Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 17.06.2010, Az.: VgK-28/2010

Europaweite Ausschreibung über einen Schülertransport von Schulen bzw. Schulkindergärten oder Haltestellen für zwei Schuljahre; Anwendbarkeit der Präklusionsregel des§ 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bzgl. nicht unverzüglich gerügter Verstöße im Vergabeverfahren; Annahme einer unverzüglich eingelegten Rüge bei Stellung eines Antrags bzgl. eines Nachprüfungsverfahrens erst nach positiver Kenntniserlangung; Rechtmäßigkeit einer Nichtberücksichtigung eines Bieters i.R.e. Vergabeverfahrens für einen Schülertransport aufgrund fehlender Angaben zur Gesamtfahrtdauer und Verweigerung einer diesbzgl. eingeforderten Aufklärung

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
17.06.2010
Aktenzeichen
VgK-28/2010
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 24279
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Vergabe von Beförderungsleistungen im Behindertentransport

In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
die Vorsitzende RD'in Dr. Raab,
die hauptamtliche Beisitzerin BOR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Diplom-Ökonom Brinkmann
ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Beigeladenen zu 1. die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Beigeladene zu 1. notwendig.

Begründung

1

I.

Die Auftraggeberin hatte mit Bekanntmachung vom xxxxxx.2010, veröffentlicht am xxxxxx.2010, den Schülertransport in ihrer Region zu und von verschiedenen Schulen/Schulkindergärten oder Haltestellen für zwei Schuljahre europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Ferner konnte man der Bekanntmachung entnehmen, dass eine zweimalige Verlängerungsoption um jeweils ein Schuljahr vorgesehen ist. Die Bieter wurden darauf hingewiesen, dass im Einzelfall auch die Mitnahme von Begleitpersonen erforderlich ist. Die zu erbringenden Leistungen waren in insgesamt 27 Lose aufgeteilt.

2

Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit wurde auf die Verdingungsunterlagen verwiesen. Dort waren verschiedene Erklärungen und Nachweise gefordert. Der Zuschlag sollte auf den niedrigsten Preis erfolgen. In der Leistungsbeschreibung hatte sie unter Ziffer 1.16 vorgegeben, falls ein Kind morgens nicht zur vereinbarten Abholzeit an der vereinbarten Haltestelle ist, die Wartezeit 3 Minuten beträgt. Ferner hatte sie unter Ziffer 1.17 festgelegt:

"Der Auftragnehmer hat die ... festgesetzte höchstzulässige Gesamtfahrtdauer je Los einzuhalten. Unter dem Begriff Gesamtfahrtdauer ist die Zeitspanne zu verstehen, die vom Einstiegszeitpunkt des ersten Kindes bis zur Ankunft an der Schule verstrichen ist. Für Rückfahrten beginnt die Gesamtfahrtdauer beim Losfahren von der Schule und endet beim Ausstieg des letzten Kindes."

3

Zu den hier streitigen Losen 10 und 43 war von der Auftraggeberin eine Gesamtfahrtdauer je Kind und Richtung von max. 60 Minuten bzw. 90 Minuten vorgegeben.

4

Der Vergabeakte ist nicht zu entnehmen, ob aufgrund von Anfragen der Bieter, u.a. auch der Antragstellerin, allen Bietern die Antworten zur Verfügung gestellt wurden.

5

Bei der Verdingungsverhandlung am xxxxxx.2010 ergab sich, dass insgesamt 22 Unternehmen Angebote eingereicht hatten. Die Antragstellerin und die Beigeladene zu 1 hatten jeweils sieben Lose bedient, die beigeladene Bietergemeinschaft, Beigeladene zu 2, hatte drei Lose bedient.

