Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 19.11.2010, Az.: VgK-55/2010
Präklusion der Rüge eines Mindeststundenverrechnungssatzes eines Angebotes i.R.e. Verfahrens zur Vergabe von Unterhaltsreinigungen einer Schule und einer Sporthalle; Rechtzeitige Rüge einer fehlerhaften Wertung der Einpreisung der Vorarbeiterkosten unter Darlegung eines konkreten Abänderungsbedarfs oder eines inhaltlichen Widerspruchs der Vergabeunterlagen; Prüfung der Angemessenheit der Preise unter Erbittung der Aufklärung von Bietern und Feststellung eines ungewöhnlich niedrigen Preises als Missverhältnis zwischen Preis und Leistung; Anwesenheitspflicht eines Vorarbeiters unter dem Zugeständins einer eingeschränkten Anwesenheitspflicht einer Aufsichtsperson bei kleineren Objekten als konforme, zusätzliche Vergabeverdingung
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 19.11.2010
- Aktenzeichen
- VgK-55/2010
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 30541
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 107 Abs. 3 GWB
- § 113 Abs. 2 GWB
- § 16 Abs. 2 VOL/A-EG
- § 19 Abs. 6 VOL/A-EG
- § 24 Abs. 2c VOL/A-EG
Verfahrensgegenstand
Unterhaltsreinigung
In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden RD Gaus,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dipl.-Ing. Ruff,
auf die mündliche Verhandlung vom 15.11.2010
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
- 3.
Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.
Begründung
I.
Mit europaweiter Bekanntmachung vom xxxxxx.2010 schrieb der Landkreis xxxxxx als Auftraggeber das Verfahren zur Vergabe der Unterhaltsreinigung der xxxxxx-Schule und Sporthalle in xxxxxx als Offenes Verfahren aus. Eine Aufteilung in Lose ist nicht vorgesehen. Die Unterhaltsreinigung ist durchzuführen auf ca. 19 000 m2 Grundfläche, wöchentlich sind ca. 49 000 m2 zu reinigen. In der Bekanntmachung wird eine Probezeit von 6 Monaten angekündigt. Das wirtschaftlich günstigste Angebot soll nach den Kriterien "Jahrespreis" mit einem Gewichtungsanteil von 70 und " Leistungswert" mit einem Gewichtungsanteil 30 ermittelt werden. Angebote waren einzureichen bis zum 12.08.2010.
In der Aufforderung zur Angebotsabgabe wird als Leistungsbeginn der 25.10.2010 angegeben. Zu Vertragsbeginn und Vertragsdauer enthalten die Vergabeunterlagen in den Besonderen Vertragsbedingungen folgende Regelungen:
"§ 4 Vertragsbeginn: Mit der Erteilung des Zuschlages ist der Vertrag zu den Ausschreibungsbedingungen einschl. aller Unterlagen zustande gekommen.
§ 6 Vertragsdauer:
1) Der Vertrag wird für die Zeit von 6 Monaten (Probezeit) abgeschlossen. Das Vertragsverhältnis beginnt mit dem bei der Zuschlagserteilung bekannt gegebenen Tag der Arbeitsaufnahme.
2) Wird das Vertragsverhältnis nicht spätestens einen Monat vor Ablauf der Probezeit gekündigt, so läuft es stillschweigend auf unbestimmte Zeit weiter. Nach Ablauf der Probezeit kann mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende gekündigt werden."
Die Formblätter "Ausschreibung Unterhaltsreinigung" enthalten Tabellen mit den Flächenzusammenstellungen für Schulgebäude, Schweißverband, Geschäftszimmerbereich und Sporthalle xxxxxx. In diesen Tabellen sind die Größen der Flächen und deren Reinigungshäufigkeit, die Gesamtreinigungsflächen, die wöchentlichen Reinigungsflächen, die durchschnittlichen tägl. Reinigungsflächen und die Reinigungstage/Jahr vom Auftraggeber vorgegeben. Vom Bieter abgefragt werden jeweils die Anzahl der Reinigungskräfte, die Arbeitsstunden insgesamt je Kraft/Tag, die Reinigungstage/Jahr und der Preis je Normalstunde. Mittels entsprechender Formeln hatten die Bieter nach den Vorgaben und ihren Angaben einen Jahrespreis (netto) und einen Leistungswert zu errechnen.
In den Vergabeunterlagen wird mehrfach auf die Geltung des Entsendegesetzes/die tariflichen Bestimmungen hingewiesen. Mit § 15 Abs. 2 lit. c der Besonderen Vertragsbedingungen wird der Auftragnehmer ausdrücklich verpflichtet, die eingesetzten festangestellten Mitarbeiter mindestens nach den geltenden tariflichen Bestimmungen zu entlohnen. Unter Nr. 2 der Bewerbungsbedingungen wird festgelegt:
"Das Angebot hat unter anderem Angaben zu enthalten über:
...
b) den dem Angebot zugrunde liegenden Tarifvertrag mit Ecklohn und Ortsklasse, den Anteil der Lohn- und Lohnfolgekosten am Gesamtpreis, der während der gesamten Vertragsdauer unveränderlicher Vertragsbestandteil bleibt,
c) für das Schulgebäude und die Sporthalle sind jeweils die Vordrucke für die Stundenverrechnungssätze beizufügen.
Der Stundenverrechnungssatz, den die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) zur Zeit des Tariflohns von 8,15 EUR mit min. 14 EUR definiert hatte, ergibt nach der Tariferhöhung ab 01.01.2010 auf 8,40 EUR nunmehr einen Wert von 14,40 EUR. Eine Unterschreitung dieses Satzes ist nicht zulässig und führt zum Ausschluss von der Teilnahme am Vergabeverfahren.
Alle Angebotspreise sind als Festpreise ohne Mehrwertsteuer anzugeben."
Ihre in die Formblätter "Ausschreibung Unterhaltsreinigung" als "Preise je Normalstunde" eingesetzten Stundenverrechnungssätze hatten die Bieter in den Formblättern "Stundenverrechnungssatz für die Unterhaltsreinigung" aufzuschlüsseln nach Fertigungslöhnen, lohngebundenen Kosten, sonstigen auftragsbezogenen Kosten, hierunter Löhne für Aufsichten/ Vorarbeiter inkl. sozialer Folgekosten, unternehmensbezogenen Kosten, und Wagnis-/Gewinnaufschlag auf die Selbstkosten.
