Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.07.2021, Az.: 5 ME 81/21

Ansehen der Bundeswehr; Disziplinarmaßnahme; erhebliche Straftat; militärische Ordnung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.07.2021
Aktenzeichen
5 ME 81/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71024
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 25.05.2021 - AZ: 2 B 1787/21

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Nicht jeder schuldhafte Pflichtenverstoß eines Soldaten beeinträchtigt unmittelbar die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Handelt es sich bei dem außerdienstlichen Verhalten aber um eine Straftat von erheblichem Gewicht, liegt eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung der Bundeswehr vor, ohne dass es darüber hinaus einer Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr bedarf. In einem solchen Fall kann die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr auch nicht durch eine Disziplinarmaßnahme abgewendet werden.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 2. Kammer - vom 25. Mai 2021 geändert.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 9.605,76 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen seine Entlassung aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit.

Der am … 1985 geborene Antragsteller verpflichtete sich am 4. April 2017 dazu, zwölf Jahre Wehrdienst zu leisten. Er wurde mit Wirkung vom 4. Februar 2018 in das Soldatenverhältnis auf Zeit berufen. Seine zunächst auf vier Jahre festgesetzte Dienstzeit sollte unter Anrechnung des Wehrdienstes als Wehrübender mit Ablauf des 3. Oktober 2021 enden. Der Antragsteller hatte zuletzt den Dienstgrad eines Feldwebels (Besoldungsgruppe A 7) inne und war bei der … Technischen Staffel des Lufttransportgeschwaders … in D. eingesetzt.

Am 2. Februar 2020 wurde der Einsatz- und Streifendienst der Polizeiinspektion B-Stadt-West zu einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt in die E. in B-Stadt gerufen. Die Ehefrau des Antragstellers gab gegenüber den Polizeibeamten an, sie befinde sich seit ca. einem Jahr in Trennung vom Antragsteller. Es sei in der Vergangenheit des Öfteren zu Streitigkeiten zwischen ihnen gekommen, was zu einer psychischen Belastung der beiden Kinder geführt habe. Zwischen ihr und dem Antragsteller sei es heute zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen, weil er eine Affäre habe und nur nach Hause zurückgekehrt sei, um Geld von ihr zu verlangen. Sie habe ihn aufgefordert, seine Kleidung aus der gemeinsamen Wohnung zu nehmen und nicht erneut in Kontakt mit ihr zu treten. Als sie auf weitere Fragen des Antragstellers nicht reagiert habe, habe er sie mit den Worten „Schlampe“ und „Hurentochter“ beleidigt. Er habe sie schließlich gegen eine Tür der Wohnung geschubst und ihr mit der Hand in das Gesicht geschlagen. Die Schwester des Antragstellers gab gegenüber den Polizeibeamten an, sie habe erfolglos versucht, den Streit zu schlichten. Der Antragsteller und sie hätten sich angeschrien. Dann habe der Antragsteller einen Schlüssel nach ihr geworfen und sie damit an der Stirn getroffen. Bei dem Streit sei ihr Fernseher und eine Lampe beschädigt worden. Die Polizeibeamten verwiesen den Antragsteller bis zum 7. Februar 2020 aus der gemeinsamen Wohnung. Nachdem der Antragsteller den Kompaniefeldwebel angerufen hatte, suchten ihn dieser und zwei weitere Kameraden in der E. in B-Stadt auf, stellten sich den Polizeibeamten als Soldaten vor, warteten vor der Haustür und nahmen den Antragsteller schließlich mit. Die Ehefrau des Antragstellers wurde währenddessen mit dem Rettungswagen in das Klinikum F. transportiert. Im Behandlungsbericht des Klinikums vom 2. Februar 2020 wird ihr eine Schädel- und Gesichtsprellung sowie eine HWS Distorsion aufgrund häuslicher Gewalt attestiert.

Nachdem die Ehefrau des Antragstellers einen Strafantrag wegen einfacher Körperverletzung gestellt hatte, leitete die Staatsanwaltschaft B-Stadt gegen ihn ein Ermittlungsverfahren ein (Az.: …).

Der ambulante Justizsozialdienst Niedersachsen führte mit der Ehefrau des Antragstellers am 4. Mai 2020 ein Gespräch, in dem sie angab, sie habe keinen Kontakt mehr zum Antragsteller. Sie stehe mit einer Anwältin wegen des Scheidungsverfahrens im Austausch. Der Antragsteller habe mit seiner Freundin eine gemeinsame Wohnung in A-Stadt bezogen.

Die Staatsanwaltschaft B-Stadt teilte dem Antragsteller am 25. Mai 2020 mit, sie sehe zunächst mit Zustimmung des Amtsgerichts B-Stadt vorbehaltlich seiner Zustimmung gemäß § 153 a Abs. 1 StPO von der Erhebung der öffentlichen Klage wegen gefährlicher Körperverletzung ab und kündigte an, das Verfahren endgültig einzustellen, wenn er die Auflage - Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 500,00 EUR - erfüllt habe.

