Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.07.2021, Az.: 10 OB 98/21

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.07.2021
Aktenzeichen
10 OB 98/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70926
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 22.06.2021 - AZ: 3 D 118/21

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Gegen die Aufforderung zur Abwendung der Vollstreckung gegenüber einer Behörde binnen einer vom Verwaltungsgericht gesetzten Frist gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde gemäß § 146 VwGO statthaft.
2. Jedenfalls die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels ist im Rahmen einer solchen Beschwerde zu prüfen, ebenso, ob durch den gerichtlichen Vergleich eine Geldforderung tituliert worden ist.
3. Ein gerichtlicher Vergleich, der entgegen § 162 Abs. 1 ZPO nach Diktat nicht erneut vorgelesen oder abgespielt wurde, ist nicht gemäß § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO vollstreckbar.
4. Ein gerichtlicher Vergleich kann gegen die Behörde gemäß § 172 VwGO vollstreckt werden.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig – Einzelrichterin der 3. Kammer – vom 20. Juni 2021 abgeändert:

Der Antrag des Antragstellers vom 6. Mai 2021 wird abgelehnt.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Zwangsvollstreckung aus einem Prozessvergleich gegen den Antragsgegner.

Der am 26. Oktober 2002 geborene Antragsteller lebt im Rahmen einer Vollzeitpflege in einer anderen Familie bei den Eheleuten und Großeltern des Antragstellers Frau und Herr A. als Pflegepersonen. Einen Antrag auf Gewährung von zusätzlichen Beratung- und Unterstützungsleistungen lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 13. September 2019 ab. Gegen diese Ablehnung erhoben die Pflegeeltern Klage (3 A 323/19).

In der mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2021 schlossen die Beteiligten dieses Klageverfahrens folgenden Vergleich:

1. Der Beklagte gewährt dem Pflegekind E. F. im Rahmen der derzeit laufenden Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII die Kostenübernahme für eine befristete Einzelvereinbarung mit dem Träger G. (Frau H.) mit folgenden Inhalt:

In der Zeit von März 2021 bis einschließlich August 2021 finden monatliche Gespräche zwischen Frau H., Frau I. vom beklagten Landkreis und E. mit dem Ziel statt, Vertrauen aufzubauen und eine künftige Begleitung durch Frau I. vorzubereiten.

2. [Nrn. 2 und 3 des Vergleichs hier nicht relevant]

Im Protokoll ist sodann nach dem Vergleichstext vermerkt: „Laut diktiert und genehmigt.“

Mit Schriftsatz vom 6. Mai 2021 beantragte der Antragsteller, der in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht Beteiligter war, den Antragsgegner unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 € zu veranlassen, binnen einer Frist von 2 Wochen seiner aus dem Vergleich des Verwaltungsgerichts resultierenden Verpflichtung nachzukommen, eine begrenzte Einzelvereinbarung mit dem Träger G. abzuschließen.

Das Verwaltungsgericht hörte daraufhin beide Beteiligte dieses Verfahrens zu dem Antrag an und kündigte an, über den Vollstreckungsantrag zu entscheiden, wenn innerhalb der nächsten zwei Wochen keine Einigung zwischen den Beteiligten erzielt werden könne.

Mit Beschluss vom 10. Juni 2021 wurde der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Mit Beschluss vom 22 Juni 2021, der als Vollstreckungsgläubiger die Pflegepersonen und Kläger im Verfahren 3 A 323/19 benannte, beschloss das Verwaltungsgericht:

„Gemäß dem am 22.02.2021 geschlossenen Vergleich im Verfahren 3 A 323/19 wird der Vollstreckungsschuldner gemäß § 170 Abs. 2 VwGO aufgefordert, bis zum 30.06.2021 mit dem Träger G. eine Einzelvereinbarung über die Vergütung für die Teilnahme an monatlichen Gesprächen mit dem Pflegekind E. F. in Höhe der vom Träger üblicherweise für eine solche Leistung veranschlagten Vergütung (64,08 EUR bzw. min. 59,- EUR/Stunde zzgl. Fahrtkosten nach Bundesreisekostengesetz) bis einschließlich August 2021 zu schließen.“

