Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.12.2009, Az.: 10 KN 155/06
Rechtmäßigkeit der in der Beitragssatzung der Niedersächsischen Tierseuchenkasse für 2006 normierte Beitragsermäßigung für BHV1 - freie Rinderbestände; Rechtfertigung der Durchbrechungen des Gleichheitsgrundsatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen; Rechtfertigung der Neufassung des § 71 Abs. 1 S. 5 Tierseuchengesetz (TierSG) im Jahre 1995 wegen des Schweinepestgeschehens
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 02.12.2009
- Aktenzeichen
- 10 KN 155/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 29544
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2009:1202.10KN155.06.0A
Rechtsgrundlagen
- § 71 Abs. 1 S. 5 TierSG
- Art. 3 Abs. 1 GG
Fundstellen
- AUR 2010, 89-92
- DVBl 2010, 202
- NdsVBl 2010, 104-106
Amtlicher Leitsatz
Die in der Beitragssatzung der Niedersächsischen Tierseuchenkasse für 2006 normierte Beitragsermäßigung für BHV1 - freie Rinderbestände ist rechtmäßig und verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Äqivalenzprinzip
Tatbestand
Der Antragsteller ist Landwirt und bewirtschaftet einen Milchviehbetrieb, der ausweislich einer Bescheinigung des Zweckverbands Veterinäramt A. B. vom 13. November 2009 von April 1997 bis Oktober 1999 ein BHV1-freier Bestand war. Bei der Bestandsuntersuchung im Dezember 2000 wurde über Einzelmilchproben und Blutuntersuchungen ein massiver Ausbruch der BHV1-Tierseuche festgestellt. Ab Januar 2006 hatte die Rinderherde des Antragstellers den Status eines kontrollierten Impfbestandes. Mitte Juli 2006 befand sich sein Betrieb im Sanierungsverfahren, um den BHV1-freien Status des Rinderbestandes zu erreichen. Im Januar 2007 wurden neue Reagenten festgestellt. Seit April 2008 bis heute hat die Rinderherde des Antragstellers noch Reagenten und wieder den Status eines kontrollierten Impfbestandes. Nach eigenen Angaben ergänzt der Antragsteller seine Milchviehherde nur aus dem eigenen Bestand und kauft kein Vieh zu.
Der Antragsteller wendet sich gegen die in der zum 1. Januar 2006 in Kraft gesetzten Beitragssatzung 2006 - Satzung über die Erhebung von Tierseuchenbeiträgen für das Jahr 2006 - der Antragsgegnerin vom 13. Oktober 2005 geregelte Höhe der Tierseuchenbeiträge für Rinder. Deren § 2 beinhaltet insoweit die folgenden Regelungen:
§ 2
Allgemeines
(1)Als Tierseuchenbeiträge sind im Jahre 2006 zu entrichten:
1.Rinder (einschließlich Wasserbüffel, Wisente und Bisons) Für Rinder 7,50 EUR/Tier ..........
(2)Die Beiträge nach Abs. 1 Nr. 1 ermäßigen sich auf 3,80 EUR pro Rind
(a)für Bestände, die am Stichtag 3.1.2006 nach§ 1 Abs. 2 Nr. 1 Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1 - Verordnung) vom 3.11.2004 (BGBl. I S. 2727) BHV1 - frei sind und ein Nachweis vom Amtstierarzt darüber vorliegt. Sofern der Status der BHV1 - Freiheit erst im laufenden Jahr eintritt, kann ein Bonus im Beitragsjahr nicht beansprucht werden.
(b)für reine Mastbetriebe, die gemäß des RdErl. d. ML vom 30.4.2002 zur Durchführung der BHV1 - Verordnung ihren Bestand bis zum Stichtag des 3.1.2006 geimpft haben und ein Nachweis vom Amtstierarzt darüber vorliegt.
(3)..........
Der Antragsteller hat am 17. Juli 2006 das Oberverwaltungsgericht angerufen.
Er beantragt, § 2 der Satzung über die Erhebung von Tierseuchenbeiträgen für das Jahr 2006 vom 13. Oktober 2005 für unwirksam zu erklären.
