Landgericht Hannover
Urt. v. 26.05.2006, Az.: 4 O 15/06
Beginn des Kalenderjahres als maßgeblicher Zeitpunkt für die Entstehung des Erstattungsanspruchs wegen zu viel gezahlter Grundsteuern; Zuordnung eines steuerrechtlichen Erstattungsanspruchs zur Zwangsverwaltungsmasse, wenn der Erstattungsanspruch im Zeitpunkt der Anordnung der Zwangsverwaltung bereits entstanden ist
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 26.05.2006
- Aktenzeichen
- 4 O 15/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 21574
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2006:0526.4O15.06.0A
Rechtsgrundlagen
- § 35 InsO
- § 9 GrStG
Fundstellen
- NZI 2007, 11
- ZInsO 2006, 1113 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 05.05.2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Kluge,
den Richter Schindler und
die Richterin am Landgericht Porth
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, zu Gunsten der Insolvenzmasse des Schuldners R. v. K. 21.222,19 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.02.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte zu 88% und die Klägerin zu 12%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des durch das Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Tatbestand
Mit Beschluss vom 24.10.2002 (Geschäftsnr.: 341 IN 430/02) hat das Amtsgericht -Insolvenzgericht- Magdeburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn Roland von K. (im Folgenden "Schuldner" genannt) eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt.
Der Schuldner verfügte über mehrere Grundstücke, unter anderem auch die Immobilien H. Str. 2 und 4 in ..., eingetragen im Grundbuch von B..
Über das genannte Objekt hat das Amtsgericht Neustadt am Rübenberge mit Beschluss vom 01.08.2003 (Geschäftsnummer 85 L 16/03) die Zwangsverwaltung angeordnet. Der Beklagte wurde zum Zwangsverwalter bestellt.
Mit Abgabenbescheid vom 23.10.2003 für das Haushaltsjahr 2003 setzte die Stadt ... eine Grundsteuerrückerstattung für die Grundstücke H. Str. 2 + 4 in Höhe von 24.253,90 Euro für die Zeit von Januar 1996 bis Dezember 2003 fest. Dieser Betrag wurde an den Beklagten überwiesen.
Die Klägerin begehrt die Auszahlung des an den Beklagten überwiesenen Rückerstattungsbetrages. Der Beklagte sei insoweit ungerechtfertigt bereichert. Die Beschlagnahme bei der Zwangsverwaltung umfasse nicht auch den Grundsteuerrückerstattungsanspruch.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, zu Gunsten der Insolvenzmasse des Schuldners 24.253,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, die Grundsteuererstattung sei ihm zu Recht zugeflossen. Da der Zwangsverwalter für Steuern und Abgaben hafte, die aus der Zwangsverwaltungsmasse zu entrichten seien, stünde dem Zwangsverwalter im Umkehrschluss auch ein Steuererstattungsanspruch zu. Hinzu komme, dass der Beklagte im November 2003 einen Teilbetrag in Höhe von 3.031,71 Euro an die Stadt Wunstorf habe zurückerstatten müssen. Insoweit verweist der Beklagte auf den ändernden Abgabenbescheid vom 18.11.2003 für das Haushaltsjahr 2003.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und zum überwiegenden Teil auch begründet.
Der Klägerin steht in ihrer Funktion als Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Roland von K. gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 21.222,19 Euro zu.
Die Grundsteuererstattung ist der Insolvenzmasse zuzuordnen.
Nach § 35 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zurzeit der Eröffnung des Verfahrens (hier: 24.12.2002) gehört und das er während des Verfahrens erlangt.
Der mit dem Abgabenbescheid vom 23.10.2003 festgesetzte Rückzahlungsbetrag in Höhe von 24.253,90 Euro betrifft zu viel gezahlte Grundsteuern für die Jahre 1996 bis 2003.
Gemäß § 9 GrStG wird die Grundsteuer nach den Verhältnissen zu Beginn des Kalenderjahres festgesetzt. Die Steuer entsteht mit dem Beginn des Kalenderjahres, für das die Steuer festzusetzen ist. Gleichermaßen entsteht auch ein Erstattungsanspruch für zu viel gezahlte Steuern bereits zu Beginn des Kalenderjahres. Der Erstattungsanspruch stand lediglich unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Jahresende die geschuldete Steuer geringer sein würde als die Summe der Anrechnungsbeträge. Der Insolvenzschuldner hat mit der Vorauszahlung eine Anwartschaft auf den am Ende des Veranlagungszeitraums entstehenden Erstattungsanspruch, sodass dieser in die Masse fällt, wenn vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während dessen Dauer der ihn begründende Sachverhalt verwirklicht ist (vgl. BGH NZI 2006, 246, 247).
Da das Insolvenzverfahren im Dezember 2002 eröffnet wurde, fällt danach der Erstattungsanspruch für die Jahre 1996 bis 2003 in die Insolvenzmasse. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der am 1.8.2003 angeordneten Zwangsverwaltung der betreffenden Grundstücke.
Der Erstattungsanspruch ist nicht der Zwangsverwaltungsmasse zuzuordnen. Zum Zeitpunkt, als die Zwangsverwaltung angeordnet wurde (am 1.8.2003), war der Erstattungsanspruch auch für das Jahr 2003 bereits entstanden. Dass der Abgabenbescheid erst im Oktober 2003 erging, ist insoweit unerheblich. Die Steuerfestsetzung hat auf den Entstehungszeitpunkt keinen Einfluss; denn sie hat für das Steuerschuldverhältnis nur deklaratorischen Charakter (vgl. BGH NZI 2006, 246, 247).
Der Rückerstattungsanspruch ist auch nicht unter die nach §§ 148,20,21 ZVG der Beschlagnahme unterliegenden Forderungen zu subsumieren.
Auch der Hinweis des Beklagten, dass die laufenden Beträge der öffentlichen Lasten von dem Zwangsverwalter zu berichtigen seien, führt nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Vorliegend ist im Übrigen nicht ersichtlich und nicht vorgetragen, dass der Zwangsverwalter die in dem Abgabenbescheid für 2003 eingestellten Grundsteuern für die Jahre 1996 bis 2003 - auch die Grundsteuern für 2003 waren bereits zu Beginn des Jahres entstanden - teilweise beglichen hätte.
Allerdings sind von dem in dem Bescheid vom 23.10.2003 aufgeführten Erstattungsbetrag von 24.253,90 Euro die 3.031,71 Euro in Abzug zu bringen, die nach dem Änderungsbescheid vom 18.11.2003 zu zahlen waren. Soweit die Klägerin eine solche Zahlung bestritten hat, bleibt das Bestreiten angesichts des eingereichten Abgabenbescheides (Bl. 22 d.A.) ohne Substanz.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Schindler,
Porth