Landgericht Hannover
Urt. v. 22.09.2006, Az.: 1 O 1436/01

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
22.09.2006
Aktenzeichen
1 O 1436/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 43295
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2006:0922.1O1436.01.0A

In dem Rechtsstreit

...

wegen Bürgschaftsforderung

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 14.07.2006 durch die ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten der beiden Nebenintervenienten.

  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger macht Bürgschaftsansprüche aus abgetretenem Recht der Firma ... geltend.

2

Die Firma ... hatte am 26.09.1995 mit der Firma Bauunternehmung ... (im Folgenden: Firma ... einen Generalunternehmervertrag abgeschlossen (GA Bl. 8f). Aufgrund dieses Vertrages hatte sich die Firma ... zur schlüsselfertigen und uneingeschränkten gebrauchsfertigen Herstellung des Neubaus der "Wohnresidenz ..., 2. Bauabschnitt, Haus B. mit 52 Wohneinheiten, Tiefgarage und Stellplätzen verpflichtet. Als Vergütung war ein Pauschalpreis in Höhe von 5 478 260,00 DM netto vereinbart. In dem Vertrag war vorgesehen (Ziffer XI), dass die Firma ... zwei Vertragserfüllungsbürgschaften von je DM 300 000,00 brutto von einer deutschen Großbank oder Versicherungsgesellschaft zur Verfügung stellt. Eine der Bürgschaften sollte nach Bezugsfertigkeit zurückgegeben werden, die andere sollte als Gewährleistungsbürgschaft dienen und war 5 Jahre nach Abnahme zurückzugeben. Der Kautionsverein für das Deutsche Baugewerbe, Rechtsvorgänger der Beklagten, übernahm die Bürgschaften (GA Bl. 13,14).

3

Im Zuge der Bauarbeiten vertrat die Firma ... die Ansicht, die Firma ... habe mangelhaft gearbeitet. Sie nahm den Rechtsvorgänger der Beklagten als Bürgen in Anspruch. Die Firma ... wollte der Firma ... verbieten, die Bürgschaften in Anspruch zu nehmen. Sie erwirkte insoweit eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Kempten (3 O 2106/97 LG Kempten). Im Hauptsacheverfahren (3 O 1965/97 LG Kempten) verlangte sie die Bürgschaften heraus. Beide Rechtsstreite endeten mit einem Vergleich in dem Verfahren 3 O 2106/97 (Bl. 15f): Firma ... verzichtete auf ihr Recht "auf erstes Anfordern" aus beiden Bürgschaften, blieb jedoch Inhaberin der beiden Sicherheiten. Firma ... nahm die Hauptsacheklage zurück. Die Parteien waren sich einig, dass die Bürgschaften nach Wegfall der möglichen Inanspruchnahme "auf erstes Anfordern" Bestand hatten und wirksam waren.

4

In der Folgezeit kam es wegen der Mängel zu einem Beweissicherungsverfahren zwischen der Firma ... und der Firma ... vor dem Landgericht Kempten (1 OH 2680/97). Der in diesem Verfahren beauftragte gerichtliche Sachverständige ... stellte mit Gutachten vom 23.09.1999 fest, dass erhebliche Mängel vorlagen, deren Beseitigung inkl. Mehrwertsteuer 145 000,00 DM kostete.

5

Bei Gutachtenerstattung befand sich die Firma ... in Vermögensverfall. Bereits Anfang 1999 hatte das Amtsgericht Cottbus den Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen des ... mangels Masse abgewiesen.

6

Mit Verträgen vom 25.06.1999 (Bl. 21) und 07.03./14.02.2001 (Bl. 183) trat die Firma ... ihre Ansprüche auf Zahlung der Mängelbeseitigungskosten inkl. Mehrwertsteuer gemäß Gutachten ... in dem Beweissicherungsverfahren sowie ihre Ansprüche aus der Bürgschaftsurkunde 2068/95 (Bl. 13) an den Kläger ab. Der Kläger übergab dem Rechtsvorgänger der Beklagten das Gutachten ... und verlangte Zahlung des Nettobetrages der Mängelbeseitigungskosten. Der Rechtsvorgänger der Beklagten lehnte Zahlung ab.