Mit § 15 Abs. 1 der Besonderen Vertragsbedingungen wird der Auftragnehmer u.a. verpflichtet, das für eine ordnungsgemäße Kontrolle erforderliche Aufsichtspersonal zu stellen.
Ergänzend hierzu ist in § 19 der Besonderen Vertragsbedingungen geregelt:
"Abs. 1: .... Für die Aufsicht vor Ort sind verantwortliche und weisungsberechtigte Aufsichtspersonen in ausreichender Anzahl einzusetzen, ...."
In den Zusätzlichen Vertragsbedingungen wird unter Nr. 2 Aufsichten/Objektleistungen verlangt, dass "eine Vorarbeiterin/ein Vorarbeite r während der Reinigungszeiten anwesend ist".
Unter Nr. 3 der Bewerbungsbedingungen wurden die Bieter aufgefordert, dem Auftraggeber Unklarheiten, welche die Preisermittlung beeinflussen können, schriftlich mitzuteilen.
Nach Maßgabe der Vergabeakte haben in der Angebotsphase zwei Bieter auf Unstimmigkeiten/Unklarheiten im des Angebotsblankett für das Schulgebäude und in den Zusätzlichen Vertragsbedingungen hingewiesen, was zur Korrektur dieser Unterlagen führte. Die Antragstellerin hat keine Fragen gestellt, nicht auf Unstimmigkeiten/Unklarheiten hingewiesen und auch nicht gerügt.
Gemäß der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung gingen fristgerecht 32 Angebote ein, hierunter das Angebot der Antragstellerin. In ihrem Angebotsanschreiben hatte sie den Auftraggeber unter Bezugnahme auf die Vorgaben der Ausschreibung darauf hingewiesen, dass für den garantierten Vertragszeitraum vom 25.10.2010 bis zum 24.04.2011 ein Festpreis anzubieten war, bei dem jeweils anteilig die für Lohngruppe 1 bis zum 31.12.2010 und ab dem 01.01.2011 geltenden tariflichen Mindestlöhne von 8,40 EUR/Stunde bzw. 8,55 EUR/Stunde einzukalkulieren waren. Dem entsprechend sei auch der unter Nr. 2 c) der Bewerbungsbedingungen vorgegebene Mindeststundenverrechnungssatz von 14,40 EUR anzupassen auf 14,55 EUR. Sie erwarte, dass Angebote, bei deren Kalkulation der ab dem 01.01.2011 geltende Mindestlohn von 8,55 EUR/Stunde vernachlässigt worden ist und deren Stundenverrechnungssätze niedriger sind als 14,55 EUR/Stunde, aus der weiteren Wertung ausgeschlossen werden. Bei seiner Wertung müsse der Auftraggeber auch prüfen, ob die von ihm geforderte Anwesenheit von Aufsicht führenden Vorarbeitern entsprechend im Stundenverrechnungssatz eingepreist sei. Angebote, bei denen diese Kosten nicht plausibel eingepreist seien, seien ebenfalls von der Wertung auszuschließen. Die Antragstellerin bat schließlich darum, sie mit der Bieterinformation gemäß § 101a GWB darüber zu informieren, ob die Angebote entsprechend geprüft worden sind.
Der Auftraggeber hat seine Angebotswertung im Formblatt "Prüfung und Wertung der Angebote gemäß § 19 EG VOL/A" und der beigefügten "Dokumentation § 24 EG VOL/A - Unterhaltsreinigung an Schulen" dokumentiert. Hiernach wurden vier Angebote wegen Unvollständigkeit ausgeschlossen. Zur Prüfung des Preis-Leistungsverhältnisses wurde vermerkt, dass keine Auffälligkeiten und keine Ausschlussgründe festgestellt worden sind. Die Wertung der Angebote wurde in einer als Anlage beigefügten Bewertungsmatrix dokumentiert. Sie enthält für jedes Angebot die für Schulgebäude, Schweißverband, Geschäftszimmerbereich und Sporthalle von den Bietern ermittelten Jahrespreise, den hieraus gebildeten wertungsrelevanten Nettopreis gesamt und die hierfür vergebene Wertungspunktzahl. Es folgen die angebotenen Leistungswerte für Schulgebäude und Sporthalle und die jeweils hierfür vergebenen Punktzahlen. Die Spalte "Ergebnis" enthält für jedes Angebot die rangbestimmende Summe der für den Preis und die Leistungswerte vergebenen Punkte. Das Angebot der Antragstellerin liegt mit 70,79 Punkten auf Rang 10, das Angebot der Beigeladenen mit 77,02 Punkten auf Rang 1. Unter Nr. 10 der Dokumentation ist vermerkt, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden soll.
Mit Informationsschreiben gemäß § 101a GWB vom 09.09.2010 informierte der Auftraggeber die Bieter über das Ergebnis der Ausschreibung und den für den 20.09.2010 beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen. Der Antragstellerin teilte sie mit, ihr Angebot sei in preislicher und leistungsbedingter Hinsicht nicht das wirtschaftlichste gewesen. In einem besonderen Schreiben vom gleichen Tage teilte sie der Antragstellerin unter Bezugnahme auf ihr Angebotsanschreiben mit:
"Gem. Ziff. 2 der Bewerbungsbedingungen wird Bezug auf den gültigen Tarifvertrag genommen, was selbstverständlich nicht bedeutet, dass sich im Laufe der Vertragsdauer ergebende Änderungen des Lohntarifvertrages keine Berücksichtigung finden. Vielmehr sagt die unter 2 b abgedruckte Formulierung aus, dass der Tarifvertrag während der gesamten Vertragsdauer unveränderlicher Vertragsbestandteil bleibt. Es gab daher für sie keine Veranlassung, aus dem in den letzten Monaten des Jahres 2010 und den ersten Monaten des Jahres 2011 geltenden Stundenlohn einen "Mischlohn" zu errechnen und mit diesem zu kalkulieren.
Einzuhalten war somit der Stundenverrechnungssatz von 14,40 EUR bzw. 14,65 EUR ab Januar 2011.
