Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.07.2021, Az.: 10 ME 88/21
Bereitschaft zur Mängelbeseitigung; Betriebserlaubnis; Einrichtung, familienanalog; Erziehungsstil; Kindeswohl; Kindeswohlgefährdung; Kindeswohlgefährdung, akute; Kindeswohlgefährdung, konkrete; Personalausstattung; Personalfluktuation; Verhältnismäßigkeit, Grundsatz der
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 16.07.2021
- Aktenzeichen
- 10 ME 88/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 70882
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 12.05.2021 - AZ: 3 B 98/21
Rechtsgrundlagen
- § 45 Abs 7 S 1 SGB 8
- § 46 SGB 8
- § 47 SGB 8
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 3. Kammer - vom 12. Mai 2021 geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Entzug der Betriebserlaubnis durch den Antragsgegner am 1. April 2021 angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den am 1. April 2021 durch den Antragsgegner ausgesprochenen Widerruf ihrer Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII.
Die Antragstellerin ist Trägerin des „Familienhaus“ in A-Stadt, in welchem Kinder und Jugendliche in einem familienanalogen Setting betreut werden. Sie betrieb diese Einrichtung bis zur Erteilung der eigenen Betriebserlaubnis zunächst für das C., die D. und den E. als Träger. Mit Bescheid vom 1. März 2016 erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin und ihrem Ehemann die Erlaubnis zum Betrieb einer familienanalogen Einrichtung mit zunächst vier Plätzen. Ihre Anträge auf Erweiterung auf fünf Plätze aus dem Sommer 2016 wurden zunächst durch den Antragsgegner unter Hinweis auf eine zu diesem Zeitpunkt unzureichende Personalausstattung abgelehnt.
Im August 2016 meldete Frau F. - eine Mitarbeiterin von G. - an den Antragsgegner, dass sie bei der Aufnahme zweier Schwestern, die zuvor in der Einrichtung der Antragstellerin gelebt hätten, Unstimmigkeiten bei der Ausstattung der Kinder und eine ungewöhnliche Medikamentierung des einen Kindes (Sophie) festgestellt habe. Außerdem habe sie mit Frau H. telefoniert, die in der Einrichtung der Antragstellerin unter der damaligen Trägerschaft der D. gearbeitet habe. Frau H. habe u.a. davon berichtet, dass es in der Einrichtung zu verbalen Beschimpfungen, Abwertungen und Benachteiligungen der untergebrachten Kinder gekommen sei und die Antragstellerin und ihr Mann teilweise abends das Haus verlassen und die Aufsicht über die jüngeren Kinder ihrem minderjährigen Sohn übertragen hätten. Daraufhin erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Bescheid vom 11. August 2016 die Auflage, dass bis zur Klärung der Vorwürfe sowie der Einstellung des erforderlichen pädagogischen Personals keine neue Aufnahme von Minderjährigen erfolgen könne. In der Folge legte Frau H. eine schriftliche Stellungnahme über ihre Tätigkeit vom 1. Juli 2014 bis 14. August 2015 in der Betreuungsstelle der Antragstellerin unter der Trägerschaft der D. vor. Darüber hinaus teilte Frau F. dem Antragsgegner mit, dass eine ehemalige Mitarbeiterin des Familienhauses I. - Frau J. - gegenüber Frau K. angegeben habe, dass der Ehemann der Antragstellerin ein betreutes Kind (Sophie) auf den Arm geschlagen habe und ein anderes betreutes Kind (Romy) ohne Frühstück in den Kindergarten gebracht worden sei.
Am 8. September 2016 fand im Hinblick auf die an den Antragsgegner herangetragenen Beschwerden bezüglich der Verwendung von Leistungen, der Betreuungssituation sowie der körperlichen und verbalen Übergriffe eine örtliche Prüfung in der Einrichtung der Antragstellerin statt. Als Ergebnis wurde von Seiten des Antragsgegners festgehalten, dass die erhobenen Vorwürfe überwiegend Situationen aus dem vergangenen Jahr betroffen hätten und von der Antragstellerin und ihrem Ehemann bestritten worden seien. Ob es zu körperlicher und/oder verbaler Gewaltanwendung gekommen sei, könne nicht eindeutig geklärt werden, da gegensätzliche Aussagen bestünden, die zum Zeitpunkt der Überprüfung nicht hätten geklärt werden können. Die eingeräumten Fehler seien ausführlich thematisiert und von den Trägern angenommen worden. Es habe zum Zeitpunkt des Besuchs auf Seiten des Antragsgegners nicht der Eindruck bestanden, dass von der Antragstellerin und ihrem Ehemann eine konkrete Kindeswohlgefährdung ausgehe, so dass die erfolgten Maßnahmen als ausreichend anzusehen seien.
Mit Schreiben ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten vom 29. September 2016 nahmen die Antragstellerin und ihr Ehemann ausführlich zu den erhobenen Vorwürfen Stellung, erklärten, dass sich der Ehemann der Klägerin aus der Trägerschaft der Einrichtung zurückziehen werde und übersandten ein überarbeitetes Leistungsangebot. In der Folge gestattete der Antragsgegner der Antragstellerin mit Schreiben vom 18. Oktober 2016, einen dritten Platz in ihrer Einrichtung zu belegen. Mit Bescheid vom 30. Oktober 2017 wurde die Betriebserlaubnis auf vier Plätze und mit Bescheid vom 28. November 2019 auf fünf Plätze erweitert. In diesem Zeitraum kam es zu keinen Beanstandungen.
Im März 2020 wandte sich eine Mitarbeiterin des Jugendamtes der Stadt A-Stadt an den Antragsgegner und teilte mit, dass Frau L., eine Mitarbeiterin der Antragstellerin, zahlreiche Vorwürfe gegen diese erhoben habe und übersandte ein Protokoll über das Gespräch mit Frau L.. Am 25. März 2020 suchten zwei Mitarbeiterinnen des Jugendamts A-Stadt die Einrichtung der Antragstellerin auf. Hierbei wurde festgestellt, dass die anwesenden Kinder im Kindergartenalter sehr diszipliniert waren, nach dem Ruf zum Mittagessen sofort ihre Spielsachen aufräumten und an einem Tisch außerhalb der Sichtweite des Familientisches aßen. Eine akute Kindeswohlgefährdung war nach Einschätzung der Mitarbeiterinnen des Jugendamtes A-Stadt nicht ersichtlich.
