Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.07.2021, Az.: 2 NB 437/20
Auswahlverfahren; innerkapazitär; Masterstudiengang; Masterstudium; Verfahrensfehler; Zugangsvoraussetzungen; Zulassung, innerkapazitäre
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 02.07.2021
- Aktenzeichen
- 2 NB 437/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 71021
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 22.10.2020 - AZ: 1 B 25/20
Rechtsgrundlagen
- Art 12 Abs 1 S 1 GG
- Art 3 Abs 1 GG
- § 18 Abs 8 HSchulG ND
- § 7 HSchulZulG ND 1998
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Werden Studierende, denen noch bis zu ein Drittel der Leistungspunkte aus dem Bachelorstudium
fehlt, ohne weitere Differenzierung am Auswahlverfahren zum Masterstudium nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 NHZG beteiligt, verstößt das Auswahlverfahren gegen die aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG folgende Vorgabe der Auswahl der Studierenden nach Eignungsgesichtspunkten unter Anwendung gleicher Auswahlmaßstäbe.
2. Die Fehlerhaftigkeit des durchgeführten Auswahlverfahrens allein begründet keinen Anspruch auf vorläufige innerkapazitäre Zulassung; es muss jedenfalls die hinreichende Möglichkeit glaubhaft gemacht sein, dass der Studienplatzbewerber bei fehlerfreier Durchführung den begehrten Platz erhalten würde
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 1. Kammer - vom 22. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die innerkapazitäre Zulassung zu einem Masterstudiengang.
Die Antragstellerin studierte ab dem Wintersemester 2017/2018 bei der Antragsgegnerin im Bachelorstudiengang Psychologie. Ihre Bewerbung bei der Antragsgegnerin für den Masterstudiengang „Psychologie: Schwerpunkt Interkulturelle Psychologie“ lehnte diese mit Bescheid vom 4. August 2020 ab. Die Antragstellerin lag nach Durchführung des Auswahlverfahrens auf Platz 113 der von der Antragsgegnerin erstellten Rangliste. Der Grenzrang für die Zulassung lag bei Rang 106.
Mit ihrem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat die Antragstellerin vorgetragen, dass sie durch die infolge der Corona-Pandemie von der Antragsgegnerin erlassenen abweichenden Voraussetzungen für die vorläufige Zugangsberechtigung zum Masterstudiengang benachteiligt werde. Sie habe die bis zu der abweichenden Neuregelung geforderten 150 Leistungspunkte erreicht. Durch die Herabsetzung dieser Grenze auf 120 Leistungspunkte falle sie in der Rangliste zurück, da nunmehr weitere Studierende die Zugangsvoraussetzungen erfüllten. Die Antragsgegnerin hat dem entgegengehalten, dass sie die „Ordnung über abweichende Regelungen betreffend Zugang und Zulassung zu grundständigen und konsekutiven (Master-)Studiengängen“ für das Wintersemester 2020/2021 erlassen habe, um die Nachteile auszugleichen, denen die Studierenden aufgrund der Absage von Präsenzprüfungen infolge der Corona-Pandemie ausgesetzt gewesen seien.
Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin vorläufig zum Masterstudiengang „Psychologie: Schwerpunkt Interkulturelle Psychologie“ im 1. Fachsemester zum Wintersemester 2020/2021 zuzulassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Regelungen der Antragsgegnerin über das Auswahlverfahren verstießen gegen höherrangiges Recht. Die Antragsgegnerin behandle wesentlich Ungleiches ohne sachlichen Grund gleich, indem sie die Durchschnittsnoten aller Bewerberinnen und Bewerber - ob nun nach Erreichen von 180, 150 oder 120 Leistungspunkten - miteinander vergleiche und eine gemeinsame Rangliste zur Grundlage ihrer Auswahlentscheidung mache. Zu beanstanden sei, dass ggf. bis zu 60 Leistungspunkte, die nach vorläufiger Zulassung im 1. Semester des Masterstudiums nachgeholt werden müssten, keinerlei Berücksichtigung bei der Zulassungsentscheidung zum Masterstudium fänden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die von der Antragsgegnerin innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) vorgetragenen Gründe, die den Prüfungsumfang des Senats im Beschwerdeverfahren bestimmen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen die Änderung des angegriffenen Beschlusses nicht.
