bedenken ausgesetzt sähe, wenn sie allein auf die rechte und linke Grundstücksgrenze bezogen wäre. Mit einem derartigen Inhalt stünde angesichts des Planungsziels ernstlich in Frage, ob die örtliche Bauvorschrift dem hier aus Art. 14 Abs. 1 GG abzuleitenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspräche. Mit Blick auf das angestrebte „traditionelle Erscheinungsbild“ wäre es jedenfalls sachlich außerordentlich schwer zu begründen, nur die im engeren Sinne seitlichen Grundstücksgrenzen, nicht aber die vordere und rückwärtige Grundstücksgrenze zu erfassen. Da zudem das Planungsziel bei bloßer Einbeziehung der rechten und linken Grundstücksgrenze weithin verfehlt würde, wäre auch die mit der Bestimmung gleichwohl verbundene Beschränkung der Eigentümerbefugnisse schwerlich zu rechtfertigen. Das Gebot, das geltende Recht in einer Weise auszulegen, die Konflikte mit höherrangigem Recht nicht mutwillig entstehen lässt, spricht daher dafür, alle Grundstücksgrenze gleichermaßen als seitlich anzusehen. Ob darüber hinaus auch die Bestimmtheit in Frage stünde, wenn Nr. 6 der örtlichen Bauvorschriften nur die rechte und linke Grundstücksgrenze erfasste, kann offenbleiben.

Bedenken gegen die Wirksamkeit der alle Grundstücksgrenzen erfassenden örtlichen Bauvorschrift bestehen nicht. Der Bebauungsplan und die örtliche Bauvorschrift wurden nach dem übereinstimmenden Befund aller Beteiligten in der mündlichen Verhandlung wirksam bekannt gemacht. Soweit der Kläger zudem ausgeführt hat, § 56 NBauO a.F. habe im Unterschied zu der geltenden Gesetzesfassung nicht zu ökologisch motivierten örtlichen Bauvorschriften ermächtigt, übersieht er, dass Nr. 6 nach der Begründung zweifelsfrei gestalterische Zielsetzungen verfolgt. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf, ob Holz oder Beton das ökologisch geeignetere Baumaterial darstellt.

2. Die materielle Baurechtswidrigkeit der Mauer ergibt sich zweitens daraus, dass sie im Bereich der Festsetzung einer privaten Grünfläche ohne besondere Zweckbestimmung (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB), die von einem Pflanzgebot nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 a) BauGB überlagert wird, errichtet worden ist. Grünflächen werden durch naturbelassene oder angelegte, mit Pflanzen bewachsene oder zumindest dem Aufenthalt im Freien dienende Flächen geprägt. Wesentliches Merkmal einer Grünfläche ist der „grüne Charakter“ (Gierke, in: Brügelmann, BauGB, § 9 Rn. 593 <Stand der Bearbeitung: April 2020>). Mit der Festsetzung einer Grünfläche regelt der Plangeber daher eine sonstige, durch Bewuchs geprägte nichtbauliche Nutzung, die aber im Rahmen der jeweiligen Zweckbestimmung der Grünfläche bauliche Anlagen nicht ausschließt, wenn sie eine nur untergeordnete Bedeutung haben. Von einer untergeordneten Bedeutung ist auszugehen, wenn die Anlage sowohl in funktioneller als auch in räumlich-gegenständlicher Hinsicht dienend zu- und untergeordnet ist (vgl. BVerwG, Beschl. 22.10.2012 - 4 BN 36.12 -, BauR 2013, 199 = juris Rn. 4; v. 11.4.2017 - 4 B 11.17 -, ZfBR 2017, 587 = juris Rn. 5). An der erforderlichen Unterordnung fehlt es hier.

In funktioneller Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit der Grünflächenfestsetzung ausweislich der planerischen Konzeption, wie sie sich aus den Festsetzungen selbst und ergänzend aus der Planbegründung ergibt, zulässigerweise zwei verschiedene Zielsetzungen erfolgt. Erstens soll das Wohngebiet aus gestalterischen Gründen mit Grün umgeben werden. Zweitens dienen die Grünflächen der Vernetzung des Plangebiets mit der zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses freien Landschaft im Westen, Osten und teilweise auch im Süden; sie weisen demzufolge eine ökologische Funktion auf. Vor diesem Hintergrund steht zwar schon mit Blick auf Nr. 6 der örtlichen Bauvorschrift nicht in Frage, dass innerhalb der privaten Grünflächen Einfriedungen grundsätzlich errichtet werden dürfen, diese also mit der Funktion der Grünfläche in Einklang stehen können. Das gilt jedoch nicht für eine mannshohe und im Bereich der Mauerelemente undurchlässige Mauer. Eine solche Mauer schneidet auch dann, wenn sie äußerlich begrünt ist, das Plangebiet von der umgebenden freien Landschaft ab und beeinträchtigt die der Grünfläche zugeschriebene ökologische Aufgabe, eine Vernetzung zwischen Siedlung und freier Landschaft herzustellen. Insbesondere für die Tierwelt stellt eine Mauer selbst dann, wenn sie von Öffnungen durchbrochen wird, ein nur schwer zu überwindendes Hindernis dar, das die wechselseitige Durchlässigkeit beschränkt. Plangebiet und Umgebung werden in einer Weise gegeneinander abgegrenzt, die der in den Festsetzungen zum Ausdruck kommenden Plankonzeption widerspricht. Eine funktionelle Unterordnung liegt deshalb nicht vor.