Am 26. März 2020 kündigte die Antragstellerin das Arbeitsverhältnis mit Frau L.. Am 27. März 2020 teilte das Jugendamt des Landkreises M. dem Antragsgegner mit, dass die Großmutter eines in der Einrichtung der Antragstellerin untergebrachten Kindes (Samuel) gegenüber der zuständigen Bezirkssozialarbeiterin einen strengen und unangemessen Umgang in der Einrichtung mit den Kindern befürchte, der zu Verhaltensänderungen bei ihrem Enkelsohn geführt habe. Am 31. März 2020 berichtete das Jugendamt der Stadt A-Stadt von einem Gespräch mit Mitarbeitern der Kita Pusteblume, die zu diesem Zeitpunkt drei von der Antragstellerin betreute Kinder (Felix, Angelina und Emelie) besuchten. Nach Auffassung der Kita gehe die Einrichtung der Antragstellerin nicht angemessen mit der Bindungsstörung von Felix um, es gebe eine starke Fluktuation von Mitarbeitern und der Umgangston gegenüber Felix sei sehr streng. Zudem würden zu hohe Anforderungen an ihn gestellt. Aus Sicht der Kita drohe Felix seelische Verwahrlosung. Bezüglich des Kindes Angelina habe die Kita Unstimmigkeiten mit der Antragstellerin darüber berichtet, ob Angelina die Kita im Hinblick auf eine Erkrankung besuchen könne. Außerdem habe Angelina berichtet, dass sie keine Kartoffeln und Obst mehr essen dürfe, da sie sonst keiner mehr „lieb habe“. Angelina werde lieblos in der Kita abgegeben und verhalte sich sehr ruhig und diszipliniert beim Essen. Bezüglich des Kindes Emelie wurde von Seiten der Kita berichtet, dass man über sie grundsätzlich nur Gutes berichten könne, sie bei einer Erkrankung zu Hause bleibe, jedoch häufig nicht ganz auskuriert zurück in die Kita komme. Die für Emelie zuständige Erzieherin habe noch geschildert, dass Frau N., die im Jahr 2019 für zwei Monate in der Einrichtung der Antragstellerin gearbeitet habe und nun in der Kita Pusteblume beschäftigt sei, berichtet habe, die Atmosphäre in der Einrichtung der Antragstellerin sei kalt und nicht herzlich. Die Antragstellerin nehme nie Körperkontakt zu den Kindern auf, diese müssten auch allein duschen und an einem anderen Tisch als die Erwachsenen essen. Die Mitarbeiter würden häufig wechseln und hätten Angst vor der Einrichtungsleitung. Elternarbeit werde nicht ausreichend durchgeführt. Die Kinder würden keine Liebe erfahren und würden nicht ausreichend gefördert.
Am 31. März 2020 erkundigte sich der Landkreis O., der bisher mit der Arbeit der Einrichtung der Antragstellerin zufrieden war, bei dem Antragsgegner nach den gegen diese erhobenen Vorwürfe. Am 17. April 2020 teilte der Landkreis O. mit, dass er seine Einschätzung im Hinblick auf eigenständig eingeholte Informationen geändert habe und nun für die beiden bei der Antragstellerin untergebrachten Kinder neue Betreuungsstellen suche.
Auf Grund der gegen die Antragstellerin erhobenen Vorwürfe, die dem Antragsgegner zugeleitet wurden, übersandte dieser mit Schreiben vom 15. April 2020 einen Fragenkatalog, der die einzelnen Punkte auflistete. Dieser wurde auf Grund von den Einwänden der Antragstellerin u.a. im Hinblick auf schützenswerte Daten überarbeitet und am 6. Mai 2020 erneut übersandt.
Am 2. Juni 2020 leitete die Stadt A-Stadt dem Antragsgegner Schreiben der Großeltern des Kindes Emelie zu, in denen sich diese kritisch über die Betreuung ihrer Enkeltochter in der Einrichtung der Antragstellerin äußern (wechselndes Personal, strenger und kalter Ton, Kinder müssen Sachen von „zuhause“ abgeben, trockene, rissige Hände) und die erneute Vormundschaft für das Kind beantragen. Mit Schreiben vom 9. Juni 2020 teilte die Stadt A-Stadt dem Antragsgegner mit, dass sie die Hinweise erhalten habe, dass die Kinder in der Einrichtung der Antragstellerin häufig an Erkältungskrankheiten und Hautproblemen litten, die Mitarbeiter die Kinder am Wochenende in den eigenen privaten Haushalt mitnehmen würden, die Einrichtungsleitung in einem konkreten Fall das verordnete Antibiotikum nicht verabreicht habe und die Kinder durch die Einrichtungsleitung herabwürdigend behandelt würden. Mit Schreiben vom 21. Juli 2020 nahm die Antragstellerin über ihren Prozessbevollmächtigten umfassend zu den erhobenen Vorwürfen Stellung und wies diese zurück.
Am 3. Dezember 2020 hatte das seit dem Sommer 2020 in der Einrichtung der Antragstellerin lebende Kind Dejan einen Besuchskontakt bei seiner Mutter. Diese gab gegenüber der Polizei an, dass sich Dejan zum verabredeten Zeitpunkt geweigert habe, in die Einrichtung zurückzukehren und geäußert habe, es gehe ihm dort sehr schlecht und er wolle auf keinen Fall zurück. Außerdem habe er sich erbrochen. Dejan wurde daraufhin mit Zustimmung der Kindesmutter zu einer aufnahmebereiten Pflegefamilie gebracht.
Das Jugendamt der Stadt A-Stadt beabsichtigte seit November 2020, die zu diesem Zeitpunkt 12jährige Fabienne aus der Einrichtung der Antragstellerin in eine andere Einrichtung zu verlegen, da die Mitarbeiterinnen nach ihrer Auffassung keinen Zugang zu Fabienne erhielten und mit der Zusammenarbeit mit der Antragstellerin nicht zufrieden waren. Darüber hinaus bestand bei dem Jugendamt der Stadt A-Stadt der Eindruck, dass die sorgeberechtigte Kindesmutter durch die Einrichtung instrumentalisiert würde. Die Mutter von Fabienne befürwortete einen Einrichtungswechsel nicht. Als das Jugendamt A-Stadt am 8. Dezember 2020 versuchte, Fabienne in Obhut zu nehmen, gelang dies nicht, da sich Fabienne zu diesem Zeitpunkt - in Abstimmung mit der Antragstellerin - nicht in der Einrichtung, sondern bei ihrer Mutter befand. In diesem Zusammenhang kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den anwesenden Polizeibeamten, die das Jugendamt der Stadt A-Stadt zur Unterstützung herangezogen hatte, und dem Ehemann der Antragstellerin. Eine Gefährdung der drei anderen in der Einrichtung untergebrachten Kinder wurde nicht festgestellt.
Am 9. Dezember 2020 fand ein Gespräch zwischen den Beteiligten in den Räumen des Antragsgegners zur Klärung der von Frau L. erhobenen Vorwürfe und der vorangegangenen Vorfälle statt. Dieses Ziel konnte nicht erreicht werden. Dem von der Antragsgegnerseite übersandten Protokoll des Termins widersprach die Antragstellerin über ihren Rechtsanwalt in wesentlichen Punkten. Mit Schreiben vom 18. Januar 2021 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu einem beabsichtigten Wiederruf der Betriebserlaubnis in der Fassung vom 28. November 2019 an.