Zur Frage der Anwesenheitspflicht einer Vorarbeiterin/eines Vorarbeiters habe ich mich in § 19 der Besonderen Vertragsbedingungen eindeutig geäußert. Wie Sie das kalkulatorisch umsetzen, war nicht vorgegeben.
Im Übrigen ist in Ziffer 3 der Bewerbungsbedingungen ausdrücklich festgelegt, dass der Bieter den Auftraggeber bei Unklarheiten, die die Preisermittlung beeinflussen können, vor Angebotsabgabe darauf hinzuweisen hat. Diese Möglichkeit haben Sie nicht genutzt."
Mit Schreiben vom 10.09.2010, ergänzt durch Schreiben vom 13.09.2010, rügte die Antragstellerin unter Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung die vorgenommene Wertung als vergaberechtswidrig, da der Auftraggeber die von ihm gestellten Mindestanforderungen bezüglich Tariflohn und Einpreisung der Vorarbeiterkosten nicht berücksichtigt habe. Durch den hierdurch entstandenen Wettbewerbsnachteil werde sie in ihren Bieterrechten verletzt. Da es für die Antragstellerin bei der Angebotserstellung keine Unklarheiten gegeben habe, könne der Auftraggeber ihren Vortrag im Angebotsanschreiben auch nicht unter Hinweis auf Ziffer 3 der Bewerbungsbedingungen als präkludiert zurückweisen.
Mit Schreiben vom 14.09.2010 wies der Auftraggeber die Rüge der Antragstellerin zurück.
Hierzu trug er vor, die von der Antragstellerin zitierten Entscheidungen bezögen sich auf Vergabeverfahren, bei denen Festpreise für bestimmte Leistungszeiträume erfragt wurden. Im vorliegenden Fall habe man dagegen einen zeitlich unbefristeten Vertrag mit 6-monatiger Probezeit ausgeschrieben. Abgefragt habe man zwar einen Festpreis, lt. Nr. 2 b der Bewerbungsbedingungen aber "unter Berücksichtigung des dem Angebot zugrunde liegenden Tarifvertrages". Damit werde eine Unterschreitung des Mindestlohnes ausgeschlossen, wohingegen eine Kalkulation mit dem von der Antragstellerin aus den beiden Mindestlöhnen anteilig gebildeten Mittelwert ab Januar 2011 zu einer Unterschreitung des dann geltenden Mindestlohnes führen wird. Die von ihr vorgenommene Einpreisung der Vorarbeiterkosten sei sicherlich korrekt, sie unterliege aber ausschließlich ihrem unternehmerischen Risiko.
Unter Hinweis auf ihre Rügen beantragte die Antragstellerin mit per Fax übersandtem Schreiben am 17.09.2010 ein Nachprüfungsverfahren. Hierzu trägt sie vor, die von der Auftraggeberin vorgenommene Wertung sei vergaberechtswidrig und verletze sie in ihren Bieterrechten. Der Auftraggeber habe offensichtlich Angebote in die Wertung einbezogen, welche nach den Vorgaben der Ausschreibung hätten ausgeschlossen werden müssen.
Als Vertragsbeginn sei der 25.10.2010 angekündigt worden. Garantiert wurde eine Vertragslaufzeit von 6 Monaten bis zum 24.04.2011. Bei der Kalkulation waren folglich die für diesen Zeitraum geltenden Mindestlöhne zu berücksichtigen. Nach dem in den Bewerbungsbedingungen unter Nr. 2 c vorgegebenen Mindestaufschlag von 71,4% sei unter Berücksichtigung des ab dem 01.01.2011 geltenden Mindestlohnes von 8,55 EUR/h der vom Auftraggeber vorgegebene Mindeststundenverrechnungssatz von 14,40 EUR anzupassen auf 14,55 EUR.
Nach der Ausschreibungssystematik des Auftraggebers sei die Kalkulation eines Jahrespreises gefordert, bei der die während des garantierten 6-monatigen Vertragszeitraumes geltenden tariflich vereinbarten Regelungen zu berücksichtigen waren. Eine alternative Angebotserstellung sei ohne Verletzung der Gesetzeslage und der Verdingungsunterlagen gar nicht möglich. Nach den Vorgaben der Ausschreibung müsse der Auftragnehmer ab dem 01.01.2011 bis mindestens zum 24.04.2011 den in diesem Zeitraum geltenden Mindestlohn von 8,55 EUR zahlen. Hieraus folge, dass für den zugesicherten Vertragszeitraum mit einem Stundenlohn von mindestens 8,49 EUR zu kalkulieren ist, was sie getan habe. Der Ansatz eines Stundenlohnes von 8,49 EUR stelle den kalkulatorisch gemittelten Preisansatz für den garantierten Vertragszeitraum dar, nicht eine auf alle Monate durchgängig zu zahlende Lohngröße.
Für die Vergütung der Leistungen nach Ablauf der Probezeit könne der Auftragnehmer in Verhandlungen zur Preisanpassung treten oder das Vertragsverhältnis durch Kündigung beenden.
Wurde ein Angebot nur mit einem Tariflohn von 8,40 EUR/h bzw. einem Stundenverrechnungssatz von 14,40 EUR/h kalkuliert, sei nicht ausschreibungskonform angeboten worden. Nach dem Vortrag des Auftraggebers müsse sie davon ausgehen, dass dies bei allen 28 in der Wertung verbliebenen Angeboten der Fall sei. Diese seien auszuschließen, weil die tariflich notwendige Lohnzahlung ab dem 01.01.2011 nicht eingepreist worden ist.
Der Auftraggeber habe zudem unstreitig gefordert, dass eine Vorarbeiterin/ein Vorarbeiter während der Reinigungszeit anwesend ist. Die Kosten für diesen Vorarbeitereinsatz entstünden folglich in jedem Fall für die gesamte kalkulierte Reinigungszeit und zwar unabhängig davon, ob der Vorarbeiter nur unproduktive Aufsicht ausübt oder auch produktiv tätig ist, denn er erhalte für beides denselben Lohn. Lediglich der freigestellte Zeitanteil müsse durch den Einsatz anderer Reinigungskräfte ausgeglichen werden, wenn man zu gleichen Leistungsmaßen tätig werden wolle. Hierdurch werde zwar das Angebot teurer, der Kostenwert Vorarbeiter verändere sich aber nicht.
