Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.07.2021, Az.: 1 LA 58/21
Genehmigungspflichtige Nutzungsänderung bei Vermietung einer Wohnung zur kurzfristigen Nutzung durch ständig wechselnde Gäste ("Boardinghouse")
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.07.2021
- Aktenzeichen
- 1 LA 58/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 34241
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2021:0726.1LA58.21.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 24.02.2021 - AZ: 4 A 4450/19
Rechtsgrundlagen
- § 3 BauNVO
- § 79 Abs. 1 BauO
- § 60 Abs. 2 Nr. 1 NBauO
Fundstellen
- BauR 2021, 1587-1588
- DÖV 2021, 1042-1043
- GewArch 2021, 429-430
- GuG aktuell 2021, 47
- ZAP EN-Nr. 516/2021
- ZAP 2021, 905
- ZMR 2021, 940
Amtlicher Leitsatz
Wird eine Wohnung zur kurzfristigen Nutzung durch ständig wechselnde Gäste ("Boardinghouse") vermietet, liegt eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vor. Dabei ist es unerheblich, ob eine kurzfristige Vermietung unmittelbar an ständig wechselnde Gäste oder eine langfristige Vermietung an ein Unternehmen erfolgt, das seinerseits ständig wechselnde Personen dort unterbringt.
Tenor:
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 4. Kammer (Einzelrichter) - vom 24. Februar 2021 wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens gesamtschuldnerisch.
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung der verwaltungsgerichtlichen Streitwertfestsetzung für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf jeweils 25.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem sich die Kläger gegen eine Verfügung der Beklagten wenden, die ihnen die Vermietung einer Eigentumswohnung als "Boardinghouse" zur kurzzeitigen Nutzung durch wechselnde Gäste untersagt, bleibt ohne Erfolg.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) führen nicht zur Zulassung der Berufung. Solche Zweifel setzen voraus, dass es dem Rechtsmittelführer gelingt, wenigstens einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des erstinstanzlichen Urteils mit plausiblen Gegenargumenten derart in Frage zu stellen, dass sich dadurch etwas am Entscheidungsergebnis ändern könnte. Daran fehlt es hier.
Gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Vermietung der Eigentumswohnung zur kurzzeitigen Unterbringung wechselnder Gäste stelle kein "Wohnen" im Sinne der Baunutzungsverordnung dar, weil keine auf Dauer angelegte Häuslichkeit begründet werde, wenden die Kläger ein, ihre Wohnung werde gezielt für eine Vermietung auf mittel- bis langfristiger Basis als "Boardinghouse" angeboten, sodass keine Ferienwohnung oder kein Urlaubsappartement vorliege. Es handele sich im Gegenteil um eine Wohnnutzung, jedenfalls aber um einen in einem reinen Wohngebiet zulässigen kleinen Betrieb des Beherbergungsgewerbes. Das überzeugt nicht.
Eine Wohnnutzung zeichnet sich - wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargestellt hat - durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthaltes aus (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.3.1996 - 4 B 302.95 -, NVwZ 1996, 893 = BRS 58 Nr. 56 = juris Rn. 12; Senatsurt. v. 18.9.2014 - 1 KN 123/12 -, BauR 2015, 452 = juris Rn. 22; stRspr.). Daran fehlt es hier nach dem eigenen, durch das in erster Instanz vorgelegte Rechnungsbuch bestätigte Vorbringen der Kläger, wonach die übliche Aufenthaltsdauer der Gäste in den Jahren 2019 und 2020 nur bis zu fünf Tage betrug. Es liegt auf der Hand, dass unter diesen Bedingungen keine auf Dauer angelegte Häuslichkeit begründet werden kann; die Zeitspanne des jeweiligen Aufenthalts ist deshalb entgegen der Auffassung der Kläger für die bauplanungsrechtliche Einordnung von Bedeutung. Ob die Kläger selbst kurzfristig vermietet haben, wie dies das Rechnungsbuch ausweist, oder eine längerfristige Vermietung an Unternehmen erfolgt ist, die wiederum ihre Mitarbeiter dort kurzfristig unterbringen, ist unerheblich. Maßgeblich ist, dass die Wohnung tatsächlich in einer Weise genutzt wird, die kein Wohnen im Rechtssinne darstellt.
Ob die Nutzung der Wohnung als kleiner Betrieb des Beherbergungsgewerbes (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO 1990) angesehen werden kann, bedarf keiner Vertiefung. Die darin liegende Nutzungsänderung wäre genehmigungspflichtig, weil das öffentliche Baurecht an diese neue gewerbliche Nutzung andere Anforderungen stellt als an eine reine Wohnnutzung (§ 60 Abs. 2 Nr. 1 NBauO). Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zusätzlich zu prüfen wäre insbesondere die Verträglichkeit der gewerblichen Nutzung mit den Ansprüchen der Nachbarn auf Erhaltung der im Reinen Wohngebiet besonders geschützten Wohnruhe; ein ständiger Gästewechsel im Tage- oder Wochenrhythmus dürfte jedenfalls in einem Mehrfamilienhaus und angesichts der bereits vorliegenden Nachbarbeschwerde durchaus kritisch zu betrachten sein. Das Ergebnis eines Baugenehmigungsverfahrens liegt vor diesem Hintergrund auch nicht in einer Weise zugunsten der Kläger auf der Hand, dass sich die Nutzungsuntersagung deshalb als unverhältnismäßig darstellen könnte. Offensichtlich genehmigungsfähig ist die beabsichtigte Nutzungsänderung nicht.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass der Rechtssache die ihr von den Klägern beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht zukommt. Die bauplanungsrechtliche Bedeutung des Begriffs des "Wohnens" ist seit langem geklärt. Die von den Klägern weiter aufgeworfenen abstrakten Fragen zum Betrieb eines "Boardinghouses" im Sinne einer längerfristigen Beherbergung wechselnder Mieter würden sich in diesem Verfahren nicht stellen. Bei einer üblichen Aufenthaltsdauer von bis zu fünf Tagen kann ganz offenkundig nicht von einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit die Rede sein.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat legt seiner Streitwertfestsetzung den geschätzten Jahresnutzwert zugrunde und geht dabei mit Blick auf die Größe und Bettenzahl der Wohnung vom einem Nutzwert von 12.500,- EUR zuzüglich 100 % Gewerbezuschlag aus (vgl. Nrn. 11 b), 3 a) der bei Einlegung des Rechtsmittels maßgeblichen Streitwertannahmen des Senats, NdsVBl. 2002, 192). Die ihrerseits nur auf einer Schätzung beruhende - eine entsprechende Nachfrage hatten die Kläger unbeantwortet gelassen - Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts war demzufolge gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG zu ändern.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).