Es kündigte an, nach Fristablauf die Zwangsvollstreckung einzuleiten. Der Beschluss sei gemäß § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 29. Juni 2021 erhobene Beschwerde des Antragsgegners. Eine solche Beschwerde gegen den Beschluss nach § 170 Abs. 2 VwGO sei entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung des Verwaltungsgerichts zumindest dann zulässig, wenn das Gericht zu Handlungen auffordere, die nicht Gegenstand des Vergleichs geworden seien. Sie sei auch begründet. Zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses sei das Pflegekind E. bereits volljährig gewesen. Eine Prozessführungsbefugnis der Eltern habe nicht bestanden. Sie sei zumindest im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht ersichtlich gewesen. Trotz Antragstellung durch E. F. selbst weise das Rubrum des angefochtenen Beschlusses die Pflegepersonen als Antragsteller aus. Der Beschluss lege dem Antragsgegner überdies Verpflichtungen auf, die sich aus dem geschlossenen Vergleich so nicht ergeben würden. Der Inhalt des Vergleichs beschränke sich darauf, dass für den Zeitraum März bis einschließlich August 2021 monatliche Gespräche mit den genannten Beteiligten stattzufinden hätten, um Vertrauen aufzubauen und eine künftige Begleitung durch Frau I. vorzubereiten. Weitergehende Verpflichtungen ergäben sich aber aus dem Vergleich für den Antragsgegner nicht. Insbesondere sei die Höhe des Stundensatzes nicht Gegenstand des Vergleichs. Eine Einigung über diese Höhe sei trotz dahingehender Bemühungen nicht zustande gekommen.

Der Antragsgegner beantragt,

den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig, 3. Kammer, Aktenzeichen 3 D 118/21 vom 22. Juni 2021, zugestellt am 23 Juni 2021, aufzuheben und das Vollstreckungsbegehren gemäß dem Antrag vom 6. Mai 2021 zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Während der mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2021 seien sich alle Beteiligten einig gewesen, dass eine Einzelvereinbarung zu der üblichen Vergütung getroffen werde. Der zuständige Mitarbeiter des Antragsgegners habe diesem Vergleich ausdrücklich zugestimmt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses vom 22. Juni 2021 und zur Ablehnung des Antrags des Antragstellers vom 6. Mai 2021.

1. Entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung des Verwaltungsgerichts ist die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthaft.

a) Die Beschwerde gemäß § 146 Abs. 1 VwGO wird nicht durch die Vollstreckungserinnerung gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO verdrängt.

Gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO gilt das Achte Buch der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend, soweit sich aus der Verwaltungsgerichtsordnung nichts anderes ergibt. Gemäß § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO entscheidet das Vollstreckungsgericht über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen. Gemäß § 167 Abs. 1 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 793 ZPO findet die sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen statt, die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können. Dementsprechend ist bei der Frage, welcher Rechtsbehelf gegen Entscheidungen des Gerichts des ersten Rechtszuges statthaft ist, danach zu differenzieren, ob die getroffene Anordnung als richterliche Entscheidung oder als Vollstreckungsmaßnahme ergangen ist. Ist die Entscheidung nach Anhörung des Vollstreckungsschuldners ergangen, so liegt eine richterliche Entscheidung vor. Hiergegen ist die sofortige Beschwerde gemäß § 793 ZPO gegeben, an deren Stelle im Verwaltungsrechtsweg die Beschwerde gemäß § 146 Abs. 1 VwGO tritt. Für Einwendungen gegen eine reine Vollstreckungsmaßnahme, die ohne vorherige Anhörung ergangen ist, ist hingegen die Vollstreckungserinnerung gemäß § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 766 ZPO der richtige Rechtsbehelf (vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom 22.8.2006 – 4 VO 691/06 –, juris Rn. 3 m.w.N.; vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 169 Rn. 9, § 170 Rn. 6). Hier hat das Verwaltungsgericht beide Beteiligte vor Erlass des angefochtenen Beschlusses angehört, sodass gegen diesen die Beschwerde eröffnet ist.