Nachdem der Antragsteller die Geldauflage nicht erfüllt hatte, klagte ihn die Staatsanwaltschaft B-Stadt mit Anklageschrift vom 27. Juli 2020 an, Vergehen gemäß §§ 223, 224, 185, 52 StGB begangen zu haben, indem er seine getrenntlebende Ehefrau am 2. Februar 2020 gegen 20.15 Uhr ehrverletzend als „Hure“ und „Steintor-Hure“ betitelt und seiner Schwester ein Schlüsselbund in das Gesicht geworfen habe. Sodann habe er seine Ehefrau mit der Hand in das Gesicht geschlagen, während er sie an den Haaren im Nackenbereich festgehalten habe. Nachfolgend habe er deren Gesicht gegen den Türrahmen geschlagen. Seine Ehefrau habe Schmerzen, Atemnot, Kratzspuren und Rötungen erlitten. Im Klinikum F. sei bei der Ehefrau eine Schädel- und Gesichtsprellung sowie eine HWS-Distorsion diagnostiziert worden.

Auf Anregung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers stellte das Amtsgericht B-Stadt das Strafverfahren mit Beschluss vom 7. Oktober 2020 (Az.: …) mit Zustimmung des Antragstellers, seines Prozessbevollmächtigten und des Vertreters der Staatsanwaltschaft gemäß § 153 a Abs. 2 StPO gegen Zahlung eines Geldbetrags von 600,00 EUR vorläufig ein.

Aufgrund dieses Sachverhalts sprachen sich der unmittelbare und der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers sowie die Vertrauensperson für die fristlose Entlassung des Antragstellers aus.

Nach Anhörung des Antragstellers entließ die Antragsgegnerin ihn mit Verfügung vom 15. Februar 2021 unter Bezugnahme auf § 55 Abs. 5 SG mit Ablauf des Tages, an dem ihm die Verfügung ausgehändigt wird. Zu Begründung führte sie im Wesentlichen aus, indem er seine getrenntlebende Ehefrau und seine Schwester tätlich angegriffen habe, habe er gegen geltende Gesetzesbestimmungen, insbesondere gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), seine Gehorsamspflicht (§ 11 SG) und seine allgemeine Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 SG) schwerwiegend verstoßen und das in ihn als Soldaten gesetzte Vertrauen grob missbraucht. Dies gefährde die militärische Ordnung ernstlich. Die aus seinem Handeln resultierende Feststellung einer ernstlichen Gefährdung der militärischen Ordnung ergebe sich vorliegend aus den von ihm begangenen Dienstpflichtverletzungen in Gestalt des oben genannten Sachverhalts sowie, hieraus resultierend, dem zerstörten Vertrauen in Gehorsam, Integrität und Zuverlässigkeit seiner Person. Soldaten, die wie er berechtigte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit entstehen ließen, könnten dienstliche Aufgaben nicht mehr ohne Bedenken übertragen werden. Die dienstliche Einsetzbarkeit nehme analog zum Vertrauensverlust ab, womit eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung einhergehe. Mit seinem Handeln habe er das Vertrauen seiner Vorgesetzten in seine Person zerstört und seine berufliche Integrität nachhaltig belastet. Darüber hinaus ergebe sich eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung aus der seinem Verhalten innewohnenden Nachahmungsgefahr. Bei seinem Verbleib im Dienst könnte in der Truppe der Eindruck entstehen, dass außerdienstliche tätliche Angriffe eines Vorgesetzten ohne Folgen für das Dienstverhältnis blieben und somit vom Dienstherrn als Kavaliersdelikte angesehen und geduldet würden. Sein Verhalten sei geeignet, andere Soldaten zur Nachahmung zu verleiten und damit einer allgemeinen Disziplinlosigkeit und somit einer Gefährdung der militärischen Ordnung Vorschub zu leisten. Einer rechtskräftigen Verurteilung bedürfe es nicht. Außerdem sei das gegen ihn geführte Strafverfahren nur nach § 153a StPO gegen Auflagen vorläufig eingestellt worden. Dessen ungeachtet habe er sich auch als charakterlich nicht geeignet für eine Vorgesetztenlaufbahn erwiesen, so dass auch eine Entlassung nach § 55 Abs. 4 SG möglich gewesen wäre. Wegen der Erfüllung des Tatbestandes und des Vorrangs der fristlosen Entlassung nach § 55 Abs. 5 SG werde dieser Entlassungsvariante der Vorrang gegeben.

Dagegen hat der Antragsteller am 2. März 2021 Beschwerde eingelegt und zeitgleich bei dem Verwaltungsgericht Hannover um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

Nachdem der Antragsteller die Auflage vollständig erfüllt hatte, hat das Amtsgericht B-Stadt mit Beschluss vom 3. Mai 2021 das Strafverfahren (Az.: …) endgültig eingestellt.

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 25. Mai 2021 die aufschiebende Wirkung der Beschwerde des Antragstellers gegen die Entlassungsverfügung vom 15. Februar 2021 angeordnet.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, der der Antragsteller entgegentritt.

II.

Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen eine Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Bei der in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hätte die Beschwerde des Antragstellers gegen die Entlassungsverfügung vom 15. Februar 2021 voraussichtlich keinen Erfolg, so dass das Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner gegen die Entlassungsverfügung eingelegten Beschwerde überwiegt.

Die Antragsgegnerin hat die Entlassung des Antragstellers auf § 55 Abs. 5 SG gestützt. Gemäß dieser Vorschrift kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen ernstlich gefährden würde. Diese gesetzlichen Voraussetzungen haben bei summarischer Prüfung zum Zeitpunkt des Erlasses der Entlassungsverfügung vorgelegen.