Unabhängig davon, dass der Beschwerde mit Blick auf das Darlegungsgebot nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO bereits deshalb der Erfolg versagt bleiben muss, weil die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung die vom Verwaltungsgericht ausdrücklich als die Entscheidung selbständig tragend vorgenommene Interessenabwägung nicht angegriffen hat, stellt die Beschwerdebegründung die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung auch im Übrigen nicht durchgreifend in Frage. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass das Auswahlverfahren der Antragsgegnerin für den Masterstudiengang „Psychologie: Schwerpunkt Interkulturelle Psychologie“ im Wintersemester 2020/2021 gegen höherrangiges Recht verstoßen hat (dazu unter 1.) und die Antragstellerin einen Anspruch auf vorläufige Zulassung zu diesem Masterstudiengang hat (dazu unter 2.).
1. Aus der grundrechtlichen Verbürgung der freien Wahl der Ausbildungsstätte in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) ergibt sich ein Recht auf Teilhabe an den vorhandenen Studienangeboten, die der Staat mit öffentlichen Mitteln geschaffen hat. Es handelt sich hierbei um ein derivatives Teilhaberecht. Diejenigen, die dafür die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, haben danach ein Recht auf gleichheitsgerechte Zulassung zum Hochschulstudium ihrer Wahl (vgl. nur BVerfG, Urt. v. 19.12.2017 - 1 BvL 3/14 -, juris Rn. 106). Aus dem Gebot der Gleichheitsgerechtigkeit folgt, dass sich die Regeln über die Vergabe von Studienplätzen grundsätzlich an dem Kriterium der Eignung orientieren müssen. Eine Auswahl nach diesem Kriterium kann die Ungleichbehandlung rechtfertigen, welche mit der Verteilung einer den Bedarf nicht deckenden Zahl von Studienplätzen zwangsläufig verbunden ist. Die für die Verteilung relevante Eignung bemisst sich dabei an den Erfordernissen des konkreten Studienfachs und den sich typischerweise anschließenden beruflichen Tätigkeiten (vgl. BVerfG, Urt. v. 19.12.2017 - 1 BvL 3/14 -, juris Rn. 110).
Ausgehend von diesen Grundsätzen regelt § 18 Abs. 8 NHG die Zugangsberechtigung zu weiterführenden Studiengängen und Masterstudiengängen. Danach hat die Zugangsberechtigung zu diesen Studiengängen, wer einen Bachelorabschluss oder einen gleichwertigen Abschluss besitzt und bei beabsichtigter Aufnahme eines konsekutiven Masterstudiengangs ein fachlich hierfür geeignetes vorangegangenes Studium nachweisen kann. Eine Person ist vorläufig zugangsberechtigt, wenn ihr für den Bachelorabschluss oder den gleichwertigen Abschluss noch einzelne Prüfungsleistungen fehlen, aber aufgrund des bisherigen Studienverlaufs, insbesondere der bislang vorliegenden Prüfungsleistungen, zu erwarten ist, dass sie den Abschluss spätestens bis zum Ende des ersten Semesters des Masterstudiengangs oder des weiterführenden Studiengangs erlangen wird; das Zeugnis ist innerhalb einer von der Hochschule festzusetzenden Frist vorzulegen. Das Nähere, insbesondere zur Feststellung der fachlichen Eignung eines vorangegangenen Studiums, regelt eine Ordnung.
Entsprechende Vorgaben für die Zulassung zum Masterstudium enthält § 7 NHZG. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift regeln die Hochschulen das Zulassungsverfahren für weiterführende Studiengänge und Masterstudiengänge in einer Ordnung, wenn Zulassungsbeschränkungen gemäß § 4 Abs. 1 NHG erforderlich sind. Hierbei sind - soweit hier von Bedeutung - insbesondere die Grundsätze zu beachten, dass bei der Auswahl überwiegend der von der Hochschule festgestellte Grad der Eignung für den betreffenden Studiengang zugrunde zu legen ist und bei der Feststellung der Eignung für Masterstudiengänge im Rahmen von konsekutiven Studiengängen insbesondere das Ergebnis der Bachelorprüfung und, wenn dieses noch nicht vorliegt, insbesondere eine anhand der bislang vorliegenden Prüfungsleistungen ermittelte Durchschnittsnote zu berücksichtigen ist.
