Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 22.12.2010, Az.: VgK-63/2010

Ausschluss des Bieterangebotes von der Angebotswertung wegen unzulässiger Änderungen an den Vergabeunterlagen; Ausschreibung und Vergabe der Erstellung einer Oberflächenabdichtung sowie einer Sickerwasserrückführung und Gaserfassung i.R.d. Stilllegung einer Deponie; Vorlage eines Eignungsnachweises in der Form einer sog. BAM-Zulassung als Bedingung des Angebotes im Leistungsverzeichnis

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
22.12.2010
Aktenzeichen
VgK-63/2010
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 36686
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Verfahren "Stilllegung Deponie xxxxxx"

In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden MR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer BD Weyer
auf die mündliche Verhandlung vom 22.12.2010
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Auftraggeberin und der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war sowohl für die Auftraggeberin als auch für die Beigeladene notwendig.

Begründung

1

I.

Die Auftraggeberin ist eine kommunale Anstalt öffentlichen Rechts. Sie hat mit Bekanntmachung im Amtsblatt der EG vom xxxxxx.2010, veröffentlicht am xxxxxx.2010, die Erstellung der Oberflächenabdichtung, Sickerwasserrückführung, Gaserfassung im Rahmen der Stilllegung der Deponie europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Nebenangebote/Alternativangebote waren nicht zugelassen. Als Zuschlagskriterium wurde ausschließlich der niedrigste Preis benannt.

2

In den Verdingungsunterlagen war unter Ziffer 3.2 zum Nachweis der Eignung u.a. die "BAM (Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung)-Zulassung Dichtungsbahn und Schutzvliese" gefordert.

3

Aufgrund von Anfragen der Bieter und eigenen Feststellungen versandte die Auftraggeberin insgesamt 3 Bieterrundschreiben mit zusätzlichen Auskünften zu den Verdingungsunterlagen. Dabei wurde in der Bieterinformation 2 auch die Frage, ob die Ausführung eines nicht durch die BAM zugelassenen Schutzvlieses für die KDB zulässig sei, mit "Nein" beantwortet.

4

Bei der Angebotseröffnung am xxxxxx.2010 ergab sich, dass insgesamt sieben Bieter bzw. Bietergemeinschaften ein Angebot eingereicht hatten. Das Angebot der Antragstellerin belief sich auf rechnerisch geprüfte xxxxxx EUR. Sie gewährte 6% Preisnachlass ohne Bedingungen. Das Angebot der Beigeladenen lag mit einer Summe in Höhe von xxxxxx EUR an zweiter Stelle.

5

Im Rahmen der Aufklärung über den Angebotsinhalt fanden Gespräche mit der Antragstellerin am 28.10.2010 und mit der Beigeladenen am 04.11.2010 statt. Beiden wurden im Vorfeld die Themen genannt, über die gesprochen werden sollte. Über die Gespräche wurden Protokolle gefertigt und den Beteiligten zur Kenntnis gegeben. Die Protokolle beinhalten für die Bieter ausdrücklich eine Zeile zur Bestätigung des Inhalts durch Unterschrift. Beide Bieter zeichneten die Protokolle ab. Die Antragstellerin widerrief jedoch ihre Bestätigung ca. 6 Stunden später und bat um Korrektur und Ergänzung folgender Punkte:

  1. 1.

    Bezugsquellen von Stoffen und Bauteilen/Angemessenheit der Preise

    Zu Pos. 01.03.03.0010/Pos. 01.03.03.0020

    Zu Pos. 01.03.05.0010/0020

  2. 2.

    Personaleinsatz

6

Die Antragstellerin erläuterte Ihre Änderungswünsche und fügte Unterlagen bei.

7

Das beauftragte Ingenieurbüro hielt in einem 28 Seiten umfassenden Vergabevermerk vom 09.11.2010 fest, warum das Angebot der Antragstellerin in der 3. Wertungsstufe ausgeschlossen werden musste und das Angebot der Beigeladenen in der 4. Wertungsstufe das wirtschaftlichste ist.

8

Die Auftraggeberin bestätigte mit Datum vom 10.11.2010 das Ergebnis der Prüfung und Wertung der Angebote. Sie hielt fest, dass das Angebot der Antragstellerin aufgrund von Änderungen an den Vergabeunterlagen und in Hinblick auf die Änderung des Angebotes im Rahmen des Aufklärungsgesprächs von der weiteren Wertung ausgeschlossen wurde. Rein vorsorglich wurde der Antragstellerin fehlende Eignung unterstellt und unzureichende Aufklärung nach § 15 Abs. 2, 2. Alternative VOB/A. Es wurde empfohlen, auf das Angebot der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Dem Vergabevorschlag schloss sich der Vorstand der Auftraggeberin an.

9

Mit Telefax vom 10.11.2010 informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin, dass ihr Angebot ausgeschlossen wurde, da es unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen enthält und nicht alle in den Vergabeunterlagen gestellten Bedingungen erfüllt. Hilfsweise wurde das Angebot ausgeschlossen, da die Antragstellerin nach Prüfung des Inhalts des Angebotes unter Berücksichtigung der Angaben im Aufklärungsgespräch nicht über die erforderliche Eignung verfügt und sie den dem Aufklärungsbegehren beigefügten Fragenkatalog nicht vollständig beantwortet habe. Die Auftraggeberin begründete den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin. Sie teilte der Antragstellerin ferner mit, dass beabsichtigt sei, der Beigeladenen am 20.11.2010 den Zuschlag zu erteilen.

10

Mit Schriftsatz vom 12.11.2010 rügte die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebotes als vergaberechtswidrig. Zur Begründung führt sie aus, dass der Einbau eines Schutzvlieses nur optional gefordert war. Im Übrigen gehe aus der der Auftraggeberin vorliegenden Produktbeschreibung klar hervor, dass die Materialgüten die gleichen seien, wie vergleichbare von der Auftraggeberin geforderte Typen, die eine BAM-Zulassung haben. Ihre Ausführungen im Aufklärungsgespräch seien insoweit eher eine Zusage gewesen, dass gemäß Ausschreibung die entsprechenden Eignungsprüfungen vorgelegt werden. Es käme zudem nicht darauf an, dass der Schutzwirksamkeitsnachweis der KDB-Bahn zusammen mit der Eignungsprüfung des Materials für die Entwässerungsschicht vor Lieferung der Entwässerungsschicht vorzulegen sei.

11

Soweit die Auftraggeberin die von ihr, der Antragstellerin, erbetenen Änderungen am Protokoll nicht entsprochen habe, mache dies deutlich, dass sich ggf. widersprüchliche Auffassungen über den Gesprächsinhalt und deren Bedeutungsaussage hinsichtlich der Position 01.03.05.0010/0020 niedergeschlagen haben. Sie habe in dem Aufklärungsgespräch zugesichert, falls das vorgesehene Material der Körnung 02-08 wider Erwarten nicht geeignet sei, sie andere Materialarten oder Körnungen entsprechend den Ergebnissen der zurzeit laufenden Eignungsprüfungen verwenden werde.

12

Ebenfalls läge keine unzulässige Abweichung von der geforderten Leistung bzw. nachträglichen Änderung des Angebotes vor. Die entsprechenden Materialarten hätten ihrem Angebot beigelegen, aus denen ersichtlich sei, welche Vliesstoffe verwendet werden sollten. Unter Ziffer 4 der Produktbeschreibung stehe "Rohstoff wie Typ B 1200 "0" II mit BAM-Zulassung". Ihr Angebot weiche daher nicht von den Vorgaben der Positionen 01.03.05.0010/0020 ab. Die Antragstellerin vermutet eine willkürliche Abwertung ihres Angebotes mit entsprechendem missverstandenem Bedeutungsgehalt im Aufklärungsgespräch.