6

Der Vergabeakte (Ordner V, Prüfung der Angebote) ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin bei Los 10 neun Kleinbusse und die Beigeladene zu 1 elf einsetzen will. Bei Los 43 will die Antragstellerin drei Pkw und vier Kleinbusse einsetzen, die beigeladene Bietergemeinschaft, Beigeladene zu 2, 10 Kleinbusse. Die Tourenplanung von jedem Bieter wurde unter Berücksichtigung der Gesamtfahrtdauer geprüft. Dabei ergaben sich zum Angebot der Antragstellerin aus Sicht der Auftraggeberin Fragen zu den angebotenen Losen 10 und 43. Sie bat die Antragstellerin mit Schreiben vom 27.04.2010 um Darlegung der Tourenplanung unter Einhaltung der jeweiligen Gesamtfahrtdauer. Diese beantwortete die Fragen und stellte die Tourenliste als pdf-Datei zur Verfügung. Der Kontrolle der Auftraggeberin mit dem Routenplaner "google maps" unter Hinzuziehung weiterer Routenplaner kann man entnehmen, dass bei Los 10 unter Berücksichtigung der Mindestwartezeiten bei drei Touren eine Gesamtfahrzeit von 60 Minuten nicht eingehalten wird. Die Auftraggeberin nahm die für die Bieter günstigsten Einstellungen vor, nämlich "PKW/schnellste Route", setzte lediglich 2 Minuten pro Haltestelle an und rechnete mit einen 10-prozentigen Abschlag für etwaige Abweichungen. Bei Los 10 wird nach dem Vortrag der Antragstellerin bei dem von ihr verwendeten Routenplaner "map&guide" bei allen Touren die Gesamtfahrzeit von 60 Minuten eingehalten. Auch bei Los 43 wird nach dem Vortrag der Antragstellerin bei dem von ihr verwendeten Routenplaner bei allen sieben Touren die Höchstfahrtdauer von 90 Minuten nichtüberschritten. Bei der Gegenrechnung der Auftraggeberin nach dem zu Los 10 genannten Verfahren wird unter Berücksichtigung der Mindestwartezeiten bei einer der sieben Touren die Gesamtfahrzeit nicht eingehalten. Hinsichtlich der streitigen Lose 10 und 43 ergaben sich aus Sicht der Auftraggeberin bei den Beigeladenen keine Fragen.

7

Sodann wurde von der Auftraggeberin festgehalten, dass die Antragstellerin zu den Losen 10 und 43 zwar jeweils eine Tourenplanung/Kalkulation nachgereicht hat, die aber fehlerhaft sind. Die Auftraggeberin schloss das Angebot der Antragstellerin zu diesen beiden Losen von der weiteren Wertung aus.

8

Mit Schreiben vom 17.05.2010 informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin, dass ihr Angebot zu Los 10 ausgeschlossen worden sei, da die nachgereichte Tourenplanung fehlerhaft sei. Bei mehreren Touren werde die Gesamtfahrtdauer überschritten. Hinsichtlich Los 43 wurde ihr mitgeteilt, dass auch dort die Tourenplanung fehlerhaft sei, weil eine Tour die Gesamtfahrtdauer überschreite.

9

Nachdem die Auftraggeberin auf Bitten der Antragstellerin den Ausschluss in den beiden Losen erläuterte, rügte diese mit Schriftsatz vom 20.05.2010 die Entscheidung als fehlerhaft. Einer Gesprächsnotiz der Auftraggeberin vom 25.05.2010 über ein Aufklärungsgespräch vom 21.05.2010 ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin ausgeführt habe, sie nutze für ihre Tourenplanung den Routenplaner "map&guide", dessen Ergebnisse Echtzeiten entsprechen würden. Bei anderen Routenplanern ließen sich z.B. keine Einstellungen für Zonen mit Schrittgeschwindigkeit eingeben. Die Auftraggeberin erklärte, sie bei den Routenplanern - sofern möglich - immer die für den Bieter günstigste Einstellung eingegeben habe. Die Antragstellerin sei laut Vermerk nicht bereit gewesen zu erläutern, welche Einstellungen sie in ihrem Programm zur Tourenplanung vorgenommen hat.

10

Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben vom 26.05.2010, eingegangen bei der Vergabekammer per Telefax am gleichen Tage, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie begründet den Nachprüfungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen im Rügeschreiben. Ihrer Meinung nach sind die behaupteten Überschreitungen der Fahrzeiten nicht zu erwarten. Nur der von ihr verwandte professionelle Routenplaner biete eine größere Genauigkeit und Differenzierung sowohl hinsichtlich der Zeiten für die Aufnahme der Personen als auch der Straßenkategorien. Ferner habe sie ihrem Angebot individuelle Probefahrten in "Echtzeit" zugrunde gelegt.