Der Antragsteller trägt zur Begründung seines Normenkontrollantrags im Wesentlichen vor:
Für die Beitragsermäßigung zugunsten der BHV1-freien Betriebe bestehe keine Ermächtigungsgrundlage. Letztlich solleüber die Staffelung der Beiträge finanzieller Druck auf die Tierhalter im Hinblick auf die BHV1-Sanierung ausgeübt werden. Das handels- und wirtschaftspolitische Ziel, für Deutschland den seuchenfreien Status nach der "Richtlinie 64/432/EWG des Rates vom 26. Juni 1964 zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen" für Deutschland zu erhalten, sei nicht von der Ermächtigungsgrundlage nach § 71 Abs. 1 Satz 6 des Tierseuchengesetzes (TierSG) gedeckt. Die Antragsgegnerin könne sich insoweit nicht darauf berufen, hinsichtlich der Beitragsermäßigung "seuchenhygienische Risiken" i.S. dieser Bestimmung berücksichtigt zu haben. Bereits in den Plenardebatten zur Gesetzesänderung 1995 sei kritisiert worden, dass diese undifferenzierte Aussage in der Praxis völlig offen sei und genügend Raum für willkürliche Interpretationen biete. Die Bestimmung habe jedenfalls nur die Seuchenabwehrorganisation des Betriebes im Blick, wofür im Gesetzgebungsverfahren die Stichworte "Rein-Raus-Verfahren", "sachgerechte Gülleentsorgung", "Art und Weise des Tierzukaufs" und Ähnliches genannt worden seien. Der zugleich eingefügte Begriff "Betriebsorganisation" mache deutlich, auf welcher Ebene die Antragsgegnerin Anknüpfungspunkte für eine eventuelle Beitragsstaffelung heranziehen dürfe. Dabei müsse es sich um seuchenrelevante und vom Betreiber beeinflussbare Kriterien im Zusammenhang mit der Art und Weise der Betriebsführung und Betriebsorganisation handeln. Ferner müssten diese Umstände dazu führen, dass das Risiko der Erkrankung an einer Tierseuche im Vergleich zu anderen Betrieben deutlich minimiert werde. Die Antragsgegnerin differenziere hingegen nicht nach seuchenhygienischen Risiken, sondern begünstige mit der Beitragsstaffelung diejenigen Betriebe, die zu einem bestimmten Zeitpunkt einen definierten seuchenfreien Status erreicht hätten, weil in ihnen nach dem Ergebnis entsprechender Untersuchungen keine Reagenten mehr vorhanden seien. Das Erreichen dieses Zustandes hänge aber von vielen Unwägbarkeiten ab, die der Betriebsleiter nicht steuern könne. So sei es ihm - dem Antragsteller - nicht möglich, sofort einen großen Teil der Milchviehherde auszutauschen und auf diese Weise die Reagenten aus seinem Betrieb zu entfernen. Da die Milchkühe erst nach und nach ersetzt werden könnten, werde das Ende der Sanierungsphase mit dem Ziel der BHV1-Freiheit eine geraume Zeit dauern. Auch zeige die Praxis, dass die Übertragungswege des Virus vielfältiger Art sein könnten und eine Ansteckung selbst durch aerogene Tröpfcheninfektionen erfolgen könne. Die Haupteinschleppungsursache "Zukauf" scheide in seinem Betrieb aus. Im Übrigen ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Institution "Tierseuchenkasse", dass die Höhe des Beitrags nicht davon abhängen könne, ob der Tierbestand zu einem bestimmten Zeitpunkt frei von einer bestimmten Seuche sei. Denn die Landwirte bildeten eine Solidargemeinschaft und alle trügen das Risiko, dass ihr Tierbestand von einer Seuche befallen werde. Sollte das Vorgehen der Antragsgegnerin doch von dem Begriff "seuchenhygienisches Risiko" gedeckt sein,überschreite die Staffelung jedenfalls das Maß der rechtlich möglichen Berücksichtigung und verletze mit der zu Lasten der anderen Betriebe gehenden willkürlichen Besserstellung der Tierhalter, deren Rinderbestand am Stichtag BHV1-frei sei, den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG. Auch könne der Antragsgegnerin nicht in der Einschätzung gefolgt werden, dass sich nur am Sanierungserfolg messen lasse, ob die in der "Richtlinie zur Bekämpfung und zum Schutz vor BHV1- und BVDV-Infektionen sowie zur Seuchenvorbeugung in Rinder haltenden Betrieben" (RdErl. d. ML vom 24.1.2000, Nds.MBl. S. 