7

Mit seiner im August erhobenen Klage vertritt der Kläger die Auffassung, aufgrund des Vergleichs vom 24.10.1997 vor dem Landgericht Kempten (GA Bl. 17) liege eine normale Vertragserfüllungsbürgschaft vor. Der von dem Sachverständigen ... in dem OH-Verfahren festgestellte Mängelbeseitigungsanspruch habe sich in einen Anspruch auf Vorschuss (§ 633 Abs. 2 BGB a.F.) bzw. in einen Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB verwandelt.

8

Der Kläger beantragt,

  1. die Beklagte zur Zahlung von 125 000,00 DM zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer, insgesamt also 145 000,00 DM nebst dem gesetzlichen Zinssatz von 8,25 % seit 24.02.2000 Zug um Zug gegen Rückgabe der Bürgschaftsurkunde vom 26.10.1995 Nr. 2098/65 zu verurteilen.

9

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

10

Sie ist der Auffassung, der Prozessvergleich vor dem Landgericht Kempten vom 24.10.1997 (GA Bl. 17) binde sie nicht. Es handele sich nach wie vor um eine - unzulässige - Bürgschaft "auf erstes Anfordern". Im Übrigen bestreitet sie Mängel des Bauwerks, Verursachung etwaiger Mängel durch die Firma ... und einen erstattungsfähigen Schaden der Bauherrin. Mit Schriftsatz vom 28.04.2006 erhebt sie die Einrede der Verjährung der Hauptforderung (GA Bl. 358).

11

Die Beklagte hat dem Bauunternehmer ... und der ... den Streit verkündet. Wegen der Begründung der Streitverkündung wird auf den Schriftsatz vom 13.09.2000 (GA Bl. 42f) verwiesen. Beide Streitverkündete sind dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten und unterstützen die Beklagte in ihrer rechtlichen Argumentation. Ergänzend führen sie aus, die Firma ... habe keine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt. Im Übrigen seien alle Wohnungen 1996 veräußert worden und Gewährleistungsansprüche auf die Käufer übergegangen.

12

Der Kläger hat Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Streitverkündung. Er hält die Einrede der Verjährung der Hauptforderung für unbegründet.

13

Wegen der näheren Einzelheiten des beiderseitigen Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

14

Die Kammer hat die Akten 2 O 1288/98, 3 O 2106/97, 3 O 1995/97 und 1 OH 2680/97, sämtliche Landgericht Kempten, beigezogen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage ist unbegründet.

16

Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung der Hauptforderung greift durch. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die zugrunde liegende Bürgschaft als normale Vertragserfüllungsbürgschaft oder als - unzulässige - Bürgschaft "auf erstes Anfordern" anzusehen ist.

17

Nach dem zugrundeliegenden Generalunternehmervertrag betrug die Gewährleistungsfrist für die Bauwerksleistung 5 Jahre (Abschnitt IV Ziffer 4.). Die Verjährungsfrist begann nach § 638 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. mit der Abnahme des Bauwerks. Abnahme des vertragsgemäß hergestellten Werkes ist die körperliche Hinnahme im Wege der Besitzübertragung verbunden mit der Billigung des Werks als im Wesentlichen vertragsgemäße Leistung (Palandt-Sprau, BGB, 60. Auflage § 640 Rdz. 2). Nach dem nicht bestrittenem Vortrag der Streithelfer wurden die Wohnungen im Jahre 1996 übergeben und abverkauft. 1996 ist mithin als Zeitpunkt der Abnahme anzusehen, ab dem die 5jährige Verjährungsfrist zu laufen begann.

18

Die Firma ... hat durch Einleitung des Beweissicherungsverfahrens 1 OH 2688/97 Landgericht Kempten gegen die Firma ... die Verjährung unterbrochen (§§ 639 Abs. 1, 477 Abs. 2 BGB a.F.). Das selbständige Beweisverfahren war mit Vorlage des Gutachtens ... spätestens Ende 1999 beendet. Spätestens ab 01.01.2000 begann mithin eine neue 5jährige Verjährungsfrist zu laufen, die am 31.12.2004 endete. In diesem Zeitraum ist hinsichtlich der Hauptschuld, nämlich hinsichtlich der Gewährleistungsansprüche der Firma ... keine neue verjährungsunterbrechende Maßnahme seitens des Klägers gegen die Firma ... veranlasst worden.

