Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.07.2021, Az.: 1 LA 61/21
Grenzfeststellung; Zerlegung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.07.2021
- Aktenzeichen
- 1 LA 61/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 70901
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 26.02.2021 - AZ: 2 A 78/17
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 3 VermG ND
- § 4 Abs 1 VermG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Bei der Zerlegung ist es Aufgabe der Beteiligten, dem Vermessungsingenieur ene hinreichend klare Vorgabe zu machen, wie ein Grundstück geteilt werden soll. Zu einer Erforschung der Interessenlage und Motive ist dieser nicht verpflichtet.
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 2. Kammer (Einzelrichterin) - vom 26. Februar 2021 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Richtigkeit einer Teilungsvermessung.
Im Zuge einer Ehescheidung vereinbarten der Kläger und seine damalige Ehefrau mit notariellem Vertrag vom 19. Februar 2016 die Aufteilung des in ihrem Miteigentum stehenden, knapp 5 ha großen Flurstücks Nr. E. der F., Gemarkung A-Stadt. Das überwiegend bewaldete Grundstück hat die Form eines Quadrates, aus dem im Nordosten und Südwesten bereits einige Grundstücke - offenbar für Wochenend- bzw. Ferienhäuser - herausgeschnitten sind. Weitere Ferien- bzw. Wochenendhäuser (postalische Anschriften G. 23, 25, 29, 33, 35, 37, 39, 41, 43, 45, 49) stehen auf dem verbliebenen Grundstück, teils (Nrn. 23-37) in dessen Westen, teils (Nrn. 39-49) in dessen Osten. Die Häuser waren bzw. sind jedenfalls teilweise mit umgebenden Teilflächen des Grundstücks verpachtet. Der notarielle Vertrag vom 19. Februar 2016 sieht die Aufteilung dieser Häuser mit den - teils zu verselbständigenden - Parzellen auf die Eheleute und die hälftige Aufteilung der verbleibenden Freifläche vor. Wörtlich heißt es in § 1 Nrn. 2.1 und 2.2 des Vertrages:
„Die Erschienenen sind sich darüber einig, dass das in ihrem hälftigen Miteigentum stehende Grundstück wie folgt geteilt wird:
2.1 für die Aufteilung der mit den Nr. 15, 23, 25, 29, 33, 35, 37, 39, 41, 43, 45 und 47 bezeichneten Grundstücksflächen werden die unter bzw. neben diesen Nrn. bestehenden m²-Zahlen zugrundegelegt. Die Grundstücksflächen Nr. 39, 41, 43 und 47 sollen jeweils einzeln und mit den in der Anlage 1 zu dieser Urkunde bezeichneten m²-Zahlen 1.250, 2.400, 3.400 und 3.000 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzungsgrenzen vermessen werden. […]
2.2 Die zwischen den Grundstücken Nr. 23, 25, 29, 33, 35, 37, 39, 41, 43, 45, 47 und dem Flurstück H. liegende Fläche soll wie folgt vermessen werden:
Die jeweiligen Eckpunkte der in der Anlage 2 zu dieser Urkunde rot umrandeten Fläche sind von den Erschienenen zusammen mit dem Vermessungsbüro festzulegen. Die dazwischen liegende Fläche ist so aufzumessen, dass unter Berücksichtigung der natürlichen Nutzungsgrenzen der Mieter/Pächter der Nr. 23, 25, 29, 33, 35, 37, 39, 41, 43, 45 und 47 zwei gleich große Flächen entstehen. Der Grenzverlauf zwischen B und C soll soweit wie möglich unter Berücksichtigung der rot gestrichelten Linie und nach den Wünschen der Erschienenen vermessen werden. […].
Das Messungsergebnis soll das Vermessungsbüro nach vorheriger schriftlicher Anerkennung der Erschienenen in einem Ortstermin an das Katasteramt für ein jeweils neu zu buchendes Flurstück weiterleiten.“
In der Folge stimmte der mit der Zerlegung beauftragte Rechtsvorgänger des Beklagten mit dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau einen Aufteilungsplan ab, den er diesen unter dem 24. Januar 2017 übermittelte. Beide Vertragsparteien stimmten dem Plan zu. Am 24. Februar 2017 fand die Vermessung und Abmarkung vor Ort entsprechend diesem Plan statt. Das Ergebnis der Grenzfeststellung und Abmarkung teilte der Rechtsvorgänger des Beklagten dem Kläger mit Grenzdokument vom gleichen Tag mit.