13

Die Antragstellerin geht auch davon aus, dass der im Aufklärungsgespräch angegebene Einsatz von MVA-Schlacke für die Gasdrän- und Ausgleichsschicht nicht bedeute, dass sie nicht über die notwendigen Erfahrungen von Gasdrän- und Ausgleichschichten verfüge. Die von ihr vorgesehene Schlacke sei grundsätzlich nicht scharfkantig und werde zum Deponiebau eingesetzt. Nur wenn das Material nicht geeignet sei, werde sie die anderen Materialarten, die ausgeschrieben und der Auftraggeberin noch einmal genannt wurden, mit entsprechender Preiszusicherung verwenden. Ferner habe sie nur angegeben, welche Möglichkeiten sie habe, um auf entsprechende Böden zurückzugreifen. Die entsprechenden Eignungsprüfungen würden im Auftragsfall fristgerecht vorgelegt werden. Die Auftraggeberin hätte andernfalls festlegen müssen, dass nur bestimmte Materialarten zu verwenden sind und entsprechende Eignungsprüfungen bereits mit dem Angebot einzureichen seien.

14

Soweit die Auftraggeberin moniere, dass sie keine näheren Angaben zu den Eigenschaften des Materials für den Unter- und Oberboden der Rekultivierungsschicht übermittelt habe, sei dies ein wertungsfremdes Kriterium, das in den Positionen 01.03.06.0010/0050 nicht verlangt wurde. Die Auftraggeberin habe nicht einmal in den Ausschreibungsunterlagen gefordert, welches Prüfinstitut sie, die Antragstellerin, im Auftragsfall mit der Bestimmung der maßgeblichen Kennwerte Luft- und nutzbare Feldkapazität im Zuge der Eignungsprüfung der Rekultivierungsböden beauftragen solle. Im Übrigen ständen solche Prüfinstitute in keinerlei baubetrieblichem Zusammenhang, die zur Prüfung im Vergabestadium zur Wertung heran gezogen werden können, um die Wertung eines auskömmlichen Kalkulationspreises durchzuführen. Dieses Wertungskriterium sei willkürlich, um eine unzureichende Aufklärung zu unterstellen.

15

Nachdem die Auftraggeberin der Antragstellerin mit Schreiben vom 16.11.2010 mitgeteilt hat, dass sie der Rüge nicht abhilft, beantragt die Antragstellerin mit Schreiben vom 19.11.2010, eingegangen bei der Vergabekammer per Telefax am gleichen Tage, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie begründet Ihren Antrag unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen in den o. g. Rügeschreiben. Sie führt ferner aus, dass sie keine unzulässigen Änderungen an den Vergabeunterlagen in den Positionen 01.03.05.0010 des Leistungsverzeichnisses vorgenommen habe. Andererseits habe die Auftraggeberin die zu erbringende Leistung nicht so eindeutig und erschöpfend beschrieben, dass eine eindeutige Preisermittlung möglich war. Sie habe erst bei der Information nach § 101a GWB feststellen können, dass die Auftraggeberin ein anderes Verständnis ihren mehrdeutigen Vergabeunterlagen zumessen wollte. Diese Annahme gelte auch hinsichtlich der Anforderungen an Geotextilien nach der Baubeschreibung und an Geotextilen aus dem QMP Kunststoffarbeiten, sowie explizit an Geotextilen gemäß Position 01.03.05.0010/0020. Sie habe entsprechend den Vorgaben sich für ein System mit mineralischer Schutzschicht entschieden. Da ein individueller Schutzwirksamkeitsnachweis zu führen war, hätte kein Schutzvlies mit BAM-Zulassung angeboten werden müssen. Gleichwohl habe sie zusätzlich ein Schutzvlies neben der Herstellung einer mineralischen Schutzschicht angeboten, obwohl dies nach dem Leistungsverzeichnis nicht erforderlich war. Aus den Vergabeunterlagen ergäbe sich nicht, dass nur Vliese mit BAM-Zulassung anzubieten seien.

16

Soweit die Auftraggeberin jetzt ihre Eignung in Frage stelle, weist die Antragstellerin darauf hin, dass die Eignungsprüfung in der 2. Wertungsstufe erfolgte und vor Eintritt in die 4. Wertungsstufe abgeschlossen war. Ihres Erachtens seien der Auftraggeberin keine nachträglichen Tatsachen bekannt geworden, die einen Wiedereintritt in die 2. Wertungsstufe rechtfertigen würden. Soweit sich die Auftraggeberin auf Ausführungen im Rahmen des Aufklärungsgesprächs beziehe, handelte es sich lediglich um technische Fragestellungen, die nicht abstrakt anhand von Leistungen der Vergangenheit überprüft werden können.

17

Ferner geht die Antragstellerin aufgrund der eingeschränkten Akteneinsicht davon aus, dass die Auftraggeberin ihre Vergabeentscheidung nicht selbst getroffen hat, sondern das beauftragte Ingenieurbüro. Die Auftraggeberin habe ihre Vergabeentscheidung nicht ausreichend dokumentiert, sondern nur den Vergabevorschlag abgenickt. Insoweit habe die Vergabestelle nicht, wie zwingend gefordert, die vorbereiteten Entscheidungen selbst inhaltlich geprüft und sich mit den vorbereiteten Argumenten dokumentiert auseinander gesetzt.

18

Ihrer Ansicht nach ergäbe sich aus der Vergabeakte, dass die Auftraggeberin Kriterien für den Ausschluss heran gezogen habe, die gar nicht Gegenstand des Angebotes waren.

19

Die Antragstellerin beantragt:

  1. 1.

    Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Auftrag zur Stilllegung der Deponie xxxxxx nicht der xxxxxx, sondern auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen.

20

Hilfsweise:

  1. 2.

    Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der erkennenden Kammer zu wiederholen.

  2. 3.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

21

Die Auftraggeberin beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

  2. 2.

    die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin festzustellen und

  3. 3.

    die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin der Antragstellerin aufzuerlegen.

22

Die Auftraggeberin tritt den Behauptungen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen.

23

Sie hält den Nachprüfungsantrag teilweise für unzulässig, soweit die Antragstellerin die vermeintlich unzureichende Leistungsbeschreibung erst nach der Information gemäß § 101a GWB beanstandet. Ebenfalls sei sie mit ihrer Rüge hinsichtlich bestimmter Aufklärungsfragen präkludiert. Die Antragstellerin habe die Fragen im Vorfeld des Aufklärungsgesprächs am 28.10.2010 offenkundig zur Kenntnis genommen und nicht einmal gerügt. Erst ca. 14 Tage später und dann im Rügeschreiben habe die Antragstellerin diese Punkte anders beurteilt.

24

Soweit der Nachprüfungsantrag nicht unzulässig ist, sei er insgesamt jedoch unbegründet.

25

Sie habe das Angebot der Antragstellerin zu Recht wegen Änderungen der Vergabeunterlagen sowie Abweichungen von der geforderten Leistung ausgeschlossen. Sie habe eindeutig die Vorlage eines "Eignungsnachweises Dichtungsbahn/Schutzvlies (BAM-Zulassung)" bereits in der Bekanntmachung und in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes gefordert.

26

In der Position 01.03.05.0010 des Leistungsverzeichnisses geht es um die hier maßgebliche Schutzlage oberhalb der KDB. Aus der Anlage 5 zur Baubeschreibung (Qualitätsmanagementplan (QMP) Kunststoffarbeiten) ergäbe sich eindeutig, welche Anforderungen an das Schutzvlies gestellt werden und dass für diese eine BAM-Zulassung vorgelegt werden musste.

27

Auch die Anforderungen an Geotextilien nach der Baubeschreibung seien eindeutig. Sie habe in der Baubeschreibung ausdrücklich festgelegt, dass oberhalb der KDB ein weiteres Schutzvlies flächig einzubauen ist. Deren Anforderungen wurden im Leistungsverzeichnis und dem QMP Kunststoffarbeiten eindeutig bestimmt. Ferner habe sie sowohl in der Position 01.03.05.0010 des Leistungsverzeichnisses als auch in der o. g. Anlage 5 eine BAM-Zulassung für das Schutzvlies gefordert. Die Antragstellerin gehe ferner irrtümlich davon aus, dass auch ein Schutzvlies mit verwandten Fasern eingesetzt werden könne. Da die Antragstellerin sich jedoch für den Einsatz eines Vlieses entschieden hat, habe sie davon ausgehen müssen, dass der Schutzwirksamkeitsnachweis ohne Vlies nicht möglich ist. Dies habe die Antragstellerin im Aufklärungsgespräch auch bestätigt. Sie habe davon ausgehen müssen, dass ein Einbau der MVA-Schlacke ohne Vlies nicht die gewünschte Schutzwirkung entfalte.