Die Höhe des Kostenanteils sei nicht dem unternehmerischen Risiko zuzuordnen, da sich dieser Kostenanteil zwingend aus den Vergabeunterlagen und dem Tarifrecht ergibt. Entsprechend den tariflichen Vorgaben ist für Vorarbeiter/Aufsicht der Mindestlohn für Lohngruppe 4 in den Stundenverrechnungssatz unter 3.10 einzupreisen, also 10,04 EUR/h bis zum 31.12.2010 und 10,22 EUR/h ab dem 01.01.2011. Dazu kämen lohnabhängige zusätzliche Kosten in Höhe von 2,45 EUR/h.
Nach dem Vortrag des Auftraggebers müsse sie davon ausgehen, dass auch die Vorarbeiterstunden der Beigeladenen wie auch der übrigen Wettbewerber nicht ausschreibungskonform angeboten wurden. Der Auftraggeber dürfe die tarifgerechte Einpreisung der Vorarbeiter nicht ungeprüft lassen, denn auch dieser Preisbestandteil habe einen Einfluss auf das Wettbewerbsranking.
Die mangelhafte Dokumentation im Vergabevermerk lasse darauf schließen, dass der Auftraggeber eine fehlerhafte oder gar keine Prüfung und Wertung vorgenommen habe. Es sei insbesondere nicht zu erkennen, welche Mindestbedingungen und Kriterien wie geprüft worden sind und es sei zu bezweifeln, dass überhaupt eine Prüfung der Angebotspreise stattgefunden hat. Im Rahmen einer ordnungsgemäßen Prüfung hätte der Auftraggeber nicht zu dem Ergebnis kommen können, dass Angebote, bei denen z.B. nur 0,07 EUR/h als Vorarbeiterkosten eingepreist worden sind, keine Auffälligkeiten aufweisen.
Die Antragstellerin beantragt
- 1.
festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist;
- 2.
den Antragsgegner zu verpflichten, den Zuschlag nicht zu erteilen;
- 3.
einen ggf. bereits erklärten Zuschlag für nichtig zu erklären;
- 4.
den Antragsgegner zu verpflichten, die Wertung der Angebote zu wiederholen;
- 5.
die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären;
- 6.
den Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Der Auftraggeber beantragt
- 1.
die Anträge der Antragstellerin abzulehnen;
- 2.
die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen;
- 3.
festzustellen, dass die Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zu tragen hat.
Er hält den Nachprüfungsantrag für unzulässig und darüber hinaus für unbegründet.
Die Antragstellerin habe zwar die vorgenommene Wertung unverzüglich gerügt, der Inhalt ihrer Rüge betreffe aber die Vorgaben der Vergabeunterlagen, die sie offenbar für unklar/nicht schlüssig gehalten habe. Anstelle des in diesem Fall verlangten Hinweises an den Auftraggeber habe sie diese Vorgaben selbst ausgelegt und verlange nun - zu Unrecht - dass der Wertung ihr abweichendes Verständnis der Vergabeunterlagen zugrunde gelegt wird.
Es habe kein Anlass zur Bildung eines Mischlohnes bestanden. Die Vorgaben der Ausschreibung sehen nach 6-monatiger Probezeit eine Vertragsverlängerung auf unbestimmte Zeit durch Kündigungsverzicht vor. Folglich war kein Festpreis für 6 Monate zu kalkulieren, sondern es ist ausdrücklich ein "Jahrespreis" verlangt worden. Von den Bietern auszufüllen war ein Formblatt Stundenverrechnungssatz "Stand 2010", woraus alle übrigen Bieter zutreffend geschlossen haben, dass der in 2010 geltende Mindestlohn von 8,40 EUR/h zu berücksichtigen war. Die Bezugnahme auf den "gültigen Tarifvertrag" unter Ziff. 2 b der BVB impliziere die Anwendung des im Laufe der Vertragsdauer jeweils geltenden Lohntarifvertrages, dessen Änderungen sich anhand der vorgelegten Aufschlüsselung des Stundenverrechnungssatzes auch ohne Probleme umsetzen ließen.
Zudem wäre die nach dem Verständnis der Antragstellerin erforderliche Berücksichtigung eines Mischlohnes von 8,49 EUR/h fragwürdig, weil ab 01.01.2011 nicht mehr tarifgerecht.
Bei allen gewerteten Angeboten sei der bekannt gegebene Mindeststundenverrechnungssatz von 14,40 EUR/h, der sich auf den im Jahr 2010 geltenden Mindestlohn von 8,40EUR/h bezieht, erreicht. Die Einhaltung für 2011 sei zu Recht nicht Gegenstand der Prüfung gewesen.
Bezüglich des Vorarbeitereinsatzes habe die Antragstellerin die Vorgaben der Ausschreibung missverstanden. Die aktuelle Formulierung der Vergabeunterlagen erfordere gar keine ständige Anwesenheit eines Vorarbeiters. Die für den Vorarbeitereinsatz zu kalkulierenden Kosten seien Teil des unternehmerischen Risikos. Sie ergäben sich aus den Lohntabellen und seien abhängig von der Qualität des Reinigungspersonals und der daraus resultierenden anteiligen Freistellung der Aufsichtskraft.
Die Aufschlüsselung des Stundenverrechnungssatzes sei nur in Bezug auf die Zahlung des Mindestlohnes für die Wertung relevant gewesen.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 02.11.2010 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 GWB) hinaus bis zum 22.11.2010 verlängert.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 15.11.2010 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist teilweise unzulässig, imÜbrigen unbegründet.
Ein Bieter ist aus § 107 Abs. 3 GWB als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben verpflichtet, das Vergabeverfahren kontinuierlich kritisch und konstruktiv zu begleiten. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln (VGK Lüneburg, Beschluss vom 15.01.2010 VgK LG 74/09). Ein Bieter erfüllt seine Rügepflicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB nur, wenn er die Rüge dem Auftraggeber getrennt vom Angebot bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe zur Kenntnis bringt. Eine Rüge, die dem Auftraggeber im verschlossenen Umschlag des Angebotesübersandt wird, ist immer verfristet, da der Auftraggeber gemäß § 16 Abs. 2 VOL/A-EG den Umschlag bis zum Ablauf der Angebotsfrist unter Verschluss zu halten hat.