Ausgehend von diesen Ermächtigungsgrundlagen fordert § 2 Abs. 1 a der Ordnung der Antragsgegnerin über den Zugang und die Zulassung für den konsekutiven Masterstudiengang „Psychologie: Schwerpunkt Interkulturelle Psychologie“ (vgl. AMBl. Nr. 02/2019 v. 21.3.2019, S. 131) - im Folgenden: Ordnung - als Voraussetzung für den Zugang zu dem genannten Masterstudiengang einen Bachelorabschluss oder diesem gleichwertigen Abschluss im Studiengang „Psychologie“. § 2 Abs. 2 Satz 1 der Ordnung sieht - wenn nicht bereits ein abgeschlossenes Bachelorstudium vorliegt - als Zugangsvoraussetzung vor, dass zum Bewerbungszeitpunkt 150 ECTS-Leistungspunkte erbracht worden sind und aufgrund des bisherigen Studienverlaufs, insbesondere der bislang vorliegenden Prüfungsleistungen, zu erwarten ist, dass die Bewerberinnen und Bewerber den Abschluss spätestens bis zum Ende des ersten Semesters des Masterstudiengangs erlangen werden. § 3 der Ordnung der Antragsgegnerin über abweichende Regelungen betreffend Zugang und Zulassung zu grundständigen und konsekutiven (Master-)Studiengängen zum Wintersemester 2020/2021 vom 20. Mai 2020 (vgl. AMBl. Nr. 04/2020 v. 9.6.2020, S. 346) - im Folgenden: Änderungsordnung - trifft ausschließlich für das Wintersemester 2020/2021 eine hiervon abweichende Regelung. Danach sind Bewerberinnen und Bewerber auch dann vorläufig zugangsberechtigt, wenn sie zum Bewerbungszeitpunkt in einem fachlich geeigneten Studiengang mindestens 120 Leistungspunkte erbracht haben und aufgrund des bisherigen Studienverlaufs zu erwarten ist, dass sie den Abschluss bis zum Ende des ersten Semesters des Masterstudiums erlangen werden.
§ 4 der Ordnung der Antragsgegnerin regelt das Zulassungsverfahren. Danach erfolgt die Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber aufgrund einer nach den dortigen Maßgaben zu erstellenden Rangliste. Unter anderem wird für den (Bachelor-)Abschluss bzw. den (so bezeichneten) „vorläufigen Abschluss“, hier nach der Durchschnittsnote aufgrund der bisherigen Leistungen, eine Punktzahl vergeben.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass das von der Antragsgegnerin auf der Grundlage des § 3 der Änderungsordnung in Verbindung mit §§ 2 und 4 ihrer Ordnung praktizierte Auswahlverfahren für die Zulassung zu dem streitgegenständlichen Masterstudium mit höherrangigem Recht unvereinbar ist. Es hat zu Recht beanstandet, dass die bis zu 60 Leistungspunkte, die nach vorläufiger Zulassung im 1. Semester des Masterstudiums nachgeholt werden müssen, keinerlei Berücksichtigung bei der Zulassungsentscheidung zum Masterstudium finden. Eine solche Auswahlentscheidung genügt nicht den eingangs aufgezeigten verfassungsrechtlichen Vorgaben, nach denen sich die Regeln über die Vergabe von Studienplätzen grundsätzlich - bei Anlegung gleicher Maßstäbe - an dem Kriterium der Eignung orientieren müssen.