28

Soweit die Antragstellerin angibt, ein "System mit mineralischer Abdichtung" angeboten zu haben, wäre dies nach Auffassung der Auftraggeberin ebenfalls eine unzulässige Abweichung von der ausgeschriebenen Leistung. Das Schutzvliesunterhalb der Entwässerungsschicht soll die darüber liegende KDB vor mechanischen Beanspruchungen aus der Entwässerungsschicht schützen. An solche Schutzvliese habe sie daher höhere Anforderungen gestellt. Die Antragstellerin habe ein "Trennvlies" als "Schutzvlies" angeboten, dass jedoch nicht deren Anforderungen erfülle. Im Aufklärungsgespräch sei die Antragstellerin dann von ihren Angaben im Angebot abgewichen und habe erklärt, dass sie ein Trennvlies und Korn mit der Größe 2 bis 8 mm einsetzen will.

29

Soweit die Antragstellerin ihren nachträglichen Ausschluss wegen mangelnder Eignung beanstande, sei ihr zwar grundsätzlich beizupflichten, dass die eigentliche Eignungsprüfung zum Zeitpunkt des Aufklärungsgesprächs bereits abgeschlossen war. Jedoch habe sie, die Auftraggeberin, erst aufgrund des Aufklärungsgesprächs am 28.10.2010 ansatzweise nachvollziehen können, in welcher Art und Weise die Antragstellerin meint, ein Oberflächenabdichtungssystem errichten zu können. Aufgrund der Angaben der Antragstellerin im Aufklärungsgespräch seien ihr wegen der Vielzahl der Ungereimtheiten im Angebot und der fehlenden BAM-Zulassung erhebliche Zweifel an der Eignung der Antragstellerin gekommen, so dass sie sich gezwungen gesehen habe, das Angebot auch deshalb von der Wertung auszuschließen.

30

Die Antragstellerin habe ferner die im Fragenkatalog erbetenen Auskünfte nicht vollständig erteilt. Da bestimmte Angaben auch nicht innerhalb der gesetzten Nachfrist gemacht wurden, habe sie auch im Hinblick auf die fehlende Aufklärung sich gezwungen gesehen, das Angebot auszuschließen. Soweit die Antragstellerin nach Ablauf der Frist die Angaben nachgereicht habe, sei dies unerheblich.

31

Ferner sei aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbar, wie die Antragstellerin zu der Behauptung komme, sie habe die von ihr getroffenen Entscheidungen nicht selbst getroffen und nicht ordnungsgemäß dokumentiert. Ihre Dokumentation umfasse im Gegenteil weit mehr Informationen, als sie nach § 24 EG VOB/A erforderlich wären.

32

Die Beigeladene beantragt:

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen sowie

  3. 3.

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Beigeladene für notwendig zu erklären.

33

Die Beigeladene unterstützt die Ausführungen der Auftraggeberin zur Unzulässigkeit bzw. zur Unbegründetheit des Nachprüfungsantrages.

34

Ferner führt sie aus, dass die Angabe der Antragstellerin, durch den vorgesehenen Siebvorgang zur Aufbereitung der MVA-Schlacke nicht geeignet sei, um scharfkantige Fremdstoffe/Bestandteile heraus zu sieben, um eine Verletzung der Kunststoffdichtbahn zu verhindern.

35

Eine vollständige Abtrennung von scharfkantigen Fremdstoffen/Bestandteilen bei der Aufbereitung der MVA-Schlacke sei nur theoretisch möglich, da in der Praxis in der aufbereiteten Schlacke noch Glas- und Metallreste, wie etwa Nägel, enthalten seien, die die Kunststoffdichtbahn durchstoßen können.

36

Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 20.12.2010 gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 17.01.2011 verlängert.

37

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 22.12.2010 Bezug genommen.

38

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist nicht im Sinne der§§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin hat das Angebot der Antragstellerin zu Recht gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A von der Wertung ausgeschlossen, weil die Antragstellerin in ihrem Angebot von Vorgaben der Vergabeunterlagen abgewichen ist. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat die Auftraggeberin sowohl in der Bekanntmachung als auch in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes im Leistungsverzeichnis selbst eindeutig gefordert, dass für die vorliegend streitige Schutzlage oberhalb der Kunststoffdichtungsbahnen (KDB) ein Schutzvlies angeboten werden muss, das eine Zulassung der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) hat, und dementsprechend die Vorlage eines "Eignungsnachweises Dichtungsbahn/Schutzvlies (BAM-Zulassung)" gefordert.

39

1.

Anzuwenden ist für das vorliegende Verfahren der Abschnitt 2 der VOB/A i.d.F. vom 31.07.2009, in Kraft getreten mit der novellierten Vergabeverordnung (VgV) am 11.06.2010 (BGBl. I Nr. 30, Seite 724). Das Vergabeverfahren wurde mit europaweiter Bekanntmachung der Auftraggeberin vom xxxxxx.2010 eingeleitet.

40

2.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um die in der Rechtsform einer kommunalen Anstalt öffentlichen Rechts organisierten xxxxxx des Landkreises xxxxxx und damit um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 2 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach§ 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag i. S. des § 1 VOB/A, für den gem. § 2 Nr. 3 VgV ein Schwellenwert von 4.845.000 Euro gilt. Ausweislich eines in der Vergabeakte (Blatt 319) enthaltenen Vermerks vom 01.07.2010 beträgt der vom Auftraggeber gem. §§ 1 Abs. 1, 3 VgV geschätzte Auftragswert xxxxxx Euro.

41

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterunternehmen im vorliegenden Vergabeverfahren ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie die Auffassung vertritt, die Auftraggeberin habe ihr Angebot zu Unrecht von der Angebotswertung ausgeschlossen. Sie sei mit ihrem Angebot nicht von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abgewichen. Insbesondere sei der Einbau eines Schutzvlieses nur optional gefordert worden. Im Übrigen seien die von ihr diesbezüglich angebotenen Materialgüten die gleichen, wie die von der Auftraggeberin aufgeführten Typen, die eine BAM-Zulassung haben. Die Auftraggeberin sei auch nicht berechtigt, Ergebnisse des Aufklärungsgespräches zum Anlass zu nehmen, ihr nachträglich die Eignung für den verfahrensgegenständlichen Auftrag abzusprechen. Sie habe im Aufklärungsgespräch zugesichert, dass sie andere Materialarten oder Körnungen entsprechend den Ergebnissen der zurzeit laufenden Eignungsprüfungen verwenden werde, sofern das von ihr vorgesehene Material der Körnung 02-08 wider Erwarten für die Deponieabdeckung nicht geeignet sei. Die von ihr in ihrem Angebot vorgesehene MVA-Schlacke für die Gasdrän- und Ausgleichsschicht sei grundsätzlich nicht scharfkantig und werde zum Deponiebau eingesetzt. Nur wenn das Material nicht geeignet ist, werde sie die anderen Materialarten, die ausgeschrieben und der Auftraggeberin noch einmal übersandt wurden, mit entsprechender Preiszusicherung verwenden. Die notwendigen Eignungsprüfungen würden im Auftragsfall fristgerecht vorgelegt werden. Soweit die Auftraggeberin nunmehr auf ein Schutzvlies mit BAM-Zulassung bestehe, habe sie jedenfalls die zu erbringende Leistung nicht so eindeutig und erschöpfend beschrieben, dass eine eindeutige Preisermittlung möglich gewesen wäre. Sie habe erst bei der Information nach § 101 a GWB feststellen können, dass die Auftraggeberin ein anderes Verständnis ihren mehrdeutigen Vergabeunterlagen zumessen wolle. Dies gelte auch hinsichtlich der Anforderungen an Geotextilien nach der Baubeschreibung und an Geotextilien aus dem Qualitätsmanagementplan (QMP) Kunststoffarbeiten sowie explizit hinsichtlich der Geotextilien gemäß Position 01.03.05.0010/0020. Sie habe sich in Einklang mit den Vorgaben für ein System mit mineralischer Abdeckung entschieden. Sie habe deshalb kein Schutzvlies mit BAM-Zulassung anbieten müssen. Sie habe lediglich ein Schutzvlies neben der Herstellung einer mineralischen Schutzschicht angeboten, obwohl dies eigentlich nicht erforderlich gewesen wäre.