Der Bieter ist nicht berechtigt, Vorgaben zu der Interpretation der Vertragsunterlagen zu erstellen. Wenn der Bieter die Vergabeunterlagen so interpretieren möchte, dass im Ergebnis Bewertungszahlen entstehen, die von den Vergabeunterlagen abweichen, muss er bis zum Ablauf der Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB diese Festlegung der Vergabeunterlagen rügen.
Die Dokumentationspflicht des Auftraggebers aus § 24 Abs. 2 c) VOL/A-EG beschränkt sich auf dessen Entscheidungen, mit denen ein oder mehrere Bieter aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, auf jeder Wertungsstufe für jedes Angebot darzustellen, warum es nicht ausgeschlossen wird.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig, soweit er sich gegen die fehlerhafte Vorgabe eines Mindeststundenverrechnungssatzes in Höhe von 14,40 EUR unter Ziff. 2 c der Bewerbungsbedingungen richtet.
Der Auftraggeber ist als Gebietskörperschaft desöffentlichen Rechtes gemäß § 98 Nr. 1 GWBöffentlicher Auftraggeber. Auftragsgegenstand ist ein entgeltlicher Vertrag zwischen dem öffentlichen Auftraggeber mit Unternehmen über die Beschaffung von Reinigungsdienstleistungen im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB. Das Vergabeverfahren ist mit europaweiter Bekanntmachung vom xxxxxx.2010 eingeleitet worden, so dass hier die VgV in der Fassung vom 07.06.2010 anzuwenden ist. Der hier streitbefangene Auftrag überschreitet den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Der hier maßgebliche Schwellenwert beträgt gemäß § 2 Nr. 2 der Vergabeverordnung 193.000 EUR. Die Auftraggeberin hat zwar in der Dokumentation lediglich den von ihr ermittelten Jahreswert festgehalten, es besteht aber kein Zweifel daran, dass der Gesamtauftragswert des Vertrages mit unbestimmter Laufzeit gemäß § 3 Abs. 4 Ziff. 2 VgV innerhalb von 48 Monaten diesen Schwellenwert deutlich übersteigt.
Die Antragstellerin ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Hierzu trägt sie im Nachprüfungsverfahren vor, dass der Auftraggeber zwar unter § 15 Abs. 2 c) der Besonderen Vertragsbedingungen die Anbieter verpflichtet habe, die eingesetzten festangestellten Mitarbeiter mindestens nach den geltenden tariflichen Bestimmungen zu entlohnen. In der Umsetzung dieser Verpflichtung habe er den Mindeststundenverrechnungssatz fehlerhaft festgelegt, indem er die Erhöhung des Mindestlohnes in dem für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages zum 01.01.2011 nicht berücksichtigt habe. Außerdem habe er Angebote gewertet, die die Vorgaben zum Einsatz des Vorarbeiters in der Kalkulation missachtet haben. In der Folge seien diese Angebote nicht ausschreibungskonform angeboten worden. ImÜbrigen habe der Auftraggeber die Wertung fehlerhaft durchgeführt und eine mangelhafte Dokumentation vorgelegt.
Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das den Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Auflage, § 107, Randziffer 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt. Zwar befand sie sich auf Platz 10 in der Wertung. Im Falle des von ihr geforderten Ausschlusses aller nach ihrer Ansicht nicht wertbaren Angebote hätte ihr Angebot Aussicht auf den Zuschlag. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999, Az. 1/99, S. 24; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.05.2008, Verg 19/08; BGH, Beschluss vom 26.09.2006, XZB 14/06).
Die Antragstellerin hat jedoch ihre Rügepflicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB verletzt, indem sie den unter Ziff. 2 c) der Bewerbungsbedingungen genannten Mindeststundenverrechnungssatz in Höhe von 14,40 EUR nicht vor Ablauf der Angebotsfrist gerügt hat. Sie ist daher mit diesem Einwand präkludiert.
Gemäß § 107 Abs. 3 Ziff. 3 GWB sind Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erstmals in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe zu rügen.
Das Schreiben vom 12.08.2010 enthält nach Auffassung der Kammer trotz abweichender Formulierung inhaltlich eine Rüge. Das Schreiben verweist auf bestimmte Punkte der Verdingungsunterlagen und stellt diesen Punkten eine abweichende Auffassung gegenüber. So wird dem Mindeststundenverrechnungssatz von 14,40 EUR ein Wert von 14,55 EUR gegenübergestellt, basierend auf einem anteilig gemittelten Lohn aus den Mindestlöhnen der Jahre 2010 und 2011. Die Antragstellerin verbindet das mit der Folgerung, Angebote unterhalb dieses Wertes müssten von der weiteren Wertung ausgeschlossen werden. Darin liegt materiell deutlich der Hinweis, dass diese Vorgabe in den Vergabeunterlagen als unzutreffend angesehen wird (vgl. Müller-Wrede § 107 Rz. 17). Das ist auch dann inhaltlich eine Rüge, wenn damit nicht die Vorstellung einer Abhilfe auch zugunsten der anderen Anbieter verbunden ist, sondern deren Ausschluss.
Die Rüge war gemäß § 107 Abs. 3 Ziff. 3 GWB bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe zu erheben. Das Schreiben vom 12.08.2010 ist ausweislich der Lochung im selben Umschlag abgegeben worden wie das Angebot. Gemäß § 16 Abs. 2 VOL/A-EG hat der Auftraggeber die Unversehrtheit und Vertraulichkeit der Angebote zu gewährleisten. Angebote in einem verschlossenen Umschlag sind zu kennzeichnen und bis zum Ablauf der Angebotsfrist unter Verschluss zu halten.
Daraus folgt, dass das Schreiben vom 12.08.2010 so abgegeben worden ist, dass der Auftraggeber es erst nach Ablauf der Angebotsfrist mit Angebotsöffnung am 13.08.2010 zur Kenntnis nehmen konnte. Damit ist diese Rüge verfristet, der Nachprüfungsantrag insoweit unzulässig (OLG Jena Beschluss vom 31.08.2009, A: 9 Verg 6/09).