Im Februar 2021 kam es zu einem Gespräch zwischen der Antragstellerin, ihrer Mitarbeiterin Frau P. und Mitarbeiterinnen des von einem in der Einrichtung der Antragstellerin betreuten Kind (Luca) besuchten Kindergartens wegen dessen herausfordernden Verhaltens. Hierbei wurden ausweislich des von der Kita gefertigten Protokolls die Möglichkeiten einer Einzelbetreuung und die Vorstellung von Luca bei ZEUS (Zentrum für Entwicklungsdiagnostik und Sozialpädiatrie am Klinikum A-Stadt) sowie der Umgang mit Luca in der Einrichtung der Antragstellerin erörtert. Am 11. März 2021 fand ein Telefonat des Antragsgegners mit der Großmutter (Frau Q.) von Samuel, der im Jahr 2020 vier Monate in der Einrichtung der Antragstellerin untergebracht war, statt. Hierbei schilderte die Großmutter, dass es nach ihrer Sicht bei Samuel zu einer massiven Rückentwicklung und einer psychischen Belastung in der Betreuungszeit gekommen sei. Mit Schreiben vom 12. März 2021 schilderte der Vater von Samuel gegenüber dem Antragsgegner seine Eindrücke über den Aufenthalt seines Sohnes in der Einrichtung der Antragstellerin und gab dabei an, dass die betreuten Kinder sich „wie unter Drill in einem Bootcamp, waschen, duschen“ und umziehen mussten. Nach einer Zeit sei er von Frau L. kontaktiert worden, die ihn aufgefordert habe, Samuel sofort aus der Einrichtung zu holen, da dieser total verstört sei und Angst habe. Sie habe ihm auch zwei von ihr aufgenommene Handy-Videos übersandt. Nach einer Prüfung durch die „Kriminalpolizei“ sei Samuel noch drei Tage in der Einrichtung verblieben bis ihn seine Großmutter wieder habe aufnehmen können. Der Antragsgegner führte am 12. März 2021 auch ein Telefongespräch mit der anderen Großmutter (Frau R.) von Samuel, die Besuche des Kindesvaters in der Einrichtung begleitet hatte. Diese schilderte, dass sie erschrocken gewesen sei, mit welchem Drill die Kinder abends das Duschen absolvierten. Frau R. gab weiter an, dass die Rahmenbedingungen in der Einrichtung sehr gut gewesen seien, es jedoch nach ihrem Eindruck an liebevoller Zuwendung gefehlt habe. Der Kindesvater stellte in der Folge Strafanzeige gegen die Antragstellerin wegen des Verdachts der Kindeswohlgefährdung.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 16. März 2021 nahm die Antragstellerin umfangreich zu dem Anhörungsschreiben des Antragsgegners Stellung und übersandte Stellungnahmen ihres Sohnes und dessen Freundin, welche die Betreuung der in der Einrichtung der Antragstellerin untergebrachten Kinder schildern und betonen, dass diese liebe- und respektvoll behandelt würden, sowie eine Stellungnahme der aktuellen Mitarbeiterin der Antragstellerin, Frau P., die den Umgang der Antragstellerin mit den Mitarbeitern und betreuten Kindern ebenfalls als freundlich und respektvoll beschreibt. Darüber hinaus wurde eine Stellungnahme der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie Pädiatrie Frau Dr. S. sowie der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Frau T. vom 25. Mai 2020 vorgelegt, denen die Antragstellerin seit einigen Jahren die von ihr betreuten Kinder vorstellt. Hierin führen Frau Dr. S. und Frau J. aus: „Dieser hohe pädagogische Anspruch an ihre Arbeit äußert sich in einem sehr konsequenten Erziehungsstil, was aber nicht mit Lieblosigkeit verwechselt werden darf. (...) Frau U. reflektiert stets ihr eigenes Verhalten in der Fachberatung kritisch und auch immer, ob die bei ihr wohnenden Kinder wirklich gut aufgehoben sind bei ihr und sie ihnen und ihren Bedürfnissen gerecht werden kann. Wir bedauern gefallene Entscheidungen der Jugendämter über die Herausnahme von Kindern aus der Betreuungsstelle und auch, dass wir, die Frau U. und ihre Arbeit gut kennen, vorher nicht dazu gehört wurden.“ Weiter legte die Antragstellerin verschiedene Unterlagen wie ärztliche Stellungnahmen über die von ihr betreuten Kinder Hermine, Emelie, Dejan und Fabienne vor. In einem Schreiben vom 27. Februar 2021 erklären die Großeltern von Emelie, dass sie sich von früheren Vorwürfen gegen die Einrichtung der Antragstellerin distanzieren und von Frau L. hinter dem Rücken der Antragstellerin mit Informationen versorgt und getäuscht worden seien.
Am 1. April 2021 widerrief der Antragsgegner die Betriebserlaubnis der Antragstellerin vom 28. November 2019 zunächst mündlich. Die zu diesem Zeitpunkt in der Einrichtung der Antragstellerin betreute, 2017 geborene Renesemee, für die bereits die Anbahnung der Rückführung zur Kindesmutter beabsichtigt war, zog zu dieser in eine Mutter-Kind-Einrichtung. Der 2015 geborene Julian wurde in Obhut genommen und anschließend in einem Kinderhaus untergebracht.
Mit Bescheid vom 1. April 2021 bestätigte der Antragsgegner den Widerruf der Betriebserlaubnis und führte zur Begründung aus, dass nicht davon auszugehen sei, dass die persönliche Zuverlässigkeit und die fachliche Eignung der Antragstellerin weiterhin vorhanden seien. Daraus ergebe sich die hinreichende Wahrscheinlichkeit für Schadenseintritte verschiedener Art, vornehmlich im Hinblick auf das seelische Wohl der betreuten Kinder. Der ständige Personalwechsel in der Einrichtung der Antragstellerin führe zu Bindungsabbrüchen für die betreuten Kinder. Auch sei es häufig vorgekommen, dass die im Stellenplan ausgewiesenen und im Entgelt vereinbarten Stellen nicht vollständig besetzt gewesen wären, was stets mit einer reduzierten Betreuungsintensität für die Kinder einhergehe. Zudem habe die Antragstellerin ihre Pflichten aus § 47 SGB VIII wiederholt nicht oder nicht ausreichend erfüllt. Die Elternarbeit der Antragstellerin sei nicht ausreichend und es sei auch nicht erkennbar, dass eine diesbezügliche Verhaltensänderung zu erwarten sei, da in dem neu vorgelegten Leistungsangebot bezüglich der Elternarbeit eine konzeptionelle Verschlechterung vorgenommen worden sei, die fachlichen Standards nicht genüge. Es sei zudem davon auszugehen, dass es der Antragstellerin nicht in ausreichendem Maße gelinge, auf ihren Ehemann einzuwirken, um Kinder vor dessen aufbrausendem und teilweise herabwürdigendem und sogar gewalttätigen Auftreten zu schützen. Wiederholten Berichten zufolge würdige die Antragstellerin selbst die von ihr betreuten Kinder verbal herab. Für Kinder in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, welche häufig seelische Belastungen aus ihren vergangenen Erfahrungen mitbrächten, sei es jedoch essentiell, dass diese einen angemessenen Umgangston und verbale Wertschätzung erführen. Von der Antragstellerin werde entgegen ihrem Leistungsangebot eine Vermeidung von intensiveren persönlichen Bindungen zu den Kindern angestrebt und Körperkontakt vermieden. Außerdem halte sie die Kinder in übertriebenen Maße zu penibler Sauberkeit an, die zu seelischen und körperlichen Belastungen führen könne. Zudem sei es in der Einrichtung der Antragstellerin zu ungewöhnlich vielen Abbrüchen der Hilfen von bereits aufgenommenen Kindern gekommen. Es sei davon auszugehen, dass eine positive, der Entwicklung des Kindes förderliche Betreuung in der Einrichtung der Antragstellerin nicht gesichert sei und durch deren mangelnde Eignung die konkrete Gefahr von vor allem seelischen aber auch körperlichen Schäden von Kindern bestehe. Da der Kern des Problems offenbar in der Persönlichkeitsstruktur der Antragstellerin liege, könne eine Änderung durch weitere Mittel der Heimaufsicht nicht erwartet werden. Es sei nicht erkennbar, welche weiteren Auflagen weiterführend sein könnten, so dass kein milderes Mittel als die Entziehung der Betriebserlaubnis zur Vermeidung zukünftiger Missstände ersichtlich sei.