42

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen ein durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat zumindest schlüssig dargelegt, dass der Ausschluss ihres Angebotes unter Zugrundelegung ihrer Rechtsauffassung zu Unrecht erfolgt ist und ihr dadurch die Chancen genommen wurden, den Zuschlag zu erhalten. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass ein Antragsteller schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten würde (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99).

43

3.

Der Nachprüfungsantrag ist auch nicht mangels rechtzeitiger Rüge gem. § 107 Abs. 3 GWB unzulässig. Die Antragstellerin ist insbesondere auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Die Antragstellerin hat erstmals mit Informationsschreiben der Auftraggeberin gem. § 101 a GWB, übersandt mit Telefax vom 10.11.2010, erfahren, dass ihr Angebot ausgeschlossen wurde, weil es unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen enthalte und nicht alle in den Vergabeunterlagen gestellten Bedingungen erfülle. Hilfsweise sei das Angebot ausgeschlossen worden, weil die Antragstellerin unter Berücksichtigung des Inhaltes ihres Angebotes und der Angaben im Aufklärungsgespräch nicht über die erforderliche Eignung verfüge und sie den dem Aufklärungsbegehren beigefügten Fragenkatalog nicht vollständig beantwortet habe. Der Ausschluss des Angebotes sei daher hilfsweise auch auf die fehlende Eignung i. S. des§ 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A und auf eine unzureichende Aufklärung i. S. von § 15 Abs. 2 VOB/A gestützt worden. Daraufhin hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 12.11.2010 den Ausschluss ihres Angebotes als vergaberechtswidrig gerügt und ihre Rechtsauffassung begründet. Diese nur innerhalb von zwei Tagen abgesetzte Rüge erfolgte unverzüglich i. S. des § 107 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Es kann daher vorliegend dahinstehen, ob die Präklusionsregel gem. § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile v. 28.01.2010 in den Rechtssachen C-406/08 und C-456/08) überhaupt noch anwendbar ist (bejahend OLG Dresden, Beschluss v. 07.05.2010, Az.: WVerg 6/10, zitiert nach ibr-online; offen gelassen OLG Celle, Beschluss v. 16.09.2010, Az.: 13 Verg 8/10).

44

Aber auch soweit die Antragstellerin erstmals im Zuge des Nachprüfungsverfahrens geltend gemacht hat, dass das unterschiedliche Verständnis der Antragstellerin und der Auftraggeberin von den Vorgaben der Vergabeunterlagen offenbar darauf zurückzuführen sei, dass die zu erbringende Leistung nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben wurde, ist der Vortrag der Antragstellerin nicht präkludiert. Zwar ist gem.§ 107 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 GWB ein Antrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die auf Grund der Bekanntmachung oder erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Die Antragstellerin macht vorliegend aber gerade geltend, dass sie erst durch die Information der Auftraggeberin gem. § 101 a GWB vom 10.11.2010 erfahren habe, dass die Auftraggeberin ein aus Sicht der Antragstellerin im Widerspruch zu den Vergabeunterlagen stehendes Verständnis hinsichtlich der Vorgaben und Anforderungen des Leistungsverzeichnisses habe. Der Nachprüfungsantrag ist daher zulässig.

45

3.

Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Auftraggeberin hat das Angebot der Antragstellerin zu Recht wegen unzulässiger Änderungen an den Vergabeunterlagen gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A von der Angebotswertung ausgeschlossen. Die Antragstellerin hat in ihrem Angebot kein Schutzvlies angeboten, das über eine BAM-Zulassung verfügt, obwohl die Auftraggeberin für die Schicht oberhalb der Kunststoffdichtungsbahn (KDB) sowohl in der Pos. 01.03.05.0010 des Leistungsverzeichnisses als auch in der Anlage 5 zur Baubeschreibung (Qualitätsmanagementplan (QMP) Kunststoffarbeiten) eindeutig den Einbau eines Schutzvlieses mit BAM-Zulassung gefordert hatte. Die Auftraggeberin hat die diesbezüglichen Leistungsanforderungen entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch eindeutig und erschöpfend und damit in einer den Anforderungen des§ 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A genügenden Weise beschrieben, so dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen mussten und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen konnten. Spätestens aber aufgrund der eindeutigen Bieterinformation 2 vom 02.09.2010 stand für alle Bieter fest, dass die Ausführung eines nicht durch die BAM zugelassenen Schutzvlieses für die KDB nicht zulässig ist (im Folgenden a). Es ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich, ob die Auftraggeberin den Angebotsausschluss hilfsweise auch auf eine fehlende Eignung im Sinne von § 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A oder eine unzureichende Aufklärung gemäß § 15 Abs. 2 VOB/A stützen konnte. Die Vergabekammer vertritt jedoch die Auffassung, dass allein die Tatsache, dass die Antragstellerin im Zuge des Nachprüfungsverfahrens ein anderes Verständnis von den Vorgaben der Vergabeunterlagen als die Auftraggeberin offenbart hat, nicht dazu berechtigt, der Antragstellerin im Nachhinein die zuvor im Rahmen der Eignungsprüfung von der Auftraggeberin ausdrücklich festgestellte Eignung für den vorliegenden Auftrag oder vergleichbare Aufträge doch noch abzusprechen (im Folgenden b).

46

a)

Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A sind Angebote, bei denen Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen wurden, nach wie vor zwingend von der Angebotswertung auszuschließen. Das Verbot der Änderung der Vorgaben in den Vergabeunterlagen trägt dem Umstand Rechnung, dass ein fairer Wettbewerb vergleichbare Angebote verlangt. Der Regelungszweck des § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A besteht daher zunächst darin, das Zustandekommen eines wirksamen Vertrags mit übereinstimmenden Willenserklärungen zu gewährleisten. Zudem soll durch diese Bestimmung die Transparenz des Vergabeverfahrens und die Gleichbehandlung aller Bieter sichergestellt werden: Jeder Bieter darf nur anbieten, was der öffentliche Auftraggeber nachgefragt hat und sich nicht durch eine Abweichung von den Vergabeunterlagen einen Vorteil verschaffen (vgl. Frister in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 3. Auflage, § 16 VOB/A, Rdnr. 9; Rusam in: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 11. Auflage, A § 21, Rdnr. 11, m.w.N.). Der durch eine Ausschreibung eröffnete Wettbewerb kann nur dann gewährleistet werden, wenn Änderungen an den Verdingungsunterlagen unterbunden werden, weil andernfalls die Vergleichbarkeit der Angebote leidet. Angebote, die gegen § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A verstoßen, müssen deshalb von der Wertung ausgeschlossen werden (vgl. zur insoweit identischen Vorgängerregelung § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A bereits BGH, Urteil vom 08.09.1998, Az.: X ZR 109/96 = NJW 1998, S. 3644 ff., 3645). Nur wenn Änderungen an den Vergabeunterlagen ausgeschlossen werden, wird der transparente und diskriminierungsfreie Wettbewerb der Bieter gewährleistet (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.10.2003, Az.: Verg 49/02, zitiert nach ibr-online). Die Bieter müssen daher grundsätzlich davon ausgehen, dass der Auftraggeber die Leistung auch so angeboten haben will, wie er sie in den Verdingungsunterlagen festgelegt hat (vgl. Franke/Grünhagen, VOB, 2. Auflage, § 21 VOB/A, Rdnr. 140). Wollen oder können die Bewerber die Leistung nicht nach Maßgabe der Verdingungsunterlagen anbieten, so steht es ihnen frei, Änderungsvorschläge oder Nebenangebote zu unterbreiten, sofern sie vom Auftraggeber nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurden. Weicht der Bieter dagegen, wie im vorliegenden Fall, im Rahmen seines Angebotes von den Vorgaben der Vergabeunterlagen ab, so führt dies zum zwingenden Ausschluss nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b VOB/A. Diesem Regelungs- und Schutzzweck entspricht dabei ein weites Verständnis des Begriffs der "Änderung". Eine solche liegt immer vor, wenn das Angebot von den Vergabeunterlagen abweicht, also immer dann, wenn Angebot und Nachfrage sich nicht decken (vgl. BGH, VergabeR 2007, S. 73 ff., 74 [BGH 01.08.2006 - X ZR 115/04]; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.03.2006, VII 77/05; Frister, a.a.O., § 16 VOB/A, Rdnr. 9).