b) Die Beschwerde ist auch nicht deswegen unzulässig, weil sie sich bereits gegen die Aufforderung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 VwGO richtet. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht vor Erlass einer Vollstreckungsverfügung die Behörde oder bei Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, gegen die vollstreckt werden soll, die gesetzlichen Vertreter von der beabsichtigten Vollstreckung zu benachrichtigen mit der Aufforderung, die Vollstreckung innerhalb einer vom Gericht zu bemessenen Frist abzuwenden. Diese Aufforderung kann isoliert mit der Beschwerde angegriffen werden (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5.12.1986 – 11 B 2726/86 –, juris Ls. 1, i. Ü. n. v.; Bayerischer VGH, Beschluss vom 20.10.1998 – 14 C 98.576 –, juris Rn. 9, jedoch ohne Auseinandersetzung mit der Gegenansicht; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, § 170 Rn. 6). Ihre Rechtmäßigkeit kann nicht (nur) im Rahmen einer Beschwerde gegen nachfolgende Vollstreckungsmaßnahmen zur Überprüfung gestellt werden.

Nach der Gegenansicht (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Februar 2021, § 170 Rn. 24; Heckmann in NK-VwGO, 5. Aufl. 2018, VwGO, § 170 Rn. 68) soll durch die Fristsetzung die Gelegenheit zur Abwendung der Vollstreckung zeitlich begrenzt werden, um einen Missbrauch zu verhindern. Eine weitergehende Bedeutung könne der Benachrichtigung und Aufforderung nicht beigemessen werden. Es würde über Sinn und Zweck der Ankündigung der Zwangsvollstreckung hinausgehen, wenn man ihr auch die Feststellung des Gerichts über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung entnehmen würde (so BFH, Beschluss vom 20. August 1968 – VII B 66/68, VII B 79/68, VII B 66/68, VII B 79/68 –, juris Rn. 9). Infolgedessen sei ein entsprechender Beschluss gemäß § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar. Unter Verweis auf diese Vorschrift hat auch das Verwaltungsgericht über die von ihm angenommene Unanfechtbarkeit des Beschlusses belehrt.

Diese Gegenansicht lässt aber außer Acht, dass allein der Existenz der Aufforderung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine eigene Beschwer für den Antragsgegner innewohnt und daher Bedarf für eine isolierte Überprüfungsmöglichkeit besteht. Die Aufforderung, die Vollstreckung innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist abzuwenden, ist Voraussetzung für jede nachfolgende Zwangsvollstreckungsmaßnahme im Rahmen einer Zwangsvollstreckung gemäß § 170 VwGO (so auch Pietzner/Möller in Schoch/Schneider, VwGO, § 170 Rn. 24). Entfällt sie aufgrund eines erfolgreichen Rechtsbehelfs, entfällt damit auch – jedenfalls zunächst – die Möglichkeit zur Zwangsvollstreckung schlechthin. Würde man der Gegenansicht folgend eine Möglichkeit zur isolierten Überprüfung der Aufforderung verneinen, wäre der Vollstreckungsschuldner gehalten, eine rechtswidrige Aufforderung im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme inzident zur Überprüfung zu stellen. Da in einem solchen Verfahren nur über die Zulässigkeit dieser konkreten Vollstreckungsmaßnahme entschieden würde und die Frage einer rechtmäßigen Aufforderung im Sinne des § 170 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur inzident als Vorfrage geprüft, die Entscheidung darüber aber nicht an der Rechtskraft der Entscheidung teilnehmen würde, bestünde die Gefahr divergierender Entscheidungen bei verschiedenen Vollstreckungsmaßnahmen. Es entspricht daher auch der Prozessökonomie, die Frage der Rechtmäßigkeit der Aufforderung für alle Vollstreckungsmaßnahmen zentral zu prüfen und nicht bei jeder Maßnahme wieder neu darüber zu entscheiden.