Die am 10.09.2010 erstmals gerügte fehlerhafte Wertung hinsichtlich der Einpreisung der Vorarbeiterkosten erfolgte dagegen rechtzeitig gemäß § 107 Abs. 3 Ziffer 1 GWB. Zwar enthält auch hier das dem Angebot beigefügte Schreiben vom 12.08.2010 einen gleichartig zur Rüge des Stundenverrechnungssatzes aufgebauten Absatz zur Einpreisung der Vorarbeiterkosten. Allerdings hat die Antragstellerin in diesem Absatz anders als bei der Rüge des Mindeststundenverrechnungssatzes keinen konkreten Abänderungsbedarf oder einen inhaltlichen Widerspruch der Vergabeunterlagen dargelegt, so dass es sich nicht um eine gemäß § 107 Abs. 3 Ziff. 3 GWB - präkludierte - Rüge handelt. Vielmehr handelt es sich um eine einseitige Interpretationsvorgabe, die die Antragstellerin dem Auftraggeber auferlegen wollte.
Die Antragstellerin hat nicht in der Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB gerügt, dass die Vergabeunterlagen widersprüchlich sind. Ziffer 2 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen fordert die Anwesenheit eines Vorarbeiters (tariflicher Begriff). Abweichend fordert § 19 Abs. 2 der Besonderen Vertragsbedingungen bei kleinen Objekten nur eine eingeschränkte Anwesenheit einer Aufsichtsperson. Die Vergabekammer ist daher formal aufgrund der Präklusion gehindert, hierzu eine Entscheidung gemäß § 114 Abs. 1 GWB zu treffen.
Die Antragstellerin erfuhr daher erstmals mit Schreiben des Auftraggebers vom 09.09.2010 davon, dass dieser ihrer Interpretation nicht vorbehaltlos gefolgt ist. Ihre Rüge vom 10.09.2010 richtet sich nicht gegen Inhalte der Vergabeunterlagen, sondern ausschließlich gegen die von ihr vermutete Berücksichtigung von Angeboten, die ohne korrekte Einpreisung des Vorarbeiters erstellt worden sind. Diese Rüge richtet sich damit gegen einen Vorgang der Wertung, der erst nach Angebotsabgabe stattgefunden hat. Daher ist die Rüge unverzüglich im Sinne des§ 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB eingelegt worden.
Die von der Antragstellerin erstmalig im Nachprüfungsverfahren problematisierte Dokumentation war erst aufgrund der Akteneinsicht erkennbar.
Die Antragstellerin hat den Nachprüfungsantrag vom 17.09.2010 weniger als 15 Kalendertage nach der Nichtabhilfeentscheidung des Auftraggebers vom 14.09.2010 und damit rechtzeitig gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB eingelegt.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist im Übrigen unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene nicht in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt.
a)
Die Prüfung der Angebote auf formale Mängel gemäß § 19 Abs. 3 VOL/A-EG sowie auf Eignung gemäß § 19 Abs. 5 VOL/A-EG unter Verwendung der in der Vergabeakte dokumentierten Checkliste (Bl. 123 ff der Vergabeakte) lässt eine Rechtsverletzung der Antragstellerin nicht erkennen.
b)
Der Auftraggeber hat die Angemessenheit der Preise gemäß § 19 Abs. 6 VOL/A-EG geprüft. Es bestand keine Veranlassung, von Bietern wegen einer Unangemessenheit der Preise eine Aufklärung im Sinne des § 19 Abs. 6 VOL/A-EG zu erbitten, bzw. Angebote sogar von der Wertung auszuschließen.
Der Auftraggeber hat in den Vergabeunterlagen einen Mindeststundenverrechnungssatz von 14,40 EUR/h vorgegeben und aus den Angeboten keines ausgewählt, welches diesen unterschreitet.
Die Feststellung eines ungewöhnlich niedrigen Angebotes, erst recht die Feststellung eines offenbaren Missverhältnisses zwischen Preis und Leistung darf grundsätzlich nur aufgrund der eingehenden Angebote getroffen werden (vgl. Dicks in Kulartz/Marx/Portz/Prieß noch zu§ 25 VOL/A Rdnr. 137; Müller-Wrede noch zu§ 25 VOL/A Rz. 249). Der Marktpreis wächst aus der Summe der Angebote. Das Vergabeverfahren lebt im Wesentlichen von der Hoffnung auf überraschend günstige Angebote. Nur dann, wenn aus vergleichbaren Ausschreibungen Erfahrungswerte bei der wettbewerblichen Preisbildung bestehen, ist es möglich, ergänzend diese Erfahrungswerte heranzuziehen. (vgl. Dicks in Kulartz/Marx/Portz/Prieß § 25 VOL/A Rdnr. 137). Diese Erfahrungswerte sind dann aber auch mit erhöhter Genauigkeit nachvollziehbar zu dokumentieren. Hier hat sich der Auftraggeber in Ziffer 2 der Bewerbungsbedingungen zum Ausschluss von Angeboten mit einem Missverhältnis von Preis und Leistung auf einen von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) erarbeiteten Stundenverrechnungssatz bezogen und in diesen für 2010 zutreffend die allgemeinverbindliche Tarifentwicklung eingearbeitet. Das ist eine angemessene und bei der Vergabe von Reinigungsdienstleistungen übliche Vorgehensweise, die von der Antragstellerin auch nicht in Frage gestellt wird.
Soweit der Auftraggeber deutlich gemacht hat, dass er alle unter diesem MindeststundenverrechnungsSatz 1iegenden Angebote ohne weitere Aufklärung von der Wertung ausschließen werde, ist dies wegen Verstoß gegen § 19 Abs. 6 VOL-EG problematisch (vgl. Beschluss des OLG Celle vom 30.09.2010, AZ 13 Verg 10/10). Ein solcher Verstoß ist aber von der Vergabekammer hier nicht zu entscheiden, da die Antragstellerin dies nicht gerügt hat.
Ausweislich der Darstellung in der Bewertungsmatrix hat der Auftraggeber den Marktpreis vollumfänglich berücksichtigt. Er hat das Angebot mit dem niedrigsten Preis hervorgehoben. Anhaltspunkte für unangemessene Preise liegen nicht vor.
c)
Das Angebot der Beigeladenen war weder wegen einer objektiven Abweichung von den Vergabeunterlagen, noch wegen eines in diesem Zusammenhang entstandenen Missverhältnisses von Preis und Leistung auszuschließen.