47

Zur Entscheidung der Frage, ob ein Bieter im Angebot von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abgewichen ist, sind die Vergabeunterlagen ggf. aus der objektiven Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters, der mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertraut ist, auszulegen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2004, VII-Verg 20/04).

48

Die Auftraggeberin hatte bereits in der Vergabebekanntmachung vom xxxxxx.2010 unter III.2 die Teilnahmebedingungen festgelegt und unter III.2.3 darauf hingewiesen, dass zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit ausdrücklich die "Vorlage eines Eignungsnachweises Dichtungsbahn/Schutzvlies (BAM-Zulassung)" gefordert wird.

49

Auch unter Nr. 4.2 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes (Vordruck VHB-Bund Nr. 211 EG) heißt es:

"Folgende sonstige Nachweise/Angaben sind mit dem Angebot vorzulegen:

- BAM-Zulassung Kunststoffdichtungsbahn und Schutzvliese."

50

(Hervorhebung durch die Vergabekammer)

51

Mit Leistungsverzeichnis vom 27.08.2010 hat die Auftraggeberin den Bietern zwei alternative Möglichkeiten eines Angebotes für die Erstellung der Entwässerungsschicht gegeben. Die Bieter konnten entweder einen Aufbau mit einem individuellen Schutzwirksamkeitsnachweis anbieten oder optional eine Ausführung mit einem BAM-zugelassenen Schutzvlies. Unter "03. Oberflächenabdichtung, 03.03 Gasdränage- und Ausgleichsschicht" heißt es in der Grundposition 01.03.03.0010:

"Liefern von Bodenmaterialien zum Einbau als Gasdränage- und Ausgleichsschicht auf die profilierte Oberfläche der Deponie sowie profilgerecht und verdichtet in einer Schichtdicke von 0,5 m einbauen.

Die Gasdränage- und Ausgleichsschicht dient als Auflager oder Stützschicht der Kunststoffdichtungsbahn (KDB) und muss den Qualitätsanforderungen des Herstellers der gewählten KDB, der BAM-Zulassung, der KDB sowie der BAM-Richtlinie für die Zulassung von Kunststoffdichtungsbahnen für die Deponieabdichtungen (2010) genügen.

Die Qualitätsanforderungen des QMP Boden/Geotechnik bei der Auswahl, Lieferung und Herstellung sind zu beachten und entsprechend den Regelungen des QMP Boden/Geotechnik nachzuweisen und zu dokumentieren. Die Anforderungen für die Verlegung der KDB sind gemäß QMP Kunststoffarbeiten zu schaffen.

Einschließlich aller Kontrollen, Prüfungen und Dokumentationen der Eigenprüfung gemäß QMP Boden/Geotechnik. Vor dem Verlegen der KDB ist die Ausgleichsschicht durch die Fremdprüfer des AG in Abstimmung mit der örtlichen Bauüberwachung freizugeben.

Optional: Einbau eines Schutzvlieses

Geotextiles Schutzvlies mit BAM-Zulassung zum Schutz der KDB gegenüber der Gasdränage- und Ausgleichsschicht liefern einschl. fachgerechtem Abladen, Lagern, Wiederaufnehmen, Transportieren und Einbauen sowie aller Leistungen der Eigenprüfung gemäß QMP Kunststoffarbeiten...

Sofern auf den Einbau eines Schutzvlieses verzichtet wird, ist vor Lieferung der Entwässerungsschicht ein Schutzwirksamkeitsnachweis der KDB zusammen mit der Eignungsprüfung des Materials für die Entwässerungsschicht vorzulegen. Die Kosten hierfür sind in den Einheitspreis einzukalkulieren. Sofern der Schutzwirksamkeitsnachweis durch den AN nicht erbracht werden kann, kann der AG verlangen, dass ein Schutzvlies ohne zusätzliche Vergütung eingebaut wird. Abgerechnet wird die Fläche im Einbau des gewählten Systems aus Entwässerungsschicht mit bzw. ohne Schutzvlies.

Verwendung eines Schutzvlieses (ja/nein):

Fabrikat und Typ des Schutzvlieses:

77.000 m2 EUR (EP) EUR (GP)"

52

(Hervorhebungen durch die Vergabekammer)

53

In der sich darin anschließenden Wahlposition Nr. 01.03.05.0020 zur Ausführung der Gasdränage- und Ausgleichsschicht mit verringerter Mächtigkeit von mindestens 0,3 m bis maximal 0,5 m unter Einhaltung der in der Grundposition geforderten technischen Anforderungen hatten die Bieter die gleichen Angaben auch zum optionalen Einsatz eines Schutzvlieses zu machen.

54

Die Antragstellerin hatte ihrem Angebot vom 08.09.2010 die verfahrensgegenständlichen Positionen des Leistungsverzeichnisses zu "03. Oberflächenabdichtung, 03.05 Entwässerungsschicht" mit der Grundposition 01.03.05.0010 und der Wahlposition 01.03.05.0020 gleich zweimal beigefügt. In der ersten Fassung (S. 30 und 31 des von der Antragstellerin ausgefüllten Leistungsverzeichnisses) hat die Antragstellerin keinerlei Eintragungen vorgenommen. In der Folge hat sie beide Positionen als S. 170 bis S. 172 noch einmal beigefügt und dort folgende Eintragungen vorgenommen:

"01.03.05.0010

Verwendung eines Schutzvlieses: ja

Fabrikat und Typ des Schutzvlieses: xxxxxx

01.03.05.0020

Verwendung eines Schutzvlieses: ja

Fabrikat und Typ des Schutzvlieses: xxxxxx

Mächtigkeit der Entwässerungsschicht: d = 15 cm."

55

Die Antragstellerin hat für die Entwässerungsschicht zur Pos. 01.03.05.0010 und zur Pos. 01.03.05.0020 also eindeutig eine Ausführung unter Verwendung eines Schutzvlieses angeboten. Die Auftraggeberin hat im Rahmen ihrer Angebotsprüfung ausweislich der vorliegenden Vergabedokumentation nach § 20 VOB/A, Anlage 1 zu Nr. 14 Bd. 1 in ihrem Wertungsbericht zu den eingegangenen Angeboten auf S. 14 ff. festgestellt, dass das von der Antragstellerin angebotene Schutzvlies keine BAM-Zulassung hat. Auf S. 15 des Wertungsberichts heißt es:

"In Anlage 4.7 ist eine offizielle Liste der BAM der zugelassenen Schutzschichten (Stand: Juni 2007), die am 05.11.2010 von der Homepage der BAM heruntergeladen wurde, beigefügt. Das vom Bieter angebotene Vlies befindet sich nicht darunter. Der Bieter hat daher ein nicht zugelassenes Schutzvlies angeboten, welches von den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses abweicht."

56

Die Vergabeakte enthält als Anlage 4.7 (Bl. 1479 ff.) die Tabellen der zugelassenen Geokunststoffe und Dichtungskontrollsysteme der BAM mit Gesamt-Stand Oktober 2010. Seite 7 des Ausdrucks (Bl. 1486 der Vergabeakte) enthält die BAM-Tabelle "Zulassungen für Schutzschichten" - mit offenbar unverändertem Stand Juni 2007. Auch ein Vlies des von der Antragstellerin benannten Herstellers xxxxxx ist dort aufgeführt, nicht jedoch das von der Antragstellerin im Angebot benannte Produkt.

57

Damit hat die Auftraggeberin in nicht zu beanstandender Weise geprüft und festgestellt, dass die Antragstellerin zu den Pos. 01.03.05.0010 und 01.03.05.0020, entgegen ihres ursprünglichen Vortrags im Nachprüfungsverfahren und in ihrem Schreiben vom 03.11.2010 in Erwiderung auf das Protokoll zum Aufklärungsgespräch vom 28.10.2010, kein Schutzvlies mit einer BAM-Zulassung angeboten.