Hiergegen erhob die Antragstellerin am 2. April 2021 Klage (3 A 97/21) und ersuchte um vorläufigen Rechtsschutz. Zur Begründung ihres Antrags gab sie an, die Voraussetzungen für einen Entzug der Betriebserlaubnis seien nicht erfüllt. Weder habe es im Vorfeld eine örtliche Prüfung nach § 46 SGB VIII noch eine einzige Auflage gemäß § 45 Abs. 4 SGB VIII zur Betriebserlaubnis gegeben. Eine akute Kindeswohlgefährdung in ihrer Einrichtung liege nicht vor und sei offenkundig auch nicht von dem Antragsgegner angenommen worden, der in Kenntnis der im März 2020 erhobenen Beschwerden monatelang keine Veranlassung gesehen habe, irgendwelche ordnungsrechtlichen Maßnahmen gegen sie zu erlassen. Auch nach dem gemeinsamen Gespräch der Beteiligten im Dezember 2020 seien ununterbrochen Kinder in ihrer Einrichtung betreut und versorgt worden. Es sei somit keine Situation gegeben, welche eine sofortige Vollziehung der angegriffenen Anordnung rechtfertigen könne. Die gegen Sie erhobenen Vorwürfe seien unzutreffend. Der Entzug einer Betriebserlaubnis sei der denkbar gravierendste Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG grundgesetzlich verbürgte Berufsausübungsfreiheit des Trägers einer Einrichtung nach § 45 SGB VIII. Eine solche sei ausgeschlossen, wenn - wie hier - die verfassungsmäßigen Schranken nicht erfüllt seien.
Durch Beschluss vom 12. Mai 2021 hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag der Antragstellerin mit der Begründung abgelehnt, dass die Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII erfüllt seien, da sich eine sowohl bei Erlass des Bescheides gegenwärtige als auch eine nahe bevorstehende, nicht unerhebliche Gefährdung des Wohl von Kindern und Jugendlichen aus den Defiziten in der persönlichen Eignung der Antragstellerin als Leiterin der Einrichtung, aus dem Verhalten und der charakterlichen Ungeeignetheit ihres Ehemannes sowie aus der Personalsituation in der Einrichtung ergebe. Eine positive, der Entwicklung des Kindes förderliche Betreuung in der Einrichtung der Antragstellerin sei nicht gesichert. Die Antragstellerin sei zur Überzeugung der Kammer weder bereit noch in der Lage, die Gefährdung abzuwenden. Diese Aspekte ergäben zusammengefügt in ihrer Gesamtschau, dass mildere Mittel als der Widerruf der Betriebserlaubnis zum Schutz des Kindeswohls nicht vorhanden seien. So sei im Fall von Hermine, die vom 29. Oktober 2016 bis zum 24. Juni 2019 in der Einrichtung der Antragstellerin gelebt habe, das Kindeswohl bereits erheblich beeinträchtigt gewesen. Auch die Reaktion von Dejan am 6. Dezember 2020 als er nach einem Besuchskontakt bei seiner Mutter in die Einrichtung habe zurückkehren sollen, zeigten, dass dieser während der Zeit seines Aufenthalts in der Einrichtung erheblichen seelischen Belastungen ausgeliefert gewesen sei. Auch im Fall von Samuel, der sich nur vier Monate in der Einrichtung der Antragstellerin aufgehalten habe, sehe die Kammer in den Angaben der Pflegemutter Frau Q. unabhängig von einer möglichen Beeinflussung durch Frau L. einen glaubhaften Beleg für eine in der Einrichtung der Antragstellerin erlittene Beeinträchtigung des Kindes.
Zudem werde aus dem Protokoll des Gesprächs in der von Luca besuchten Kindertagesstätte deutlich, dass die Antragstellerin erhebliche Probleme im Umgang mit dem Kind gehabt habe, keine Anregungen von außen angenommen und nicht erkannt habe, wann sie sich Erziehungshilfe zu holen habe. Julian, der zuletzt in der Einrichtung der Antragstellerin gelebt habe und im Zuge des Widerrufs der Betriebserlaubnis herausgenommen worden sei, habe direkt nach der Inobhutnahme gute Laune gezeigt und sich in der neuen Einrichtung sehr gut eingelebt. Dort hätten sich die zuvor in der Einrichtung der Antragstellen bestehenden Probleme mit der nächtlichen Sauberkeit sofort gebessert. Dieses Schicksal zeige, dass die seelischen Belastungen einzelner Kinder in der Einrichtung der Antragstellerin noch bis zum Entzug der Betriebserlaubnis angedauert hätten. Dass Fabienne, die sich in die in der Einrichtung bestehenden Regeln eingefügt und diese akzeptiert habe, keiner kindeswohlgefährdenden Situation ausgesetzt gewesen sei und den Wunsch geäußert habe, in die Einrichtung der Antragstellerin zurückzukehren, stehe dieser Bewertung nicht entgegen, denn die übrigen geschilderten Schicksale belegten nachdrücklich, dass dies bei Kindern mit erhöhtem Betreuungsbedarf oder besonderen emotionalen Bedürfnissen nicht angenommen werden könne und eine Gefährdung des Kindeswohls eintrete. Die Tatsache, dass der Antragsgegner nicht sofort nach Information über die Missstände gehandelt habe, stehe der Feststellung einer Kindeswohlgefährdung nicht entgegen, sondern sei der Tatsache geschuldet, dass es zunächst umfangreicher Auswertungen und Ermittlungen bedurft habe, bevor eine Entscheidung mit einer so erheblichen Tragweite für die Antragstellerin habe getroffen werden können. Eine Gefährdung des Kindeswohls habe auch mit Blick auf das Verhalten des in der Einrichtung lebenden Ehemannes der Antragstellerin gedroht sowie auf Grund der unzulänglichen Personalverhältnisse. Das Verhalten der Antragstellerin, dass jegliche Selbstreflexion oder Veränderungsbereitschaft vermissen lasse, zeige deutlich, dass sie weder bereit noch in der Lage sei, die festgestellte Gefährdung abzuwenden. Der Antragsgegner habe zurecht angenommen, dass weitere Aufforderungen, Auflagen oder Gespräche keine nachhaltige Veränderung hätten bewirken können. Aber auch wenn man die Erfolgsaussichten als offen ansehen würde, würde eine Abwägung aller Interessen zur Zurückweisung des Eilantrags der Antragstellerin führen, da auf Grund des besonderen erzieherischen Bedarfs von Bewohnern von Jugendhilfeeinrichtungen dem öffentlichen Interesse an einer Vollziehung der Aufhebung der Betriebserlaubnis regelmäßig der Vorrang einzuräumen sei. Besondere Umstände, die davon abweichend eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigten, seien vorliegend nicht hinreichend dargetan.
