Landgericht Hannover
Urt. v. 19.07.2006, Az.: 10 S 6/06

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
19.07.2006
Aktenzeichen
10 S 6/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 43293
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2006:0719.10S6.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hameln - 03.02.2006 - AZ: 23 C 305/05 (3)
nachfolgend
BGH - 23.04.2007 - AZ: II ZR 190/06

Tenor:

  1. Die Berufung des Klägers vom 03.03.2006 gegen das Urteil des Amtsgerichts Hameln (23 C 305/05) vom 03.02.2006 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Es bleibt dem Kläger nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Gründe: I.

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Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO).

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Das Amtsgericht hat die auf Zahlung der Mitgliederbeiträge für die Kalenderjahre 2002 und 2003 gerichtete Klage überwiegend abgewiesen. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.11.1985 (II ZR 37/85, BGHZ 96. Bd., Seite 253) hat das Amtsgericht die Auffassung vertreten, dass die Mitgliedschaft mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar nicht ende; jedoch bestehe eine Verpflichtung zur Beitragszahlung mangels anderweitiger Regelung in der Satzung nicht mehr. Denn der Vereinszweck könne nicht mehr verwirklicht werden; der Verein bestehe nur noch zur Abwicklung fort. Zwar sei die angesprochene Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf einen Idealverein bezogen. Die in dem zitierten Urteil aufgestellten Grundsätze seien jedoch auch auf den Fall zu übertragen, der - wie hier - die Beitragsforderung eines wirtschaftlichen Vereins betrifft. Denn die zwischen einem wirtschaftlichen Verein und einem Idealverein bestehenden Unterschiede beträfen allein die Frage der Erlangung der Rechtsfähigkeit und des Verlustes der Rechtsfähigkeit (§§ 22, 43 BGB). Auch der Gläubigerschutz - im Sinne des Erhalts der Haftungsmasse - habe bei einem wirtschaftlichen Verein keine über den bloßen Umstand der Konzessionserteilung hinausgehende gesetzliche Regelung erfahren. Der Kläger könne den Beitrag für das Jahr 2002 lediglich zeitanteilig, nämlich bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, mithin in Höhe von 76,69 Euro verlangen.

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Der Kläger macht Rechtsanwendungsfehler geltend. Die vom Amtsgericht zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei nach Meinung des Klägers lediglich auf einen Idealverein zu beziehen, da nur in diesem Falle ein den Fortbestand der Beitragsverpflichtung begründendes Gläubigerinteresse nicht bestehe. In der genannten Entscheidung grenze der Bundesgerichtshof den Idealverein nachgerade von wirtschaftlich

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orientierten Zusammenschlüssen ab. Gerade bei einem wirtschaftlichen Verein sei eine Gleichsetzung mit Handelsgesellschaften oder Genossenschaften geboten; die Mitgliederbeiträge seien letztlich mit Gesellschaftereinlagen vergleichbar.

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Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hameln (23 C 305/05) vom 03.02.2006 zu verurteilen, 536,87 Euro zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz an den Kläger zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

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Sie wiederholt und vertieft die erstinstanzlichen Ausführungen.

Gründe

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II.

1. Die nach Zulassung durch das Amtsgericht (§ 511 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO) statthafte, im übrigen frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

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2. a) Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht insoweit abgewiesen, als Mitgliederbeiträge für die Zeiten ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des wirtschaftlichen Vereins verlangt werden. Die Beklagte ist zur Zahlung des geltend gemachten (Teil-) Mitgliederbeitrags für die Kalenderjahre 2002 und 2003 infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vereinsvermögen nicht mehr verpflichtet. Allein aus dem Fortbestand der Mitgliedschaft über den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus folgt keine Fortdauer der Beitragspflicht für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Beitragspflicht der Mitglieder eines eingetragenen Vereins endet mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vereinsvermögen, wenn - wie hier - die Satzung nichts abweichendes bestimmt (BGH, Urteil vom 11.11.1985, II ZR 37/85, BGHZ 96. Band, Seite 253 [255 ff.]). Diese auf den Fall des Idealvereins bezogene Entscheidung gilt aus Sicht der Kammer ohne weiteres auch für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines wirtschaftlichen Vereins (§ 22 BGB). Durch die Beiträge sollen dem Verein finanzielle Mittel zur Verwirklichung des Vereinszwecks verschafft werden. Auch für den wirtschaftlichen

