Landgericht Hannover
Beschl. v. 10.05.2006, Az.: 6 T 6/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 10.05.2006
- Aktenzeichen
- 6 T 6/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 43285
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2006:0510.6T6.06.0A
Fundstelle
- ZMR 2006, 723-724 (Volltext mit red. LS)
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 28.12.2005 - 71 II 493/05 - wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller als
Gesamtschuldner; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller sowie die Antragsgegner bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft................................................
Mit Schreiben vom 13.8.2005 (Bl. 30 d. A.) lud die Verwalterin zu einer außerordentlichen Eigentümerversammlung am 25.8.2005 ein. Dabei verwies sie zu TOP 3 "Beschlussfassungen in Sachen " auf die beigefügte Beschlussvorlage (Bl. 43, 44 d. A.), in der es u. a. heißt:
"1. Alternative
Beschlussfassung über die Erteilung einer Abmahnung zu Lasten der Eigentümer wegen (wiederholter) Beleidigungen der übrigen Miteigentümer durch Herrn und aufgrund der Beleidigungen und der Tätlichkeit Herr gegenüber Herrn am 15./16.7.2005
Gleichzeitige Beschlussfassung über die Androhung weiterer rechtlicher Schritte bis hin zur Entziehung des Wohnungseigentums zu Lasten der Eheleute gemäß §18 WEG im Wiederholungsfalle.
Die Verwaltung (alternativ: Kanzlei , dort Frau Rechtsanwältin , ) wird ermächtigt, eine entsprechende Abmahnung im Namen der übrigen Eigentümer gegenüber den Eigentümern auszusprechen und für den Wiederholungsfall weitere rechtliche Schritte bis hin zur Einleitung eines Entziehungsverfahrens gemäß § 18 WEG anzudrohen.
Weiterhin wird die Verwaltung (alternativ: die vorbezeichnete Kanzlei) damit beauftragt die Interessen der Eigentümergemeinschaft auch zukünftig in gleich gelagerten Fällen zu vertreten und im Wiederholungsfalle erneut eine Abmahnung gegenüber den Eigentümern auszusprechen.
2. Alternative
Einleitung des Entziehungsverfahrens gemäß § 18 WEG mit dem die Eigentümer aus der Eigentümergemeinschaft ausgeschlossen werden und mit dem den Eigentümern ihr Wohnungseigentum , IV. Obergeschoss rechts mit 99 Miteigentumsanteile (117 m2 Wohnfläche) entzogen wird, da eine Fortsetzung der Gemeinschaft mit den Eigentümern aufgrund der wiederholten Vorfälle in keiner Weise mehr zumutbar ist. Gleichzeitig wird die Verwaltung mit dem Beschluss ermächtigt, die Kanzlei , dort Frau Rechtsanwältin , mit der Einleitung des Entziehungsverfahrens zu beauftragen".
In der Eigentümerversammlung am 25.8.2005 wurde mit 9 Ja-Stimmen und einer Enthaltung die 1. Alternative der Beschlussvorlage beschlossen, wobei der Antragsteller von der Beschlussfassung ausgeschlossen war.
Die Antragsteller haben die Ansicht vertreten, der Beschluss sei im Anfechtungsverfahren sowohl auf formelle Mängel als auch in materieller Hinsicht zu überprüfen. Er sei formell fehlerhaft, weil er nicht hinreichend bestimmbar sei und der Wohnungseigentümergemeinschaft die Möglichkeit der Prüfung entziehe. Denn es obliege der Verwaltung zu bestimmen, ob es sich um einen gleichgelagerten Fall handele oder welche rechtlichen Schritte eingeleitet werden sollen. Im Übrigen seien die behaupteten Vorfälle vom 15. und 16.7.2005 nicht geeignet, ein Entziehungsverfahren durchzuführen bzw. eine Abmahnung auszusprechen. Zwar habe es eine Auseinandersetzung zwischen dem Antragsteller zu 1) und dem Miteigentümer gegeben. Diese sei jedoch nicht vom Antragsteller zu 1) provoziert worden, sondern auf Bedrohungen seitens des Miteigentümers zurückzuführen.
Die Antragsteller haben beantragt,
den Beschluss zu TOP 3 der Eigentümerversammlung vom 25.8.2005 für ungültig zu erklären.
Die Antragsgegner haben beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie haben die Auffassung vertreten, der Beschluss sei lediglich darauf zu überprüfen, ob er ordnungsgemäß gefasst worden und nicht darauf, ob die Abmahnung sachlich berechtigt sei. Deshalb könnten die Antragsteller mit dem Einwand nicht hinreichender Bestimmbarkeit im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Im Übrigen sei der Beschluss inhaltlich klar.
Das Amtsgericht hat den Antrag der Antragsteller zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Beschluss sei nicht für ungültig zu erklären, weil er unter keinem formellen Mangel leide. Er sei insbesondere bestimmt genug. Ein Abmahnungsbeschluss sei im Anfechtungsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob formelle Mängel vorliegen, nicht jedoch darauf, ob die Abmahnung materiell gerechtfertigt ist. Soweit es um gleichgelagerte Fälle gehe, könne die Formulierung naturgemäß nur allgemein gefasst sein. Dem Verwalter werde nicht in unzulässiger Weise statt den Eigentümern das Entscheidungsermessen übertragen. Soweit es in der 1. Alternative heiße "Wiederholungsfall" bzw. "zukünftig in gleichgelagerten Fällen" sei für einen unbefangenen und vernünftig denkenden Dritten genügend deutlich, was gemeint sei, nämlich dem Inhalt des § 18 Abs. 1 und 2 WEG entsprechend etwa Tätigkeiten und Beleidigungen, die es den anderen Wohnungseigentümern unzumutbar machten, mit dem betreffenden Eigentümer die Gemeinschaft fortzusetzen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Anfechtungsbegehren weiter und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag zur Bestimmtheit des angefochtenen Beschlusses, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit der zukünftigen Abmahnung durch den Verwalter.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Amtsgerichts Hannover aufzuheben und entsprechend dem Antrag vom 26.9.2005
1. den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 25.8.2005 zu TOP 3 1. Alternative für ungültig zu erklären;
2. den Antragsgegnern die Verfahrenskosten einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller aufzuerlegen.
