Landgericht Hannover
Urt. v. 31.01.2006, Az.: 18 O 219/05

Aufgabegewinn; Belehrungsbedürftigkeit; Beratungspflicht; Beratungsvertrag; Betriebsvermögen; Dauermandat; Gemeinschaftspraxis; Gesetzgebungsvorhaben; Gestaltungsmöglichkeiten; Haftung; Hinweispflicht; positive Vertragsverletzung; Praxisübernahmevertrag; Steuerberater; Steuerberatungsmandat; Steuerberatungsvertrag; Steuerersparnis; Steuerfreibetrag; Steuergesetzgebung; Tierarztpraxis

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
31.01.2006
Aktenzeichen
18 O 219/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53169
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Der Kläger verlangt von der Beklagten, einer Steuerberatungsgesellschaft, Schadensersatz aus einer behaupteten fehlerhaften steuerlichen Beratung hinsichtlich des Ausscheidens des Klägers aus einer Gemeinschaftspraxis . Der Kläger war bis zu seinem Ausscheiden zum 31.3.2000 praktischer Tierarzt in der Gemeinschaftspraxis Dr. und Dr. GbR, deren Gesellschafter der Kläger wie sein Schwager Dr. J. und dessen Ehefrau waren. Der Steuerberater und Zeuge H. war seit 1999 für die privaten Steuerangelegenheiten des Klägers wie für die steuerlichen Angelegenheiten der Gemeinschaftspraxis der zuständige Steuerberater auf Seiten der Beklagten.

2

Der am 18.2.1946 geborene Kläger teilte dem Zeugen Dr. J. Ende November 1999 mit, seine Tätigkeit als praktischer Tierarzt aufgeben und dementsprechend aus der Gemeinschaftspraxis ausscheiden zu wollen. Am selben Tage fand ein zuvor vereinbartes Gespräch des Ehepaares Dr. J. mit dem Steuerberater H. statt, in dem u. a. die steuerrechtliche Situation für das Jahr 1999 erörtert werden sollte. Das Ehepaar J. teilte dem Steuerberater mit, dass ihr Schwager beabsichtige, aus der Gemeinschaftspraxis auszuscheiden. Der genaue Inhalt des Gespräches ist hierbei zwischen den Parteien streitig, insbesondere ob der Steuerberater den Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers zum 31.3.2000 von sich aus vorschlug. Der Steuerberater stellte im Folgenden dem Kläger sowie dem Ehepaar Dr. J. einen vorformulierten Praxisübernahmevertrag zur Verfügung und wies u.a. darauf hin, dass hinsichtlich der von dem Kläger sowie dem Ehepaar Dr. J. geführten Apotheke eine Inventarisierung vorzunehmen sei. Als Kaufpreis wurde zwischen dem Kläger und dem Ehepaar Dr. J. ein Betrag von 120.000,00 DM vereinbart, wobei die Medikamente lt. Inventar zusätzlich vergütet werden sollten. Der Kläger schied somit zum 31.3.2000 im Alter von 54 Jahren aus der Gemeinschaftspraxis aus. Auf Bitten des Steuerberaters veranlasste der Kläger ein Gutachten zur Ermittlung des Zeitwertes des Gebäudes seiner Tierarztpraxis in B.. Der Sachverständige ermittelte hierbei in seinem Gutachten vom 24.9.2001 (Bl. 75 d. A.) einen Zeitwert des Gebäudes der Tierarztpraxis von 97.497,00 DM. Darüber hinaus wurde das Fahrzeug des Klägers zum 31.3.2000 vom Autohaus M. mit Schreiben vom 12. Juli 2000 auf einen Wert von 12.000,00 DM geschätzt (Bl. 76 d. A.). Im Rahmen einer Außenprüfung des Finanzamtes wurden die vom Kläger angegebenen Werte hinsichtlich des Aufgabegewinns überprüft. Hierbei wurde festgestellt, dass seinerzeit ein weit größerer Anteil des Gebäudes ins Betriebsvermögen überführt worden war, als im Gutachten zugrunde gelegt. Dies führte zu einer erheblich höheren Einkommensteuer des Klägers, der insgesamt über 44.000,00 € nachzahlen musste (Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000, Bl. 47 d. A.). Der Kläger ließ daraufhin die Steuerbescheide von einem anderen Steuerberater überprüfen, der feststellte, dass vorliegend der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG in Höhe von 60.000 DM nicht geltend gemacht worden war, da der Kläger vor Vollendung seines 55. Lebensjahres aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden war. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass sofern der Kläger mit Vollendung des 55. Lebensjahres aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden wäre, sich eine Belastungsminderung in Höhe von 117.675,81 DM (60.166,69 €) ergeben hätte, die der Kläger mit der vorliegenden Klage als Schadensersatz von der Beklagten verlangt. Die hohe Belastungsminderung beruht hierbei im Wesentlichen auf dem Steuersenkungsergänzungsgesetz vom 19.12.2000, das den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG von 60.000,00 DM auf 100.000,00 DM erhöht sowie den im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2001 vom 24.3.1999 abgeschafften halben Steuersatz für Veräußerungsgewinne wieder einführte.