Die zeitliche Komponente des § 55 Abs. 5 SG ist erfüllt, denn der Antragsteller ist seit weniger als vier Jahren im Dienst. Seine (zunächst) vierjährige Dienstzeit hätte erst mit Ablauf des 3. Oktober 2021 geendet. Das ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Das Verwaltungsgericht hat zunächst zutreffend festgestellt, der Antragsteller habe am 2. Februar 2020 seine getrenntlebende Ehefrau und seine Schwester tätlich angegriffen und beleidigt und hierdurch seine ihm nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SG obliegende Pflicht zum Wohlverhalten außerhalb des Dienstes schuldhaft verletzt. Das Verwaltungsgericht hat seine Ansicht umfänglich begründet und insbesondere ausgeführt, es stehe angesichts der polizeilichen Ermittlungen und der Zeugenaussage der geschädigten Ehefrau zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Antragsteller die im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vorgeworfenen tätlichen Angriffe verübt und die Beleidigungen ausgesprochen habe. Der Aktenlage ließen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Schilderung der Ehefrau kein Glaube geschenkt werden könnte. Auch das Vorbringen des Antragstellers lasse keinen vernünftigen Zweifel daran aufkommen, dass sich der Sachverhalt nicht so zugetragen haben könnte. Der Antragsteller bestreite den Geschehensablauf nicht. Er berufe sich allein auf den Grundsatz der Unschuldsvermutung. Entlastende Umstände seien nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ dann beachtlich, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen möglich seien und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich sei. Im Rahmen der hier allein möglichen summarischen Prüfung habe der Antragsteller jedoch nicht aufgezeigt, dass und warum die Darstellung der Hauptbelastungszeugin - seiner Ehefrau - fehlerhaft sein könnte.

Im Beschwerdeverfahren hat sich der Antragsteller nicht gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, er habe seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt, indem er seine getrenntlebende Ehefrau und seine Schwester beleidigt und körperlich verletzt habe, gewandt. Er hat diesen Sachverhalt nicht substantiiert bestritten, sondern vielmehr ausgeführt, es sei ein einmaliger Sachverhalt, welcher den absoluten Privatbereich betreffe; sein wie auch immer geartetes Fehlverhalten sei nicht geeignet, andere Soldaten zur Nachahmung zu verleiten; Schweigen im Strafverfahren und Bestreiten seien unterschiedliche Verhaltensweisen, er habe nur geschwiegen (vgl. Beschwerdeerwiderung - BE - vom 30.6.2021, S. 1 f. [Bl. 174 f./GA]).

Der weiteren Feststellung des Verwaltungsgerichts, es lasse sich nicht annehmen, dass ein Verbleiben des Antragstellers in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen ernstlich gefährdete, folgt der beschließende Senat jedoch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Antragsgegnerin (vgl. Beschwerdebegründung - BB - vom 9.6.2021, S. 1 ff. [Bl. 88 ff./GA]) nicht.

Die fristlose Entlassung nach § 55 Abs. 5 SG ist keine disziplinarische Maßnahme, sondern dient dem Schutz vor künftigem Schaden; die Vorschrift soll eine drohende ernstliche Gefahr für die Bundeswehr (in Gestalt einer ernstlichen Gefahr für die militärische Ordnung oder das Ansehen ) verhindern (BVerwG, Urteil vom 31.1.1980 - BVerwG 2 C 16.78 -, juris Rn. 19; Nds. OVG, Beschluss vom 2.8.1999 - 5 M 1921/99 -, juris Rn. 17; Beschluss vom 11.11.2019 - 5 ME 165/19 -; Beschluss vom 18.11.2019 - 5 ME 164/19 -). Hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen, ob ohne die Entlassung eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung oder des Ansehens gegeben wäre, steht der Entlassungsdienststelle kein Beurteilungsspielraum zu (BVerwG, Urteil vom 31.1.1980, a. a. O., Rn. 17; Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2019 - 5 ME 165/19 -; Beschluss vom 18.11.2019 - 5 ME 164/19 -); die Verwaltungsgerichte haben diese Voraussetzungen im Rahmen einer „objektiv nachträglichen Prognose“ vielmehr vollumfänglich zu überprüfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.6.1971 - BVerwG 8 C 180.67 -, juris Rn. 10; Urteil vom 31.1.1980, a. a. O., Rn. 18; Urteil vom 24.9.1992 - BVerwG 2 C 17.91 -, juris Rn. 14; Nds. OVG, Beschluss vom 26.2.2019 - 5 LA 115/18 -; Beschluss vom 11.11.2019 - 5 ME 165/19 -; Beschluss vom 18.11.2019 - 5 ME 164/19 -), wobei maßgeblicher Zeitpunkt einer solchen Prognose der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2019 - 5 ME 165/19 -; Beschluss vom 18.11.2019 - 5 ME 164/19 -; Schl.-H. OVG, Urteil vom 19.10.2015 - 2 LB 25/14 -, juris Rn. 32) - hier also der Erlass der Entlassungsverfügung vom 15. Februar 2021 - ist.