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Verein gilt § 42 BGB; mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird der Verein aufgelöst, Im hier zu entscheidenden Fall ist nicht dargetan, dass der Verein als nicht rechtsfähiger werbender Verein fortgeführt werden soll. Eine entsprechende Regelung in der Satzung besteht nicht, ebenso wenig liegt ein entsprechender Beschluss der Mitgliederversammlung über die Fortführung des Vereins nach Insolvenzeröffnung vor. Können die Mitglieder aber nicht mehr in den Genuss des Vereinszwecks kommen oder sich sonst daran beteiligen, besteht keine Verpflichtung zur Leistung der Beiträge.

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b) Der Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes rechtfertigt aus Sicht der Kammer keine andere Wertung. Zunächst sieht das Vereinsrecht eine Haftung der Mitglieder des eingetragenen Vereins gegenüber den Vereinsgläubigern nicht vor, ebenso wenig wie eine Verpflichtung, Einlagen zur Bildung einer Haftungsmasse zu leisten. Zwar grenzt der Bundesgerichtshof in der bereits genannten Entscheidung den eingetragenen Idealverein von Personenvereinigungen mit wirtschaftlicher Zielsetzung ab, wobei ein wirtschaftlicher Verein grundsätzlich zu letzteren zählen dürfte. In einem weiteren Schritt wird jedoch bei den letztgenannten Personenvereinigungen vom Bundesgerichtshof eine weitere Differenzierung vorgenommen. Von dem wirtschaftlichen Verein, der sich nach § 22 BGB einer besonderen Prüfung unterziehen muss, werden ausdrücklich die handelsrechtlichen Gesellschaftsformen abgegrenzt und allein in diesem Zusammenhang stellt der Bundesgerichtshof auf die einschlägigen Gläubigerschutzvorschriften ab. Die Schaffung eines Konzessionssystems stützt für sich gesehen nach Auffassung der Kammer nicht die Annahme, dass die Gläubiger des Vereins auf bestimmte Haftungsmassen vertrauen könnten. Schließlich ist auch der wirtschaftliche Verein unabhängig von einem Wechsel der Mitglieder; hinzu kommt, dass der wirtschaftliche Verein nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sein muss. Mangels gesetzlicher Regelung können auch im Falle des wirtschaftlichen Vereins die Mitgliederbeiträge nicht mit handelsrechtlichen Gesellschaftereinlagen verglichen werden, die zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung stehen müssen und dementsprechend noch im Abwicklungsstadium eingefordert werden können. Der Regelung in § 22 BGB, wonach der wirtschaftliche Verein zur Erlangung der Rechtsfähigkeit einer behördlichen Erlaubnis bedarf, kann ebenfalls nicht entnommen werden, dass Mitgliederbeiträge - anders bei einem Idealverein - auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus Gründen der Gläubigerbefriedigung zur Verfügung stehen müssen. Die Prüfung durch die Verleihungsbehörde nach § 22 BGB erfasst die Frage der Haftungsmasse gerade nicht (vgl. Übersicht bei Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 9. Aufl., Rdzf. 212 ff.). Der Verkehrsschutz,