11

Mit Schriftsatz vom 10.06.2010 erklärt die Antragstellerin u.a., es sei krass falsch, dass sie sich im Aufklärungsgespräch vom 21.05.2010 geweigert haben solle, die Einstellungen für ihren Routenplaner zu erläutern.

12

Die Antragstellerin beantragt

die Einleitung und Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens gem. § 107 GWB in Bezug auf die Vergabe von Beförderungsleistungen von Kindern, Schülerinnen und Schülern, ggf. mit Begleitpersonen zu sonderpädagogischen Schulen gem. Informationsschreiben der xxxxxx vom 17.05.2010.

13

Die Auftraggeberin beantragt,

den Nachprüfungsantrag kostenpflichtig zurückzuweisen.

14

Darüber hinaus beantragt sie,

15

der Antragsgegnerin zu gestatten, den Zuschlag gem. § 115 Abs. 2 GWB 2 Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung der Vergabekammer zu erteilen.

16

Die Auftraggeberin tritt den Behauptungen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen. Sie hält den Nachprüfungsantrag für unzulässig, in jedem Fall aber für unbegründet.

17

Sie vertritt die Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig sei, da die Antragstellerin nicht dargelegt habe, dass ihr ein Schaden entstehe bzw. zu entstehen drohe. Im Los 10 habe ein Angebot vorgelegen, das wirtschaftlicher gewesen sei, jedoch habe es ebenfalls wegenÜberschreitung der Gesamtfahrtdauer ausgeschlossen werden müssen. Im Los 43 hätten sogar zwei Bieter wirtschaftlichere Angebote abgegeben, von denen einer wegen fehlender Unterlagen zur Tourenplanung und ein anderer Bieter ebenfalls wegen Überschreitung der Gesamtfahrtdauer ausgeschlossen worden sei.

18

Sie hat darüber hinaus Zweifel, ob der geltend gemachte Rechtsverstoß unverzüglich gerügt worden sei. Die Gesamtfahrzeit, die Wartezeit sowie die Personenspanne waren Anforderungen aus der Leistungsbeschreibung, die einzukalkulieren waren. Die Antragstellerin musste damit rechnen, dass ihr Angebot auf Auskömmlichkeitüberprüft wird. Sie hätte bereits im Rahmen der Angebotsfrist spätestens bis zur Angebotsabgabe darauf hinweisen und ggf. rügen müssen, dass bei der Ermittlung der Gesamtfahrtdauer unterschiedliche Ansatzmöglichkeiten bestehen. Sie hätte nachfragen können und müssen, welche Routenplaner mit welchen Einstellungen denn zugrunde zu legen sind. Sie habe ihre Zweifel an der Tourenplanung der Antragstellerin bereits mit Schreiben vom 27.04.2010 geltend gemacht und zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufgefordert. Die Antragstellerin habe den Umstand, dass die Tourenplanung überprüft werde, gekannt und erst am 19.05.2010 nach Erhalt des Informationsschreibens in Frage gestellt, dass eine Überprüfung der Routenplanung erfolgen durfte und darüber hinaus einen Ausschluss zur Folge haben könnte.

19

Soweit der Nachprüfungsantrag nicht unzulässig ist, sei er aber unbegründet. Sie habe der Problematik der Gesamtfahrtdauer dadurch Rechnung getragen, dass sie die Tourenplanungen in den Angeboten überprüft habe, in denen ihr aufgrund der gemachten Angaben über die Anzahl der einzusetzenden Fahrzeuge eine Verletzung der Gesamtfahrtdauer wahrscheinlich erscheine.

20

Sie weist darauf hin, dass die Antragstellerin offenbar selbst bei der vorgelegte Tourenplanung nicht die gemäß Ziffer 1.16 vorausgesetzte Wartezeit berücksichtigt habe. Des Weiteren habe sie weder dargestellt noch nachgewiesen, wie sie mit ihrer Tourenplanung etwaige Änderungen im Hinblick auf die angebotene Personenspanne in zeitlicher Hinsicht Rechnung tragen werde.