Mit dem Erfordernis, dass die Gefährdung (der militärischen Ordnung oder des Ansehens ) „ernstlich“ sein muss, hat das Gesetz eine Entscheidung bezüglich der Frage der Angemessenheit der fristlosen Entlassung im Verhältnis zu dem er-strebten Zweck (= Schutz der militärischen Ordnung bzw. des Ansehens der Bundes-wehr) getroffen und damit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit konkretisiert, dem das Gesetz darüber hinaus durch die Begrenzung der Entlassung auf die ersten vier Dienstjahre Rechnung trägt; für zusätzliche Erwägungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist kein Raum (BVerwG, Urteil vom 31.1.1980, a. a. O., Rn. 18; Urteil vom 24.9.1992, a. a. O., Rn. 14; Beschluss vom 16.8.2010 - BVerwG 2 B 33.10 -, juris Rn. 7; Beschluss vom 28.1.2013 - BVerwG 2 B 114.11 -, juris Rn. 9; Nds. OVG, Beschluss vom 2.8.1999, a. a. O., Rn. 17; Nds. OVG, Beschluss vom 26.2.2019 - 5 LA 115/19 -; Beschluss vom 11.11.2019 - 5 ME 165/19 -; Beschluss vom 18.11.2019 - 5 ME 164/19 -). Jedoch kann im Rahmen der Prüfung, ob eine ernstliche Gefahr (für die militärische Ordnung oder das Ansehen ) besteht, in bestimmten Fällen zu berücksichtigen sein, ob der Gefahr auch durch eine Disziplinarmaßnahme als ein notwendiges, aber auch milderes Mittel begegnet werden kann mit der Folge, dass ein Schaden für das Schutzgut nicht zu befürchten sei (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.9.1992, a. a. O., Rn. 15; Beschluss vom 28.1.2013, a. a. O., Rn. 14; Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2019 - 5 ME 165/19 -; Beschluss vom 18.11.2019 - 5 ME 164/19 -). Dies hat die Rechtsprechung im Fall von Affekthandlungen bei geringer Vorbildfunktion des Soldaten angenommen, also in Fällen, in denen eine Wiederholungsgefahr typischerweise nicht besteht und auch eine Nachahmungsgefahr nicht vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.1.1980, a. a. O., Rn. 19; Urteil vom 24.9.1992, a. a. O., Rn. 15 m. w. N.).

Auf dieser Grundlage haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, bei denen eine ernstliche Gefährdung (der militärischen Ordnung oder des Ansehens ) im Sinne des § 55 Abs. 5 SG regelmäßig anzunehmen ist. Dies gilt vor allem für Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigten (so BVerwG, Beschluss vom 16.8.2010, a. a. O., Rn. 8; Beschluss vom 28.1.2013, a. a. O., Rn. 10). Bei Dienstpflichtverletzungen außerhalb dieses Bereichs kann regelmäßig auf eine ernstliche Gefährdung geschlossen werden, wenn es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handelt oder bei leichterem Fehlverhalten eine Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr hinzukommt (BVerwG, Beschluss vom 28.1.2013, a. a. O., Rn. 12 f.). Eine Nachahmungsgefahr besteht, wenn es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftritt oder um sich zu greifen droht, so dass ohne die fristlose Entlassung ein Anreiz zu ähnlichem Verhalten für andere Soldaten gegeben wäre (Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2019 - 5 ME 165/19 -; Beschluss vom 18.11.2019 - 5 ME 164/19 -). Jedenfalls die beiden Fallgruppen der Wiederholungs- und Nachahmungsgefahr erfordern eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzung, um die Auswirkungen (für die militärische Ordnung oder das Ansehen ) beurteilen zu können (BVerwG, Beschluss vom 16.8.2010, a. a. O., Rn. 8; Beschluss vom 28.1.2013, a. a. O., Rn. 10; Nds. OVG, Beschluss vom 26.2.2019 - 5 LA 115/18 -; Beschluss vom 11.11.2019 - 5 ME 165/19 -; Beschluss vom 18.11.2019 - 5 ME 164/19 -).

Zur Auslegung des Begriffs der militärischen Ordnung im Sinne des § 55 Abs. 5 SG ist vom Zweck auszugehen, der Verteidigung zu dienen (BVerwG, Urteil vom 9.6.1971, a. a. O., Rn. 14; Urteil vom 31.1.1980, a. a. O., Rn. 20; Nds. OVG, Beschluss vom 30.5.2006 - 5 ME 67/06 -, juris Rn. 19; Beschluss vom 3.3.2015 - 5 ME 5/15 -; Beschluss vom 11.11.2019 - 5 ME 165/19 -; Beschluss vom 18.11.2019 - 5 ME 164/19 -). Dementsprechend ist unter dem Begriff der militärischen Ordnung der Inbegriff der Elemente zu verstehen, welche im Rahmen der geltenden Rechtsordnung für die Gewährleistung der Verteidigungs- und Einsatzbereitschaft erforderlich sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.6.1983 - BVerwG 6 C 2.81 -, juris Rn. 20; Nds. OVG, Beschluss vom 30.5.2006, a. a. O., Rn. 19; Beschluss vom 11.11.2019 - 5 ME 165/19 -; Beschluss vom 18.11.2019 - 5 ME 164/19 -). Die militärische Ordnung entspricht damit der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte, was die personelle und materielle Funktionsfähigkeit beinhaltet. Die materielle Funktionsfähigkeit bezieht sich auf Bewaffnung, Ausrüstung, Gerät, Material und Versorgungsgüter (BVerwG, Urteil vom 9.6.1971, a. a. O., Rn. 14; Urteil vom 24.9.1992, a. a. O., Rn. 13; Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2019 - 5 ME 165/19 -; Beschluss vom 18.11.2019 - 5 ME 164/19 -); die personelle Funktionsfähigkeit hängt von der individuellen Einsatzbereitschaft des einzelnen Soldaten und einem intakten inneren Ordnungsgefüge ab (BVerwG, Urteil vom 24.9.1992, a. a. O., Rn. 13, 16; Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2019 - 5 ME 165/19 -; Beschluss vom 18.11.2019 - 5 ME 164/19 -).