Die Eignung der Bewerber für das Masterstudium beurteilt sich bei der Entscheidung über die Zulassung zu diesem Studium nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 NHZG insbesondere nach dem Ergebnis der Bachelorprüfung bzw. für den Fall, dass die Bachelorprüfung noch nicht vorliegt, anhand der ermittelten Durchschnittsnote. Die zuletzt genannte Variante trägt dem Anliegen Rechnung, dass Studierende einerseits die Möglichkeit erhalten sollen, nach Abschluss ihres Bachelorstudiums nahtlos und ohne unnötige Wartezeiten ein Masterstudium anzuschließen, andererseits aber einzelne Prüfungsleistungen im letzten Semester des Bachelorstudiums bei Abschluss der Bewerbungsfrist für das Masterstudium noch nicht erbracht sein können bzw. diese zwar erbracht sind, aber deren Bewertung noch aussteht. Dieses durchaus gewichtige Anliegen rechtfertigt es, die Eignungsfeststellung bei der Zulassungsentscheidung bezogen auf diese Studierenden auf einer unvollständigen Grundlage zu treffen. Eine solche unvollständige Grundlage liegt vor, weil die Eignungsfeststellung - anders als bei denjenigen, die ihren Bachelorabschluss erreicht haben - allein auf der Grundlage der bereits erbrachten Prüfungsleistungen getroffen wird; die noch ausstehenden Prüfungsleistungen werden gänzlich ausgeblendet und finden - wie das Verwaltungsgericht zutreffend hervorgehoben hat - auch nachträglich bei der (endgültigen) Zulassung zum Masterstudium keine Berücksichtigung mehr. Zwar werden diese Studierenden, wie die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung vorträgt, lediglich vorläufig zugelassen. Sie erreichen ihre endgültige Zulassung aber aus Praktikabilitätsgesichtspunkten nicht über eine nachträgliche Berücksichtigung der nachgeholten Prüfungsleistungen und eine nachträgliche Einordnung in die von der Antragsgegnerin erstellte Rangliste, sondern sie müssen lediglich alle Prüfungsleistungen bis zum Ende des ersten Semesters des Masterstudiengangs - egal, mit welcher Bewertung - vollständig erbracht und bis zum 15. April 2021 ihr Bachelorzeugnis vorgelegt haben. Auf die Abschlussnote dieses Bachelorzeugnisses kommt es mithin nicht an.
Diese Verfahrensweise begegnet im Hinblick auf das nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG gebotene Erfordernis der Auswahl der Studierenden nach Eignungsgesichtspunkten unter Anwendung gleicher Auswahlmaßstäbe aber nur dann keinen rechtlichen Bedenken, wenn den Studierenden lediglich noch einzelne Prüfungsleistungen fehlen, denen bezogen auf die Gesamtheit der zu erbringenden Prüfungsleistungen kein wesentliches Gewicht zukommt. Denn in diesem Fall darf die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass sich die durch die Durchschnittsnote dokumentierte Eignung der Prüflinge auch bei rechnerischer Berücksichtigung der noch ausstehenden Prüfungsleistungen nicht mehr wesentlich ändern würde; sie darf deshalb beide Gruppen von Prüflingen (mit und ohne Bachelorabschluss) gleichbehandeln und sie bei der Auswahl für die Zulassung zum Masterstudium nach denselben Maßgaben beurteilen. Eine solche Vorgabe findet sich im Übrigen auch in § 18 Abs. 8 NHG, der in Satz 2 ausdrücklich auf das Fehlen „einzelner Prüfungsleistungen“ abstellt und der vom Vorliegen eines Bachelorabschlusses als Regelfall ausgeht (§ 18 Abs. 8 Satz 1 NGH lautet: „Die Zugangsberechtigung zu weiterführenden Studiengängen und Masterstudiengängen hat, wer einen Bachelorabschluss oder einen gleichwertigen Abschluss besitzt.“). Gegen die in § 2 Abs. 2 Satz 1 der Ordnung vorgesehene Auswahlgrenze von 150 Leistungspunkten ist nach diesen Maßgaben nichts zu erinnern. Ausgenommen wird hiermit lediglich ein Sechstel der insgesamt zu erbringenden Prüfungsleistungen und damit eine Größenordnung, die nach dem (nicht verbindlichen) Musterstudienplan der Antragsgegnerin zum Bachelorstudiengang Psychologie regelhaft im letzten Semester des Bachelorstudiums zu erbringen ist.