58

Auch aus dem von der Antragstellerin ihrem Angebot beigefügten Datenblatt des Herstellers xxxxxx ergibt sich nicht, dass das von der Antragstellerin angebotene Schutzvlies über eine BAM-Zulassung verfügt. In der Produktbeschreibung heißt es vielmehr lediglich:

"(Rohstoff wie Typ B 1200 "0" mit BAM-Zulassung)".

59

Das von der Antragstellerin ausdrücklich als Schutzvlies angebotene Vlies verfügt daher nicht über die von der Auftraggeberin geforderte BAM-Zulassung als Schutzvlies. Es handelt sich vielmehr um ein Trenn- und Filtervlies. Die Antragstellerin ist mit ihrem Angebot somit in den verfahrensgegenständlichen Positionen von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abgewichen.

60

Die Antragstellerin kann sich angesichts des oben erörterten eindeutigen Wortlauts der Vorgaben in der Vergabebekanntmachung, der Aufforderung zur Angebotsabgabe und im Leistungsverzeichnis auch nicht darauf berufen, dass die Leistungsbeschreibung nicht den Vorgaben des § 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A entspricht. Danach ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Vorliegend wurden die Bieter, wie dargelegt, gleich mehrfach darauf hingewiesen, dass die optional anzubietenden Schutzvliese über eine BAM-Zulassung verfügen müssen und das die Bieter die Erfüllung dieser Vorgabe mit Angebotsabgabe nachweisen müssen. Über die Anforderungen im Leistungsverzeichnis hinaus ergab sich für die Bieter auch aus der Anlage 5 zur Baubeschreibung (Verdingungsunterlagen, Ordner 2, Bl. 1079 ff.) eindeutig, welche Anforderungen an das anzubietende Schutzvlies gestellt werden. Unter der dortigen lfd. Nr. 6 sind detaillierte Ausführungen zu den Anforderungen an "geotextile Komponenten" (Schutzlagen und Trennvlies) enthalten. Dort wird ausdrücklich zwischen "geotextilen Schutzlagen" (6.1.1) und "geotextiles Trennvlies" (6.1.2) unterschieden. Unter 6.1.3 "Eignungsnachweis" heißt es:

"Durch Prüfzeugnisse anerkannter Prüfanstalten ist im Einzelnen zu belegen, dass die gestellten Anforderungen erfüllt sind. Als Nachweis der materialspezifischen Eignung für die geotextile Schutzlage ist der Zulassungsschein der BAM, Berlin, mit Angabe der Zulassungsnummer vorzulegen. Ein Exemplar des Zulassungsscheins muss auf der Baustelle vorliegen. In dem Zulassungsschein sind alle wesentlichen Werkstoff- und Verarbeitungseigenschaften beschrieben."

61

Angesichts dieser mehrfachen, ausführlichen und sich nicht widersprechenden Ausführungen in den Vergabeunterlagen durfte aus der Perspektive eines fachkundigen Bieterunternehmens kein Zweifel daran aufkommen, dass der Auftraggeber nur Schutzvliese akzeptierte, die über eine BAM-Zulassung verfügen.

62

Spätestens aber aufgrund der mit E-Mail vom 02.09.2010 versandten Bieterinformation 2 (neu) (Bl. 465 ff. der Vergabeakte) mussten diesbezügliche Zweifel der Antragstellerin endgültig ausgeräumt sein. Auf S. 3 der Bieterinformation (Bl. 467) heißt es unter "Beantwortung allgemeiner Fragen von Bietern zur Ausschreibung" eindeutig:

"Ist die Ausführung eines nicht durch die BAM zugelassenen Schutzvlieses für die KDB zulässig?

Nein."

63

Die Auftraggeberin hat die Antragstellerin daher zu Recht wegen Abweichung von den Vorgaben der Vergabeunterlagen gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A von der Angebotswertung ausgeschlossen und Prüfung und Ergebnis der Angebote wie auch des gesamten Vergabeverfahrens in einer den Anforderungen des § 20 VOB/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert.

64

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gibt die Dokumentation in der Vergabeakte auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Auftraggeberin ihre Vergabeentscheidung nicht selbst getroffen, sondern dem beauftragten Ingenieurbüro überlassen hat. Die Antragstellerin hat diesbezüglich Verstöße gegen tragende Grundsätze des Vergaberechts gem. § 97 Abs. 1 GWB geltend gemacht und geht auf Grund der Akteneinsicht davon aus, dass die Auftraggeberin lediglich Entscheidungen der beauftragten Planungsgemeinschaft xxxxxx "abgenickt" hat. Aus der Dokumentation in der Vergabeakte ergibt sich vorliegend, dass die Planungsgemeinschaft das gesamte Vergabeverfahren begleitet und die Wertung in allen Stufen durchgeführt und dokumentiert hat. Die Entscheidungen im Vergabeverfahren wurden jedoch nicht durch die Planungsgemeinschaft, sondern durch die Auftraggeberin selbst getroffen. Die Entscheidungen der Auftraggeberin basieren lediglich auf den entsprechenden Empfehlungen der Planungsgemeinschaft in ihrem Wertungsbericht zu den eingegangenen Angeboten vom 09.11.2010 (Vergabedokumentation, Anlage 1 zu Nr. 14, Band 1, Blatt 1161 ff.). Dort wird etwa unter der lfd. Nr. 4.1.2 auf Seite 13 ff. die Prüfung des Angebotes der Antragstellerin dokumentiert. Die Prüfung schließt auf Seite 16 ff. ausdrücklich nicht mit einer Entscheidung, sondern mit der Empfehlung für eine Entscheidung. Dort heißt es:

"Vor dem Hintergrund des Ergebnisses der Aufklärung des Inhaltes von Angebot Nr. 2 empfehlen wir der Vergabestelle folgende Entscheidung: Das Angebot wird von der Wertung ausgeschlossen, weil es unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen enthält und nicht alle in den Vergabeunterlagen gestellten Bedingungen erfüllt ..."

65

Auch die Dokumentation der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes auf Seite 28 des Wertungsberichtes ist ausdrücklich mit der Empfehlung, den Zuschlag auf das Angebot von Bieter 7 (Beigeladene), zu erteilen. Die Entscheidung des Auftraggebers selbst ist in der Vergabedokumentation nach § 20 VOB/A, Band 2 unter Nr. 14 und 15 (Blatt 604, 605 der Vergabeakte) dokumentiert. Unter Nr. 14 heißt es zum Ergebnis der Prüfung und Wertung der Angebote:

"Die einzelnen Schritte der Prüfung der Angebote sind in dem beigefügten Vermerk zur Angebotsprüfung (Wertungsbericht) der Planungsgemeinschaft festgehalten (Anlage 1 zu Nr. 14, s. gesonderten Ordner).

Die Vergabestelle hat auf Basis des Wertungsberichtes und der Empfehlung der Planungsgemeinschaft sowie der Erkenntnisse im Rahmen der Aufklärung die einzelnen Angebote sorgfältig geprüft und gelangt dabei zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:

1.
Das Angebot des Bieters 2 (Antragstellerin) wird nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A und im Hinblick auf die Änderung des Angebotes im Rahmen der Aufklärung von der Angebotswertung ausgeschlossen. ...

2.
Unter den verbleibenden 6 Bietern weist das Angebot von Bieter 7 (Beigeladene) den niedrigsten Angebotspreis für die im Leistungsverzeichnis dargestellten Leistungen aus. ...

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den beigefügten Wertungsbericht Bezug genommen. Die Vergabestelle macht sich die Erwägungen, die zur Empfehlung des Ausschlusses der xxxxxx (Antragstellerin) und zur Zuschlagsempfehlung für den Bieter 7 (Beigeladene) führen, ausdrücklich zu Eigen. Es wird daher empfohlen, auf das Angebot des Bieters 7 (Beigeladene) den Zuschlag zu erteilen."

66

Der Vermerk trägt das Datum 10.11.2010 und ist von dem Mitarbeiter der Auftraggeberin, Herrn xxxxxx, unterzeichnet. Unter der lfd. Nr. 15 ist auf Blatt 605 der Vergabeakte die Vergabeentscheidung nach § 16 Abs. 6 VOB/A dokumentiert. Dort heißt es:

"Der Vergabevorschlag nach Nr. 14 wurde von mir geprüft. Ich stimme der Vergabeempfehlung aus den dort genannten Gründen zu. Der Zuschlag ist daher auf das Angebot der Firma xxxxxx (Beigeladene) vom 07.09.2010 ... zu erteilen."