Hiergegen hat die Antragstellerin fristgemäß Beschwerde erhoben und vorgetragen, dass keine objektiv feststellbaren Tatsachen vorlägen, die eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt im Sinne des § 45 Abs. 7 SGB VIII begründeten. Das Verwaltungsgericht habe sich bezüglich seiner Wertung im Wesentlichen auf vom Hörensagen berichtete angebliche und nicht überprüfte Tatsachen gestützt, die sie - die Antragstellerin - teilweise schon vor Jahresfrist bestritten, widerlegt oder der sie per eidesstattlicher Versicherung entgegengetreten sei. Mit ihren Einlassungen habe sich weder der Antragsgegner noch das Verwaltungsgericht auseinandergesetzt. Kritische Rückfragen an die Hinweisgeber habe es ebenfalls nicht gegeben, vielmehr seien die vielfach subjektiv gefärbten Wahrnehmungen Dritter offenbar ungeprüft übernommen worden. Das Verwaltungsgericht verkenne den rechtlichen Charakter von § 45 Abs. 7 SGB VIII, der ein präventives Instrument der Gefahrenabwehr darstelle und nicht die Schaffung von „positiven, der Entwicklung der Kinder förderlichen“ Rahmenbedingungen zum Gegenstand habe. Ein konsequenter Erziehungsstil, wie sie ihn pflege, sei nicht zu beanstanden und kein Anlass, eine Gefährdung des Kindeswohls anzunehmen. Sie unterstütze die Kinder in ihrer Selbständigkeitsentwicklung auch dadurch, dass sie den Kindern im Rahmen ihrer Möglichkeiten Aufgaben übertrage wie beispielsweise auch das Reinigen von Kleidungsstücken von grober Verschmutzung. Es habe in Bezug auf das Kind Hermine kein Fall i.S.d. § 8a Abs. 4 Satz 2 SGB VIII vorgelegen, der sie zur Abgabe einer Gefährdungsmitteilung gegenüber Dritten verpflichtet habe. Sie habe ihre pädagogische Arbeit zudem regelmäßig in Fachberatung und Supervision überprüft. Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung hätten nicht bestanden. Sie habe mit Hermine Ärzte besucht, sie letztlich in eine Klinik begleitet, dort besucht und weiter betreut. Eine Situation, in welcher eine Gefährdung des Kindeswohl tatsächlich vorgelegen habe, die nicht anders als durch eine Meldung an das Jugendamt hätte abgewendet werden können, habe es nicht gegeben. Soweit das Wohl von Hermine in Ansehung ihrer Behandlungsbedürftigkeit in psychischer und körperlicher Hinsicht als beeinträchtigt angesehen werden könne, fehle es jedenfalls an einem kausalen Zusammenhang mit ihrer Person oder Arbeit. Bezüglich des Kindes Dejan habe sie einen verantwortlichen Umgang gezeigt und bereits vor dessen Inobhutnahme das Jugendamt der Stadt V. kontaktiert, um einen möglichen Einrichtungswechsel zu erörtern. Dass sich Dejan in der Einrichtung nicht wohl gefühlt habe, sei bekannt gewesen und nicht darauf zurückzuführen, dass er „während der Zeit seines Aufenthaltes in der Einrichtung der Antragstellerin erheblichen seelischen Belastungen ausgeliefert gewesen“ sei, wie das Verwaltungsgericht fälschlicherweise annehme. Bezüglich des Kindes Samuel werde nicht klar, in welcher Weise sie - die Antragstellerin - die angeblichen Entwicklungsrückschritte verursacht habe. Es sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass Frau L. auf Grund ihres Fehlverhaltens im Zusammenhang mit der erzieherischen Betreuung von Samuel ihren Arbeitsplatz verloren habe. Die Schilderungen von Frau Q. gingen offenkundig auf bewusste Falschinformationen durch Frau L. zurück und seien von ihr teilweise bereits widerlegt worden. Für die Annahme einer Kausalität einer angeblich defizitären Erziehungsleistung und dem Einrichtungswechsel des Kindes Luca beständen nach Aktenlage keine Anhaltspunkte, vielmehr sei der Wechsel nach einem Hinweis des Antragsgegners auf den beabsichtigten Entzug der Betriebserlaubnis erfolgt. Die Schlüsse, die das Verwaltungsgericht aus dem Protokoll des Gesprächs mit der von Luca besuchten Kita zöge, negierten den Akteninhalt und berücksichtigten nicht, dass es auch angemessenes Erziehungsverhalten sein könnte, situationsbedingt ein aggressives Kind zum Schutz der anderen Kinder an einem Nebentisch essen zu lassen. Bezüglich des Kindes Julian sei klarzustellen, dass es in ihrer Einrichtung nicht das Problem des Einkotens gegeben habe und Julian keiner Hilfsmittel wie einer Bettunterlage bedurft habe. Die verzögerte Sauberkeitsentwicklung des Kindes sei im Übrigen auf seine Entwicklungsverzögerung und nicht auf wie auch immer geartetes defizitäres Erziehungsverhalten von ihrer Seite zurückzuführen gewesen. Soweit das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auch auf die Persönlichkeit und das Verhalten ihres Ehemann stütze, benenne es weder konkrete Handlungen, noch formuliere es potentielle Schäden, die für Kinder/Jugendliche eintreten könnten, noch setze es sich mit der Kausalbeziehung der nicht formulierten Handlung zu den nicht formulierten Schäden auseinander. Eine Personalfluktuation - die das Verwaltungsgericht zudem anführe - rechtfertige die Annahme einer Kindeswohlgefährdung grundsätzlich nicht. Die Umstände der Personalausstattung seien zudem stets dem Antragsgegner mitgeteilt worden und seien nahezu ausnahmslos mit einer entsprechenden Minderauslastung der Einrichtung einhergegangen. Ab dem Jahr 2000 habe es keine Personalminderausstattung gegeben. Zu keinem Zeitpunkt sei von Seiten des Antragsgegners ein konkreter Veränderungsbedarf, der auf Tatsachenbefunde zurückgehe, formuliert worden, dem sie sich verschlossen hätte.
Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten und hat vorgetragen, dass das Verwaltungsgericht den Sachverhalt in der im gerichtlichen Eilverfahren gebotenen Weise zutreffend gewürdigt habe. Im Übrigen seien Behauptungen Dritter nicht einfach ungeprüft übernommen worden, sondern es habe ein telefonischer persönlicher Austausch mit den Hinweisgebern stattgefunden. Je mehr sich ähnelnde Vorwürfe eingingen, desto stärker müsse von deren Glaubwürdigkeit ausgegangen werden. Auch die Einlassungen der Antragstellerin seien intensiv gewürdigt worden, was auch dazu geführt habe, dass zwei Punkte (Fingernägel und sexueller Übergriff) fallen gelassen worden seien. Es sei zwar korrekt, dass Erziehungsstile per se nicht vom Landesjugendamt überprüft würden, dies ändere sich allerdings in dem Moment, in dem diese potentiell eine Gefährdungslage darstellten. Das Verwaltungsgericht habe richtigerweise erkannt, dass durch das Verhalten der Antragstellerin bereits Beeinträchtigungen des Kindeswohls entstanden seien und sich die Gefährdung bereits realisiert habe (Ohnmachtsanfall, Übergeben, Einnässen, Entwicklungsrückschritte). Es werde im Übrigen als bedenklich angesehen, dass die Praxis S. von der Antragstellerin zum einen für Fachberatungen und Supervisionen und zum anderen dafür genutzt werde, um die bei ihr untergebrachten Kinder zu diagnostizieren und zu behandeln. Für den Kinderschutz sei es essentiell, geschlossene Systeme zu vermeiden. Bezüglich der Vorgaben des § 8a SGB VIII sei darauf hinzuweisen, dass eine insoweit erfahrene Fachkraft für eine Gefährdungseinschätzung hinzuzuziehen sei. Eine solche Gefährdungseinschätzung durch eine erfahrene Fachkraft sei bereits nach dem ersten Klinikaufenthalt von Hermine im Jahr 2017 erforderlich gewesen. Es werde darüber hinaus im Zusammenhang mit dem Vortrag der Antragstellerin zu dem Kind Dejan deutlich, dass diese wiederholt Kinder aufnehme und wieder aussortiere, wenn sie den Umgang mit diesen aus welchen Gründen auch immer als unbefriedigend empfinde. Ein vergleichbares Vorgehen sei auch im Hinblick auf das Personal zu beobachten. Bezüglich der Kinder sei ein derartiges Verhalten nicht nur hochgradig unprofessionell, sondern auf Grund der erneuten Beziehungsabbrüche auch für das seelische Wohl gefährdend zumal die Antragstellerin keine Inobhutnahmestelle betreibe, sondern ein dauerhaftes Unterbringungsangebot in einem familienanalogen Setting. In einer solchen Einrichtung seien auch andere Anforderungen an die Kontinuität der Personalausstattung zu stellen als in einer Kindertageseinrichtung. Darüber hinaus sei das nunmehr in Kraft getretene Kinder- und Jugendstärkungsgesetz zu beachten. In der Neuregelung des § 45 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII werde nunmehr klargestellt, dass die erforderliche Zuverlässigkeit des Trägers zwingende Voraussetzung für den Betrieb einer Einrichtung sei. Diese Zuverlässigkeit besitze der Träger insbesondere dann nicht, wenn er in der Vergangenheit nachhaltig gegen seine Mitwirkungs- und Meldepflichten nach den §§ 46 und 47 SGB VIII verstoßen habe, wie dies bei der Antragstellerin der Fall sei, die ihren Meldepflichten nach § 47 SGB VIII insbesondere im Hinblick auf die Meldung von Ereignissen und Entwicklungen, die geeignet gewesen seien, das Wohl der Kinder und Jugendlichen zu beeinträchtigen, nicht gerecht geworden sei. Darüber hinaus bestehe nunmehr die Möglichkeit, gemäß § 45 Abs. 7 Satz 2 SGB VIII die Betriebserlaubnis aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für eine Erteilung nicht mehr vorlägen. Dies stelle ausweislich der Gesetzesbegründung jedoch keine neue Regelung dar, sondern eine reine Klarstellung, da es mit dem wirksamen Schutz der Betroffenen nicht zu vereinbaren wäre, wenn für die Aufhebung der Betriebserlaubnis eine wesentliche höhere Schwelle bestehe als für deren Nichterteilung.