100) aufgeführten Maßnahmen im Betrieb tatsächlich konsequent durchgeführt würden. Denn die Antragsgegnerin räume selbst ein, dass die Betriebe, die sich der Richtlinie angeschlossen hätten, trotz eines Sanierungsaufwands von 36 Millionen EUR im Zeitraum 2002 bis 2005 nicht den erwarteten flächendeckenden Sanierungserfolg erzielt hätten. Auch er erfülle in seinem Betrieb die Auflagen der Verordnung, was regelmäßige Kontrollen durch Betreuungstierärzte belegten. Selbst eine ideale Prävention garantiere indes nicht, dass die BHV1-Freiheit erzielt bzw. dauerhaft aufrechterhalten werden könne. Es sei mit dem Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit und dem Solidargedanken unvereinbar, dass die Antragsgegnerin nahezu alle mit der BHV1-Sanierung verbundenen Kosten, soweit sie nicht vom Land übernommen würden, den bisher noch nicht BHV1-freien Betrieben anlaste. Denn die "seuchenhygienischen" Risiken seien wesentlich niedriger einzustufen, da das Risiko der Neuinfektionen nur bei rund 1% liege. Darüber hinaus fehle es an einer differenzierteren Betrachtung des Risikos für Neuinfektionen im Hinblick auf das jeweils bereits erreichte Sanierungsstadium, obwohl z.B. die seuchenhygienischen Risiken bei einem am niedersächsischen Programm zum Schutz vor BHV1-Infektionen teilnehmenden Betrieb mit kontrolliertem Rinderimpfbestand nicht vergleichbar seien mit jenen eines Betriebes mit noch ungeklärtem BHV1-Status.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie entgegnet im Wesentlichen:
Der Antragsteller verkenne mit seiner Auffassung, dass sich die Staffelung der Beiträge unter Berücksichtigung der seuchenhygienischen Risiken gemäß § 71 Abs. 1 Satz 6 TierSG sinngemäß lediglich auf Kriterien wie "Rein-Raus-Verfahren", "sachgerechte Gülleentsorgung", "Betriebsorganisation", beschränken müsse, die Zielrichtung des Gesetzes, durch die Möglichkeit der Beitragsstaffelung eine effiziente Seuchenprävention voranzutreiben. BHV1-Infektionen bei Rindern könnten nur effizient bekämpft werden, wenn sich die Tierhalter der Richtlinie anschlössen und die dort vorgegebenen Maßnahmen durchführten. Ob der Betrieb diese tatsächlich konsequent durchführe, lasse sich an seinem Sanierungserfolg, d.h. dem Erreichen des BHV1-frei Status, und der nachhaltigen Bewahrung dieses Status messen. Ende Januar 2002 habe ihr Vorstand beschlossen, für die Betriebe, die sich der Richtlinie angeschlossen hätten, Untersuchungs- und Impfkosten zu 100%, also einschließlich der Entnahme- und Impfgebühren des Tierarztes, zu übernehmen. Jährlich beliefen sich die dergestaltübernommenen Sanierungskosten im Durchschnitt auf rund 9 Millionen EUR. Unter veterinärmedizinischer Sicht werde bestritten, dass die Betriebe das Erreichen des Zustandes der BHV1-Freiheit nicht steuern könnten. Als Haupteinschleppungsursache werde der Zukauf von Tieren gesehen. Ferner gälten Stressfaktoren, Minderung der Abwehrkräfte, andere Faktoren (z.B. Injektion von hohen Dosen von Glucokortikosterioden) sowie Virusmischinfektionen als Einschleppursachen. Die Übertragung erfolge durch eine aerogene Tröpfcheninfektion von Tier zu Tier. Eine Untersuchung in der Schweiz zeige, dass Hauptübertragungsweg der direkte Kontakt mit infizierten Tieren sei, während die indirekte Übertragung eine untergeordnete Rolle spiele. Eine Infektion über die Luft sei zwar denkbar, doch bedürfe es dafür weiterer Faktoren. Eine Ansteckung im Wege der aerogenen Übertragung von einem Betrieb zum nächsten setze eine massive Virusausscheidung in einem der Bestände voraus. Diese Bedingungen wären nur bei größeren Mastbetrieben gegeben, wenn die kontaminierte Abluft durch eine Zwangslüftung in die Richtung eines benachbarten Stalles geblasen werde. Mit der angefochtenen Regelung würden Betriebe begünstigt, die nachhaltig ein Management aufwiesen, das Risikofaktoren weitestgehend minimiere, und daraus resultierend BHV1-frei seien.