21

Die Antragstellerin sei auch in dem persönlichen Gespräch nicht bereit gewesen, die vorgenommenen Einstellungen darzustellen, damit sie die Kalkulation nachvollziehen könne. Sie sieht hier einen Grund zum Ausschluss, da geforderte Aufklärungen und Angaben verweigert worden seien. Es ist aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbar, warum die Antragstellerin bei ihrer Tourenplanung mal mit einem Optimierungsgrad von 90% und mal mit 80% gearbeitet habe und was das bedeute.

22

Die Auftraggeberin stellt mit Datum vom 02.06.2010 einen Antrag auf Vorabgestattung des Zuschlags gem. § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB. Sie begründet ihren Antrag im Wesentlichen mit der aus ihrer Sicht gegebenen Dringlichkeit.

23

Die Verträge mit den derzeitigen Erbringern der Leistungen würden zum Schuljahresende enden. Die neuen Anbieter würden eine Leistungsvorbereitungszeit von mindestens 6 Wochen ab Vertragsschluss benötigen, um die logistischen Voraussetzungen zur Durchführung des Auftrages zu erfüllen.

24

Eine Interimslösung mit dem bisherigen Auftragnehmer komme nicht in Betracht, da dieser kein Interesse an einer neuen Beauftragung bekundet hat, so dass eine kurzfristige Verlängerung der Verträge nicht in Erwägung gezogen werden könne.

25

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.

26

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin wird durch die Entscheidung der Auftraggeberin, den Zuschlag auf die Angebote der Beigeladenen zu erteilen, nicht in ihren Rechten gemäß §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Auftraggeberin hat das Angebot der Antragstellerin wegen Abweichung von den Vorgaben der Leistungsbeschreibung gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d) i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A rechtmäßig ausgeschlossen bzw. sie hat in nicht zu beanstandender Weise von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht und das Angebot gemäß § 24 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A unberücksichtigt gelassen, weil die Antragstellerin im Aufklärungsgespräch am 21.05.2010 die geforderten Aufklärungen verweigert hat.

27

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um die xxxxxx und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftragswert übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oderüberschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den streitgegenständlichen Leistungen handelt es sich um Beförderungsleistungen im Behindertentransport. Es handelt sich damit um einen Dienstleistungsauftrag im Sinne von § 1 VOL/A. Für Liefer- und Dienstleistungen gilt gemäß § 2 Nr. 2 VgV in der für dieses Vergabeverfahren geltenden Fassung ein Schwellenwert von 193.000 EUR (netto). Dieser Schwellenwert wird vorliegend ausweislich der in der Vergabeakte dokumentierten voraussichtlichen Auftragssumme für alle Lose von xxxxxx EUR deutlichüberschritten.

28

Die Antragstellerin ist auch gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterunternehmen im Vergabeverfahren ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie die Auffassung vertritt, die Auftraggeberin habe ihre Angebote auf die Lose 10 und 43 zu Unrecht wegen Nichterfüllung der in den Verdingungsunterlagen gestellten Bedingungen ausgeschlossen. Die Antragstellerin trägt vor, dass sich nach ihrer Tourenplanung keine Überschreitung der Gesamtfahrtdauer entsprechend Ziffer 1.17 der Leistungsbeschreibung ergebe und beruft sich auf den Routenplaner "map&guide". Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen ein durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt, das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat zumindest schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung eine Chance auf den Zuschlag hätte. In Los 10 lag ein wirtschaftlicheres Angebot vor, jedoch wurde auch dies wegen Überschreitung der Gesamtfahrtdauer ausgeschlossen, so dass gegebenenfalls die Antragstellerin, falls der Ausschluss ihres Angebots vergaberechtswidrig wäre, auf Rang 1 läge. Gleiches gilt für Los 43, da hier beide wirtschaftlicheren Angebote ausgeschlossen wurden. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass ein Antragsteller schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).