Am 2. Juli 2021 hat die Berichterstatterin die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert und die Antragstellerin zu verschiedenen Punkten angehört. Auf die Niederschrift des Erörterungstermins sowie den Inhalt der Gerichtsakten (3 Bände) und Verwaltungsvorgänge (6 Bände) wird Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.
Aus den von der Antragstellerin dargelegten Gründen, auf deren Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, ist die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern. Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 3 A 97/21 geführten Klage gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 1. April 2021, mit welcher dieser die Betriebserlaubnis der Antragstellerin widerrufen hat, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO anzuordnen. Das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt vorliegend das Vollzugsinteresse des Antragsgegners, da die Klage der Antragstellerin, der gemäß § 45 Abs. 7 Satz 2 SGB VIII in der bis zum 9. Juni 2021 geltenden Fassung keine aufschiebende Wirkung zukommt, nach der im Eilverfahren allein möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich Erfolg haben wird. Denn der angefochtene Widerruf der Betriebserlaubnis der Antragstellerin dürfte rechtswidrig sein.
Der Senat teilt jedoch nicht die Bedenken der Antragstellerin hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Betriebserlaubnis. Soweit die Antragstellerin vor Erlass des Bescheides zu einzelnen Punkten nicht angehört wurde, so ist dies jedenfalls im gerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X mit der Folge nachgeholt worden, dass dieser formelle Mangel unbeachtlich ist. Die Anhörungspflicht im Verwaltungsverfahren entspricht im Kern dem Anspruch auf rechtliches Gehör im gerichtlichen Verfahren, das bedeutet, dass der Betroffene sich zu den entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Umständen äußern können und die Möglichkeit haben muss, mit diesem Vorbringen gehört zu werden. Hier hatte die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren insbesondere im Erörterungstermin am 2. Juli 2021 die Möglichkeit, zu allen entscheidungserheblichen Punkten (auch) gegenüber dem Antragsgegner Stellung zu nehmen. Dieser hat in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich seine Bereitschaft betont, diese im Falle neuen Vortrags zu überprüfen, so dass die Antragstellerin bis zur Entscheidung des Gerichts auch außergerichtlich die Möglichkeit hatte, die Verwaltungsentscheidung zu beeinflussen.
Nach summarischer Prüfung sind jedoch die materiellen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage des § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII voraussichtlich nicht erfüllt. Maßgeblich ist hierbei die Regelung des § 45 Abs. 7 SGB VIII in der im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Widerrufs geltenden Fassung. Soweit sich der Antragsgegner darauf beruft, dass vorliegend die seit dem 10. Juni 2021 geltende Neufassung des § 45 Abs. 7 SGB VIII zu berücksichtigen sei, da sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Frage des richtigen Zeitpunktes für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage aus dem Prozessrecht ergebe, dass ein Kläger im verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit mit einem Anfechtungsbegehren nur dann Erfolg haben könne, wenn er im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf die erstrebte Aufhebung des Verwaltungsaktes habe, kann dem - im Ergebnis - nicht gefolgt werden. Denn ob ein solcher Anspruch besteht, bzw. ob ein belastender Verwaltungsakt den Kläger i.S.d. § 113 Abs. 1 VwGO rechtswidrig in seinen Rechten verletzt, beurteilt sich nach dem materiellen Recht, dem nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (BVerwG, Urteil vom 31.3.2004 - 8 C 5.03 -, juris Rn. 35). Dies ist im Regelfall bei der Anfechtungsklage - und somit auch im Bereich des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO - der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. Decker in Posser/Wolff BeckOK VwGO, 57. Ed. Stand: 1.4.2021, § 113 Rn. 22).
Dies gilt auch hier. Rechtsgrundlage des angefochtenen Widerrufs der Betriebserlaubnis ist § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII. Nach dieser Vorschrift ist die Erlaubnis zu widerrufen, wenn das Wohl der Kinder oder der Jugendlichen in der betreffenden Einrichtung gefährdet und der Träger der Einrichtung nicht bereit oder in der Lage ist, die Gefährdung abzuwenden. Da die Eingriffsschwelle des § 45 Abs. 7 SGB VIII durch das immanente Kriterium der Aktualität (akute Gefahr) bestimmt wird (vgl. Mörsberger in Wiesner SGB VIII Kommentar, 5. Auflage 2015, § 45 Rn. 110), ist die im Zeitpunkt des behördlichen Eingreifens aktuelle Sach- und Rechtslage maßgeblich (vgl. auch Sächsisches OVG, Urteil vom 8.5.2015 - 1 A 238/13 -, juris Rn. 34).