2. Die zulässige Beschwerde ist auch begründet.

Von der Frage der Statthaftigkeit einer Beschwerde gegen die Aufforderung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist die Frage zu trennen, was im Rahmen einer solchen Beschwerde zu prüfen ist. Nach Auffassung des Senats ist nicht nur die Rechtmäßigkeit der gesetzten Frist Prüfungsgegenstand. Darüber hinaus führt die Beschwerde auch dann zur Aufhebung der Aufforderung, wenn es an einem Titel im Sinne des § 170 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 168 Abs. 1 VwGO als formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung fehlt (vgl. zum Prüfungsumfang im Rahmen einer Erinnerung gegen eine Vollstreckungsklausel gemäß § 732 ZPO: BGH, Beschluss vom 16.7.2004 – IXa ZB 326/03 –, juris Rn. 6). Dabei ist das Gericht nicht an die konkreten Einwendungen des Antragsgegners gebunden (vgl. § 88 VwGO).

a) Hier liegt aber schon kein wirksamer vollstreckbarer Titel vor, weil der Vergleichstext ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung (nur) laut diktiert und sodann genehmigt worden ist. Er ist aber entgegen § 105 VwGO in Verbindung mit § 162 Abs. 1 ZPO nicht noch einmal den Beteiligten vorgelesen bzw. vorgespielt worden.

Gemäß § 105 VwGO gelten für die Niederschrift die §§ 159 bis 165 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 1 ist im Protokoll ein Vergleich festzuhalten. Dieser Protokollinhalt ist den Beteiligten gemäß § 162 Abs. 1 ZPO vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. Ist der Inhalt des Protokolls nur vorläufig aufgezeichnet worden, so genügt es, wenn die Aufzeichnungen vorgelesen oder abgespielt werden. In dem Protokoll ist zu vermerken, dass dies geschehen und die Genehmigung erteilt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind. Gemäß § 165 Satz 1 ZPO kann der Beweis, dass die für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten beachtet wurden, nur durch das Protokoll bewiesen werden. Es genügt demnach nicht, den Vergleichstext nur in Anwesenheit der Beteiligten laut zu diktieren und sodann – ohne nochmaliges Vorlesen oder Vorspielen – genehmigen zu lassen (Ortloff in Schoch/Schneider, VwGO, § 106 Rn. 33; Dolderer in NK-VwGO, VwGO, § 106 Rn. 47; Schenke in Kopp/Schenke, § 106 Rn. 11). Ein wegen eines derartigen Formmangels unwirksamer gerichtlicher Vergleich mag zwar unter Umständen wegen seiner Doppelnatur als Prozesshandlung und materiell-rechtlicher Vertrag als außergerichtlicher Vergleich wirksam sein, er ist jedoch nicht gemäß § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO vollstreckbar (Bayerischer VGH, Beschluss vom 9.1.2014 – 9 C 13.2454 –, juris Rn. 8).

b) Es handelt sich bei dem Vergleich zudem nicht um einen Titel im Sinne des § 170 Abs. 1 Satz 1 VwGO, was ebenfalls Voraussetzung dafür ist, dass das Gericht gemäß Abs. 2 Satz 1 dieser Norm den Vollstreckungsschuldner unter Fristsetzung zur Vollstreckungsabwendung auffordern darf. Gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht die Vollstreckung nur dann verfügen, wenn gegen die öffentliche Hand wegen einer Geldforderung vollstreckt werden soll. Der Vollstreckungstitel muss dabei unmittelbar auf Zahlung von Geld lauten. Ist der Vollstreckungsschuldner verpflichtet worden, einen Verwaltungsakt zu erlassen, der wiederum eine Geldleistung zum Gegenstand hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), geht § 172 VwGO als Spezialregelung vor (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider, VwGO, § 170 Rn. 14).