67

Der ebenfalls auf den 10.11.2010 datierte Vermerk ist vom Vorstand der Auftraggeberin, Herrn xxxxxx, unterzeichnet.

68

Die Dokumentation in der Vergabeakte belegt, dass die Auftraggeberin die Entscheidungen im Vergabeverfahren zwar auf der Grundlage der Empfehlungen der beauftragten Planungsgemeinschaft, aber in eigener Verantwortung und durch eigene Mitarbeiter getroffen hat. Dabei vertritt auch die Vergabekammer mit der Antragstellerin die Auffassung, dass bereits das vergaberechtliche Transparenzgebot gem. § 97 Abs. 1 GWB gebietet, dass der Auftraggeber zumindest die wesentlichen Entscheidungen, die in § 20 VOB/A zu dokumentieren sind, nicht auf Dritte delegieren darf. Die öffentlichen Auftraggeber dürfen sich aber nach wie vor zur Vorbereitung und Durchführung des Vergabeverfahrens der Hilfe und Beratung Dritter bedienen, was die Auftraggeberin vorliegend auch durch die Beauftragung der Planungsgemeinschaft in nicht zu beanstandender Weise getan hat. Es ist nicht zu beanstanden, dass ein öffentlicher Auftraggeber nach Prüfung des Vorschlages des von ihm beauftragten Beraters dortigen Empfehlungen folgt. Für die Dokumentation der eigenverantwortlichen Entscheidung des Auftraggebers genügt es nach der Rechtsprechung, wenn die Vergabestelle bei Einschaltung eines Beraters auf die Vorschläge des Beraters zumindest einen billigenden Prüfungsvermerk mit verantwortlicher Unterschrift fertigt (vgl. OLG München, Beschluss v. 29.09.2009, Verg 12/09; OLG Frankfurt/ Main, Beschluss v. 04.06.2010, Az.: 11 Verg 4/10). Diesen Anforderungen genügt die Dokumentation in der vorliegenden Vergabeakte.

69

b)

Da der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin wegen unzulässiger Änderungen an den Vergabeunterlagen zu Recht erfolgt ist, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, ob die Auftraggeberin den Angebotsausschluss hilfsweise auch auf eine fehlende Eignung im Sinne von§ 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A oder eine unzureichende Aufklärung gemäß § 15 Abs. 2 VOB/A stützen konnte. Die Auftraggeberin hat den Angebotsausschluss in ihrem Schreiben nach § 101a GWB vom 10.11.2010 gegenüber der Antragstellerin wie auch im Nachprüfungsverfahren hilfsweise ausdrücklich auch auf diese Grundlagen gestützt. Dabei ist vorliegend zunächst festzustellen, dass die Auftraggeberin ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte die Prüfung der Eignung der Antragstellerin auf der zweiten Wertungsstufe zunächst mit positivem Ergebnis abgeschlossen hat. Die beauftragte Planungsgemeinschaft hat sich in ihrem der Entscheidung der Auftraggeberin zugrunde liegenden Wertungsbericht zu den eingegangen Angeboten vom 09.11.2010 (Vergabedokumentation, Anlage 1 zu Nr. 14, Bd. 1, Bl. 1161 ff.) unter der lfd. Nr. 3.2 (Bl. 1171 ff.) ausführlich mit der Eignung der Antragstellerin auseinandergesetzt und dabei insbesondere auch die geforderten Referenzen der Antragstellerin geprüft. Die Prüfung schließt mit folgender Ausführung:

"Nach Durchsicht der Unterlagen wurde nach Abschluss der zweiten Wertungsstufe festgestellt, dass der Bieter aller Voraussicht nach in Bezug auf die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit in der Lage ist, die ausgeschriebenen Arbeiten auszuführen. Nach Rücksprache und der Entscheidung durch die Vergabestelle wird daher das Angebot Nr. 2 gewertet."

70

Erst im Rahmen der dritten Wertungsstufe hat die Planungsgemeinschaft ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte (S. 13 ff. des Wertungsberichts, Bl. 1176 ff. der Vergabeakte) Zweifel an der Eignung der Antragstellerin geäußert und begründet. Auf S. 16 des Wertungsberichts heißt es:

"Vor dem Hintergrund des Ergebnisses der Aufklärung des Inhalts von Angebot Nr. 2 empfehlen wir der Vergabestelle folgende Entscheidung:

Das Angebot wird von der Wertung ausgeschlossen, weil es unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen enthält und nicht alle in den Vergabeunterlagen gestellten Bedingungen erfüllt. Die widersprüchlichen und fachlich teils unrichtigen Angaben des Bieters im Aufklärungsgespräch vom 28.10.2010 lassen darüber hinaus befürchten, dass der Bieter nicht über die erforderliche Eignung im Sinne von § 16 Abs. 2 VOB/A verfügt. Im Weiteren sind einige Fragen im Sinne von § 15 Abs. 2 VOB/A nicht beantwortet worden. ... Vorsorglich sollte der Ausschluss daher ergänzend auf die mangelnde Eignung des Bieters sowie die fehlende Vorlage geforderter Unterlagen gestützt werden. Die mangelnde Eignung des Bieters hat sich erst durch das Ergebnis der Aufklärung herausgestellt, sie kann daher auch nach Abschluss der eigentlichen Eignungsprüfung anhand der vorgelegten Nachweise festgestellt werden. Die mangelnde Eignung ergibt sich insbesondere aus den o. a. Bedenken zu den vom Bieter vorgesehenen Einsatzstoffen und den widersprüchlichen Angaben zur Leistungserbringung bei der Errichtung der Entwässerungsschicht.

Der vorsorgliche Ausschluss rechtfertigt sich nach unserer Einschätzung ferner aus der nicht fristgerechten Vorlage der mit Schreiben vom 22.10.2010 im Auftrag der Vergabestelle geforderten Angaben."

71

Nach Auffassung der Vergabekammer folgt aus der Bewertung, dass die Antragstellerin mit ihrem Angebot wegen Abweichung von den Vorgaben der Vergabeunterlagen im Ergebnis zu Recht ausgeschlossen wurde, nicht automatisch auch, dass die Auftraggeberin darüber hinaus berechtigt war, der Antragstellerin im Nachhinein auch die Eignung für den ausgeschriebenen Auftrag oder vergleichbare Aufträge abzusprechen. Die Auftraggeberin hat immerhin auf der Wertungsstufe 2 die Eignung auf der Grundlage der von den Bietern geforderten Eignungsnachweise positiv festgestellt. Zwar darf der öffentliche Auftraggeber Fehleinschätzungen bezüglich der Eignung, wenn sie erst aufgrund neuer Tatsachen bekannt werden, auch nachträglich noch korrigieren (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.05.2003, Az.: Verg 16/03; Frister in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 3. Auflage, § 16 VOB/A, Rdnr. 74). Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber bei der Eignungsprüfung grundsätzlich an die aufgestellten und bekannt gemachten Kriterien sowie deren Gewichtung gebunden ist. Es ist vergaberechtswidrig, wenn der Auftraggeber im Nachhinein nicht bekannt gemachte Eignungskriterien heranzieht (vgl. Frister, a.a.O., § 16 VOB/A, Rdnr. 64). Die Auftraggeberin stützt ihre nachträglichen Zweifel an der Eignung der Antragstellerin in erster Linie auf das mit der Antragstellerin geführt Aufklärungsgespräch vom 28.10.2010. Erst in diesem Aufklärungsgespräch sei für die Auftraggeberin ansatzweise nachvollziehbar gewesen, in welcher Art und Weise die Antragstellerin meint, ein Oberflächenabdichtungssystem errichten zu können. Ferner sei auch erst in diesem Gespräch deutlich geworden, dass die Antragstellerin ein Trennvlies als Schutzvlies einsetzen wolle. Beide Gesichtspunkte berühren nach Auffassung der Auftraggeberin evident die technische Leistungsfähigkeit und Fachkunde der Antragstellerin. Die Angaben der Antragstellerin im Aufklärungsgespräch zum vorgesehen Einsatz von MVA-Schlacke für die Gasdrän- und Ausgleichsschicht hätten dabei verdeutlicht, dass die Antragstellerin offenkundig nicht über die notwendigen Erfahrungen bei der Errichtung von Gasdrän- und Ausgleichsschichten im Zusammenhang mit der Stilllegung von Deponien verfügt. Insbesondere enthielten MVA-Schlacken erfahrungsgemäß scharfkantiges Grobkorn, das Kunststoffdichtungsbahnen schädigen könne.