29

Die Antragstellerin ist auch entgegen der Auffassung der Auftraggeberin ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Voraussetzung ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt, und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden, vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2002, Az.: Verg 9/00).

30

Dabei teilt die Vergabekammer die Auffassung der Auftraggeberin, dass die in Deutschland geltende Präklusionsregel des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB auch unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile vom 28.01.2010 in den Rechtssachen C-406/08 und C-456/08) nach wie vor grundsätzlich anwendbar ist. Aus den o. g. Entscheidungen des EuGH, der sich mit der Rechtswirksamkeit von Präklusionsregeln in irischen und englischen Vorschriften befasst hat, kann nicht der Rückschluss auf eine Europarechtswidrigkeit des§ 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB gezogen werden. Die Regelung des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ist nicht mit den vom EuGH in den o. g. Urteilen entschiedenen Sachverhalten bzw. Normen identisch oder vergleichbar. Zwar sehen die der Entscheidung des EuGH zugrundeliegenden Regelungen vor, dass ein Nachprüfungsantrag unzulässig ist, wenn das Verfahren nicht unverzüglich eingeleitet wird. Insofern ging es auch dort um die Bestimmtheit des Unverzüglichkeitsbegriffs. Im Gegensatz zum irischen Recht und zum britischen Recht regelt § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB jedoch nicht die Ausschlussfrist für das Nachprüfungsverfahren selbst, sondern nur die Anforderungen an die Rügeobliegenheit als Zulässigkeitsvoraussetzung und damit, ob die Zulässigkeitsvoraussetzung vorliegt oder nicht. Entscheidend aber ist, dass der Begriff der Unverzüglichkeit im deutschen Recht eindeutig definiert ist, nämlich als "ohne schuldhaftes Zögern" im Sinne des§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB, was zu dem aufgrund einer ausgeprägten Rechtsprechung zu § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB bzw. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB a.F. auch für das Vergaberecht weitergehend konkretisiert worden ist (vgl. 1. VK Bund, Beschluss vom 05.03.2010, Az.: VK1-16/10).

31

Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich innerhalb von 1 bis 3 Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1 Verg 4/04; Bechtholt, GWB, § 107, Rdnr. 2). Auch bei einer ggf. notwendigen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erfüllt ein Rügezeitraum von mehr als einer Woche das Zeitkriterium des § 107 Abs. 3 GWB zumindest regelmäßig nicht (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 11.09.2006, Az.: WVerg 13/06). Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau2000, S. 45 ff.), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtlage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert. Die Antragstellerin hat sowohl für das Los 10 als auch für das Los 43 mit den per Fax abgesendeten Informationsschreiben gemäß § 101a GWB vom 17.05.2010 Kenntnis von der Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin und ihrer Begründung erhalten. Mit Telefaxen vom 17.05.2010 informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin, dass sie beabsichtige, für Los 10 den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1. zu erteilen, für Los 43 auf das der Beigeladenen zu 2. Die Angebote der Antragstellerin für diese beiden Lose seien jeweils auszuschließen, da sie nicht alle in den Verdingungsunterlagen gestellten Bedingungen erfüllen würden. Es sei eine Tourenplanung nachgereicht worden, um zu belegen, dass eine Gesamtfahrtdauer entsprechend Ziffer 1.17 der Leistungsbeschreibung nichtüberschritten werde. Diese Tourenplanung sei fehlerhaft, da bzgl. Los 10 mehrere Touren die Gesamtfahrtdauer überschreiten würden, für Los 43 eine Tour. Mit E-Mail ihrer Anwälte vom 20.05.2010, also bereits 3 Tage danach, rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladenen gegenüber der Auftraggeberin. Dabei äußerte die Antragstellerin im Hinblick auf die Begründung in der Information nach§ 101 a GWB, der Auffassung der Auftraggeberin zur Überschreitung der Gesamtfahrtdauer liege eine Fehleinschätzung zugrunde und hegte die Erwartung, dass das unmittelbar bevorstehende Aufklärungsgespräch zur Richtigstellung beitragen würde. Die innerhalb von 3 Tagen nach Erhalt des Informationsschreibens nach § 101 a GWB gegenüber der Auftraggeberin erhobene Rüge ist unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB erfolgt.

