Landgericht Hannover
Beschl. v. 26.05.2006, Az.: 1 T 35/05

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
26.05.2006
Aktenzeichen
1 T 35/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 43297
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2006:0526.1T35.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 26.07.2005 - AZ: 71 II 73/05

Fundstelle

  • ZMR 2007, 399 (Volltext mit red. LS)

Tenor:

  1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 26.07.2005 - 71 II 73/05 - wird als unzulässig verworfen.

  2. Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten der Beschwerdeinstanz einschließlich der ihrer Gegnerin im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu tragen.

  3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 300,- Euro festgesetzt.

Gründe

1

I.

1.

Die Antragstellerin ist Mitglied der eingangs erwähnten ... Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der Antragsgegnerin verwaltet wird.

2

Gemäß Verwaltervertrag vom 02.11.1999 gehört zu den Grundleistungen der Verwaltung die mündliche und schriftliche Auskunftserteilung gegenüber einzelnen Wohnungseigentümern, die hieran ein berechtigtes Interesse haben.

3

In der Eigentümerversammlung vom 07.06.2004 wurde die Jahresabrechnung 2003 sowie der Wirtschaftsplan 2004 beschlossen. Insoweit hat die Antragstellerin einen Anspruch auf schriftliche Auskunftserteilung über diverse Punkte geltend gemacht, da diese nicht verständlich seien.

4

Die Antragstellerin hat, in erster Instanz, beantragt

die Antragsgegnerin zu verpflichten,

  1. a)

    der Antragstellerin Auskunft darüber zu erteilen,

    1. aa)

      an welchen gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren im Jahr 2003 Rechtsanwälte eingeschaltet waren, mit welchen Ergebnissen sie abgeschlossen wurden und weshalb Rechtsanwalts- und Gerichtskosten nicht über die bestehende Rechtsschutzversicherung abgewickelt wurden,

    2. bb)

      welche Ausgaben sich hinter der Position "Sonstiges" der Jahresabrechnung/Wohngeldabrechnung 2003 verbergen,

    3. cc)

      welche Miteigentümer sich mit der Zahlung von ... Hausgeld/Bewirtschaftungskosten in welcher Höhe in Verzug befinden und welche Maßnahmen die Antragsgegnerin ergriffen hat, um die rückständigen Hausgelder/Bewirtschaftungskosten einzutreiben,

    4. dd)

      ob Zahlungsvereinbarungen mit in Verzug befindlichen Wohnungs- oder Teileigentümern getroffen wurden, falls ja mit welchem Inhalt und

    5. ee)

      welche Kontostände die für die ... geführten Konten (Girokonten, Festgeldkonten, Sparbücher, Termingeldanlagen etc.) per 31.12.2003 aufwiesen,

  2. b)

    der Antragstellerin Kopien der Belege zu Ziffer 1 lit. a) bb) - gegen Erstattung der Kopierkosten zu überlassen.

5

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

  1. den Antrag zurückzuweisen.

6

Das Amtsgericht Hannover hat der Antragsgegnerin daraufhin mit Beschluss vom 26.07.2005 aufgegeben Auskunft darüber zu erteilen,

  1. aa)

    an welchen gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren im Jahr 2003 Rechtsanwälte eingeschaltet waren, mit welchen Ergebnissen sie abgeschlossen wurden und weshalb Rechtsanwalts- und Gerichtskosten nicht über die bestehende Rechtsschutzversicherung abgewickelt wurden,

  2. bb)

    welche Ausgaben sich hinter der Position "Sonstiges" der ... Jahresabrechnung/Wohngeldabrechnung 2003 verbergen,

  3. cc)

    welche Miteigentümer sich mit der Zahlung von ... Hausgeld/Bewirtschaftungskosten in welcher Höhe in Verzug befinden und welche Maßnahmen die Antragsgegnerin ergriffen hat, um die rückständigen Hausgelder/Bewirtschaftungskosten einzutreiben,

  4. dd)

    ob Zahlungsvereinbarungen mit in Verzug befindlichen Wohnungs- oder Teileigentümern getroffen wurden, falls ja mit welchem Inhalt und

  5. ee)

    welche Kontostände die für die ... geführten Konten (Girokonten, Festgeldkonten, Sparbücher, Termingeldanlagen etc.) per 31.12.2003 aufwiesen.