Der Kläger hat darauf fristgerecht Klage mit der Begründung erhoben, die festgestellten Grenzen berücksichtigten nicht, dass westlich der Parzellen Nrn. 29 und 33 auf dem Grundstück eine den Pächtern nicht überlassene Lärchenschonung liege, die - da die tatsächlichen Nutzungsgrenzen zu berücksichtigen seien - diesen Parzellen nicht zuzurechnen sei. Dadurch müssten diese Parzellen mit ihren vertraglich vereinbarten Flächengrößen weiter östlich angesetzt, die Grenze zwischen ihnen und der nach Maßgabe des § 1 Nr. 2.2 aufzuteilenden Freifläche mithin ebenfalls weiter östlich verlaufen. Die Lärchenschonung sei zwischen ihm und seiner Ehefrau aufzuteilen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Grenzfeststellung und die Abmarkung seien rechtlich nicht zu beanstanden, da der Rechtsvorgänger des Beklagten die Grenzen auftragsgemäß vermessen habe. Der notarielle Vertrag enthalte keine Vorgaben hinsichtlich der Lärchenschonung. § 1 Nr. 2.1 des Vertrages, der eine Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzungsgrenzen fordere, beziehe sich auf die östlichen Flächen Nrn. 39-47, während der Kläger die Verortung der westlichen Flächen Nrn. 29 und 33 rüge. § 1 Nr. 2.2 des Vertrages betreffe ebenfalls nicht die Lärchenschonung westlich der Flächen Nrn. 29 und 33, sondern die Freifläche östlich von diesen. Aus den dem Vertrag beigefügten Anlagenskizzen ergebe sich nicht, dass die Lärchenschonung als eigene Teilfläche behandelt werden solle. Auch in den Abstimmungsgesprächen im Verwaltungsverfahren seien hinsichtlich der Lärchenschonung keine Vorgaben gemacht worden. Weitere Vermessungsfehler seien nicht ersichtlich.
II.
Der dagegen gerichtete, auf den Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Ernstliche Zweifel sind dann dargelegt, wenn es dem Kläger gelingt, wenigstens einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils mit plausiblen Gegenargumenten derart in Frage zu stellen, dass sich dadurch etwas am Entscheidungsergebnis ändern könnte. Überwiegende Erfolgsaussichten sind insoweit nicht erforderlich, es genügt, wenn sich diese als offen erweisen. Das darzulegen ist dem Kläger nicht gelungen.
Das Zulassungsvorbringen des Klägers entspricht im Wesentlichen dem, was er bereits zur Begründung seiner Klage angeführt hatte: Der notarielle Vertrag fordere die Berücksichtigung der natürlichen Nutzungsgrenzen der auf dem Grundstück vorhandenen Parzellen. Da die Lärchenschonung westlich der Häuser Nr. 29 und 33 deren Parzellen tatsächlich nicht zugeordnet sei, müssten diese mit den in Anlage 1 zum notariellen Vertrag aufgeführten Größen (2.000 bzw. 2.500 m²) entsprechend einer von ihm gefertigten Skizze nach Osten verschoben werden. Dies habe der Rechtsvorgänger des Beklagten erkennen müssen, da ihm die Messpunkte der Gebäude und Nebengebäude der Parzellen 29, 33, 35 und 37 bekannt gewesen seien. Der Kläger habe hingegen keine hinreichende Kenntnis dieser Daten gehabt, der Rechtsvorgänger des Beklagten habe ihn pflichtwidrig nicht über diese informiert.