Bei einer Gefährdung des Ansehens geht es um den guten Ruf der Streitkräfte oder auch einzelner Truppenteile bei Außenstehenden, vor allem in der Öffentlichkeit, aus der Sicht eines den jeweiligen Lebensverhältnissen gegenüber aufgeschlossenen, objektiv wertenden Betrachters (Nds. OVG, Beschluss vom 2.8.1999, a. a. O., Rn. 18; Beschluss vom 11.11.2019 - 5 ME 165/19 -; Beschluss vom 18.11.2019 - 5 ME 164/19 -; Schl.-H. OVG, Urteil vom 19.10.2015, a. a. O., Rn. 35). Eine ernstliche Gefährdung des Ansehens ist anzunehmen, wenn das Verhalten des Soldaten mit den berechtigten Erwartungen an die Integrität unvereinbar wäre, wenn also bei Bekanntwerden des Verhaltens das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtsstaatlichkeit der Streitkräfte erschüttert wäre (Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2019 - 5 ME 165/19 -; Beschluss vom 18.11.2019 - 5 ME 164/19 -; Schl.-H. OVG, Urteil vom 19.10.2015, a. a. O., Rn. 35).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass das Verbleiben des Antragstellers in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung und das Ansehen ernstlich gefährden würde.

Zum einen wäre die militärische Ordnung im Sinne von § 55 Abs. 5, 1. Alt. SG ernstlich gefährdet.

Zwar handelt es sich bei der Tat des Antragstellers nicht um eine dem militärischen Kernbereich zuzurechnende dienstliche Verfehlung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich die personelle oder materielle Einsatzbereitschaft unmittelbar beeinträchtigen, sodass hierunter begrifflich schon nur (schwere) innerdienstliche Dienstpflichtverletzungen fallen können, oder außerdienstliches Verhalten, das unmittelbar hierauf gerichtet ist (BVerwG, Beschluss vom 28.1.2013, a. a. O., Rn. 12). Vorsätzliche Körperverletzungen und Beleidigungen im privaten Bereich ohne zusätzlichen Bezug zur Dienstausübung - wie hier - sind demnach keine Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich.

Bei dem Fehlverhalten des Antragstellers handelt es sich jedoch - wie auch das Verwaltungsgericht festgestellt hat - um eine Straftat von erheblichem Gewicht. Die aus einem Verstoß gegen die Strafrechtsordnung resultierende Gefährdung der militärischen Ordnung ist umso erheblicher, je höher die Sanktionsdrohung derjenigen Norm ist, gegen die der Soldat verstoßen hat. Daher bietet zunächst vor allem der Strafrahmen der verletzten Norm des Strafgesetzbuchs einen Anhalt für die Beantwortung der Frage, wie schwerwiegend eine außerdienstlich begangene Straftat ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.3.2014 - BVerwG 2 WD 5.13 -, juris Rn. 60; Bay. VGH, Beschluss vom 21.4.2020 - 6 ZB 20.342 -, juris Rn. 10). Denn durch die Festlegung des Strafrahmens bringt der Gesetzgeber verbindlich den Unrechtsgehalt eines Delikts zum Ausdruck (Bay. VGH, Beschluss vom 21.4.2020, a. a. O., Rn. 10 m. w. N.). Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass sich der Antragsteller wegen schwerer und einfacher Körperverletzungen in Tateinheit mit Beleidigung gemäß §§ 223, 224, 185, 52 StGB strafbar gemacht hat. Ausweislich des Polizeiberichts vom 3. Februar 2020, der Zeugenaussage und der Lichtbilder seiner Ehefrau und des Behandlungsberichts des Klinikums F. vom 2. Februar 2020 hat der Antragsteller am 2. Februar 2020 gegen 20.15 Uhr seine getrenntlebende Ehefrau als „Hure“ und „Steintor-Hure“ betitelt, ihr mit der Hand in das Gesicht geschlagen und sie mit ihrem Gesicht gegen den Türrahmen gestoßen sowie seine Schwester beleidigt und ihr ein Schlüsselbund in das Gesicht geworfen. Beide Frauen haben Verletzungen im Gesicht erlitten. Seine Ehefrau hat zudem eine Schädel- und Gesichtsprellung sowie eine Distorsion (Stauchung) der Halswirbelsäule davongetragen. Eine vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 StGB wird mit Geldstrafe oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet. Wer eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB begeht, wird sogar mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Der Strafrahmen wegen Körperverletzung bewegt sich damit im Bereich der (mittel-)schweren Strafandrohung (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.3.2014, a. a. O., Rn. 63 m. w. N.). Lässt der Sanktionsrahmen der Strafnorm eine Freiheitsstrafe im mittleren Bereich zu, kommt hierin die Einschätzung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass die Tat einen auch im Vergleich mit anderen Straftaten erhöhten Unrechtsgehalt hat; es handelt sich somit um eine Straftat von erheblichem Gewicht (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 21.4.2020, a. a. O., Rn. 11).