Die Antragsgegner beantragen,
die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 28.12.2005 (71 II 493/05) zurückzuweisen
und den vorbezeichneten Beschluss des Amtsgerichts voll umfänglich aufrecht zu erhalten.
Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts unter vertiefter Begründung ihrer Auffassung, der Abmahnungsbeschluss weise keine formellen Mängel auf und sei insbesondere hinreichend bestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zwar zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das Amtsgericht hat den Anfechtungsantrag der Antragsteller zu Recht zurückgewiesen.
Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, dass es im vorliegenden Fall nicht darauf ankommt, ob die in der Vergangenheit liegenden Vorfälle eine Abmahnung rechtfertigen. Die Kammer teilt die Auffassung, dass ein Abmahnungsbeschluss im Anfechtungsverfahren nur darauf zu überprüfen ist, ob formelle Mängel vorliegen, nicht jedoch darauf, ob die Abmahnung materiell begründet ist (vgl. Bärmann-Pick-Merle, Wohnungseigentumsgesetz, 9. Auflage, § 18 Rdnr. 42; BayObLG NJW-RR 1996, 12). Denn für die Abmahnung kann nichts anderes gelten als für die Entziehung. Ob das Entziehungsverfahren nach § 18 WEG aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist, hat nämlich das nach § 51 WEG dafür zuständige Amtsgericht im Zivilprozess zu prüfen. Dieses hat dementsprechend auch über die Berechtigung der Abmahnung zu entscheiden (vgl. BayObLG a. a. O.).
Der angefochtene Beschluss ist entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht wegen nicht ausreichender Bestimmtheit für ungültig zu erklären. Er enthält zwei Ermächtigungen - nämlich die Ermächtigung, den Antragstellern wegen der in der Vergangenheit liegenden Vorfälle eine Abmahnung zu erteilen und ihnen für den Wiederholungsfall weitere rechtliche Schritte bis hin zur
Einleitung des Entziehungsverfahrens anzudrohen. Daneben umfasst er den Auftrag, die Interessen der Eigentümergemeinschaft in künftigen gleichgelagerten Fällen zu vertreten und gegenüber den Antragstellern im Wiederholungsfall erneut eine Abmahnung auszusprechen.
Beide Ermächtigungen sind hinreichend bestimmt:
Die in der zuerst genannten Ermächtigung für den Wiederholungsfall bezeichnete Androhung weiterer rechtlicher Schritte bis hin zur Einleitung des Entziehungsverfahrens ist nicht zu beanstanden. Denn mit den weiteren rechtlichen Schritten kann abgesehen von der Einleitung des Entziehungsverfahrens nur eine erneute Abmahnung gemeint sein, wie sie in der zweiten Ermächtigung beschrieben ist.
Auch gegen den mit dieser Ermächtigung erteilten Auftrag, im Wiederholungsfall erneut eine Abmahnung gegenüber den Antragstellern auszusprechen, bestehen keine Bedenken. Denn aus den vorangegangenen Ausführungen über Beleidigungen und Tätlichkeiten ergibt sich, welcher Sachverhalt mit dem Begriff "Wiederholungsfall" gemeint ist. Es widerspricht auch nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, dass die Eigentümergemeinschaft für solche Fälle bereits mit dem Beschluss vom 25.8.2005 eine erneute Abmahnung beschlossen und es damit dem Verwalter überlassen hat, festzustellen, ob ein Wiederholungsfall gegeben ist. Denn bei der Abmahnung handelt es sich lediglich um eine Vorstufe zur Entziehung. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat gegebenenfalls ohnehin durch gesonderten Beschluss darüber zu entscheiden, ob der Verwalter zu Recht einen Wiederholungsfall angenommen und daraufhin eine Abmahnung ausgesprochen hat und ob aufgrund dessen das Entziehungsverfahren eingeleitet werden soll. Im Hinblick darauf ist es nicht zu beanstanden, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft bereits vorsorglich eine Regelung für den Wiederholungsfall getroffen hat, die es ihr erspart, nach Eintritt eines solchen Falles einen weiteren Beschluss über eine erneute Abmahnung fassen zu müssen. Der Auftrag, die Eigentümergemeinschaft zukünftig in gleichgelagerten Fällen zu vertreten, ist auch bezüglich des davon erfassten Personenkreises ausreichend bestimmt. Denn er bezieht sich lediglich auf die im Wiederholungsfall auszusprechende erneute Abmahnung gegenüber dem
Antragstellern. Ein darüber hinausgehender Regelungsgehalt kommt ihm nicht zu. Das ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der TOP 3 der Einladung vom 13.8.2005 entsprechend nur Beschlussfassungen in Sachen betrifft.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, dass die unterlegenen Antragsteller die Gerichtskosten zu tragen haben. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten besteht kein Anlass, von dem im Wohnungseigentumsgesetz vorherrschenden Grundsatz abzuweichen, dass jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens entspricht demjenigen erster Instanz, der gemäß § 48 Abs. 3 WEG zutreffend auf 5.000,00 € festgesetzt worden ist.