Landgericht Hannover
Urt. v. 16.05.2006, Az.: 26 O 130/05
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 16.05.2006
- Aktenzeichen
- 26 O 130/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 43290
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2006:0516.26O130.05.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - 21.12.2006 - AZ: 13 U 118/06
- BGH - 09.07.2009 - AZ: I ZR 13/07
Fundstelle
- WRP 2007, 107-109 (Volltext mit amtl. LS) "Direktvertrieb von Sehhilfen durch Augenärzte"
In dem Rechtsstreit
.........
hat die 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2006 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Warda,
den Handelsrichter Flemming und
den Handelsrichter Steinberg
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet mit der Aussage "Brillen ... Individualanpassung nach Bedarf" im Rahmen seines Leistungskataloges zu werben und/oder Patienten im Zusammenhang mit einer von ihm durchgeführten Refraktion den Abschluss eines Liefervertrages über eine Brille der ...GbR zu vermitteln und/oder die Brillenanpassung selbst oder durch eine seiner Arzthelferinnen durchzuführen und die von der ... GbR angefertigte Brille an den Patienten abzugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung und Hinterlegung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, eine von ihr zu erbringende Sicherheit durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft des Bankhauses Gebrüder Bethmann zu leisten.
Tatbestand
Die Klägerin ist die ...zu deren Mitgliedern u.a. die Industrie- und Handelskammer und insbesondere über diese auch eine große Anzahl von Gewerbetreibenden gehören, die Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie der Beklagte anbieten.
Die Klagebefugnis der Klägerin ist unter den Parteien nicht im Streit.
Der Beklagte ist Augenarzt ...
Der Beklagte warb im Internet auf seiner Homepage www....de unter der Rubrik Leistungen: "Brillen ... individuelle Anpassung nach Bedarf" (vgl. Anlage K1).
Der Beklagte hielt in seiner Praxis ca. 60 Musterbrillenfassungen aus dem Bestand der Firma ... GmbH vor, die er nach eigener ärztlicher Untersuchung Patienten durch sein Praxispersonal zum Erwerb über die Firma ... GbR anbot.
Nach Auswahl des Patienten einer entsprechenden Fassung ließ er die entsprechenden Daten der Fassung zusammen mit der augenärztlichen Verordnung an die Firma ... per Fax übermitteln, die die Brille technisch fertigte, wobei die Brille dann entweder durch die Firma ... GbR (Sitz: ...) an den Patienten selbst geschickt wurde, oder an den Beklagten, bei dem sich die Patienten die Brille abholen konnten und ggf. noch durch das Praxispersonal anpassen lassen konnten.
Streitig ist unter den Parteien, ob der Beklagte allen Patienten die oben aufgeführte Leistung anbot, oder ob der Beklagte ein solches Angebot nur bei Patienten abgab, bei denen er eine medizinisch indizierte Notwendigkeit sah, um einen solchen (verkürzten) Versorgungsweg zu wählen.
Mit Abmahnschreiben vom 30.06.2005 beanstandete die Klägerin die Vorgehensweise des Beklagten zum einen als eine nach § 34 V der Musterberufsordnung für Ärztinnen und Ärzte (MBO) unzulässige Zuweisung von Patienten an das Augenoptikunternehmen ...zur Erbringung der augenoptisch handwerklichen Leistungen. Ferner rügte sie die Verletzung des Trennungsgebots des § 3 Abs. 2 MBO sowie ein Verstoß gegen die §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 1 Handwerksordnung, da der Beklagte wesentliche Teiltätigkeiten des Augenoptikerhandwerks bewerbe und durchführe, ohne für dieses Handwerk in der Handwerksrolle eingetragen zu sein, das Publikum werde zudem über die betrieblichen Verhältnisse des Beklagten im Sinne des § 5 Abs. 2 UWG irregeführt.