Fehlt den Studierenden dagegen noch ein wesentlicher Teil der Prüfungsleistungen, mangelt es - im unmittelbaren Vergleich zu den Prüflingen, die bereits den Bachelorabschluss vorweisen können - an einer zuverlässigen Grundlage für die Feststellung der Eignung anhand der Leistungen im Bachelorstudium. Die bisherigen Leistungen haben gegenüber den noch ausstehenden (nicht berücksichtigten) Leistungen ein zu geringes Gewicht; eine deutliche Änderung des Gesamtprüfungsergebnisses bei deren Berücksichtigung wäre nicht unwahrscheinlich. Genau das trifft aber auf das Auswahlverfahren der Antragsgegnerin im Wintersemester 2020/2021 zu, in dem Studierende, denen noch bis zu ein Drittel der Leistungspunkte aus dem Bachelorstudium - aus welchen Gründen auch immer - fehlte, ohne weitere Differenzierung am Auswahlverfahren beteiligt wurden. Es handelt sich bei dieser Größenordnung um einen erheblichen Anteil der im Bachelorstudium zu erwerbenden Leistungspunkte, was nicht zuletzt daran deutlich wird, dass die Antragsgegnerin nach ihrem Musterstudienplan zum Bachelorstudiengang Psychologie davon ausgeht, dass es sich um die im Grundsatz in einem Zeitraum von zwei Semestern zu erwerbenden Leistungspunkte handelt.
Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung stellen diese Einschätzung nicht in Frage, weil sie sich mit dem Kern der verwaltungsgerichtlichen Beanstandung, dass sich nämlichLeistungen mit einem Umfang von bis zu einem Drittel des Studiums in der zulassungsauslösenden Durchschnittsnote bei einem Teil der Bewerberinnen und Bewerber nicht wiederfinden und sich (auch) nicht auf die (endgültige) Zulassungsentscheidung auswirken, nicht auseinandersetzen. Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass - entgegen der Beschwerdebegründung - eine Vergleichbarkeit der Noten eines Bewerbers mit lediglich 120 Leistungspunkten im Vergleich zu einem Bewerber mit einem Bachelorabschluss (180 Leistungspunkte) gerade nicht mehr vorliegt, weil die ermittelte Durchschnittsnote jener Bewerber eine zu geringe Aussagekraft in Bezug auf den endgültigen Abschluss und damit die eigentliche Qualifikation hat. Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Anforderungen im Bachelorstudium mit zunehmender Semesterzahl steigen, kommt es hiernach nicht an.
2. Die Antragstellerin hat angesichts dessen einen Anspruch auf vorläufige Zulassung zu dem Masterstudiengang „Psychologie: Schwerpunkt Interkulturelle Psychologie“. Dabei kommt es auf eine fiktive Berechnung, wie sie das Verwaltungsgericht angestellt hat, nicht entscheidend an. Sie dürfte sich vielmehr aus den von der Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung genannten Gründen verbieten, da § 7 Abs. 1 Nr. 2 NHZG die Feststellung der Eignung „insbesondere“ anhand der bislang vorliegenden Prüfungsleistungen vorsieht.
Der Anspruch auf vorläufige Zulassung folgt daraus, dass das Auswahlverfahren an dem dargestellten Fehler leidet und die hinreichende Möglichkeit glaubhaft gemacht ist, dass die Antragstellerin bei fehlerfreier Durchführung des Auswahlverfahrens den begehrten Platz erhalten hätte.