Zugleich fehlt es auch an einer räumlich-gegenständlichen Unterordnung. Die Mauer nimmt zwar nur einen geringen Teil der Grundfläche der privaten Grünfläche ein und ist - wie der Senat bei der Inaugenscheinnahme feststellen konnte - aufgrund ihrer zurückgesetzten Position von außen so begrünt, dass sie in weiteren Teilen kaum sichtbar ist. Deutlich sichtbar bleiben aber jedenfalls die gestalterischen Zwecken dienenden Pfosten sowie bedingt durch die Öffnung zum Kirchweg und die dort fehlende Begrünung abhängig vom Standort des Betrachters auch die Mauer selbst. Der Senat teilt daher nach eigener Besichtigung den Eindruck des Verwaltungsgerichts, dass die Mauer einen „Fremdkörper“ darstellt, der sich aufgrund seiner Massivität und seines exemplarisch an den Pfosten zum Ausdruck kommenden gestalterischen Anspruchs nicht der Grünfläche unterordnet, sondern diese vielmehr zu dominieren sucht. Die von dem Kläger gewählte Beschreibung, es handele sich um „Skulpturen zur Gartengestaltung“, verdeutlicht, dass eine solche, einer räumlich-gegenständlichen Unterordnung hier zuwiderlaufende Wirkung nicht nur erreicht wird, sondern auch beabsichtigt ist.

Rechtliche Bedenken gegen die Festsetzung der Grünfläche und des Pflanzgebots bestehen nicht. Etwaige Verfahrensfehler und Mängel der Abwägung sind gemäß § 215 Abs. 1 BauGB in der zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses im Jahr 1993 geltenden Fassung unbeachtlich. Um eine nicht erforderliche Negativplanung handelt es sich angesichts des positiven Planungsziels der Eingrünung und ökologischen Vernetzung des Wohngebiets nicht. Ein weiterhin beachtlicher Fehler im Abwägungsergebnis liegt ebenfalls nicht vor. Zwar trifft es zu, dass einige Grundstücke - dasjenige des Klägers eingeschlossen - in recht großem Umfang mit einer Grünflächenfestsetzung belegt sind. Diese Festsetzung entzog dem Eigentümer bei Planaufstellung jedoch nicht eine bestehende Nutzungsmöglichkeit als Bauland bzw. Hausgarten, sondern fiel mit der Begründung der Baulandeigenschaft für andere Grundstücksteile zusammen. Berücksichtigt man weiter, dass auskömmlich große Bereiche verbleiben, die als Baufläche bzw. frei zu gestaltender Hausgarten genutzt werden können, und die private Grünfläche zwar mit einheimischen standortgerechten Gehölzen bepflanzt werden muss, weitere Vorgaben zu ihrer Nutzung aber nicht bestehen, die Privatnützigkeit mithin erhalten bleibt, hält sich die Beschränkung des Eigentums in engen, den planerischen Spielraum der Beklagten bei weitem nicht überschreitenden Grenzen. Das gewichtige Planungsziel, das neue Baugebiet einzugrünen und mit den umgebenden Flächen - damals (nahezu) ringsherum Außenbereich – zu vernetzen, rechtfertigt die mit der Festsetzung verbundene Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG).

Auch das auf § 9 Abs. 1 Nr. 25 a) BauGB gestützte Pflanzgebot begegnet keinen Bedenken. Soweit der Kläger dessen Bestimmtheit anzweifelt, ist dem entgegenzuhalten, dass der Inhalt des Begriffs der einheimischen standortgerechten Gehölze durch Auslegung festgestellt werden kann (vgl. Senatsurt. v. 30.3.2000 - 1 K 5637/98 -, BauR 2000, 1299 = juris Rn. 11). Einheimisch sind Gehölze dann, wenn sie in dem umgebenden Gebiet natürlicherweise vorkommen. Standortgerecht sind Gehölze, wenn sie an dem in Aussicht genommenen Standort ohne weitere Hilfe des Menschen wachsen können. Beide Begriffe sind im Naturschutzrecht seit langem eingeführt; das aktuelle Bundesnaturschutzgesetz verbindet beide Begriffe zu dem Begriff „standortheimisch“ (§ 5 Abs. 3 Satz 2 BNatSchG, vgl. dazu Fischer-Hüftle, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl. 2011, § 5 Rn. 30). Welche Gehölze im Einzelnen in Frage kommen, ergibt sich zudem aus Nr. 5.1 i.V. mit Nr. 4 des Grünordnerischen Ausführungskonzepts vom 15. April 1993, das dem Bebauungsplan als Anlage 1 beigefügt war und zur Auslegung herangezogen werden kann. Stadtgestalterische Ziele dürfen mit einem Pflanzgebot entgegen der Auffassung des Klägers durchaus verfolgt werden (vgl. § 9 Abs. 1 BauGB: „aus städtebaulichen Gründen“). Schließlich hätte die Nichtigkeit des Pflanzgebots nicht die Nichtigkeit der Grünflächenfestsetzung oder gar des gesamten Plans zur Folge; der Plan ist insofern teilbar.

3. Die bauaufsichtliche Verfügung ist frei von Ermessensfehlern. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat die Bauaufsichtsbehörde gegen baurechtswidrige Zustände regelmäßig einzuschreiten; es handelt sich daher um einen Fall von intendiertem Ermessen. Ein „Für und Wider“ braucht deswegen nur dann abgewogen zu werden, wenn der Fall so geartet ist, dass ganz bestimmte konkrete Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme vorliegen (vgl. Senatsbeschl. v. 11.5.2015 - 1 ME 31/15 -, NdsVBl. 2015, 304 = BRS 83 Nr. 101 = juris Rn. 15; v. 18.5.2020 - 1 LA 150/18 -, juris Rn. 16). Solche Umstände sind hier weder dargetan noch ersichtlich; die ausführlich wiedergegebenen Überlegungen der Beklagten insbesondere zur Verhältnismäßigkeit sind zudem auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. mit § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.