Die Klägerin forderte den Beklagten auf, sich bis spätestens zum 08.07.2005 strafbewehrt zur Unterlassung dieses in mehrfacher Hinsicht nach ihrer Ansicht wettbewerbswidrigen Handelns zu verpflichten. Der Beklagte ließ mit Schreiben vom 08.07.2005 durch seinen Prozessbevollmächtigten mitteilen, dass er eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgeben Und den Aufwendungsersatz nicht zahlen werde. Nach seiner Auffassung verstoße seine Vorgehensweise nicht gegen § 34 V der MBO, da er seine Patienten im Behandlungsgespräch darauf hinweise, dass sie ihre Brille entweder bei einem ortsansässigen Augenoptiker oder auf dem verkürzten Versorgungswege bei ihm erhalten könnten. Im Übrigen gebe es für eine Zuweisung zur ... Optik einen hinreichenden Grund, da die Art der angebotenen Versorgung insbesondere für Gehbehinderte und ältere Patienten sinnvoll sei. Auch sei § 3 II MBO nach Ansicht des Beklagten nicht verletzt, weil der Patient die freie Wahl habe, sich die Brille von der ... Optik direkt nach Hause liefern zu lassen oder diese die Brille innerhalb der Praxis beim Beklagten abholten. Die Brille sei anatomisch für den Patienten von ... Optik vorangepasst, bei der Abholung in der Praxis des Beklagten werde ihr korrekter Sitz lediglich kontrolliert und notfalls korrigiert, wobei die Augenoptiker ... jederzeit telefonisch zur Verfügung stünden.
Die Klägerin hält diesen so genannten verkürzten Versorgungsweg für wettbewerbswidrig und hat beantragt,
wie erkannt.
Der Beklagte hat nach angekündigtem allgemeinen Klagabweisungsantrag in der mündlichen Verhandlung erklärt, er erkenne an, es zu unterlassen, im Internet mit der Aussage "Brillen ... Individualanpassung nach Bedarf" zu werben, und beantragt im Übrigen,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, er biete den Erwerb von Brillen durch die Firma ... GbR nur solchen Patienten an, bei denen eine medizinische Indikation in der Weise vorliege, dass die Fertigung der Brille durch die Firma ... Optik eine optimale medizinische Versorgung bezogen auf das individuelle Gebrechen des Patienten darstelle, wobei er Einzelfälle darlegt, auf deren Darstellung im Schriftsatz vom 28.03.2006 Bezug genommen wird. Der Beklagte hält den gewählten Versorgungsweg weder für wettbewerbswidrig noch sieht er in seinem Handeln einen Verstoß gegen berufsrechtliche Vorschriften.
Wegen des übrigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Nachdem der Beklagte anerkannt hat, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Internet mit der Aussage "Brillen ... Individualanpassung nach Bedarf" zu werben, ist nur noch im Streit zwischen den Parteien, ob der Beklagte Patienten im Zusammenhang mit einer von ihm durchgeführten Refraktion den Abschluss eines Liefervertrages über eine Brille der ...GbR zu vermitteln und/oder die Brillenanpassung selbst oder durch eine seiner Arzthelferinnen durchführen zu lassen und die von der ...GbR angefertigte Brille an den Patienten abzugeben.
Dies ist dem Beklagten zu untersagen, weil er mit der Vorhaltung eines Vorrates von Musterbrillen, der Zuweisung von Patienten an das Augenoptikunternehmen ... unter Erbringung von augenoptisch handwerklichen Leistungen wettbewerbswidrig gem. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 34 V, 3 II Musterberufsordnung für Ärztinnen und Ärzte (MBO) sowie § 1 Handwerksordnung handelt.
Dazu gilt im Einzelnen:
Der Beklagte verkennt nicht, dass ein allgemeiner Hinweis an jeden von ihm behandelten Patienten, er könne sich gleich bei ihm eine Fassung aus dem vorrätig gehaltenen Bestand an Brillen aussuchen, die von der Firma ... dann fertig gestellt würden und an den Patienten - möglicherweise durch ihn - ausgehändigt würden, ein Verstoß sowohl gegen §§ 34 V der MBO darstellt, wie auch durch dieses Verhalten das Trennungsgebot des § 3 II MBO verletzt ist, wonach es Ärzten untersagt ist, im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter ihrer Mitwirkung abgeben zu lassen, soweit nicht die Abgabe des Produktes wegen dessen Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist. Diese Rechtsauffassung des Beklagten ist auch nach Ansicht der erkennenden Kammer, die sich insofern auch in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der Klägerin befindet, aus Rechtsgründen zutreffend.
