Landgericht Hannover
Urt. v. 17.11.2006, Az.: 16 S 20/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 17.11.2006
- Aktenzeichen
- 16 S 20/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 43292
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2006:1117.16S20.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 20.02.2006 - AZ: 547 C 15625/05
- nachfolgend
- BGH - 22.06.2007 - AZ: V ZR 269/06
In dem Rechtsstreit
...
hat die 16. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2006 durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht ... und die Richterinnen am Landgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 20.2.2006 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Wegen des Tatbestandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. Hinsichtlich des Klagantrages zu 2 ist dieser dahingehend ergänzt worden, dass der hilfsweise gestellte Zug-um-Zug-Antrag gegen Zahlung an die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtberechtigte, hilfsweise als Mitgläubiger lautet.
II.
Das Urteil des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden. Doppelte Rechtshängigkeit liegt nicht vor aus den vom Amtsgericht ausgeführten Erwägungen.
Auch die Kammer ist der Auffassung, dass den Klägern kein Vorkaufsrecht nach § 577 BGB zusteht. Das Vorkaufsrecht der Mieter gilt nach herrschender Meinung grundsätzlich nur für den ersten Verkaufsfall nach Umwandlung in Wohnungseigentum. Es soll die spekulative Verdrängung des Mieters aus der Wohnung durch den Vermieter im Zuge der Umwandlung in Eigentumswohnungen verhindern. Eine solche Gefahr sieht der Gesetzgeber bei einem Verkauf des Vermieters an Familienangehörige und Personen, die zum Hausstand des Vermieters gehören, nicht. Deshalb ist bei einem Verkauf an diese das Vorkaufsrecht ausdrücklich ausgeschlossen. Nicht Voraussetzung ist, dass diese Personen das Kaufobjekt selbst nutzen.
Da § 577 BGB eine erhebliche Einschränkung der grundgesetzlich geschützten Verfügungsfreiheit des Eigentümers über sein Eigentum enthält, ist die Vorschrift hiesigen Erachtens eng auszulegen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber einerseits ausdrücklich den Verkauf an zwei bestimmte Personengruppen von dieser Einschränkung ausgenommen hat, aber bei einem Weiterverkauf der Wohnung durch diese privilegierte Personengruppe das Vorkaufsrecht der Mieter auf diesen Weiterverkaufsfall ausdehnen wollte, Denn dieser Weiterverkauf steht nicht im Zusammenhang mit der Umwandlung in Eigentumswohnungen. Vielmehr hat in diesem Fall der neue Eigentümer die Wohnung bereits als Eigentumswohnung erworben. Ihm gegenüber ist der Mieter genauso zu stellen, wie jeder andere Mieter, der eine bereits bestehende Eigentumswohnung erwirbt. Eine Einschränkung der Verfügungsbefugnis der ausdrücklich gegenüber dem Mietervorkaufsrecht privilegierten Personengruppe der Familien oder Hausstandsangehörigen dahingehend, dass diese nach Eigentumserwerb nunmehr mit dem Vorkaufsrecht bei einem, beabsichtigten Weiterverkauf belastet sein sollten, ist der Regelung des § 577 BGB nicht zu entnehmen. Dass Missbrauchsfälle im Rahmen des Verkaufs an die privilegierten Personengruppen des § 577 BGB möglich sind, rechtfertigt es nicht, diese Vorschrift generell auszudehnen dahingehend, dass als erster Verkaufsfall nur der Verkauf an einen nicht zur privilegierten Personengruppe gehörenden Käufer anzusehen ist. Hinsichtlich dieser Personengruppe hat der Gesetzgeber gerade nicht angeordnet, dass diese nur dann privilegiert sein sollten, wenn sie die Wohnung selbst nutzen und behalten.
Ein Missbrauchstatbestand liegt nach Auffassung der Kammer im Falle des Verkaufs durch den Vermieter an den Beklagten zu 1) und von diesem an die Beklagte zu 2) nicht vor. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Vermieter und ursprüngliche Eigentümer, der Sohn des Beklagten zu 1), im kollusiven Zusammenwirken mit den Beklagten von vornherein beabsichtigt hatte, die Eigentumswohnung nur an seinen Vater, den Beklagten zu 1), zu verkaufen, um das Vorkaufsrecht der Kläger zu umgehen und dann unter Einschaltung des Beklagten zu 1) quasi als Strohmann die Wohnung an die Beklagte zu 2) verkaufen zu lassen. Dass der Beklagte zu 1) die Wohnung relativ kurzfristig nach Eigentumserwerb weiterverkauft hat, ist ihm nicht vorzuwerfen. Zum einen war er, um die Privilegierung des § 577 BGB in Anspruch zu nehmen, nicht verpflichtet, die Wohnung für sich selbst zu nutzen, und des Weiteren war Zwangsverwaltung über diese und über die gesamte Eigentumswohnungsanlage bereits angeordnet worden, was diese für den Beklagten zu 1.) und seinen Sohn als Spekulationsobjekt ungeeignet machte.
Dass der Beklagte zu 1) versuchte, mit Zustimmung der betreibenden Gläubigerin, der Dresdner Bank, die Wohnung freihändig möglichst gut zu verkaufen, hat nichts mit kollusivem Zusammenwirken zwischen dem Vermieter und den Beklagten zwecks Aushebelung des Vorkaufsrechts der Kläger zu tun.
Im Übrigen ständen den Klägern die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagten auch dann nicht zu, wenn man ein Vorkaufsrecht der Kläger für den zweiten Verkaufsfall bejahen würde. Denn unstreitig ist zu Gunsten der Beklagten zu 2) eine Auflassungsvormerkung vor der Eintragung der Auflassungsvormerkung zu Gunsten der Kläger im Grundbuch eingetragen. Da das Vorkaufsrecht nach § 577 BGB keine dingliche, sondern lediglich schuldrechtliche Wirkung hat, kann dieser Anspruch der Kläger allerdings nicht gegen den Willen des Dritten durchgesetzt werden, wenn der Dritte bereits im Grundbuch eingetragen ist oder wenn zu seinen Gunsten eine Auflassungsvormerkung besteht. In einem solchen Fall kann der Mieter den Vermieter, hier den Beklagten zu 1), lediglich auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Denn die zuvor eingetragene Vormerkung zu Gunsten des Erwerbers - hier der Beklagten zu 2) - ist vorrangig (§ 883 Abs. 2 BGB). Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise zusammengewirkt hätten, um das Vorkaufsrecht des Mieters zu vereiteln. Hierfür sind keine konkreten Umstände vorgetragen und ersichtlich. Was die Beklagte zu 2)
nach Abschluss des Kaufvertrages mit einem Dritten, der Gläubigerin, der Dresdner Bank, vereinbart hat, ist für die Frage, ob der Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) kollusiv zusammengewirkt haben zum Nachteil der Kläger, unerheblich.
Die einstweilige Verfügung in dem Verfahren 17 S 78/04 LG Hannover ist deshalb zu Unrecht ergangen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob der Mieter bei einem Weiterverkauf durch einen Angehörigen der nach § 577 BGB privilegierten Personengruppe an einen Dritten diesem sein Vorkaufsrecht entgegenhalten kann, von grundsätzlicher Bedeutung ist und bisher, soweit ersichtlich, in höchstrichterlicher Rechtsprechung noch, nicht entschieden worden ist.