Ihrer Verpflichtung, bei der Beitragsbemessung das Äqivalenzprinzip und den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten, sei sie bei der Beitragsstaffelung für Rinder nachgekommen. Im Rahmen der Beitragskalkulation für das Jahr 2006 habe sie die Kosten zusammengestellt, die einerseits BHV1-freie Betriebe bzw. geimpfte Mastbetriebe und andererseits Betriebe mit kontrollierten Impfbeständen bzw. nicht BHV1-freie Betriebe verursachen würden. Für die erste Gruppe seien für 2006 Sanierungskosten in Höhe von 626.966,35 EUR, für die zweite Gruppe Sanierungskosten in Höhe von 12.273.033,65 EUR angesetzt worden. Der enorme Unterschied erkläre sich daraus, dass die nicht BHV1-freien Betriebe nach denBHV1-Verordnungen des Bundes bzw. des Landes verpflichtet seien, alle über neun Monate alten weiblichen Rinder und zur Zucht bestimmten männlichen Rinder blut- oder milchserologisch im Abstand von maximal 12 Monaten untersuchen sowie Reagenten impfen zu lassen. Da sie keine Beihilfen für die Ausmerzung zahle, wählten die Betriebe mit einer hohen Anzahl von Reagenten die Alternative der Impfung und nicht die der Ausmerzung. Demgegenüber müssten die BHV1-freien Betriebe zur Aufrechterhaltung des Status nur noch milchserologische Kontrolluntersuchungen von Sammelmilchproben (Tankmilchuntersuchungen) oder Einzelmilchproben im Abstand von maximal 12 Monaten durchführen lassen. Für den Haushalt 2006 seien Gesamtkosten der BHV1-Sanierung von 12.900.000,-- EUR angesetzt worden. Aus diesen seien die Kosten herausgerechnet worden, die von den BHV1-freien Betrieben und den geimpften Mastbetrieben verursacht würden. Für den BHV1-freien bzw. den geimpften Mastbetrieb errechneten sich danach pro Tier Sanierungskosten in Höhe von 0,24 EUR, für den Betrieb mit kontrolliertem Impfbestand bzw. den nicht BHV1-freien Betrieb hingegen pro Tier Sanierungskosten in Höhe von 4,84 EUR. Da die BHV1-Sanierungskosten etwa die Hälfte des gesamten Haushaltsvolumens aus Kapitel 02 (Rinder) ausmachten, wirke sich der Differenzbetrag von 4,60 EUR bei der BHV1-Sanierung proportional erheblich auf den Beitrag aus. Die Beiträge für 2006 seien im Herbst 2005 unter Berücksichtigung der bis dahin tatsächlich entstandenen Kosten kalkuliert worden. Es treffe nicht zu, dass Sanierungserfolge nicht erzielt worden seien. Aus dem - von der Antragsgegnerin auszugsweise vorgelegten - Abschlussbericht des Friedrich-Loeffler-Instituts in Wusterhausen zum Forschungsprojekt "Risikobewertung in der BHV1-Sanierung in Niedersachsen" vom März 2006 ergebe sich für die BHV1-Sanierung in Niedersachsen, dass im Jahre 1988 etwa 7% der niedersächsischen Rinderbetriebe als amtlich BHV1 - unverdächtig anerkannt worden seien. Bis zum Inkrafttreten der BHV1-Bundesverordnung im Jahre 1997 sei ihr Anteil lediglich auf ca. 20% angestiegen. Im Jahre 2000 seien im Zuge der Überarbeitung der Bekämpfungsmaßnahmen in den Landkreisen Aurich, Celle, Holzminden, Lüchow-Dannenberg, Uelzen und Wittmund Schutzgebietsverordnungen mit der Maßgabe von Weideverboten für nicht BHV1-freie bzw. nicht gegen BHV1 geimpfte Rinder erlassen worden. Für Niedersachsen könne nach dem Gutachten im Resümee der Historie der BHV1-Bekämpfungsmaßnahmen von 1988 bis 2004 verzeichnet werden, dass der Anteil der BHV1-freien Bestände von 7% auf 60% angewachsen sei, in der Kategorie "kontrollierter Impfbetrieb" eine Steigerung von 1% auf 12% erzielt werden konnte und der Anteil der Betriebe ohne gezielte Bekämpfungsmaßnahmen von 90% auf 10% habe reduziert werden können. Dies mache deutlich, dass mit zunehmender Teilnahme der Rinder haltenden Betriebe an den Sanierungsmaßnahmen auch der Sanierungserfolg steige. In Bayern habe der Anteil der BHV1-freien Bestände im Milch- und Mutterkuhbereich auf 93,5% und in Sachsen-Anhalt auf 87% erhöht werden können. Diese Zahlen zeigten, dass die BHV1-Bekämpfung entgegen der Einschätzung des Antragstellers kein zufälliges Geschehen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Gründe
1.