Entscheidend für den Ausgang des Rechtsstreites ist es indessen, ob der Beklagte mit seiner insbesondere im Schriftsatz vom 28.03. geäußerten Rechtsverteidigung, er beschränke die Vermittlung von Patienten an die ... GbR nur auf Patienten, bei denen hierfür unmittelbar auf dem Gebiet der Medizin liegende Vorteile sprächen, Erfolg hat. Soweit der Beklagte geltend gemacht hat (vgl. dazu Schriftsatz vom 28.03.06, Ziffer 1 lit. a)), bei verschiedenen Augenerkrankungen reiche das augenärztliche Hintergrundwissen der Optiker nicht aus, um aus dem Verordnungstext auf der von ihm geschriebenen ärztlichen Verordnung zu einer sachgerechten Umsetzung durch die Anfertigung einer therapeutisch wirksamen Brille zu gelangen, die eigentlich vermeidbare Brillenunverträglichkeiten vermeiden können, ist sein Einwand unbegründet. Der Beklagte führt dazu nämlich nur aus, die Unsicherheit des Therapieerfolges werde durch die Vermittlung an die ... GbR ausgeschlossen. Das entbehrt allerdings jeglicher Substanz. Der Beklagte erklärt nicht, wieso gerade die Firma ... GbR in der Lage sein sollte - anders als beliebige andere Augenoptiker -, seine Verordnung bestmöglich interpretieren zu können. Eine solche Erklärung wäre allerdings schon deswegen notwendig gewesen, weil unstreitig ist, dass die vermittelten Patienten nicht persönlich bei der Firma ... GbR vorstellig werden (weil diese Firma ca. 3 1/2 Reisestunden vom Sitz des Beklagten entfernt liegt) und es nach der persönlichen Erfahrung der Kammer auf der Hand liegt, dass gerade bei schwierigen Anpassungsverhältnissen der persönliche Eindruck des Patienten durch den Optiker entscheidend mit zum therapeutischen Erfolg beitragen kann. Missinterpretationen durch die - anderen - Optiker kann der Beklagte dadurch entgegenwirken, dass er in der Verordnung (vgl. dazu Anlage B3) unter der Rubrik "Diagnose/Begründung" ausführliche Hinweise geben kann, die er auch auf der Rückseite der Verordnung (ob da genug Platz dafür sein dürfte) noch vertiefend darstellen kann, wenn ihm das therapeutisch angezeigt sein sollte.
Dasselbe gilt, soweit der Beklagte geltend macht, er verweise Patienten, bei denen es bereits zu einer Astenophie gekommen sei, bei Augen-/Kopfschmerzen und bei schlechten Erfahrungen mit anderen Optikern (Schriftsatz vom 28.03.06, Ziffer 1 lit. b) und c)) an die ... GbR.
Warum der Beklagte gerade durch die Vermittlung an die ... GbR in diesen Fällen Komplikationen ausschließen will, erklärt er sachlich nicht mit einem Wort. Die pauschale Behauptung "der Beklagte könne bei der Wahl dieses Weges sicherstellen, dass die von ihm ermittelten Werte und wichtigen individuellen Gesamtzusammenhänge gebührend gewürdigt und auch als Fakt bei der manuellen Umsetzung berücksichtigt würden", untermauert der Beklagte durch keinerlei Tatsachenvortrag. Gegen diese substanzlose Pauschalbehauptung spricht die persönliche Lebenserfahrung aller Kammermitglieder, die (leider Gottes) schon seit Jahrzehnten selbst auf Brillen angewiesen sind.
Soweit der Beklagte auf Patienten mit Gehbehinderungen verweist, hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, dass sich im Nebenhaus (!) zur Praxis des Beklagten ein Augenoptikunternehmen seinen geschäftlichen Sitz hat. Was der Hinweis des Beklagten bedeutet, es handele sich vornehmlich um eine Werkstatt, erschließt sich der Kammer nicht. Ein Augenoptiker hat neben der Ausstellung stets eine Werkstatt, er könnte sonst Brillen nicht herstellen. Damit steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass es für den Beklagten - jedenfalls nach dem bisher von ihm gebrachten Tatsachenvortrag - keinerlei medizinisch indizierte Überweisung auf den (weit entfernten) verkürzten Versorgungsweg zu der ... GbR gibt und dieser Fall vom Sachverhalt nicht mit demjenigen vergleichbar ist, was der Bundesgerichtshof im Urteil vom 29.06.2000 (so genannter verkürzter Versorgungsweg) bei HNO-Ärzten entschieden hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, das Anerkenntnis, war kein sofortiges, so dass die Kosten insoweit dem Beklagten aufzuerlegen sind.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist aus § 709 ZPO begründet.