Die Antragstellerin leitet aus § 19 der Besonderen Vertragsbedingungen und Ziffer 2 der zusätzlichen Vertragsbedingungen eine Interpretation zu der Kalkulation der Lohnkosten der Vorarbeiter ab. Ihre Interpretation des § 19 muss aber nicht auf andere Angebote übertragen werden. Die Annahme, dass jedes Angebot, welches nicht genau so kalkuliert worden ist, wie dies die Antragstellerin getan hat, von der Wertung auszuschließen sei, ist daher ebenso wenig tragfähig, wie die einseitige Interpretation des obigen Textes durch den Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren.
Es gibt einen Dissens zwischen der in Ziffer 2 der zusätzlichen Vertragsbedingungen gefordertenAnwesenheit eines Vorarbeiters und der in § 19 Abs. 2 der besonderen Vertragsbedingungen bei kleinen Objekten zugestandenen eingeschränkten Anwesenheit einer Aufsichtsperson. Abweichend sind die Begrifflichkeiten der Anwesenheit und der Aufsichtsperson. Da die Antragstellerin diese Widersprüche nicht in der Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB gerügt hat, sind sie durch Interpretation des Inhalts der Vergabeunterlagen in vergaberechtskonformer Weise aufzulösen.
aa)
Die Vergabeunterlagen enthalten keine Einschränkung der Anwesenheitspflicht.
Den Umfang der Anwesenheitspflicht leiten Antragstellerin und Auftraggeber aus Ziff. 2 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen in Verbindung mit § 19 der Besonderen Vertragsbedingungen ab.
Gemäß der Vorgabe aus Ziffer 1 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen waren Schule, Schweißverband und Geschäftszimmer nachmittags, die Turnhalle früh morgens zu reinigen. Wegen der unterschiedlich vorgegebenen Reinigungszeiten von Turnhalle einerseits und Schweißverband, Geschäftszimmer und Schulgebäude andererseits konnte der Einsatz des Vorarbeiters nicht gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 der Besonderen Vertragsbedingungen mit anderen Kleinobjekten des Auftrags zusammengefasst werden. Ob die Turnhalle als zweitgrößtes von vier Gebäuden noch als Kleinobjekt einzustufen ist, ob es sich bei den genannten Kleinobjekten nur um solche aus diesem Auftrag handeln durfte, oder ob auch Kleinobjekte aus andern Aufträgen mit solchen dieses Auftrags hätten zusammengefasst werden dürfen, braucht hier nicht entschieden zu werden, da weder die Antragstellerin, noch die Beigeladene ihre Kalkulation zur Anwesenheit in der Turnhalle auf diese Regelung zu Kleinobjekten gestützt haben.
Der Auftraggeber vertritt die Auffassung, aus einem Vergleich der früheren Ausschreibungstexte mit dem aktuellen Text ergebe sich, dass die frühere Formulierung "ständige Anwesenheit" zu "Anwesenheit" reduziert worden sei. Daher sei für den jeweiligen Anbieter in diesem Vergabeverfahren klar, dass eine zeitweise Anwesenheit genüge.
Der Text einer Vergabebekanntmachung und der darin enthaltenen Rechtsfolgewille sind unter Berücksichtigung des allgemeinen Empfängerhorizonts zu interpretieren. Dabei sind nur die Begleitumstände zu berücksichtigen, die dem durchschnittlichen Empfänger bekannt oder erkennbar waren (vgl. Ellenberger in Palandt,§ 133 Rz. 9, 15) Bei einer europaweiten Bekanntmachung gehört die Kenntnis früherer Vergabetexte nicht zu den Begleitumständen, die einem fachkundigen Bieter aus dem europaweiten Adressatenkreis als Empfänger des Vergabetextes hätten bekannt sein müssen.
Die Interpretation der Anwesenheitspflicht durch den Auftraggeber vermag nicht zu überzeugen, da sie voraussetzt, dass ein Anbieter nicht nur den aktuellen Text der Vergabebekanntmachung liest und würdigt, sondern auch vorherige Vergabebekanntmachungen zu einer historischen Exegese heranzieht.
Die Antragstellerin durfte daher zu Recht davon ausgehen, dass in der Turnhalle die ständige Anwesenheit eines im Weiteren zu definierenden Ansprechpartners (Vorarbeiter/Aufsichtsperson) für den Auftraggeber gefordert und angemessen zu bepreisen war.
bb)
Es gibt keine Veranlassung, in jedem Fall die Funktion der Aufsichtsperson mit der Vergütung als Vorarbeiter zu verbinden.
Die Kalkulation der Antragstellerin zu den Kosten eines Vorarbeiters (Ziffer 3.1 des Kalkulationsblattes) weicht im Objekt Turnhalle deutlich von anderen Angeboten ab. Die Antragstellerin hat ihre Kalkulation für die Reinigung der Turnhalle im Ergebnis überzeugend damit begründet, dass sie als tarifgebundener Arbeitgeber auch bei einem kleinen Reinigungsteam von lediglich zwei Personen dem Vorarbeiter eine höhere Einstufung nach Lohngruppe 4 des Tarifvertrags gewähren müsse. Das gelte auch, wenn nur die Lohngruppen 1 und 6 durch Verordnung vom 09.03.2010 als allgemeinverbindlich erklärt wurden.
Der Auftraggeber hat den Unterschied zwischen "Aufsichtspersonal" gemäß § 19 der Besonderen Vertragsbedingungen und "Vorarbeitern" gemäß § 2 der zusätzlichen Vertragsbedingungen nicht aufgeklärt. Es bleibt somit eine zweite interpretationsbedürftige Unklarheit in den Texten. Zur Interpretation sind die obigen Auslegungsgrundsätze zum objektiven Empfängerhorizont heranzuziehen.
Die höhere Vergütung des Vorarbeiters oder die Funktion als Aufsichtspersonal setzt inhaltlich die Existenz nachgeordneten Personals voraus. Fehlt dieses nachgeordnete Personal, bedarf es keiner Aufsicht. Die Vorgabe in den Vergabeunterlagen reduziert sich in diesem Fall darauf, dass der Auftraggeber einen festen Ansprechpartner benannt wissen wollte, der im Fall von Qualitätsmängeln eine Nachbesserung entweder veranlassen oder selbst vornehmen kann.