Im vorliegenden Einzelfall sind auch keine Umstände gegeben, wonach ausnahmsweise eine andere Betrachtung der (erheblichen) Schwere der Dienstverletzung geboten ist.

Der am Strafrahmen gemessene Unrechtsgehalt der Tat wird vorliegend nicht dadurch relativiert, dass das Amtsgericht B-Stadt mit Beschluss vom 3. Mai 2021 das Strafverfahren gegen den Antragsteller nach Zahlung einer Geldauflage gemäß § 153a Abs. 2 StPO endgültig eingestellt hat. Denn während im Falle des § 153 StPO von der Verfolgung wegen geringer Schuld des Täters und mangels öffentlichen Interesses an der Verfolgung abgesehen wird, werden Strafverfahren nach § 153a StPO nur gegen Auflagen und Weisungen eingestellt, sofern diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht.

Der Unrechtsgehalt der Tat ist auch nach den konkreten Umständen des Einzelfalls erheblich. Entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichts spricht nicht Überwiegendes dafür, dass es sich um eine Affekthandlung und eine einmalige Entgleisung des Antragstellers im außerdienstlichen Bereich gehandelt hat. Zum einen hat die Ehefrau des Antragstellers in ihrer Zeugenvernehmung vom 10. Februar 2020 angegeben, bislang die körperlichen Übergriffe ihres Mannes (nur) nie angezeigt zu haben (vgl. Vernehmungsprotokoll vom 10.2.2020, S. 4 [Bl. 29/Strafakte 222 Ds 7521 Js 30021/20 (217/20)]). Es bestehen keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage. Zum anderen spricht der konkrete Geschehensablauf gegen eine Affekthandlung und einmalige Entgleisung des Antragstellers. Denn die Eheleute haben sich nicht etwa am Tattag, dem 2. Februar 2020, getrennt. Vielmehr haben sie nach ihren übereinstimmenden Aussagen zum Tatzeitpunkt bereits monatelang getrennt gelebt und sind dabei gewesen, im Scheidungsverfahren ihre Angelegenheiten zu ordnen. Der Antragsteller hat entweder bei seiner Freundin in A-Stadt oder getrennt in der ehemals gemeinsamen Wohnung der Eheleute gelebt. Am Tattag hatte er zuvor bei seiner Ehefrau angerufen und gefragt, ob er zu ihr nach Hause kommen könne, um dort zu schlafen und mit ihr - über die Aufteilung von Geldern - zu reden. Seine Ehefrau hatte dies abgelehnt. Trotz dieser Ablehnung hat der Antragsteller, der nicht alkoholisiert war, am Abend des 2. Februar 2020 die ehemals gemeinsame Wohnung aufgesucht. Als seine Ehefrau ihm ausgewichen ist, indem sie nicht die gemeinsame Wohnung, sondern die darunterliegende Wohnung ihrer Schwiegereltern und das Zimmer ihrer Schwägerin aufgesucht hat, hat er sie in diesem Zimmer gezielt aufgesucht. Obwohl auch seine Schwester, zwei seiner Cousinen und die minderjährige Tochter und später auch seine Mutter mit dem minderjährigen Sohn des Antragstellers und zuletzt sein Vater anwesend gewesen sind, hat er seine Ehefrau grob beleidigt und körperlich verletzt, nachdem sie sich geweigert hatte, mit ihm zu reden. Der Antragsteller hat sowohl seine getrenntlebende Ehefrau als auch seine Schwester, also ihm körperlich unterlegene Frauen, im besonders empfindlichen Gesicht gewaltsam attackiert. Von Spontaneität, Kopflosigkeit und Unüberlegtheit, wodurch sich eine Affekthandlung auszeichnet, kann angesichts des längeren zeitlichen Ablaufs nicht gesprochen werden. Soweit der Antragsteller bei seiner Vernehmung am 6. Februar 2020 ausgesagt hat, der konkrete Anlass der familiären Streitigkeiten sei Geld gewesen, er habe zwar keine Geldprobleme, aber wegen der Trennung hätte er von seiner Ehefrau die Herausgabe von Geld verlangt (vgl. Niederschrift über die Vernehmung vom 6.2.2020, S. 1 ff. [Bl. 18/BA 002]), spricht auch diese Aussage nicht für eine Affekthandlung des Antragstellers. Denn er hat gerade nicht eine spontane Geldzahlung geschildert, sondern die finanzielle Auseinandersetzung mit seiner Ehefrau innerhalb eines längeren Scheidungsverfahrens. Zudem hat er nicht nur sie, sondern auch seine Schwester im Beisein seiner minderjährigen Kinder attackiert und beleidigt.