32

2.

Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung der Auftraggeberin, den Zuschlag für die verfahrensgegenständliche Dienstleistungen auf die Angebote der Beigeladenen zu erteilen, nicht in ihren Rechten i. S. der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt.

33

Denn die Auftraggeberin hat in vergaberechtlich nicht zu beanstandender Weise die Angebote der Antragstellerin wegen Abweichung von den zwingenden Vorgaben der Leistungsbeschreibung zur Gesamtfahrtdauer gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d) i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A bzw. wegen Verweigerung von rechtmäßig geforderten Aufklärungen hinsichtlich der Gesamtfahrtdauer gemäß § 24 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A von der Wertung ausgeschlossen.

34

Ausweislich der Ziffer 1.17 i.V.m. Ziffer 1.16 der Leistungsbeschreibung war die Gesamtfahrtzeit pro Fahrzeug inkl. Ein- und Ausstiegszeiten und einer etwaigen Wartezeit von 3 Minuten für eine jeweils zu erwartende Spanne in der Anzahl von Schülern zu kalkulieren und durfte das Los 10 betreffend 60 Minuten und das Los 43 betreffend 90 Minuten nicht überschreiten.

35

Die erst mit Anwaltsschriftsatz vom 10.06.2010 im Nachprüfungsverfahren erhobene Rüge der Antragstellerin, die Leistungsbeschreibung sei hinsichtlich der veränderlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich Anzahl der zu befördernden Personen, des Einstiegs- und Ausstiegsortes und Art und Umfang der Behinderung der Beförderungspersonen so grob umrissen, dass die Auftraggeberin mit ihrem Vorgehen bei der Überprüfung eine Fahrtzeitüberschreitung nicht nachweisen könne, geht ins Leere und lenkt vom Defizit des Angebots der Antragstellerin ab. Die Antragstellerin ist mit diesem Vorbringen gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert, sie hätte ihre Bedenken bis zur Angebotsabgabe vortragen müssen. Der Auftraggeberin kam es ausdrücklich auf die Einhaltung der Höchstfahrtzeiten an. Veränderungen im Laufe eines Schuljahres liegen in der Natur der Sache und eine Anpassung der Touren bzw. Zahl der eingesetzten Fahrzeuge bei gravierenden, ungewöhnlichen Veränderungen ist dem Vertrag immanent.

36

Maßgeblich ist jedoch, dass die Auftraggeberin von den Bietern eine nachvollziehbare, den zeitlichen Anforderungen genügende Tourenplanung gefordert hat, um die Einhaltung der Höchstfahrtdauer nach gegenwärtigem Kenntnisstand und den von der Auftraggeberin gesetzten Rahmenbedingungen zu überprüfen. Es ist der Antragstellerin nicht gelungen, eine solche Planung zu präsentieren. Auf eine von der Antragstellerin angekündigte mögliche kostenlose Verbesserung des Angebots im Nachhinein kommt es dabei nicht an. Das nachträgliche Vorbringen der Antragstellerin darf schon aus Gründen der Gleichbehandlung der Angebote nicht berücksichtigt werden.

37

Die Auftraggeberin bat die Antragstellerin mit Schreiben vom 27.04.2010 um Darlegung der Tourenplanung unter Einhaltung der jeweiligen Gesamtfahrtdauer. Diese beantwortete die Fragen und stellte die Tourenliste als pdf-Datei zur Verfügung. Die Kontrolle der Auftraggeberin auf Grundlage des Routenplaners "google maps" unter Hinzuziehung von weiteren Routenplanern ergab trotz eines 10-prozentigen Abschlages zugunsten der Bieter und eines Ansatzes von lediglich 2 Minuten Aufenthaltsdauer an jedem Einstiegs- bzw. Ausstiegsort und der Einstellung "PKW/schnellste Route", dass bei Los 10 bei drei Touren eine Gesamtfahrzeit von 60 Minuten nicht eingehalten wird. Hingegen wird nach dem Vortrag der Antragstellerin mit dem von ihr verwendeten Routenplaner "map&guide" bei allen Touren die Höchstfahrtdauer von 60 Minuten eingehalten. Auch bei Los 43 wird laut Antragstellerin mit dem von ihr verwendeten Routenplaner bei allen sieben Touren die Gesamtfahrzeit von 90 Minuten eingehalten. Bei der Gegenrechnung der Auftraggeberin (Vorgehensweise s. eben zu Los 10) wird bei einer der sieben Touren die Gesamtfahrzeit nicht eingehalten. Hinsichtlich der streitigen Lose 10 und 43 ergaben sich aus Sicht der Auftraggeberin bei den Beigeladenen keine Fragen. Das gründliche, sorgfältig abgewogene, ausführlich und sauber dokumentierte Vorgehen der Auftraggeberin bei der Überprüfung der Gesamtfahrtdauer und der daraufhin vorgenommen Ausschluss der Angebote der Antragstellerin bieten keinen Anlass zur Beanstandung.