Die Antragstellerin durfte daher nicht davon ausgehen, dass die Vergabeunterlagen mit der geforderten Funktion eines Vorarbeiters/Aufsichtspersonals objektiv von den Anbietern zwangsläufig den Einsatz eines höher zu vergütenden Vorarbeiters verlangten.
Ein Angebot, welches für die Turnhalle nur eine Reinigungskraft vorsieht, vermag ohne Verstoß gegen § 19 der Besonderen Vertragsbedingungen auf den Einsatz eines Vorarbeiters gemäß Nr. 2 der zusätzlichen Vertragsbedingungen zu verzichten.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin besteht daher keine Verpflichtung für alle anderen Anbieter, den Text nur in ihrem Sinne zu verstehen. Andere Anbieter müssen nicht ebenso kalkulieren und folglich besteht auch keine Verpflichtung des Auftraggebers, Angebote mit einer hiervon abweichender Kalkulation im Sinne des § 19 Abs. 6 VOL/A-EG aufzuklären, geschweige denn auszuschließen.
d)
Der Auftraggeber hat seine Dokumentationspflicht gemäß § 24 Abs. 2 c) VOL/A-EG nicht verletzt. Die Dokumentationspflicht ist ein wichtiger Baustein zur Herstellung des in § 97 Abs. 1 GWB normierten Transparenz. Die Vergabestelle ist gegenüber dem auf einer bestimmten Wertungsstufe ausgeschlossenen Anbieter verpflichtet, jede ihn betreffende negative Entscheidung einschließlich der Zwischenentscheidungen zeitnah und fortlaufend so zu dokumentieren (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.03.1999, NZBau 2000, S. 44 ff. [OLG Brandenburg 03.08.1999 - 6 Verg 1/99]), dass in einem Nachprüfungsverfahren nachvollzogen werden kann, aus welchem sachlichen Grund der betreffende Anbieter ausgeschlossen worden ist. Insoweit ist die Vorschrift absolut bieterschützend (Diehl in Müller-Wrede, VOL/A § 24 EG Rz. 47 m.w.N.) Eine nachträgliche Heilung der Dokumentation im Nachprüfungsverfahren ist nicht möglich (OLG Celle, Beschluss vom 11.2.2010, 13 Verg 16/09).
Drittschutz vermittelt die Dokumentationspflicht dagegen nur ausnahmsweise durch besondere Vorschriften z.B. zum Ausschluss von Unterangeboten in einer Verdingungsordnung (BayObLG Beschluss vom 03.07.2002, Ver13/02 13/bo). Allerdings wird auch dann gefordert, dass sich der Dokumentationsmangel negativ auf die Rechtsstellung des Antragstellers ausgewirkt hat (VK Bund Beschluss vom 07.04.2009 VK 1-32/09).
Es gibt entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine Verpflichtung des Auftraggebers, für jeden einzelnen Bieter auf jeder Wertungsstufe positive Entscheidungen ausführlich zu dokumentieren. Es war daher nicht erforderlich, in Ziff. 9.3 der Vergabedokumentation die dritte Wertungsstufe, in der der Auftraggeber kein Angebot ausgeschlossen hat, aufwendig und anbieterbezogen in Textform darzustellen. Derartiges ergibt sich auch nicht aus den von der Antragstellerin zitierten Entscheidungen der Vergabekammer Sachsen (Beschluss vom 10.10.2008 1/SVK/051-08) und der Vergabekammer Lüneburg. Die Vergabekammer Sachsen hat sich zwar in einem Einzelfall ablehnend zu einer nicht begründeten Einstufung mit "i.O." oder "nicht i.O." geäußert, aber inhaltlich im Zusammenhang mit dem Ausschluss von Teilnahmeanträgen, also negativen Entscheidungen gegenüber einzelnen Anbietern.
Hier hat der Auftraggeber die Vollständigkeit der Unterlagen geprüft und vier Angebote wegen unvollständiger Preisangaben ausgeschlossen. Dies hat er in Ziffer 9.2 des Vergabevermerks dokumentiert. Er hat die Eignungsnachweise anhand einer Checkliste (Bl. 123 ff der Vergabeakte) geprüft, das Ergebnis unter 5. im Vergabevermerk festgehalten. Zweifel an der Eignung der Bieter gab es laut dieser Darstellung nicht.
Entgegen der Darstellung der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung ist es für die Bieter gemäß Ziffer 3.1 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen und § 23 Abs. 1 der Besonderen Vertragsbedingungen ohne weiteres möglich, Reinigungsmaschinen einzusetzen. Es bedurfte daher im Falle eines Maschineneinsatzes keiner Kennzeichnung als Nebenangebot. Nebenangebote waren ohnehin gemäß Ziffer 2 der Bewerbungsbedingungen nicht zugelassen. Entsprechend gab es für den Maschineneinsatz auch keine besondere Prüfpflicht des Auftraggebers, die wiederum zu dokumentieren gewesen wäre.
Die Vergabekammer ist nicht verpflichtet, ohne zugrunde liegenden konkreten Sachvortrag der Antragstellerin die Vergabeakte auf mögliche Eignungsmängel der anderen Bieter zu prüfen. Zwar erforscht die Kammer den Sachverhalt gemäß § 110 Abs. 1 GWB von Amts wegen, jedoch kann sie sich auf den Sachvortrag der Verfahrensbeteiligten beschränken. Die Amtsermittlungspflicht entbindet den jeweiligen Antragsteller nicht von einer Verfahrensförderobliegenheit gemäß § 113 Abs. 2 GWB.
Auch die Entscheidung des Auftraggebers auf der vierten Wertungsstufe anhand der Preise hat der Auftraggeber anhand einer Matrixentscheidung, die die Kriterien der Vergabeunterlagen korrekt wiedergibt, hinreichend dokumentiert und nachvollziehbar begründet. Daher scheidet eine Verletzung der Rechte der Antragstellerin aus § 97 Abs. 7 GWB aus.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 EUR, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.
Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Angebot der Antragstellerin für eine Vertragslaufzeit von 48 Monaten gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 2 VgV insgesamt xxxxxx EUR brutto. Diese Summe entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR(§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.
Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxx EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, den anteiligen Betrag von xxxxxx EUR unter Angabe des Kassenzeichens
xxxxxx
innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen:
xxxxxx
IV. Rechtsbehelf
...
Rohn
Ruff