7

Im übrigen hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen.

8

Aus den Gründen des Beschlusses des Amtsgerichts Hannover vom 26.07.2005 wird deutlich, dass das Amtsgericht hinsichtlich der aufgegebenen Auskunftserteilung eine Verpflichtung darin sieht, diese schriftlich zu erteilen.

9

2.

Die Antragsgegnerin hat gegen diesen am 12.08.2005 zugestellten Beschluss fristgerecht durch am 25.08.2005 eingereichten Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

10

Zur Begründung führt die Antragsgegnerin aus, dass sich eine solche Verpflichtung zur begehrten schriftlichen Auskunftserteilung an einzelne Wohnungseigentümer aus dem Verwaltervertrag bei rechtmäßiger Auslegung nicht ergebe.

11

Die Antragsgegnerin beantragt,

  1. den Beschluss vom 26.07.2005 aufzuheben, soweit die Antragsgegnerin zur Auskunft zu den im einzelnen unter Lit. aa)-ee) aufgeführten Fragen verpflichtet worden ist.

12

Die Antragstellerin beantragt,

  1. die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

13

3.

Mit Verfügung der Vorsitzenden vom 02.05.2006 ist die Antragsgegnerin darauf hingewiesen worden, dass Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde bestehen, weil der hierfür erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht sein dürfte, da bei dem geltend gemachten Auskunftsanspruch das Abwehrinteresse der Antragsgegnerin als Beschwerdeführerin in erster Linie durch den voraussichtlichen Aufwand an Zeit und Kosten bestimmt werde, der mit der Auskunftserteilung verbunden sei.

14

Zu diesen Bedenken hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 03.05.2006 sowie mündlich in der mündlichen Verhandlung am 05.05.2006 Stellung genommen.

15

II.

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig. Der erforderliche Beschwerdewert von über 750,- Euro ist nicht erreicht.

16

Die sofortige Beschwerde ist nur statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- Euro übersteigt. Wie in Zivilsachen gilt auch in Wohnungseigentumssachen, dass der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgebliche Beschwerdewert stets aus der Person des Rechtsmittelführers, seiner Beschwer und seinen Vermögenswerten Interessen an der Änderung der angefochtenen Entscheidung zu beurteilen ist (Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., Rdnr. 27 zu § 45 m.w.N.).

17

Bei dem hier ursprünglich von der Antragstellerin geltend gemachten ... Auskunftsanspruch bestimmt sich das Abwehrinteresse der Antragsgegnerin als Beschwerdeführerin in erster Linie durch den voraussichtlichen Aufwand an Zeit und Kosten, der mit der Auskunftserteilung verbunden ist (Zöller; Herget, 23. Aufl., Rdnr. 26 zu § 3, Stichwort "Auskunft" m.w.N,). Dass die Antragsgegnerin mit über 750,- Euro beschwert ist, ist im Hinblick auf den geringen Auskunftsumfang gegenüber einer einzigen Wohnungseigentümerin nicht ersichtlich.

18

Das Vorbringen der Antragsgegnerin auf den Hinweis vom 02.05.2006 zum Beschwerdewert verfängt dagegen nicht.

  1. 1.

    Soweit die Antragsgegnerin vorbringt, dass in erster Instanz ein Geschäftswert von 1 500,- Euro festgesetzt worden sei und allein deshalb schon eine Veränderung des Wertansatzes in zweiter Instanz nicht nachvollziehbar sei, ist darauf hinzuweisen, dass zwischen dem Geschäftswert und dem Beschwerdewert unterschieden werden muss. Diese können auseinanderfallen, was sie im Falle eines Auskunftsanspruchs auch tatsächlich tun, da dass Angriffsinteresse des Auskunftbegehrenden regelmäßig nicht dem Abwehrinteresse des Auskunftpflichtigen entspricht (Zöller, Herget, ZPO, a.a.O., Rdnr. 26 zu § 3 Stickwort "Auskunft"; Bärmann/Pick/Merle, WEG, a.a.O., Rdnr. 28 zu § 45).