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Der Kläger, der nebenberuflich geringfügig bis zum 31.3.2000 als Fleischbeschauer tätig war, nahm diese Tätigkeit nach Austritt aus der Gemeinschaftspraxis weiter wahr und ist seitdem vollberuflich als Fleischbeschauer beschäftigt.

4

Der Kläger behauptet, der Steuerberater H. sei beauftragt worden, den steuerlich günstigsten Zeitpunkt zum Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis zu ermitteln. Der Steuerberater habe daraufhin den 31. März 2000 als günstigsten Zeitpunkt angegeben und dies noch einmal in einem Telefonat im Januar 2000 dem Kläger gegenüber persönlich bestätigt.

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Der Kläger ist der Ansicht, dass der Steuerberater H. ihn auf den Freibetrag in Höhe von 60.000,00 DM beim Ausscheiden mit Vollendung des 55. Lebensjahres hätte hinweisen müssen. Darüber hinaus hätte der Steuerberater darauf hinweisen müssen, dass eine Änderung der Freibeträge diskutiert werde, zumal von Seiten der Wirtschaftsverbände eine solche Reform verlangt worden sei. Spätestens als die damalige Oppositions-Fraktion der CDU/CSU am 15.2.2000 einen Antrag zur Steuerreform (Drucksache 14/2688, Bl. 128 d. A.) in den Bundestag eingebracht hatte, hätte für den Steuerberater Veranlassung bestanden, den Kläger auf eine mögliche Änderung der Steuergesetzgebung zu seinen Gunsten im Jahre 2001 hinzuweisen. Der Kläger behauptet, dass er sich bei entsprechendem Hinweis des Steuerberaters beratungskonform verhalten hätte und ein weiteres Jahr in der Tierarztpraxis tätig gewesen wäre.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 60.166,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.8.2004 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie behauptet, im Rahmen der mit dem Kläger bzw. den Eheleuten Dr. J. geführten Gespräche sei der Steuerberater H. zu keinem Zeitpunkt daraufhin angesprochen worden, den steuerlich günstigsten Zeitpunkt zum Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis für den Kläger zu ermitteln. Der Steuerberater H. habe der Gemeinschaftspraxis allein aus Gefälligkeit den Praxisübernahmevertrag zukommen lassen. Da der Kläger fest entschlossen gewesen sei, seine Tätigkeit als praktischer Tierarzt aufzugeben, habe eine Verpflichtung zum Hinweis auf den Freibetrag von vornherein nicht bestanden. Darüber hinaus habe es für den Steuerberater H. keinerlei Anhaltspunkte gegeben schon zum damaligen Zeitpunkt auf die mögliche Gesetzesänderung hinzuweisen. Schließlich hätten die vom Kläger eingeholten Bewertungsgutachten auch zu keinem derart hohen Veräußerungsgewinn geführt, dass Anlass bestanden hätte auf den Freibetrag hinzuweisen. Dass das Finanzamt im Rahmen einer Außenprüfung schließlich eine anderweitige Bewertung vorgenommen habe, könne dem Steuerberater nicht angelastet werden.