Wer durch seine Unfähigkeit oder Unwilligkeit, die Grenzen der rechtmäßigen Anwendung von Gewalt im außerdienstlichen Bereich zu achten, Achtung und Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordern, ernsthaft beeinträchtigt, gefährdet damit auch die Voraussetzungen seiner Verwendungsfähigkeit und beeinträchtigt den Ablauf des militärischen Dienstes. Amtsinhaber, die - wie Soldaten - rechtmäßig das staatliche Gewaltmonopol wahrnehmen, müssen jederzeit Gewähr dafür bieten, dies verantwortungsvoll zu tun und (straf-)gesetzliche Grenzen der Gewaltanwendung zu respektieren. (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.6.2018 - BVerwG 2 WD 4.18 -, juris Rn. 22 m. w. N.). Zudem hat die Antragsgegnerin zutreffend darauf hingewiesen, dass Verwaltungsgericht habe außer Acht gelassen, dass der Antragsteller als Feldwebel Ausbilder und Erzieher sei und zudem eine Vorbildfunktion gegenüber einer Vielzahl ihm unterstellter Soldaten habe (BB vom 9.6.2020, S. 3 [Bl. 90/GA]). Der Antragsteller ist als Feldwebel Vorgesetzter und war schon deshalb besonders zu vorbildlichem Verhalten verpflichtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.1.1980 - BVerwG 2 C 16.78 -, juris Rn. 21). Denn ein Vorgesetzter wie der Antragsteller soll in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben. Dies ist nicht auf den dienstlichen Bereich beschränkt (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 21.4.202, a. a. O., Rn. 12). Statt seiner Vorbildrolle gerecht zu werden, hat der Antragsteller seine ihm körperlich unterlegene Ehefrau und seine Schwester körperlich verletzt und zwar so, dass seine Ehefrau ärztliche Versorgung in Anspruch nehmen musste. Wegen der von dieser Straftat des Klägers ausgehenden negativen Vorbildwirkung würde es erschwert, ihren Verteidigungsauftrag zu erfüllen. Denn der Antragsteller hat sich durch sein Verhalten in seiner Dienststellung als Vorgesetzter insbesondere junger Menschen disqualifiziert. Es besteht die ernstliche Gefahr, dass die ihm untergebenen Soldaten den Antragsteller als Vorgesetzten, der seine Schwester und seine Ehefrau geschlagen hat, so dass diese ein Klinikum aufsuchen musste, weniger akzeptieren mit der Folge, dass ihre Bereitschaft zu Gehorsam und Pflichterfüllung geschwächt werden könnte und deshalb die Einsatzbereitschaft der Truppe fraglich wäre.

Ob zudem eine Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr besteht, etwa, weil der Antragsteller über die gemeinsamen Kinder weiter im Kontakt mit seiner getrenntlebenden Ehefrau stehen und sie erneut schlagen könnte oder weil das Verhalten des Antragstellers einen Anlass für Nachahmungshandlungen in der Form bieten könnte, dass andere Soldaten Konflikte im privaten und innerdienstlichen Bereich unter Anwendung von Gewalt lösten, weil sie die Risiken in dienstrechtlicher Hinsicht aufgrund der Signalwirkung des vorliegenden Falls gering einschätzten, kann dahinstehen. Denn eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung liegt bereits dann vor, wenn eine Dienstpflichtverletzung im militärischen Kernbereich oder - wie hier - eine Straftat von erheblichem Gewicht vorliegt. Das Erfordernis einer Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr kommt nur im Falle leichterer Fehlverhalten hinzu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.1.2013, a. a. O., Rn. 12 f.).

Zum anderen wäre bei einem Verbleib des Antragstellers auch das Ansehen im Sinne von § 55 Abs. 5, 2. Alt. SG ernstlich gefährdet.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass es sich vorliegend um eine Straftat von erheblichem Gewicht handelt. Ein Soldat, der Frauen bzw. deutlich schwächere Personen schlägt und die (straf-)gesetzlichen Grenzen der Gewaltanwendung nicht respektiert, bestätigt abträgliche Vorurteile gegenüber Soldaten in der Bevölkerung (vgl. auch Bay. VGH, Beschluss vom 21.4.2020, a. a. O., Rn. 7, 14). Dies gilt umso mehr, wenn dieser Soldat - wie der Antragsteller - eine Vorgesetztenfunktion innehat, die ihm zum Ausbilder einer Vielzahl ihm untergebener junger Soldaten macht. Das Ansehen wird unter anderem wesentlich von dem Vertrauen darauf getragen, dass sie sich den Werten des Grundgesetzes verpflichtet weiß. Dieses Vertrauen ist insbesondere deshalb wichtig, weil es sich bei Soldaten um Berufswaffenträger handelt. Das Verhalten des Antragstellers ist keinesfalls eine Bagatelle gewesen, sodass eine Reaktion der Öffentlichkeit zu besorgen ist, die eine ernstliche Gefahr für das Ansehen bedeutet.

Die von dem Antragsteller angeführten Gesichtspunkte, er habe sich nie etwas zu Schulden kommen lassen; den Dienstgrad Feldwebel hätte er nicht erlangt, wenn er beispielsweise disziplinlos gewesen wäre; er sei bisher noch nie strafrechtlich in Erscheinung getreten (BE vom 30.6.2021, S. 1 f. [Bl. 174 f./GA]), sind nicht geeignet, sein Verhalten in einem günstigeren Licht erscheinen zu lassen und den drohenden Ansehensverlust bei einem Verzicht auf eine Entlassung auszuschließen. Sie entsprechen lediglich der allgemeinen Erwartung an einen Zeitsoldaten (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 4.12.2012 - 5 LA 357/11 -, juris Rn. 11).