§ 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII setzt eine konkrete Gefahr für das Wohl der Kinder oder der Jugendlichen, die in der betreffenden Einrichtung betreut werden, voraus. Eine Gefährdung des Kindeswohls im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII liegt nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsbeschluss vom 18.4.2018 - 10 ME 73/18 - juris Rn. 46) insbesondere dann vor, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen eine gegenwärtige oder nahe bevorstehende, nicht unerhebliche Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl (vgl. § 1666 Abs. 1 BGB) der Minderjährigen gegeben ist (vgl. Mann in Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Auflage 2017, § 45 Rn. 39; Bayerischer VGH, Beschluss vom 17.12.2008 – 12 CS 08.1417 –, juris Rn. 34), mithin die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.12.2017 – 12 B 1553/17 –, juris Rn. 11; Sächsisches OVG, Urteil vom 8.5.2015 – 1 A 238/13 –, juris Rn. 35; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 14.12.2012 – 4 Bs 248/12 –, juris Rn. 16). Insbesondere können Mängel in den in § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB VIII a.F. genannten Bereichen zu einer solchen Gefährdung führen (vgl. auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 17.12.2008 – 12 CS 08.1417 –, juris Rn. 34, sowie Beschluss vom 10.1.2008 – 12 CS 07.3433 –, juris Rn. 43; Mann in Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Auflage 2017, § 45 Rn. 38). Gem. § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII a.F. ist eine Gewährleistung des Wohls der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung in der Regel anzunehmen, wenn (1.) die dem Zweck und der Konzeption der Einrichtung entsprechenden räumlichen, fachlichen, wirtschaftlichen und personellen Voraussetzungen für den Betrieb erfüllt sind, (2.) die gesellschaftliche und sprachliche Integration und ein gesundheitsförderliches Lebensumfeld in der Einrichtung unterstützt werden sowie die gesundheitliche Vorsorge und die medizinische Betreuung der Kinder und Jugendlichen nicht erschwert werden sowie (3.) zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung geeignete Verfahren der Beteiligung sowie der Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten Anwendung finden. So kann sich eine Kindeswohlgefährdung etwa auch aus einer Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Trägers (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 18.6.2012 – 4 LA 27/11 –, juris Rn. 8) oder seiner persönlichen Unzuverlässigkeit ergeben (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 14.8.2013 – 4 LA 166/12 –, nicht veröffentlicht; Beschluss vom 23.10.2006 – 4 ME 208/06 –, nicht veröffentlicht; OVG Saarland, Beschluss vom 11.08.2010 – 3 B 178/10 –, juris Rn. 21). Dabei ist unerheblich, ob der Träger der Einrichtung oder einer seiner Mitarbeiter die Gefährdung schuldhaft verursacht hat (Sächsisches OVG, Urteil vom 8.5.2015 – 1 A 238/13 –, juris Rn. 35; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 14.12.2012 – 4 Bs 248/12 –, juris Rn. 16; Bayerischer VGH, Beschluss vom 17.12.2008 – 12 CS 08.1417 –, juris Rn. 34; Mann in Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Auflage 2017, § 45 Rn. 39). Allein der nachträgliche Wegfall einer der Voraussetzungen für die Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 45 Abs. 2 SGB VIII führt allerdings für sich noch nicht zu einer Gefährdung im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII (vgl. Hamburgisches OVG, Beschluss vom 14.12.2012 – 4 Bs 248/12 –, juris Rn. 13, 15). Hinzukommen muss die hieraus resultierende, von § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII für einen Widerruf ausdrücklich vorausgesetzte Gefährdung des Wohls der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung (vgl. hierzu auch Mörsberger in Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 45 Rn. 116 f. (keine „akute Gefahr“ erforderlich); Mann in Schellhorn, Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Auflage 2017, § 45 Rn. 39 („potenzielle Gefährdung“ ausreichend)).
Weitere Voraussetzung für einen auf § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII gestützten Widerruf ist, dass der Träger nicht bereit oder in der Lage ist, die Gefährdung abzuwenden. Eine solche mangelnde Bereitschaft kann stichhaltig nur mit einer entsprechenden Erklärung des Einrichtungsträgers begründet werden (vgl. Nonninger/Dexheimer/Kepert in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII Kommentar, 7. Auflage 2018, § 45 Rn. 56). Steht eine Kindeswohlgefährdung fest, kann es für die Einschätzung der Bereitschaft des Trägers, die Gefährdung abzuwenden, von Bedeutung sein, ob er den Missstand einräumt. Allerdings darf nicht schon aus dem Umstand, dass er den erhobenen Vorwürfen entgegengetreten ist, ohne Weiteres gefolgert werden, dass er die notwendigen Anstrengungen zur Mängelbeseitigung vermissen lassen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.10.2015 - 3 B 53.15 -, juris Rn. 6). Die Darlegungs- und Beweislast sowohl für das Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung als auch der fehlenden Bereitschaft und Fähigkeit des Einrichtungsträgers, die Gefährdung abzuwenden, liegt bei der zuständigen Behörde (vgl. Smessaert/Lakies in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, beck-online, 8. Auflage 2019, § 45 Rn. 55).
Neben dem Kriterium der Aktualität bezüglich der akuten Gefahr ist für den Widerruf einer Betriebserlaubnis nach § 45 Abs. 7 SGB VIII das Kriterium der Verhältnismäßigkeit maßgeblich, das bedeutet, dass das tatsächliche Risiko in einem angemessenen Verhältnis zu den Wirkungen stehen muss, die der Verlust der Betriebserlaubnis zur Folge haben würde (vgl. Mörsberger in Wiesner, a.a.O, § 45 Rn. 111). Aus diesem Grund sieht das SGB VIII an dieser Stelle auch eine abgestufte Reaktionsweise der zuständigen Behörde vor. So hat die Erlaubnisbehörde die Möglichkeit, die Einrichtung an Ort und Stelle zu überprüfen (§ 46 SGB VIII). Werden hierbei oder auf Grund anderer Umstände in der Einrichtung Mängel festgestellt, so ist der Träger der Einrichtung zunächst gemäß § 45 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII zu beraten. Werden die Mängel nicht abgestellt, so können dem Träger nachträgliche Auflagen gemäß § 45 Abs. 4, Abs. 6 Satz 3 SGB VIII erteilt werden, die zur Beseitigung einer eingetretenen oder zur Abwendung einer drohenden Beeinträchtigung oder Gefährdung des Wohls der Minderjährigen erforderlich sind. Als ultima ratio kommt der Entzug der Erlaubnis in Betracht (vgl. Smessaert/Lakies in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, beck-online, 8. Auflage 2019, § 45 Rn. 51 f.; juris PK-SGB VIII, Stand: 8.7.2021, § 45 Rn. 82)
Die vom Antragsgegner angeführten Kritikpunkte und Vorfälle sind zwar beachtlich und könnten möglicherweise die Befürchtung einer konkreten Kindeswohlgefährdung begründen. Die einzelnen Vorwürfe sind jedoch - teilweise substantiiert - u.a. durch eidesstattliche Versicherungen (eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin Frau P., Bl. 316 ff., eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin, Bl. 344 ff. und eidesstattliche Versicherung des Ehemannes der Antragstellerin, Bl. 349 f. der Gerichtsakte) bestritten. Soweit Vorfälle eingeräumt wurden, wie beispielsweise der nächtliche Zusammenstoß zwischen dem Kind Dejan und dem Ehemann der Antragstellerin, sind diese teilweise nicht so gravierend. Ein erheblicher Fehler der Antragstellerin ist im Umgang mit dem 11jährigen Mädchen Hermine zu sehen, als dieses innerhalb der Gruppe und im Beisein des Ehemannes der Antragstellerin und anderer Kinder auf ihr „Stuhlgangproblem“ angesprochen worden ist und sodann in sich zusammengesunken, bzw. in Ohnmacht gefallen ist (S. 3 des Protokolls des Erörterungstermins vom 2.7.2021). Allein aus diesem psychologisch unklugen Verhalten kann jedoch nicht der Schluss einer allgemeinen Kindeswohlgefährdung in der Einrichtung der Antragstellerin gezogen werden, zumal sich die Ursache des Ohnmachtsanfalles letztlich nicht zweifelsfrei aufklären lässt. Jedenfalls fehlt es nach summarischer Prüfung nicht an der Bereitschaft der Antragstellerin, mögliche Mängel in der Betreuung bzw. dem Umgang mit den ihr anvertrauten Kindern zu beheben.
Bezüglich der mangelhaften personellen Voraussetzungen, auf die der Antragsgegner den Widerruf der Betriebserlaubnis zunächst gestützt hat, ist nicht erkennbar, dass die in der Vergangenheit teilweise nicht ausreichende Personalausstattung in der Einrichtung der Antragstellerin und die häufigen Personalwechsel eine aktuelle konkrete Gefahr für das Kindeswohl im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII begründen. Auch gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass eine nicht ausreichende Personalsituation in der Vergangenheit zu Betreuungsdefiziten geführt hat. Daraus, dass die Antragstellerin in der Vergangenheit nicht vollumfänglich ihrer Verpflichtung nachgekommen ist, entsprechend der von ihr eingereichten Leistungsbeschreibung das hierfür erforderliche Personal vorzuhalten, kann nicht automatisch der Schluss einer Gefährdung des Kinderwohls gezogen werden, insbesondere da dauerhaft nicht alle Plätze der Einrichtung belegt waren. Soweit es auf Grund der häufigen Personalwechsel zu Beziehungsabbrüchen gekommen ist, ist jedenfalls nicht erkennbar, dass die daraus resultierende Gefahr bei Erlass des Widerrufsbescheids weiter andauerte, da Frau P. zu diesem Zeitpunkt bereits seit einem Jahr bei der Antragstellerin beschäftigt war und im Hinblick auf die angestrebte Reduzierung der Platzzahl auf vier Plätze keine weiteren Einstellungen/Personalwechsel erforderlich und/oder von der Antragstellerin beabsichtigt waren.