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dem das Konzessionssystem dient, soll dadurch gewährleistet werden, dass eine Verleihung der Rechtsfähigkeit nur in Betracht gezogen wird, wenn der Verein, der sich den für Handelsgesellschaften bzw. Genossenschaften geltenden Normativbestimmungen nicht unterwirft, Gewähr dafür bietet, dass die Verleihung einer eigenen Rechtspersönlichkeit nicht zu Schädigungen Dritter oder aber auch der Vereinsmitglieder führen kann (RGZ 133. Band, Seite 170 [174]). So kann zwar entsprechend § 5 Abs. 1 GmbHG qua Satzungsregelung ein Mindestkapital verlangt werden; es kann auch weiter gefordert werden, dass der Vorstand jährlich eine Bilanz, eine Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen hat oder das die Bücher und Rechnungen jährlich von einem Wirtschaftsprüfer zu prüfen sind (vgl. Reichert, a.a.O., Rdzf. 215). Letztlich beschränkt sich die Konzessionsprüfung aber auf die Frage, ob erlaubte Zwecke verfolgt und die Vertretungs- und Haftungsverhältnisse klar geregelt sind. Schließlich ist in die Wertung der Umstand einzustellen, dass für die Erteilung der Konzession des Weiteren die Unzumutbarkeit der Wahl einer anderen Rechtsform vorausgesetzt wird. Nur in Ermangelung besonderer bundesgesetzlicher Vorschriften kann die Rechtsfähigkeit verliehen werden (§ 22 Satz 1 BGB). Der Verein muss also hinsichtlich der Frage der Erlangung der Rechtsfähigkeit auf die Rechtsform "Verein" nachgerade angewiesen sein, weil die Rechtsfähigkeit aufgrund Unterwerfung unter bundesgesetzlicher Bestimmung - wie beispielsweise des GmbHG - nicht erwerbbar wäre (BVerwGE 58. Bd., S. 26 [30]). Nach alledem besteht aus Sicht der Kammer kein Grund, den wirtschaftlichen Verein hinsichtlich der Frage, ob die Beitragspflicht über den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus besteht, anders zu behandeln als den Idealverein.

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c) Der Kläger kann den Beitrag nicht wenigstens für das gesamte Kalenderjahr 2002, sondern nur anteilig für die Zeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlangen. Zwar ist in § 7 Abs. 3 geregelt, dass der Beitrag jährlich im voraus zu zahlen ist. Diese satzungsmäßige Bestimmung der Fälligkeit zum Jahresanfang ersetzt jedoch nicht die erforderliche ausdrückliche Regelung, dass die Beitragspflicht auch für das Abwicklungsstadium und damit über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus fortbesteht. Die Regelung soll vielmehr dem Verein eine auf gesicherte Einnahmen gestützte Finanzplanung und Wirtschaftsführung ermöglichen. Die Beitragspflicht besteht indessen nur, soweit und solange die Zweckverwirklichung überhaupt noch möglich ist; insoweit kann auf die obigen Erwägungen unter lit. a) Bezug genommen werden. Zwar sollen die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens rückständigen Beiträge in die Insolvenzmasse fallen (Reichert, a.a.O., Rdzf. 2034). Dies kann sich aber nur auf die Beiträge beziehen, die auf Grund einer entsprechenden Beitragspflicht überhaupt zu zahlen sind. Anderenfalls würde eine Vorverlegung der Fälligkeit dazu führen, dass im Ergebnis die Masse um Beiträge angereichert würde, auf die der Insolvenzschuldner mangels entsprechender Satzungsregelung keinen Anspruch hat. Dass dadurch diejenigen Vereinsmitglieder benachteiligt werden, die den Vereinsbeitrag pünktlich zum Jahresbeginn gezahlt haben und nunmehr Bereicherungsansprüche als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Zf. 3 InsO) geltend machen müssten, stellt sich als eine den säumigen Schuldner privilegierende Folge dar, die aber hinzunehmen ist, zumal die Masseverbindlichkeiten nach § 53 InsO - nach den Verfahrenskosten - vorweg zu berichtigen sind.

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III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Ziffer 10, 711 ZPO. Die Voraussetzung für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO liegen vor. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist (BGH NJW 2002, S. 2957). Vorliegend hat der Kläger dargetan, dass infolge der Insolvenz des wirtschaftlichen Vereins die Frage der Beitragsverpflichtung eine Vielzahl von Einzelfällen betrifft. Darüber hinaus erfordert die Notwendigkeit der Fortbildung des Rechts eine Zulassung (§ 543 Abs. 2 Zf. 2 Alt. 1 ZPO). Die Frage, ob die Beitragspflicht im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines wirtschaftlichen Vereins fortbesteht, ist weder höchstrichterlich entschieden, noch im Gesetz geregelt.