Zwar hat der Antragsteller ausgeführt, der Sachverhalt betreffe den persönlichen privaten und familiären Bereich und den absoluten Privatbereich und habe andere Soldaten nicht zu interessieren (vgl. BE vom 30.6.2021, S. 1 f. [Bl. 174/GA]). Allerdings war der absolute Privatbereich seiner Ehe bereits nicht betroffen, weil sich die Auseinandersetzung nicht in der ehemaligen gemeinsamen Wohnung, sondern im Zimmer seiner Schwester abgespielt hat. Zudem ist dabei eine Vielzahl von Familienmitgliedern anwesend gewesen, nämlich der Antragsteller, seine Ehefrau, seine Schwester, zwei seiner Cousinen, seine beiden minderjährigen Kinder, seine Mutter und zuletzt sein Vater. Darüber hinaus sind sowohl Polizeibeamte im Einsatz- und Streifendienst als auch eine Rettungswagenbesetzung unmittelbar nach der Tatbegehung vor Ort gewesen und haben mit ihren Fahrzeugen dort geparkt. Auch sind drei Kameraden des Antragstellers hinzugekommen, haben sich als Soldaten aus der Einheit des Antragstellers zu erkennen gegeben und auf Verlangen der Polizeibeamten vor der Haustür gewartet; zwei von ihnen haben den Abtransport der Ehefrau mit dem Rettungswagen beobachtet. Schließlich hat ein Strafverfahren bis zur Anklage geführt worden. Das Verhalten des Antragstellers ist deshalb einer Vielzahl von Personen bekannt geworden, die nur teilweise der Pflicht zur Verschwiegenheit (über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer dienstlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten) unterliegen. Vor allem ist nach allgemeiner Erfahrung eine solche lautstarke Auseinandersetzung einer Großfamilie, die zu einer Ansammlung von Polizeibeamten, medizinischen Personal und Soldaten am Abend in einer Großstadt wie B-Stadt geführt hat, einer gewissen Öffentlichkeit, nämlich der Nachbarschaft und damit Dritten, zur Kenntnis gelangt.

Entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichts kann die Entlassung des Antragstellers auch nicht durch eine Disziplinarmaßnahme abgewendet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zwischen Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich, unter die begrifflich nur (schwere) innerdienstliche Dienstpflichtverletzungen oder außerdienstliches Verhalten, das unmittelbar hierauf gerichtet ist, fallen können, und sonstigem außerdienstlichen Verhalten zu unterscheiden. Bei sonstigem außerdienstlichen Verhalten, wie es dem Soldaten zur Last gelegt wird, muss wiederum danach differenziert werden, ob es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handelt oder nur ein leichteres Fehlverhalten vorliegt. Nur bei leichterem Fehlverhalten ist zu prüfen, ob eine Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr hinzukommen. Wird dies bejaht ist, ist darüber hinaus zu untersuchen, ob die Gefahr für die Einsatzbereitschaft nicht durch eine Disziplinarmaßnahme abgewendet werden könnte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.1.2013, a. a. O., Rn. 12 f.).

Die Antragsgegnerin hat die angefochtene Maßnahme auch nicht ermessensfehlerhaft getroffen. § 55 Abs. 5 SG enthält zwar eine „Kann-Regelung“ und räumt damit ein Ermessen ein, angesichts dessen, dass alleiniger Zweck der fristlosen Entlassung ist, eine drohende Gefahr für die Bundeswehr abzuwenden, und zudem eine zeitliche Beschränkung auf die ersten vier Dienstjahre schon gesetzlich vorausgesetzt ist, ist das der zuständigen Behörde eingeräumte Ermessen im Sinne einer sogenannten „intendierten Entscheidung“ auf besondere (Ausnahme-) Fälle zu beschränken (so auch Bay. VGH, Beschluss vom 21.4.2020, a. a. O., Rn. 16 ff.). Nach den dargelegten Umständen des Falls war die fristlose Entlassung des Antragstellers als „intendierte Entscheidung“ wie geschehen auszusprechen. Für eine atypische Sachverhaltskonstellation ist in seinem Fall nichts ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §§ 40, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG in Verbindung mit Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57). Im Hauptsacheverfahren wäre die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen maßgeblich; auszugehen ist insoweit von dem im Zeitpunkt der Einleitung des zweiten Rechtszuges (8.6.2021) maßgeblichen Endgrundgehalt (hierzu: Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2014 - 5 ME 157/14 -, m. w. N.) der Besoldungsgruppe A 7 in Höhe von 3.201,92 EUR (vgl. Anlage IV zu § 20 Abs. 2 Satz 2 BBesG). Dies zugrunde gelegt ergäbe sich ein Hauptsachestreitwert in Höhe von 19.211,52 EUR (3.201,92 EUR x 6 Monate = 19.211,52 EUR), der für das vorliegende Eilverfahren zu halbieren ist, so dass ein Streitwert in Höhe von 9.605,76 EUR anzusetzen ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).