Dieses Vorbringen dürfte bereits deshalb unbeachtlich sein, weil der Rechtsvorgänger des Beklagten, nachdem der - anwaltlich beratene - Kläger und seine geschiedene Ehefrau dem Aufteilungsplan vom 24. Januar 2017 vorbehaltlos zugestimmt hatten, diesen Plan unabhängig von etwaigen früheren Indizien für abweichende Vermessungswünsche der Verfahrensbeteiligten der Grenzfeststellung und Abmarkung zugrunde legen durfte. Bei der Zerlegung bestimmen grundsätzlich die Beteiligten, wie ein Grundstück geteilt werden soll. Demzufolge ist es ihre Aufgabe, dem Vermessungsingenieur eine hinreichend klare Vorgabe zu machen. Ist das – wie hier – erfolgt, ist der Vermessungsingenieur zu einer weitergehenden Erforschung der Interessenlage und Motive der Beteiligten nicht verpflichtet.
Auch in der Sache überzeugen die Ausführungen des Klägers nicht. Auf fehlende Ortskenntnis kann er sich insoweit nicht berufen. Der Rechtsvorgänger des Beklagten durfte davon ausgehen, dass der Kläger als Grundeigentümer vor Erklärung der Zustimmung seine Obliegenheit wahrgenommen hatte, sich zumindest ein Mindestmaß an Vertrautheit mit seinem eigenen Grundstück zu verschaffen, insbesondere davon, ob dort zwischen den verpachteten Parzellen und der Grundstücksgrenze noch ein - mit rund 2.000 m² immerhin nicht zu übersehendes - unverpachtetes Waldstück lag. Hätte er dies getan, wäre ihm aufgefallen, dass für dieses Waldstück auf dem Aufteilungsplan keine eigene Parzelle berücksichtigt worden war.
Dies kann indes dahinstehen, da es Indizien für einen vom Aufteilungsplan abweichenden Vermessungswunsch der geschiedenen Eheleute nicht gibt. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus dem notariellen Vertrag vom 19. Februar 2016. Das gegenteilige Zulassungsvorbringen geht an der wesentlichen - und zutreffenden - Erwägung des Verwaltungsgerichts vorbei, entgegen der Behauptung des Klägers sähen weder § 1 Nr. 2.1 noch § 1 Nr. 2.2 des notariellen Vertrages vom 19. Februar 2016 vor, die Parzellen 29 und 33 in der Größe von 2000 bzw. 2500 m² ausgehend von ihrer tatsächlichen westlichen Nutzungsgrenze zu bilden. Tatsächliche Nutzungsgrenzen sind nach § 1 Nr. 2.1 des Vertrages lediglich der Bildung der Grundstücke für die Parzellen Nrn. 39-47 zugrunde zu legen. Natürliche Nutzungsgrenzen der Parzellen 29 und 33 sind nach § 1 Nr. 2.2 des Vertrages lediglich bei der Aufteilung der zentralen Freifläche „zu berücksichtigen“; an diese Freifläche grenzt jedoch nur die Ostgrenze der genannten Parzellen an. Daraus, dass die natürliche Westgrenze der Parzellen 29 und 33 nicht an der Westgrenze des Gesamtgrundstücks, sondern am Ostrand der Lärchenschonung beginnen mag, folgt aber nicht zwangsläufig, dass auch die „natürliche“ Ostgrenze dieser Parzellen weiter östlich läge als im Rahmen der Vermessung angenommen; dass dies der Fall wäre, hat der Kläger im Zulassungsverfahren auch nicht substantiiert. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ferner darauf hingewiesen, dass die Lesart des Vertrages, die dem Kläger vorschwebt, es erforderte, dass die Lärchenschonung als eigenes Flurstück eingemessen und in irgendeiner Weise ihm oder seiner geschiedenen Ehefrau zugeordnet würde. Gerade das sieht der Vertrag aber nicht vor. Ebenfalls zu Recht hat das Verwaltungsgericht auf die Anlage 1 zum Vertrag hingewiesen, nach der die den Gebäuden Nrn. 29 und 33 zugeordneten Parzellen erkennbar direkt an der Westgrenze des Gesamtgrundstücks liegen sollen; denn hier sind die entsprechenden Flächenangaben 2.000 m² bzw. 2.500 m² eingetragen.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).