  2. 2.

    Auch der Umstand, dass das Amtsgericht Hannover hier die Antragsgegnerin zu einer qualifizierten Form der Auskunft, nämlich einer schriftlichen Auskunft verpflichtet hat, wirkt sich auf die Beschwerde der Antragsgegnerin nicht in der Weise aus, dass der Beschwerdewert erreicht wird. Natürlich sind die Kosten einer schriftlichen Auskunftserteilung höher als die einer mündlichen, was bei der Berechnung der Beschwer berücksichtigt werden muss. Aber auch eine schriftliche Auskunftserteilung über die fünf tenorierten Fragen an die Antragstellerin lässt einen Beschwerdewert von über 750,- Euro nicht erkennen.

  3. 3.

    Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, es seien auch weitere Interessen der Antragsgegnerin, die über den Aufwand an Zeit und Kosten hinausgehen zu berücksichtigen, so z.B. etwaige Geheimhaltungsinteressen (vgl. Bärmann/Pick/Merle a.a.O.), ist dies grundsätzlich richtig, allerdings macht die Antragsgegnerin ein solches bewertbares Interesse vorliegend nicht geltend.

  4. 4.

    Auch das Interesse der Antragsgegnerin an der grundsätzlichen Klärung über den Umfang der Auskunftsverpflichtung im Sinne einer zukünftigen Gleichbehandlung aller Mitglieder der Wohnungseigentumsgemeinschaft ist nicht geeignet, die Beschwer im vorliegenden konkreten Einzelfall zu erhöhen. Eine grundsätzliche Klärung wird das Beschwerdegericht ebenso wie das Amtsgericht Hannover nicht vornehmen können, da es an die konkreten Anträge gebunden ist.D.h. es wird immer nur eine Klärung darüber erfolgen, ob ein bestimmter Wohnungseigentümer hinsichtlich bestimmter Umstände Auskunft verlangen kann.

  5. 5.

    Schließlich sieht die Antragsgegnerin sich dadurch erheblich beschwert, dass der zukünftig zu erwartende Aufwand für eine derartige Auskunftserteilung nicht absehbar sei, da neben den konkreten Auskunftsanträgen noch sehr viel mehr auch allgemeine Fragen für den einzelnen Wohnungseigentümer von Interesse sein können und daher der Aufwand bei jeweils detaillierter und individualisierter Auskunft in schriftlicher Form erheblich höher als 750,- Euro sein dürfte, man hierfür sogar eine Verwaltungskraft einstellen müsse. Auch dieses Argument kann bei der Bemessung der Beschwer nicht verfangen. Die Antragsgegnerin verkennt, dass sie nicht verurteilt worden ist, jedem Wohnungseigentümer über alle Fragen von Interesse schriftlich Auskunft zu erteilen. Das Amtsgericht Hannover hat keine grundsätzliche Verpflichtung zur schriftlichen Auskunft gegenüber allen Wohnungseigentümern ausgesprochen. Hierzu hat sich die Antragsgegnerin unter den benannten Voraussetzungen in ihrem Verwaltervertrag vielmehr selbst verpflichtet.

    Die Beschwer kann sich daher abschließend nur nach der konkreten Verurteilung, also der Verpflichtung zur Auskunftserteilung an die Antragstellerin über die tenorierten Fragen richten. Der dafür erforderliche Aufwand übersteigt jedenfalls 750,- Euro nicht, was die Antragsgegnerin letztlich auch nicht behauptet.

19

V.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 47 WEG. Es entspricht hier billigem Ermessen, die Gerichtskosten der Antragsgegnerin aufgrund ihres Unterliegens aufzuerlegen/Auch bezüglich der außergerichtlichen Kosten waren diese entgegen den für freiwillige Gerichtsverfahren geltenden Grundsatz, wonach jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selber zu tragen hat, der Antragsgegnerin aufzuerlegen, da die von ihr eingelegte sofortige Beschwerde bereits unzulässig ist, so dass eine Entscheidung in der Sache nicht ergehen konnte.