Der erkennbar und unbestritten strenge Erziehungsstil der Antragstellerin, der zu einer auffälligen Diszipliniertheit der von ihr betreuten Kinder geführt hat, führt nicht per se zu einer Gefährdung des Kindeswohles, wird von Kindern jedoch sicherlich als unterschiedlich angenehm empfunden. So lässt das Erbrechen eines Kindes (Dejan), das sich besuchsweise bei seiner Mutter aufgehalten und nicht in die Einrichtung zurückkehren wollte, zwar den Schluss zu, dass sich dieses dort nicht wohl fühlt und möglicherweise eine andere Betreuungsstelle besser für das Kind geeignet wäre, bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass dieses in der Einrichtung in einer Weise behandelt wurde, die eine Gefahr für sein seelisches Wohl darstellte. Der von Dejan zur Begründung seiner Weigerung, in die Einrichtung zurückzukehren, geschilderte nächtliche Vorfall (Bl. 727 der Beiakte 004) zeigt zwar eine unangemessene verbale Reaktion des Ehemannes der Antragstellerin auf die nächtliche Störung, die jedoch nach Einschätzung des Senats im Hinblick auf die nächtliche Uhrzeit als „Augenblicksversagen“ zu werten ist und kein derartiges Gewicht hat, dass sie erhebliche seelische Belastungen des Kindes zur Folge haben könnte, zumal auch nach den Angaben Dejans ein Eingreifen von Seiten der Antragstellerin als Betreuungs- und Bezugsperson erfolgte, die sich - nach ihren insoweit unwidersprochenen Angaben - nach dem Vorfall um Dejan gekümmert und mit ihm das Bett bezogen hat (Bl. 568 der Gerichtsakte). Eine mangelnde emotionale Zugewandtheit der Antragstellerin gegenüber den von ihr betreuten Kindern ist in diesem Zusammenhang nicht erkennbar und nach dem Eindruck des Senats auch bezüglich des Kindes Hermine nicht festzustellen. Die Angaben der Antragstellerin im Erörterungstermin zu ihrem Umgang mit Hermines Schwierigkeiten bezüglich des Erinnerungsvermögens und der Sauberkeit zeigen abgesehen von dem oben geschilderten „Ohnmachtsanfall“ durchaus fürsorgliche Zuwendung und einen verständnis- und rücksichtsvollen Umgang beispielsweise mit der bestehenden Sauberkeitsproblematik.
Die Vorwürfe der übermäßigen Sterilität und des Vermeidens von Körperkontakt dürften durch die Einlassungen der Antragstellerin und die vorgelegten Fotografien (Bl. 309 ff. 324-326 der Gerichtsakte) widerlegt sein. Der Senat ist sich dabei bewusst, dass vorgelegte Fotografien lediglich Momentaufnahmen darstellen und ausschließlich in positiven Situationen aufgenommen werden. Die Aufnahmedaten der aus verschiedenen Jahren stammenden Aufnahmen belegen jedoch, dass diese nicht zweckgerichtet für das gerichtliche Verfahren aufgenommen wurden. Soweit es seit dem Jahr 2020 zu rissigen und wunden Händen der betreuten Kinder gekommen ist, ist dies ein auf Grund der mit dem Pandemie-Geschehen seit Frühjahr des Jahres 2020 verbundenen Hygiene-Maßnahmen häufig auftretendes Phänomen. Darüber hinaus hat sich die Antragstellerin diesem Problem nicht teilnahmslos gegenüber verhalten, sondern einen Arzt aufgesucht und eine Creme zur Behandlung besorgt (s. Vermerk über den Hausbesuch am 25.3.2020, Bl. 445 Beiakte 003). Eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls auf Grund des Charakters und Verhaltens des Ehemannes der Antragstellerin, der als Mitglied des gemeinsamen Haushaltes selbstverständlich auch Berührungspunkte mit den betreuten Kindern hat, kann nach summarischer Prüfung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Zwar ist belegt (Schreiben der Stadt A-Stadt vom 11. Februar 2008, Bl. 773 Beiakte 004, Report der Polizeistation W. vom 9.12.2020, Bl. 737 Beiakte 004), dass dieser in bestimmten Situationen lautstark, aufbrausend und teilweise unangemessen - wie gegenüber dem Kind Dejan in der nächtlichen Situation (so ist wohl auch nach der Schilderung des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin ein Schimpfwort gefallen, s. Bl. 568 der Gerichtsakte) - reagiert. Doch selbst Frau L., die zahlreiche Kritikpunkte an der Einrichtung geäußert hat, schildert ihn auch als eine „empathische, nette und freundliche“ Person, deren Nähe die Kinder manchmal suchen, und dass sie sich teilweise bei ihm geborgen fühlen (Bl. 425 Beiakte 003).
Die im Hinblick auf die ausführlichen Schilderungen von Frau L. (Bl. 417 ff. der Beiakte 003) und Frau Q. (Bl. 826 Beiakte 004 und Bl. 1047 f. Beiakte 005), die als enge Betreuungs- und Bezugsperson durchaus Veränderungen am Verhalten und Wesen ihres Enkelsohnes feststellen kann, dennoch verbleibenden Zweifel am stets angemessenen Umgang der Antragstellerin mit den von ihr betreuten Kindern und deren Bedürfnissen rechtfertigen den angefochtenen Widerruf der Betriebserlaubnis insbesondere unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht, da der Antragstellerin, die sich zu einem mehrmonatigen Clearing zur Ermöglichung der erneuten Betreuung von Fabienne bereit erklärt hat, nach dem Eindruck des Senats nicht die Bereitschaft und Fähigkeit abgesprochen werden kann, möglicherweise das Kindeswohl gefährdende Umstände oder Verhaltensweisen zu ändern. Auch aus dem Protokoll über das Gespräch der Antragstellerin, ihrer Mitarbeiterin Frau P. und zwei Mitarbeiterinnen der von dem betreuten Kind Luca besuchten Kindertagesstätte vom 2. Februar 2021 (Bl. 816 Beiakte 004) lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass sich die Antragstellerin grundsätzlich Anregungen „von außen“ verschließt und nicht erkennt, wann sie sich Erziehungshilfe zu holen hat. Vielmehr wird daraus deutlich, dass die Antragstellerin im Hinblick auf das herausfordernde Verhalten des Kindes bereits einen zeitnahen Termin bei einer Kinderpsychologin geplant und sich damit gerade um externe Hilfe im Umgang mit dem Kind bemüht hat.
Es ist nach alledem nicht erkennbar, dass Gespräche, Vor-Ort-Überprüfungen und Auflagen von vornherein ungeeignet sind, befürchtete Mängel zu beseitigen oder zu verhindern. Die Antragstellerin hat ihre Bereitschaft zu engmaschigen örtlichen Überprüfungen, regelmäßigen Gesprächen mit den betreuten Kindern und einer Reduzierung der Platzzahl im Erörterungstermin zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus könnte die Heranziehung einer weiteren Praxis zur Fachberatung der Antragstellerin oder zur Behandlung der betreuten Kinder beauflagt werden, um das von dem Antragsgegner befürchtete geschlossene System zu vermeiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 VwGO nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).