Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.12.2009, Az.: 2 ME 313/09

Anspruch auf Unterlassung von im Zusammenhang mit der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben stehenden Äußerungen durch einen Amtsträger (hier: Schulleiter)

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.12.2009
Aktenzeichen
2 ME 313/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 29546
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2009:1217.2ME313.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 04.08.2009 - AZ: 6 B 2353/09
nachfolgend
OVG Niedersachsen - 15.01.2010 - AZ: 2 ME 2/10

Fundstellen

  • DVBl 2010, 268
  • SchuR 2010, 104-105

Amtlicher Leitsatz

Der Anspruch auf Unterlassung von Äußerungen durch einen Amtsträger (hier: Schulleiter), die im Zusammenhang mit der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben stehen, ist nicht gegen den Amtsträger, sondern gegen seine Anstellungskörperschaft zu richten.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers - des Vaters einer Grundschülerin - gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses den Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner - den Schulleiter der Grundschule, die die Tochter des Antragstellers besucht - im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es zu unterlassen, bestimmte Behauptungen aufzustellen und zu verbreiten, abgelehnt hat, hat keinen Erfolg.

2

Der Senat überprüft die Entscheidung des Verwaltungsgericht ausschließlich unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beschwerdeführers (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) und auch nur im Rahmen des nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ausdrücklich zu stellenden Antrages des Beschwerdeführers. Durch das Antragserfordernis werden die Zielrichtung und der Umfang der Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes festgelegt. Durch den ausdrücklich formulierten Antrag wird mithin deutlich gemacht, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert oder aufgehoben werden soll (vgl. hierzu Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 2. Aufl. 2006, § 146 Rdnr. 67 m.w.N.).

3

Innerhalb der einmonatigen Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO hat der Antragsteller ausschließlich und ausdrücklich beantragt, "den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 04.08.2009 aufzuheben". Damit hat der anwaltlich vertretene Antragsteller dem Senat das Prüfungsprogramm verbindlich vorgegeben. Dem Senat ist es mithin verwehrt, selbst "in die Sache einzusteigen" und näher zu prüfen, ob dem Antragsteller der geltend gemachte Unterlassungsanspruch der Sache nach zusteht. Vielmehr ist der Senat aufgrund der Antragstellung darauf beschränkt zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht zu Recht nicht zur Sache entschieden hat.

4

Ungeachtet dessen lässt sich der Beschwerdebegründung - auch soweit sie durch den Schriftsatz vom 25. August 2009 eine Erweiterung erfahren hat - auch im Wege der Auslegung ein konkreter antragsmäßig erfassbares Unterlassungsbegehren nicht entnehmen. Die Beschwerdebegründung enthält eine Vielzahl gegen den Antragsgegner gerichteter Vorwürfe, ohne im Einzelnen herauszustellen, für welches konkrete Verhalten Unterlassung verlangt wird. Es ist insoweit nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, mögliche Unterlassungstatbestände aus einem umfangreichen Sachverhalt herauszufiltern und in vollstreckungsfähige Anträge zu kleiden.

5

Ein isolierter Aufhebungsantrag - wie ihn der Antragsteller gestellt hat - macht nur Sinn, wenn ein Beteiligter nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO - der in Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 146 VwGO i.V.m. § 123 VwGO entsprechend gilt (Senat, Beschl. v. 23.9.2009 - 2 NB 305/09 - m.w.N.) - die Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht ausdrücklich beantragt, weil dieses zu Unrecht noch nicht in der Sache, das heißt über den Streitgegenstand entschieden hat. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

6

Der anwaltlich vertretene Antragsteller hat weder in der Beschwerdeschrift vom 18. August 2009 noch in der weiteren Beschwerdebegründung vom 25. August 2009 - die vor dem 6. September 2009 und damit innerhalb der einmonatigen Frist des§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO bei dem Senat als dem nach § 146 Abs. 4 Satz 2 VwGO allein maßgeblichen Adressaten eingegangen ist - eine Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht ausdrücklich beantragt. Auch der Antragsgegner als weiterer Verfahrensbeteiligter hat eine derartige Zurückverweisung nicht beantragt.

7

Ferner hat das Verwaltungsgericht zu Recht in der Sache selbst nicht entschieden, sondern den Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Ergebnis zutreffend deshalb abgelehnt, weil der in Anspruch genommene Antragsgegner nicht passiv legitimiert ist.

8

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Antragsteller begehre mit seinem Antrag die Unterlassung von Äußerungen, die der Antragsgegner nicht als Privatperson, sondern in seiner Eigenschaft und im Rahmen seiner Tätigkeit als Schulleiter der B. -Schule in C. gemacht haben solle. Das Unterlassungsbegehren sei daher nicht gegen den Antragsgegner als Privatperson, sondern gegen das Land Niedersachsen als Anstellungskörperschaft des Antragsgegners zu richten. Der anwaltlich vertretene Antragsteller sei im Juni und Juli 2009 aufgefordert worden mitzuteilen, wer Beteiligter an diesem Verfahren sein solle. Da der Antragsteller sich nicht geäußert habe, sei das Verwaltungsgericht daran gebunden, dass der Antragsteller den Antragsgegner unter dessen Privatanschrift in Anspruch nehme.