Der Normenkontrollantrag ist zulässig.
Er richtet sich gegen die Beitragssatzung der Antragsgegnerin vom 13. Oktober 2005 und damit gegen eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 7 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes. Die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für die Stellung des Antrags ist gewahrt. Der Antragsteller ist auch antragsberechtigt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Denn er ist als Inhaber eines Milchviehbetriebes Adressat der Satzung und wurde nach der von ihm angegriffenen Beitragsregelung für 2006 für am Stichtag (3. Januar 2006) insgesamt 328 gemeldete Rinder zu einem (ungekürzten) Beitrag in Höhe von 2.460,-- EUR herangezogen. Der entsprechende Heranziehungsbescheid vom 24. Februar 2006 ist noch nicht bestandskräftig geworden; das Verwaltungsgericht Oldenburg hat das gegen die Heranziehung gerichtete Klageverfahren 7 A 1752/06 im Hinblick auf dieses Normenkontrollverfahren ausgesetzt.
2.
Das Normenkontrollbegehren ist aber nicht begründet.
Die Bestimmung der Beitragshöhe für Rinder in der Beitragssatzung der Antragsgegnerin ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Rechtliche Grundlage für die Beitragserhebung und den Erlass der Beitragssatzung für 2006 sind § 71 Abs. 1 TierSG in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1260) - berichtigt am 8. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3588) - i.d.F. des Gesetzes vom 1. September 2005 (BGBl. I S. 2618) in Verbindung mit § 14 Abs. 1 AGTierSG in der Fassung des Gesetzes vom 10. November 2005 (Nds. GVBl S. 332). Hiernach hat die Antragsgegnerin die Beiträge nach Tierarten gesondert zu erheben (§ 71 Abs. 1 Satz 6 TierSG). Demgegenüber liegt es in ihrem Ermessen, ob sie die Beiträge nach der Größe der Bestände und unter Berücksichtigung der seuchenhygienischen Risiken, insbesondere auf Grund der Betriebsorganisation, sowie zusätzlich nach Alter, Gewicht und Nutzungsart staffelt (§ 71 Abs. 1 Satz 6 TierSG). Die - auch in den Folgejahren so getroffene - Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin als Satzungsgeberin, die vom Antragsteller angegriffene Staffelung der Beiträge für Rinder danach vorzunehmen, ob die Bestände am 3. Januar 2006 BHV1-frei waren, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beitragssatzung der Beklagten trägt den gesetzlichen Vorgaben Rechnung. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Antragsgegnerin auch nicht aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) oder wegen des Äquivalenzprinzips daran gehindert gewesen, eine Differenzierung der Beiträge nach dem Kriterium der BHV1-Freiheit der Bestände vorzunehmen.