72

Abgesehen davon, dass die Antragstellerin den Inhalt des Protokolls vom 29.10.2010 über das Aufklärungsgespräch vom 28.10.2010 mit Gegenzeichnung vom 03.11.2010 zunächst zwar ausdrücklich anerkannt, in der Folge dann aber mit Telefax vom gleichen Tage die Bestätigung zurückgezogen hat, genügen Fehler im Angebot, im Vergabeverfahren und im Nachprüfungsverfahren zu Tage tretende unterschiedliche Auffassungen zu den Anforderungen der Vergabeunterlagen nicht für eine nachträgliche Aberkennung der vom Auftraggeber bereits ausführlich geprüften und positiv festgestellten Eignung eines Bieters.

73

Anders verhält es sich vorliegend mit dem von der Auftraggeberin ebenfalls hilfsweise ausgesprochenen Angebotsausschlusses wegen unzureichender Aufklärung im Sinne von § 15 Abs. 2 2. Alternative VOB/A. Danach kann das Angebot eines Bieters unberücksichtigt bleiben, wenn er die geforderten Aufklärungen und Angaben verweigert oder die ihm gesetzte angemessene Frist unbeantwortet verstreichen lässt. Die Auftraggeberin hat ihre Absagemitteilung gemäß § 101a GWB vom 10.11.2010 gegenüber der Antragstellerin u.a. auch damit begründet, dass die von der Vergabestelle mit der Begleitung des Vergabeverfahrens beauftragte Planungsgemeinschaft die Antragstellerin mit Schreiben vom 22.10.2010 im Vorfeld des Aufklärungsgespräches aufgefordert habe, einen diesem Schreiben beigefügten Fragenkatalog binnen 6 Kalendertagen, spätestens im Rahmen des Aufklärungsgesprächs am 28.10.2010 zu beantworten. Im Rahmen des Aufklärungsgesprächs seien die aufgeworfenen Fragen nicht vollständig beantwortet worden. Insbesondere zu den Positionen 01.03.06.0010/0050 seien keine näheren Angaben zu den Eigenschaften des Materials für den Unterboden und den Oberboden der Rekultivierungsschicht übermittelt worden. Ob die Hauptmasse der vorgesehenen Böden überhaupt zum Einbau in die Rekultivierungsschicht geeignet sind, sei völlig unklar, da keine Daten oder Einbauerfahrungen aus ähnlichen Anwendungen vorgelegt worden seien. Die Antragstellerin habe zudem nicht benennen können, welches Prüfinstitut sie im Auftragsfall mit der Bestimmung der maßgeblichen Kennwerte Luftkapazität und nutzbare Feldkapazität im Zuge der Eigenprüfung der Rekultivierungsböden zu beauftragen gedenke. Auf dieser Grundlage könne nicht geprüft werden, ob die von der Antragstellerin angesetzten Kalkulationspreise auskömmlich sind. Die von der Antragstellerin mit Schreiben vom 03.11.2010 teilweise nachgereichten Unterlagen seien im Hinblick auf die von der Vergabestelle zu gewährleistende Gleichbehandlung aller Bieter nicht berücksichtigt worden. Selbst wenn man diese Angaben einstellen wolle, wären nicht alle Fragen beantwortet worden.

74

Die Antragstellerin ist auch dieser Darstellung und Begründung entgegengetreten. Durch das Schreiben der Antragstellerin vom 03.11.2010, mit der sie die Bestätigung des Protokolls über das Aufklärungsgespräch vom 28.10.2010 mit der Bitte um Korrektur und Ergänzung zurückgezogen hat, ist aber zumindest belegt, dass die Antragstellerin die Fragen der Planungsgemeinschaft zum Personaleinsatz gemäß Fragenkatalog vom 22.10.2010 nicht fristgerecht bis zum 28.10.2010 vollständig beantwortet hat. Dort hatte die Planungsgemeinschaft u.a. gefragt: "Wer führt die Eigenprüfung für Transport, Lagerung und Einbau der polymeren Baustoffe aus?" Im Protokoll über das Aufklärungsgespräch hatte die Planungsgemeinschaft vermerkt, dass die Eigenprüfung durch den Nachunternehmer xxxxxx ausgeführt wird. Die Antragstellerin hat diesbezüglich erst mit Telefax vom 03.11.2010 eine Stellungnahme ihres vorgesehenen Nachunternehmers xxxxxx vorgelegt, mit der auch eine weitere Frage des Fragenkatalogs zum Personaleinsatz beantwortet wurde. Die Planungsgemeinschaft hatte gefragt: "Wie oft und wie lange pro Tag und pro Woche ist die Eigenprüfung für Transport, Lagerung und Einbau der polymeren Baustoffe vor Ort und über welche Qualifikation und Erfahrung verfügt sie? Wer führt die zugehörigen Laborversuche aus?" Der Nachunternehmer der Antragstellerin xxxxxx hat die Frage wie folgt beantwortet:

"Bei Abtransport der polymeren Baustoffe werden die Lieferscheine mit den dazu gehörigen QS-Nachweisen des Herstellers geprüft und mit dem angelieferten Material abgeglichen. Das angelieferte Material wird auf Transportbeschädigungen visuell in Augenschein genommen. Der Einbau der polymeren Bauteile erfolgt durch Fachverleger, die ständig auf die Qualitätsanforderungen der BAM achten und ggf. schadhaftes Material vom Einbau ausschließen. ... Des weiteren stehen drei Fachleute für Kunststoffschweißen (siehe Urkunden) zur Verfügung. Baustellenprüfungen von z.B. KDB-Nähten erfolgt durch den Obermonteur mit gültigem Schweißerschein nach DVS und mit BAM-zertifizierten Prüfeinheiten.

Erforderliche Laborversuche werden bei uns im Hause durch das betriebseigene QS-Labor oder durch ein akkreditiertes Überwachungsbüro wie z.B. Ing.-Büro xxxxxx durchgeführt. Sämtliche Eigenüberwachungen werden somit ständig vor und während des Einbaus und nach Freigabe durch den Fremdprüfer überwacht."

75

Die Beantwortung dieser Frage erfolgte erst mit Schreiben der Antragstellerin vom 03.11.2010 und damit nach Ablauf des von der Planungsgemeinschaft mit Schreiben vom 22.10.2010 gesetzten Frist 28.10.2010. Die Auftraggeberin ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin zumindest nicht alle Fragen im Rahmen der Angebotsaufklärung innerhalb der gesetzten Frist im Sinne des§ 15 Abs. 2 VOB/A beantwortet hat. Sie konnte daher im Rahmen des ihr durch § 15 Abs. 2 VOB/A eingeräumten Ermessens das Angebot der Antragstellerin auch deshalb unberücksichtigt lassen.

76

Der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin ist daher vorliegend nicht zu beanstanden. Der Nachprüfungsantrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.

77

III.

Kosten

78

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 EUR, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.

79

Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

80

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt xxxxxx EUR (brutto). Dieser Wert entspricht dem in der Vergabeakte (Bl. 1194) dokumentierten, geprüften Angebotspreis der Antragstellerin unter Berücksichtigung des von ihr angebotenen Nachlasses und damit ihrem Interesse am Auftrag.

81

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.

82

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten für Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

83

Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.

84

Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Auftraggeberin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Auftraggeberin im konkreten Verfahren erforderlich war.

85

Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte die Auftraggeberin für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

86

Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zugunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren übertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

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Kosten der Beigeladenen:

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Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zugunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird:

"Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend."

89

Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden".

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Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).

91

Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten einer in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.

92

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxxEUR unter Angabe des Kassenzeichens

93

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

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xxxxxx.

IV.

Rechtsbehelf

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Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden.

96

...

Gause
Schulte
Weyer