Dem Anspruch auf vorläufige Zulassung kann die Antragsgegnerin zunächst nicht entgegenhalten, dass ihre innerkapazitären Studienplätze durch die anderen zugelassenen Studierenden besetzt sind und die Kapazität damit erschöpft ist (vgl. hierzu ausführlich VGH BW, Beschl. v. 24.5.2011 - 9 S 599/11 -, juris Rn. 5 ff.; SächsOVG, Beschl. v. 27.2.2012 - NC 2 B 14/12 -, juris Rn. 12; OVG NRW, Beschl. v. 14.3.2012 - 13 B 54/12 -, juris Rn. 1; VG Göttingen, Beschl. v. 29.4.2020 - 8 C 127/20 -, juris Rn. 14). Anders als beim beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit dürfte es an einer unwiderruflichen Rechtsbeständigkeit fehlerhaft ausgesprochener Zulassungen fehlen. Schon mit Blick darauf dürfte die erstrebte Studienplatzvergabe in rechtlicher Hinsicht nicht unmöglich sein und auch nicht vorauszusetzen sein, dass die fehlerhaft ausgesprochene Begünstigung eines Dritten angefochten wird (so aber VG Magdeburg, Urt. v. 26.9.2018 - 7 A 819/16 -, juris Rn. 21 ff.). Unabhängig davon kann eine Hochschule dem Begehren eines rechtswidrig übergangenen Bewerbers auch dadurch Rechnung tragen, dass ein zusätzlicher Platz zur Verfügung gestellt wird, um dem fehlerhaft Ausgewählten die Fortführung des Studiums zu ermöglichen. Dass damit die rechnerisch ermittelte Aufnahmekapazität überschritten wird, bedeutet nicht, dass eine derartige Überbuchung tatsächlich unmöglich wäre. Vielmehr basiert das Kapazitätsberechnungssystem auf pauschalierten Annahmen, die eine exakte Abbildung der tatsächlich anzutreffenden Verhältnisse im Einzelnen nicht leisten (vgl. VGH BW, Beschl. v. 24.5.2011 - 9 S 599/11 -, juris Rn. 7 ff.). Dementsprechend sind Überbuchungen grundsätzlich rechtlich zulässig (vgl. zuletzt Senatsbeschl. v. 11.1.2021 - 2 NB 272/20 -, juris Rn. 2 ff.) und werden von den Hochschulen auch praktiziert. Dass hier ein Fall vorliegt, in dem die zusätzliche Aufnahme einer Studierenden nicht möglich wäre, ist nicht ersichtlich, zumal die Antragstellerin tatsächlich seit dem Wintersemester 2020/2021 bei der Antragsgegnerin studiert.
Die Fehlerhaftigkeit des durchgeführten Auswahlverfahrens allein begründet einen Anspruch auf vorläufige Zulassung aber noch nicht; es muss jedenfalls die hinreichende Möglichkeit glaubhaft gemacht sein, dass der jeweilige Antragsteller bei fehlerfreier Durchführung den begehrten Platz erhalten würde (vgl. VGH BW, Beschl. v. 24.5.2011 - 9 S 599/11 -, juris Rn. 28; SächsOVG, Beschl. v. 27.2.2012 - NC 2 B 14/12 -, juris Rn. 12). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Antragstellerin hatte bei ihrer Bewerbung mehr als 150 Leistungspunkte erreicht. Sie hat die Zulassungsgrenze mit dem Ranglistenplatz 113 (bei einer Auswahlgrenze von 106) und einer Punktedifferenz von 2,5 zu den noch zugelassenen Bewerbern knapp verfehlt. Die Antragsgegnerin müsste bei einer (wohl nur theoretischen) erneuten Auswahlentscheidung den oben dargestellten Gesichtspunkten Rechnung tragen. Würde sie das durch eine Heraufsetzung der Zugangsgrenze machen, wäre eine Reduzierung des Bewerberfeldes die Folge. Eine Auswahl der Antragstellerin wäre anhand ihres Rangplatzes danach im Bereich des Möglichen, denn es ist hinreichend wahrscheinlich, dass auch in der Rangliste vor ihr liegende Bewerberinnen und Bewerber nicht mehr zugangsberechtigt wären. Soweit der Antragsgegnerin darüber hinaus weitere Möglichkeiten offenstehen mögen, das Auswahlverfahren auch bei Beibehaltung der Zugangsgrenze rechtmäßig zu gestalten, gehen damit verbundene Unsicherheiten über die sich daraus ergebende Rangfolge jedenfalls angesichts des derzeit schon bestehenden Rangplatzes der Antragstellerin nicht ihren zu Lasten (vgl. in diesem Sinne auch VG Potsdam, Beschl. v. 28.5.2014 - 9 L 71/14 -, juris Rn. 10 f.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).