Der Antragsgegnerin als Satzungsgeberin ist bei der Bestimmung der Beitragshöhe ein weites Ermessen eingeräumt. Es ist nicht entscheidungserheblich und daher vom Senat auch nicht zu prüfen, ob der Satzungsgeber innerhalb seines Gestaltungsermessens die in jeder Hinsicht zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet nur, wesentlich Gleiches ohne zureichende sachliche Gründe ungleich oder wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Von einer willkürlichen Gleich- oder Ungleichbehandlung ist auszugehen, wenn sie nicht von einer sachlichen Rechtfertigung getragen ist. Die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers endet erst dort, wo ein einleuchtender Grund für die unterlassene oder vorgenommene Differenzierung nicht mehr erkennbar ist. Erst wenn die Gleichheit oder Ungleichheit der Sachverhalte so bedeutsam ist, dass ihre Beachtung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten geboten erscheint, verlangt der Gleichbehandlungsgrundsatz, dass der Normgeber die tatsächlichen Verschiedenheiten beachten muss. Durchbrechungen des Gleichheitsgrundsatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen - insbesondere im Bereich der Massenverwaltung wie im Abgabenrecht - können aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungleichbehandlung oder Gleichbehandlung noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht und die Anzahl der Durchbrechungen gering ist (Grundsatz der Typengerechtigkeit - BVerwG, Beschl. v. 19.9.2005 - 10 BN 2.05 - [...]; Beschl. v. 6.4.2005 - 10 B 24.04 - [...]; Beschl. v. 28.3.1995 - 8 N 3.93 - NVwZ-RR 1995, 594 m.w.N.; Urt. d. Senats v. 19.12. 2006 - 10 LC 80/04 - AUR 2007, 314; Beschl. d. Senats v. 28.7.2009 - 10 LA 13/08 - AUR 2009, 333).
Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Beitragsermäßigung für BHV1-freie Rinderbestände ist nicht willkürlich und verstößt demzufolge nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG), weil sie unter "Berücksichtigung der tatsächlich unterschiedlichen seuchenhygienischen Risiken" gerechtfertigt ist. Die einschlägigen Gesetzesmaterialien belegen, dass der Gesetzgeber die Neufassung des damaligen § 71 Abs. 1 Satz 5 TierSG im Jahre 1995 vorgenommen hat, weil das seinerzeitige Schweinepestgeschehen deutlich gemacht hatte, dass die Größe der Bestände allein noch keine erhöhte Gefahr eines Seuchenausbruchs begründete und das Gesamtrisiko aus seuchenhygienischer Sicht zusätzlich von vielen anderen Faktoren abhängig war. Dem sollte durch die Neuregelung, wonach bei der Beitragserhebung die seuchenhygienischen Risiken insgesamt stärker berücksichtigt werden können, Rechnung getragen werden (vgl. zu Folgendem auch: Geissler/Rojahn/Stein, Tierseuchenrecht in Deutschland und Europa, Stand: 31.12.2005, Bd. 1 A, TierSG § 71 RdNr. 4a). Zukünftig sollte die Organisation des Betriebes (z.B. Entsorgung der in getrennten Ställen eines oder mehrerer Betriebe anfallenden Gülle in einer gemeinsamen oder einer getrennten Anlage, gemeinsamer Fuhrpark, Abgrenzung zu anderen Betrieben, betriebseigene Kleidung, Belegung nach dem "Rein-Raus-Verfahren", Systemferkelbetriebe, Art und Weise des Tierzukaufs) eine entscheidende Rolle spielen können. So unterliegen z.B. Betriebe, die kontinuierlich Tiere von einer Vielzahl von Händlern zukaufen, ohne dass der Stall zwischenzeitlich vollständig geräumt wird, erheblich höheren Risiken als Betriebe, die Tiere nur zukaufen von bestimmten Betrieben, die tierärztlich ständigüberwacht werden. Diesen und ähnlichen sich in der Praxis ausgebildeten Strukturen soll durch die Möglichkeit einer günstigeren Staffelung der Beiträge zur Tierseuchenkasse Rechnung getragen werden können. Die angefochtene Beitragsreduzierung steht mit den Zielsetzungen der Ermächtigungsvorschrift im Einklang. Der Einwand des Antragstellers, dass damit keine präventive Bekämpfung der BHV1-Seuche gefördert werde, weil diese Infektion gewissermaßen schicksalhaft erfolge und der Betriebsleiter keine Möglichkeit habe, sich gegen die Erkrankung seines Tierbestandes zu schützen, ist unberechtigt. Bereits das von der Antragsgegnerin zitierte Resümee der BHV1-Bekämpfungsmaßnahmen in Niedersachsen von 1988 bis 2004 im Abschlussbericht des Friedrich-Loeffler-Instituts vom März 2006 belegt nachdrücklich, dass die Tierhalter der Seuche nicht machtlos gegenüberstehen. Der Bericht nennt überdies auch die in Betracht kommenden Maßnahmen:
" Zur Sanierung eines als infiziert eingestuften Betriebes kommen verschiedene Strategien zur Anwendung wie z.B. Therapie, Impfung, Eliminierung infizierter Tiere, Teilsanierung oder Totalsanierung. Erregerspezifische Interventionen wie Therapie und Impfung müssen von unspezifischen Maßnahmen des Managements begleitet werden. Dazu gehören allgemeine Hygienemaßnahmen, Reinigung und Desinfektion, Zutrittsregeln für betriebsfremde Personen, Schadnagerbekämpfung etc. ..