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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dr. J. und Frau Dr. J. sowie des Steuerberaters H. über den Inhalt der Besprechungen im November 1999 und in den folgenden Monaten hinsichtlich des Ausscheidens des Klägers aus der Tierarztpraxis Dr. und Dr. GbR. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 5. Dezember 2005 (Bl. 220 ff. d. A.) verwiesen.

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Bzgl. des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte hinsichtlich seines Ausscheidens aus der Gemeinschaftspraxis Dr. und Dr. GbR zu.

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I. Die Beklagte hat ihre Pflichten aus dem Steuerberatungsvertrag nicht schuldhaft verletzt.

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Unstreitig bestand zwischen den Parteien vorliegend ein Steuerberatungsvertrag. Im Rahmen eines solchen Vertrages hat der Steuerberater seinen Mandanten, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen hat, umfassend zu beraten und ihn auch ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Insbesondere muss der Steuerberater seinen Auftraggeber möglichst vor Schaden bewahren; deswegen muss er den nach den Umständen sichersten Weg zu dem erstrebten steuerlichen Ziel aufzeigen und sachgerecht Vorschläge zu dessen Verwirklichung unterbreiten (BGH Urteil vom 18. Dez. 1997, WM 1998, 301ff [BGH 18.12.1997 - IX ZR 153/96]). Dies beinhaltet auch, dass der Steuerberater auf in Presse und Fachzeitschriften angesprochenen Gesetzesvorhaben, die für den Mandanten zu steuerlich günstigeren Gestaltungsmöglichkeiten führen können, hinweisen muss (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10 Dez. 1998, GI 2000, 67 ff). Diese Verpflichtungen hat der Steuerberater H. vorliegend jedoch nicht verletzt.

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1) Dass der Steuerberater H ausdrücklich beauftragt war, für den Kläger, der durch die Eheleute Dr. J. vertreten wurde, den zum Ausscheiden günstigsten steuerrechtlichen Zeitpunkt zu bestimmen, hat der Kläger nicht beweisen können. Die Eheleute Dr. J. haben weder bestätigen können, dass sie von dem Kläger beauftragt wurden, den Steuerberater entsprechend zu befragen, noch dass sie den Steuerberater H. einen entsprechenden Auftrag übermittelt haben. Die Zeugin Dr. J. hat zwar bestätigt, dass der Steuerberater H. die steuerrechtlichen Folgen des Ausscheidens abwickeln sollte. Ihren eigenen Bekundungen nach ging es ihr aber im wesentlichen darum, ob ein schriftlicher oder mündlicher Auflösungsvertrag geschlossen werden und wie die Abwicklung der Gelder im Einzelnen geregelt werden sollte. Der Zeuge Dr. J, der direkt mit dem Kläger über dessen Ausscheiden sprach, hat ausgesagt, dass der Kläger vorhatte, so schnell wie möglich aus der Praxis auszuscheiden. Einen steuerrechtlichen Vorbehalt hat der Kläger nach Aussage des Zeugen J. in dem mit ihm geführten Gespräch nicht gemacht. Vielmehr hat der Zeuge bekundet, dass der Kläger schon zum Ende des Jahres 1999 aus der Gemeinschaftspraxis habe ausscheiden wollen, was bei dem Zeugen auf Bedenken stieß. Nach Angaben des Zeugen wurde zwar vom Steuerberater der 1.4.2000 als nächstmöglicher Termin zum Ausscheiden genannt. Steuerrechtliche Erwägungen hinsichtlich des Veräußerungserlöses hätten hierbei aber keine Rolle gespielt und seien auch von den Zeugen nicht an den Steuerberater herangetragen worden.

18

Die Beweisaufnahme hat darüber hinaus auch nicht ergeben, dass im Rahmen des Telefonates im Januar 2000 noch einmal über den steuerlich günstigsten Zeitpunkt zum Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis gesprochen wurde. Vielmehr sind nach Angaben des Zeugen J. nur die steuerlichen Folgen der Auszahlung des Geschäftsanteils erörtert worden. Auch der Kläger hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung nur betätigt, dass er den Steuerberater H. über die steuerrechtlichen Konsequenzen des Ausscheidens befragt habe, nicht aber danach, ob ein anderer Zeitpunkt zum Ausscheiden steuerrechtlich günstiger sei.