38

Die Auftraggeberin hat sich mit nachvollziehbaren Gründen (gute Testnoten, Verfügbarkeit auch für kleinere Unternehmen, Funktion "Zwischenziele") für den Routenplaner "google maps" entschieden, die Ergebnisse sogar mit weiteren Routenplanern nachvollzogen, den Bietern günstige Einstellungen gewählt und einen großzügigen Sicherheitsabschlag für etwaige Abweichungen einberechnet. Selbst wenn aber - mit der Auffassung der Antragstellerin - lediglich der Routenplaner "map&guide" geeignet gewesen wäre, stellte sich der Ausschluss im Ergebnis als rechtmäßig dar. Denn die Antragstellerin ist ihren Obliegenheiten im Rahmen des Aufklärungsgesprächs am 21.05.2010, zu dem sich die Auftraggeberin im Anschluss an die Rüge auf die Information gemäß § 101a GWB bereit erklärt hatte, nicht nachgekommen, so dass die Auftraggeberin die Angebote der Antragstellerin auch aus diesem Grund ohne Ermessensfehler ausgeschlossen hat.

39

Nach der Information der Antragstellerin über den Ausschluss ihrer Angebote vom 17.05.2010 und der Rügen vom 20.05.2010 kam es zu einem Gespräch am 21.05.2010, dessen Inhalt die zuständige Mitarbeiterin der Auftraggeberin schriftlich festgehalten hat.

40

Im Gesprächsvermerk vom 25.05.2010 ist festgehalten, dass die Auftraggeberin das Vorgehen zur Auswertung der Tourenpläne erläutert habe, dass die Antragstellerin ihren Unmut über den Ausschluss ihrer Angebote wegen fehlerhafter Tourenplanung geäußert habe und nur den Routenplaner "map&guide" für Tourenplanungen für geeignet halte. Die Antragstellerin habe laut Gesprächsvermerk ihre Bereitschaft erklärt , die Touren zur Beweisführung gemeinsam mit der xxxxxx abzufahren. Weiter ist festgehalten: "Auf Anfrage der Unterzeichnerin erläutert die Fa. xxxxxx nicht, welche Einstellungen sie in ihrem Programm map&guide zur Tourenplanung vorgenommen hat.

41

Ein Abfahren der Touren ist ein auch angesichts des stets im Vergaberecht zu beachtenden Grundsatzes der Gleichbehandlung der Bieter nicht zu realisierender Aufwand. Mit ihrer Weigerung, ihre Einstellungen im Routenplaner "map&guide" preiszugeben, hat die Antragstellerin sich dem berechtigten Verlangen der Auftraggeberin verweigert, so dass diese angesichts ihrer vorherigen Feststellungen zu Zeitüberschreitungen ohne Ermessensfehler das Angebot der Antragstellerin auch gemäß § 24 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A ausschließen durfte.

42

Das Vorbringen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 10.06.2010 ist nach Auffassung der Kammer nicht substantiiert.