Nach der Sanierung muss der Status eines Betriebs verifiziert und erhalten werden. Verschiedene Überwachungsstrategien wie klinische Kontrollen, Stichproben- bzw. Bestandsuntersuchungen oder die Meldepflicht eignen sich zur Dokumentation des Status. Die Zielsetzung des Monitorings besteht in diesem Stadium des Bekämpfungsprogramms im Nachweis der Erregerfreiheit. Aus Kosten und Zeitgründen wird an Stelle der Untersuchung aller Individuen einer Population häufig von Stichprobenuntersuchungen Gebrauch gemacht.... Mit bzw. nach Erreichung des Sanierungserfolges besteht das Risiko, den neuen Status infolge einer Neuansteckung oder des Aktivierens eines Residualherdes zu verlieren. Um dieses Risiko möglichst gering zu halten, sind entsprechende Maßnahmen anzuwenden und einzuhalten. Hinweise dafür kann die Risikoanalyse liefern. Sie umfasst die Risikobewertung, das Risikomanagement und die Risikokommunikation.
Die Risikobewertung berücksichtigt, welche Erregerüber welchen Einschleppungsweg, durch welche Personen oder welche Aktivitäten wieder in die Population gelangen können. Parallel dazu sind mögliche Maßnahmen zur Risikoreduktion sowie deren Wirksamkeit zu berücksichtigen (Risikomanagement). Für den nachhaltigen Erhalt des erregerfreien Status sind Biosicherheitsmaßnahmen auf Betriebsebene (Regelung des Tier- und Personenverkehrs, Quarantänemaßnahmen, Kleiderwechsel für Fremdpersonen, sachgerechte Fütterung, Fahrzeug- und Geräteeinsatz etc.) aber auch darüber hinaus ausgerichtete Maßnahmen, wie beispielsweise Handelsrestriktionen, Meidung von Nachbarschafts- und Weidekontakten mit infizierten Herden notwendig ".
Die Einschätzung des Antragstellers, dass die BHV1-Bekämpfung auch aus Markt- und Wettbewerbsgründen erfolgt, wird zutreffen. So hebt dass Friedrich-Loeffler-Institut auf Seite 13 seines Berichtes ausdrücklich hervor, dass sich niedersachsenweit bis zum Zeitpunkt der Einführung der Untersuchungspflicht im November 2001 durch die Erste Verordnung zur Änderung der BHV1-Bundesverordnung etwa nur ein Drittel der Rinderhalter am BHV1-Sanierungsverfahren beteiligt hätten. Dies seien insbesondere Zuchtbetriebe gewesen, die am internationalen Tierhandel hätten teilhaben wollen. Auch in der gemeinsam vom Niedersächsischen Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und der Antragsgegnerin im April 2005 herausgegebenen Informationsschrift "BHV1-Bekämpfung ist Pflicht - BHV1-Freiheit und BHV1-Sanierung in Rinderbeständen" wird eingangs ausgeführt:
"Durch die BHV1-Erkrankung entstehen wirtschaftliche Verluste. Der entscheidende Grund zur BHV1-Bekämpfung mit dem Ziel der BHV1-Freiheit ist jedoch der Erhalt der Konkurrenzfähigkeit beim Handel innerhalb und außerhalb der europäischen Gemeinschaft. EU-Mitgliedstaaten wie Dänemark, Österreich, Finnland und Schweden sind bereits von der EU-Kommission als BHV1-frei anerkannt worden. In Deutschland stehen Länder wie Bayern und Sachsen-Anhalt mit einer BHV1-Freiheit von ca. 90% kurz davor, die Anerkennung als BHV1- freie Region zu erhalten. Unter Beachtung der Sanierungsfortschritte in diesen Ländern ist eine stringente Sanierung in Niedersachsen - als rinderreiches Bundesland - erforderlich, um den Handel nicht zu gefährden."