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2) Ein Steuerberater ist zwar auch ohne ausdrücklichen Auftrag grundsätzlich verpflichtet von sich aus auf steuerrechtliche Folgen und etwaige vorteilhafte Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, um seinen Mandanten in die Lage zu versetzen eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Eine solche Verpflichtung ergab sich vorliegend jedoch bei Berücksichtigung der konkreten Abläufe und steuerlich vorhersehbaren Auswirkungen für den Steuerberater H. nicht.

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a) Der Steuerberater war nicht verpflichtet, den Kläger auf den Freibetrag mit Vollendung des 55. Lebensjahres hinzuweisen. Entscheidend ist hierbei, dass eine Verpflichtung zum Hinweis auf den zur damaligen Zeit geltenden Freibetrag überhaupt nur in Höhe von 60.000,00 DM in Betracht kam. Ein solcher Hinweis war aber bei Berücksichtigung des Gesamterlöses und der vom Kläger getroffenen Entscheidung mit 53 Jahren möglichst umgehend auszuscheiden nicht erforderlich. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung eines 53-Jährigen seine berufliche Tätigkeit aufzugeben, in der Regel eine sehr persönliche Entscheidung ist, die, wie es die Zeugen Dr. J. beide bestätigt haben, für den Kläger definitiv fest stand, und nicht von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten beeinflusst war. Hierbei geht das Gericht davon aus, dass die Verpflichtung des Steuerberaters zu einem Hinweis desto stärker sein wird, je näher der Zeitpunkt des vollendeten 55. Lebensjahres ist und je gravierender die steuerrechtlichen Folgen sind. So wird ein Steuerberater einen 50 jährigen kaum ernsthaft auf den Freibetrag eines 56 jährigen hinweisen müssen, sofern die steuerrechtlichen Folgen nicht erheblich sind. In diesen Fällen sprechen nämlich die für den Steuerberater erkennbaren Gesamtumstände derart gegen ein „beratungskonformes Verhalten“, so dass ohne entsprechenden expliziten Auftrag keine Aufklärung im Rahmen des Steuerberatungsmandats verlangt werden kann.

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Die steuerrechtlichen Folgen des Ausscheidens waren vorliegend bei Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht derart gravierend, als dass der Steuerberater H. verpflichtet gewesen wäre, die persönliche Entscheidung des Klägers unter steuerrechtlichen Aspekten von sich aus in Frage zu stellen und ein Verbleiben des Klägers für ein Jahr in der Praxis mit ihm zu erörtern.

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Der zur damaligen Zeit bestehende Steuerfreibetrag von 60.000,00 DM führte nach Angaben des Klägers zu einer Steuerersparnis von DM 36.340,69, wobei das Gericht in Übereinstimmung mit dem Kläger davon ausgeht, dass der Steuerberater H. insoweit verpflichtet gewesen wäre, die genauen Werte beim Ausscheiden annähernd zu ermitteln. Dies hätte dazu geführt, dass der Steuerfreibetrag bei einem Aufschub von einem Jahr vorliegend vollständig hätte geltend gemacht werden können.

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Dieser Steuerersparnis stand finanziell der zwischen den Gesellschaftern vereinbarte Erlös von 120.000,00 DM zzgl. der Beteiligung an der Apotheke gegenüber. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass auch bei einem höheren Aufgabegewinn des Klägers immer nur der Freibetrag in Höhe von 60.000 DM mit einer Steuerersparnis von ca. 36.340,69 DM in Betracht kam, da diese Steuerersparnis dem damaligen Spitzensteuersatz entsprach. Hinzu kommt vorliegend, dass für den Steuerberater H. ersichtlich die Lebensdisposition des Klägers im Vordergrund stand und nicht, wie ansonsten in der Regel bei steuerrechtlichen Mandaten, die Frage, wie sich ein gewünschtes Ergebnis möglichst optimal steuerrechtlich gestalten lässt. Diese wird nach außen hin auch durch den Umstand verdeutlicht, dass der Kläger im November 1999 nicht direkt bei dem Gespräch zugegen war, sondern über seinen Schwager mitteilen ließ, so schnell wie möglich aus der Gemeinschaftspraxis ausscheiden zu wollen. Diese Vorgehensweise lässt bei einen objektiven Dritten den Eindruck zurück, dass die Entscheidung für den Kläger feststand und durch einen finanziellen Freibetrag von 60.000 DM nicht ein Jahr lang aufgeschoben werden würde.