Daran gemessen liegt hier kein tauglicher Vollstreckungstitel im Sinne des § 170 VwGO vor. Nach dem protokollierten Vergleich hat sich der Antragsgegner dazu verpflichtet, im Rahmen der seinerzeit laufenden Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII die Kosten für eine befristete Einzelvereinbarung mit dem Träger der Maßnahme zu übernehmen. Eine Verpflichtung zur Zahlung einer konkreten, bezifferten Geldleistung enthält der Vergleich nicht.

Auf die vom Antragsgegner vorgebrachten Einwände, namentlich, dass die Vollstreckung nicht vom richtigen Vollstreckungsgläubiger betrieben werde und die Aufforderung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 VwGO zur Abwendung der Vollstreckung zu Maßnahmen auffordere, zu denen er, der Antragsgegner, sich in dem Vergleich nicht verpflichtet habe, kommt es daher nicht mehr an.

3. Vorsorglich und zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten weist der Senat darauf hin, dass der Vergleich auch nicht gemäß § 172 Satz 1 VwGO vollstreckt werden könnte.

Gemäß § 172 Satz 1 VwGO kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen die Behörde ein Zwangsgeld bis 10.000 € durch Beschluss androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken, wenn die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 VwGO und des § 123 VwGO der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt. Nach überwiegender Ansicht beruht die Beschränkung des Wortlauts des § 172 Satz 1 VwGO auf Urteile und einstweilige Anordnungen auf einem Redaktionsversehen (Heckmann in NK-VwGO, VwGO, § 172 Rn. 38 m.w.N. auch zur Gegenansicht, wonach gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Bestimmungen der §§ 883 ff. ZPO zur Anwendung kommen).

Auch für eine Vollstreckung nach dieser Norm ist aber ein wirksamer Vollstreckungstitel erforderlich, an dem es hier fehlt. Insofern wird auf die Ausführungen unter 2.a) Bezug genommen.

Überdies rügt der Antragsgegner zu Recht, dass sich die vom Verwaltungsgericht angenommene Verpflichtung nicht aus dem Vergleich ergibt. In der Folge wäre auch eine Androhung von Zwangsgeld ihm gegenüber mit dem Inhalt, zur Vermeidung einer Festsetzung dieses Zwangsgelds eine Einzelvereinbarung entsprechend dem Beschluss vom 22. Juni 2021 abzuschließen, rechtswidrig.

Der zu vollstreckende Anspruch muss sich hinreichend bestimmt aus dem Titel ergeben. Inhalt und Grenzen der Verpflichtungen aus dem Vergleich müssen so eindeutig bezeichnet werden, dass auch ein außenstehender Dritter in der Lage ist, zu erkennen, was der Gläubiger vom Schuldner verlangen kann. Die Auslegung des Titels ist dabei grundsätzlich auf urkundeninhärente Umstände beschränkt (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider, VwGO, § 168 Rn. 9). Versagt die Auslegung, ist der Titel nicht vollstreckbar und muss durch Klage auf Feststellung des Titelinhalts bis zur Vollstreckungsfähigkeit konkretisiert werden (ebenda, Rn. 10).

Daran gemessen gibt der Vergleich für die Auslegung im Sinne des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 22. Juni 2021 nichts her. Im Vergleich wurde lediglich die Verpflichtung des Antragsgegners aufgenommen, die Kostenübernahme für eine befristete Einzelvereinbarung zu gewähren. Weitere Einzelheiten dieser Einzelvereinbarung ergeben sich aus dem protokollierten Vergleich nicht. Insbesondere ergibt sich aus dem Vergleichstext nichts zur Höhe der zwischen den Beteiligten besonders streitigen Stundensätze, die einer solchen Vereinbarung zugrunde zu legen wären. Soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 5. Juli 2021 vorgetragen hat, alle Beteiligten seien sich in der mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2021 darin einig gewesen, „dass eine Einzelvereinbarung zu der üblichen Vergütung getroffen werde“, ist dies und die Höhe der üblichen Vergütung eben nicht im Vergleichstext festgehalten worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).