19

Der Kläger kann sich gegenüber der erhobenen Verjährungseinrede nicht auf die in vorliegender Sache erhobene Klage gegen die Bürgin berufen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH unterbricht eine Klage gegen den Bürgen die Verjährung des gesicherten Anspruchs gegen den Hauptschuldner nicht ( BGH NJW 1998, Seite 2972f; BGH NJW 1999, Seite 278f). Nach dieser Rechtsprechung kann der Bürge, selbst wenn ihm die Einrede der Vorausklage - etwa gemäß § 773 Abs. 1 Nr. 3 BGB - nicht zusteht, die Verjährung der Hauptforderung auch dann noch einwenden, wenn diese Verjährung erst nach Erhebung der Bürgschaftsklage eintritt. So liegen die Dinge hier. Die Verjährung ist hier nach Erhebung der im Jahre 2000 erhobenen Bürgschaftsklage eingetreten. Der Bürge kann sich sogar dann mit Erfolg auf die Verjährung der Hauptschuld berufen, wenn die Hauptschuldnerin nach der Übernahme der Bürgschaft wegen Vermögenslosigkeit und/oder Löschung im Handelsregister als Rechtsperson untergegangen ist und aus diesem Grund die gegen Sie gerichteten Forderungen weggefallen sind ( BGH NJW 2003, Seite 1250f). Dieser extreme Fall liegt hier zwar nicht vor, jedoch ist von der Vermögenslosigkeit des Hauptschuldners auszugehen. Die Vermögenslosigkeit des Hauptschuldners schützt den Bürgschaftsgläubiger nicht.

20

Zu Unrecht verweist der Kläger in seinem nachgelassenen Schriftsatz auf die Rechtsprechung des BGH zur Verwertung einer Sicherheit im Sinne von § 17 VOB/B, wenn die der Sicherungsvereinbarung zugrunde liegenden Gewährleistungsansprüche zwar verjährt, die Mängel aber in unverjährter Zeit gerügt worden sind ( BGH NJW 1993, Seite 1131f und BGH Baurecht 1998 Seite 332f = Anlage K 24). Diese Rechtsprechung ist hier nicht einschlägig. Sie gilt nur für VOB/B-Verträge. Das folgt aus § 216 BGB n.F. (= § 223 BGB a.F.). Auf die Anmerkungen bei Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Auflage, § 216 Rdz. 5 und Palandt-Sprau, BGB, 60. Auflage, § 223 Rdz. 4 wird hingewiesen. Der hier zugrunde liegende Generalunternehmervertrag war aber kein VOB-Vertrag. Vielmehr handelte es sich um einen reinen BGB-Vertrag. Das folgt aus dem Gesamttext des Vertrages (GA Bl. 8f), in dem an keiner Stelle auf die VOB/B Bezug genommen wird. Wörtlich heißt es sogar in Abschnitt II Ziffer 8 des Vertrages: "Allgemeine Geschäfts-, Liefer- und Zahlungsbedingungen beider Vertragsschließender sind nicht Bestandteil des Vertrages". Die Vorschriften der VOB/B sind rechtlich aber als allgemeine Geschäftsbedingungen einzuordnen. Hinzu kommt, dass nach Abschnitt IV des Vertrages die Gewährleistung des Unternehmers sich ausdrücklich "nach den Vorschriften des Werkvertragsrechtes des BGB" richtet, von einzelnen Änderungen abgesehen. Diese Änderungen sind individuell in dem Vertrag ausformuliert und nehmen an keiner Stelle Bezug auf die VOB/B.

21

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.

22

Der Kläger hat auch die Kosten der Streitverkündeten zu tragen (§ 101 Abs. 1 ZPO). Bedenken gegen die Zulässigkeit der Streitverkündung bestehen nicht. Ein rechtliches Interesse an der Streitverkündung im Sinne von § 66 ZPO lag vor.

23

Wenn die Beklagte unterlegen gewesen wäre und auf die Bürgschaftsforderung hätte zahlen müssen, hätte sie bei dem Streitverkündeten zu 1) Regress nehmen können. Die Vermögenslosigkeit des Streitverkündeten zu 1) war insoweit kein rechtliches Hindernis.

24

Die Hauptschuldnerin, die Bauunternehmung ..., unterhält bei der ... der Streitverkündeten zu 2), ein Konto, welches ... an die Beklagte verpfändet hat. Im Falle der Verurteilung der Beklagten hätte die ... das Kontoguthaben an die Beklagte auskehren müssen.

25

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.