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b) Eine Verpflichtung auf die mögliche Gesetzesänderung hinzuweisen, die später zu einem erheblich höheren Freibetrag geführt hat, bestand für den Steuerberater nicht. Zwar ist ein Steuerberater bei einem steuerrechtlichen Dauermandat verpflichtet, seinen Mandanten über absehbare künftige Gesetzesänderungen zu belehren ( siehe hierzu OLG Celle Urteil vom 10. Januar 2001, juris doc KORE412672001); eine solche absehbare künftige Gesetzesänderung hat der Kläger aber nicht darlegen können.

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Zweck der Steuerberatung ist es, die dem Auftraggeber fehlende Sach- und Rechtskenntnis auf diesem Gebiet zu ersetzen. Die pflichtgemäße Steuerberatung verlangt daher sachgerechte Hinweise über die Art, die Größe und die mögliche Höhe eines Steuerrisikos, um den Auftraggeber in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen wahren und eine Fehlentscheidung vermeiden zu können (BGHZ 129, 386, BGH Urteil vom 20.10.2005 WM 2005, 2345 ff.). Dagegen ist ein allgemeines Steuerrisiko zu vernachlässigen, wenn die interessengerechte Gestaltung durch eine gefestigte Rechtsprechung und Verwaltungspraxis abgesichert ist, ohne dass bereits Anzeichen für eine Änderung dieser Rechtsauffassung oder des zugrunde liegenden Gesetzes erkennbar sind (ebenda). Solche konkreten Anzeichen für eine Gesetzesänderung waren vorliegend für den Steuerberater nicht erkennbar.

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Zwar ergibt sich aus den vom Kläger vorgelegten Presseberichten, dass die Aufhebung des hälftigen Steuersatzes durch das Steuerentlastungsgesetz 1999 in der Fachwelt heftig kritisiert wurde und eine Rückkehr zur früheren Rechtslage verlangt wurde. Dies gebietet jedoch einem Steuerberater noch nicht, auf die Möglichkeiten von Gesetzesänderungen im Rahmen einer Beratung hinzuweisen, solange nicht konkrete Aussagen von politisch Verantwortlichen vorliegen, die zumindest eine Realisierbarkeit eines Gesetzesvorhabens in naher Zukunft für nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen. Ohne solche konkreten Anhaltspunkte würde sich die Hinweispflicht eines Steuerberaters auf Gesetzesänderungen geradezu uferlos ausweiten, da kaum ein Rechtsgebiet laufend mit so vielen Änderungsvorschlägen konfrontiert ist, wie das Steuerrecht. Auch der Antrag der Oppositions-Fraktion im Frühjahr 2000 begründet keine Beratungspflicht hinsichtlich des möglichen und später tatsächlich geltenden hälftigen Steuersatzes.

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II. Darüber hinaus liegen schließlich aus den oben genannten Gründen auch die Voraussetzungen, bei denen ein beratungskonformes Verhalten angenommen wird, nicht vor. Sofern nämlich ein atypisches Verhalten des Mandanten feststeht, besteht kein Anscheinsbeweis zugunsten des Mandanten, dass er sich beratungskonform verhalten hätte (BGH Urteil vom 30.9.1993, BGHZ 123,311 ). Der Kläger hat seinen Entschluss auszuscheiden dem Zeugen Dr. J. ohne Wenn und Aber mitgeteilt und nach Angaben des Zeugen J. darüber hinaus schnellstmöglichst seine praktische Tierarzttätigkeit aufgeben wollen, wobei allein persönliche Gründe ausschlaggebend waren, mithin keine finanziellen Erwägungen. Insoweit ist der Kläger beweispflichtig dafür, dass er bei Mitteilung des Steuerberaters über den Freibetrag von 60.000 DM auch noch ein Jahr lang länger in der Praxis verblieben wäre. Aufgrund der fehlenden Pflichtverletzung aus dem Steuerberatervertrag, kam es hierauf aber letztlich nicht mehr an.

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III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.