43

Die Auftraggeberin hat mit Schriftsatz vom 02.06.2010 den zusätzlichen Ausschluss nach § 24 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A begründet. Diesen Schriftsatz hat die Antragstellerin am 03.06.2010 um 09.38 Uhr erhalten. Erst mit Schriftsatz vom 10.06.2010 entgegnet die Antragstellerin über ihren Verfahrensbevollmächtigten, der bei dem Gespräch nicht anwesend war, wie folgt: "Die Behauptung der Antragsgegnerin, dem Geschäftsführer der Antragstellerin sei Gelegenheit gegeben worden, seine Routenplanung zu plausibilisieren, er hätte allerdings diese Gelegenheit nicht wahrgenommen, ist krass falsch. Der Geschäftsführer der Antragstellerin wollte die Routenplanung mit Hilfe eines EDV-Laptops im Büro der Antragsgegnerin erläutern. Ihm wurde klipp und klar gesagt, dies sei nicht erwünscht, die Entscheidung sei ohnehin getroffen."

44

Die Auftraggeberin hat mit Schriftsatz vom 10.06.2010 nochmals unter Darlegung des Gesprächsverlaufes ausdrücklich bekräftigt, dass die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt während des Gesprächs erklärt hat, dass sie entsprechende Erläuterungen zu den beiden betreffenden Losen vorliegen bzw. für die Besprechung vorbereitet hat und auch - auf konkrete Anfrage - mündlich nicht erläutert hat, welche konkreten Einstellungen bei den betreffenden Losen zugrunde gelegt worden sind. Die Antragstellerin habe lediglich die Vorteile des Systems "map&guide" vorführen wollen.

45

Es besteht nach Auffassung der Vergabekammer kein Anhaltspunkt, an der Richtigkeit des Vortrags der Auftraggeberin zu zweifeln, die den Inhalt des Gesprächs schriftlich festgehalten hat und wie das gesamte Vergabeverfahren ordnungsgemäß dokumentiert hat. Das Vorbringen der Antragstellerin stellt sich hingegen als bloße Schutzbehauptung dar. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass die Antragstellerin unstreitig während des Gesprächs am 21.05.2010 ihre Angaben/Einstellungen zur Tourenplanung nicht vorbereitet vorgelegt hat und bis heute die entsprechenden Angaben/Einstellungen weder bei der Auftraggeberin noch bei der Vergabekammer vorliegen.

46

Nach allem hat die Auftraggeberin die Angebote der Antragstellerin in vergaberechtlich nicht zu beanstandender Weise von der Wertung ausgeschlossen.

47

Die Antragstellerin hat am 02.06.2010 einen Antrag gemäß § 115 Abs. 2 GWB gestellt. Die Vergabekammer hat mit Zustimmung aller Beteiligten ohne mündliche Verhandlung zeitnah entschieden.

48

III. Kosten

49

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 EUR, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.

50

Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

51

Der zugrunde zu legende Gegenstandswert beträgt vorliegend xxxxxx EUR. Dieser Wert entspricht ausweislich der Vergabeakte dem von der Auftraggeberin geprüften Brutto-Angebotspreisen der Antragstellerin für Los 10 (xxxxxx EUR) und Los 43 (xxxxxx EUR) jeweils für 4 Schuljahre bei 190 Schultagen jährlich und damit ihrem Interesse am Auftrag.

52

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von insgesamt xxxxxx EUR (= xxxxxx EUR + xxxxxx EUR) ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR.

53

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

54

Die in Ziffer 3 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.

55

Kosten der Beigeladenen zu 1.:

56

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen zu 1. folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zugunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden".

57

Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).

58

Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten einer in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.

59

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx EUR unter Angabe des Kassenzeichens

60

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

61

xxxxxx.

IV. Rechtsbehelf

62

Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden. Diese ist beim Oberlandesgericht Celle, Schloßplatz 2, 29221 Celle, schriftlich einzulegen. Die Beschwerde ist gem. § 117 GWB binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung einzulegen.

63

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen desöffentlichen Rechts.

64

Die sofortige Beschwerde ist gem. § 117 Abs. 2 GWB mit ihrer Einlegung zu begründen.

65

Die Beschwerdebegründung muss enthalten:

  1. 1.

    die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Kammer angefochten wird und eine abweichende Entscheidung beantragt wird,

  2. 2.

    die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.

66

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten. Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer.

Dr. Raab
Schulte
Brinkmann