Diese handelspolitischen Beweggründe ändern indes nichts daran, dass die von der Antraggegnerin vorgenommene Beitragsreduzierung für BHV1-freie Bestände ein vom Gesetzgeber mit der Vorschrift des§ 71 Abs. 1 Satz 6 ermöglichtes Instrument zur Förderung und Honorierung der Bekämpfung von und des Schutzes vor BHV1-Infektionen darstellt.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt auch ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip nicht vor. DasÄquivalenzprinzip fordert, dass zwischen der Höhe des Beitrags und dem Nutzen des Mitglieds ein Zusammenhang besteht. Die Höhe des Beitrags darf nicht in einem Missverhältnis zu dem Vorteil stehen, den er abgelten soll (vgl. BVerwG, Urteile v. 26.6.1990 - 1 C 45.87 - NVwZ 1990, 1167 = GewArch 1990, 398 = Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 22 u. v. 3.9.1991 - 1 C 24.88 - NVwZ-RR 1992, 175 = GewArch 1992, 28 = Buchholz 451.45 § 73 HwO Nr. 1). Der Normgeber hat allerdings auch hier einen gewissen Regelungsspielraum, was er als angemessen ansieht, so dass nur bei einem groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ein rechtlich relevanter Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip vorliegt. Das Prinzip ist nur bei einer gröblichen Störung des Austauschverhältnisses zwischen der Abgabe und dem Wert der Leistung für den Empfänger verletzt (vgl. Urt. d. Sen. v. 22.9.2003 - 10 LB 2243/01 - unter Hinweis auf: BVerwG, Beschl. v. 19.9.1983 - 8 B 117.82 - KSTZ 1984, 11 = DÖV 1984, 111 = NVwZ 1984, 239 = Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 48 u. Beschl. v. 25.3.1985 - 8 B 11.84 - KSTZ 1985, 129 = NVwZ 1985, 496 = ZKF 1986, 36 = Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 53). Das ist hier nicht der Fall. Die Beitragserhebung der Antragsgegnerin erfolgt nicht ausschließlich zur Finanzierung von Entschädigungszahlungen für tierseuchenbedingte Tierverluste, sondern gemäß § 14 Abs. 1 AGTierSG auch für Maßnahmen, die der vorbeugenden Bekämpfung von Tierseuchen oder seuchenartigen Erkrankungen dienen, sowie für die Tierkörperbeseitigung. Im Rahmen der BHV1-Sanierung übernimmt die Antragsgegnerin nach ihren vom Antragsteller nicht bestrittenen Angaben die folgenden Kosten, die nur bei nicht BHV1 - freien Betrieben entstehen:
Pro Blutprobe: | Entnahmegebühr | 3,50 EUR |
---|---|---|
Laborkosten | 3,60 EUR | |
Diagnostika | 1,15 EUR | |
8,25 EUR | ||
Pro Impfung: | Impfgebühr | 2,00 EUR |
Impfstoffkosten | 1,57 EUR | |
3,57 EUR |
Als Sanierungkosten pro Tier hat die Antragsgegnerin im Haushalt 2006 angesetzt 0,24 EUR für den BHV1-freien Betrieb und den geimpften Mastbetrieb bzw. 4,84 EUR für die nicht BHV1-freien Betriebe und die Betriebe mit kontrollierten Impfbeständen. Dieser Differenz auf der Ausgabenseite von 4,60 EUR pro Tier aus einem nicht BHV1-freien Betrieb bzw. aus einem Betrieb mit nur kontrolliertem Impfbestand stand im Haushaltsjahr 2006 eine um 3,70 EUR höhere Beitragsleistung pro Tier (3,80 EUR/Tier statt 7,50 EUR/Tier) des nicht BHV1-freien Betriebes bzw. des Betriebes mit nur kontrolliertem Impfbestand gegenüber. Von einem groben Missverhältnis zwischen dem vollen Beitrag zur Tierseuchenkasse und der den Beitragszahlern in dieser Gruppe gewährten Gegenleistung der Antragsgegnerin kann hiernach nicht die Rede sein.
Die Kosten des erfolglosen Normenkontrollverfahrens hat nach § 154 Abs. 1 VwGO der Antragsteller zu tragen.