9

Der Senat tritt diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Wesentlichen bei. Wird - wie hier - ein Anspruch auf Unterlassen von Äußerungen, die im Zusammenhang mit der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben stehen, geltend gemacht, ist nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum aufgrund des im öffentlichen Recht geltenden Rechtsträgerprinzips Anspruchsgegner und daher auch gerichtlich in Anspruch zu nehmen nicht der Beamte persönlich, sondern der Hoheitsträger, dem die Äußerungen seines Amtswalters zugerechnet werden. Ausnahmen gelten nur dann, wenn die Äußerung so sehr Ausdruck einer persönlichen Meinung oder Einstellung ist, dass das persönliche Gepräge überwiegt, sodass eine Unterlassungserklärung durch die Anstellungskörperschaft auch nicht geeignet wäre, der Wiederherstellung der Ehre des Anspruchstellers zu dienen. Grund hierfür ist, dass Äußerungen eines Amtsträgers im Grundsatz rechtlich als solche der Anstellungskörperschaft gelten, dessen Organ er ist. Mit amtlichen Äußerungen wird damit die Auffassung der Anstellungskörperschaft rechtlich festgelegt, sodass auch nur diese selbst auf deren Korrektur in Anspruch genommen werden kann (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 27.12.1967 - VI B 35.67 -, DÖV 1968, 429 im Anschluss an BGH - Großer Senat -, Beschl. v. 19.12.1960 - GSZ 1/60 -, BGHZ 34, 99 = NJW 1961, 658; Urt. v. 29.1.1987 - 2 C 34.85 -, BVerwGE 75, 354 = NJW 1987, 2529 = [...] Langtext Rdnr. 10 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.9.1991 - 7 A 10359/91 -, NJW 1992, 1844 = [...] Langtext Rdnr. 39; HessischerVGH, Urt. v. 9.12.1993 - 6 UE 571/93 -, NVwZ-RR 1994, 700 = [...] Langtext Rdnr. 29; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 2.11.1998 - 9 S 2434/98 -, VBlBW 1999, 93 = [...] Langtext Rdnr. 5; VG Berlin, Beschl. v. 20.8.1996 - 26 A 115.96 -, [...] Langtext Rdnr. 12; VG Bayreuth, Urt. v. 20.1.2006 - B 5 K 03.1361 -, [...] Langtext Rdnr. 36 ff.; VG Regensburg, Urt. v. 8.3.2006 - RN 3 K 05.00184 -, [...] Langtext Rdnr. 68 und 70; VG Augsburg, Urt. v. 2.4.2003 - Au 4 K 02.728 -, [...] Langtext Rdnr. 23, jeweils m.w.N.).

10

Der Senat folgt des Weiteren der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die streitigen Äußerungen des Antragsgegners in einem dienstlichen Zusammenhang stehen und er diese in seiner Funktion als Schulleiter der Grundschule abgegeben hat, während demgegenüber etwaige persönliche Momente jedenfalls nicht überwiegen; dies stellt der Antragsteller auch nicht in Abrede. Er hat vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er den Antragsgegner nicht als Privatperson, sondern in seiner Eigenschaft als Schulleiter in Anspruch nehme. Daher ist es unschädlich, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen hat, dass es sich bei der Anschrift "D. " in E. um die Privatanschrift des Antragsgegners handelt, während unter dieser Anschrift tatsächlich die B. -Schule residiert. Gerade weil der Antragsgegner die von dem Antragsteller beanstandeten Äußerungen auch nach seiner, des Antragstellers, Ansicht in seiner Eigenschaft als Schulleiter und damit im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit getan hat, hat das Amtsgericht E. den Rechtsweg vor den Zivilgerichten (zu Recht) für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht Hannover verwiesen. Dann aber ist nach dem oben Gesagten der Unterlassungsanspruch ausschließlich und allein gegen die Anstellungskörperschaft des Antragsgegners zu richten. Der Antragsteller hat die Hinweise des Verwaltungsgerichts in den Verfügungen vom 15. Juni und 20. Juli 2009 gleichwohl bis heute nicht zum Anlass genommen, den Antrag umzustellen. Hieran muss sich der anwaltlich vertretene Antragsteller im Beschwerdeverfahren festhalten lassen. Im Übrigen stellt der Austausch auf der Antragsgegnerseite eine subjektive Antragsänderung mit der Folge der Rücknahme des Antrages gegenüber dem bisherigen Antragsgegner dar, die zudem zustimmungspflichtig ist (vgl. hierzu Kuntze, in: Bader/Funke-Kaiser/ Kuntze/von Albedyll, VwGO, 4. Aufl. 2008, § 91 Rdnr. 16; Schmid, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 91 Rdnr. 26, jeweils m.w.N.). Diese Zustimmung hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 10. September 2009 ausdrücklich verweigert.

11

Der Senat ist durch den Beschluss des Amtsgerichts E. vom 30. März 2009 - - nicht gehindert, die Passivlegitimation des Antragsgegners zu verneinen. Aufgrund des gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG bindenden Verweisungsbeschlusses sind das Verwaltungsgericht und der Senat (nur) hinsichtlich des Rechtswegs gebunden. Von der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses nicht erfasst werden hingegen die die Entscheidung tragenden materiell-rechtlichen Gründe sowie sonstige Feststellungen. Insbesondere ergibt sich keine Bindung an die Passivlegitimation des Antragsgegners, da - mit Ausnahme der Rechtswegfrage - durch die Verweisung des Rechtsstreits eine Präjudizierung in weiteren Zulässigkeits- oder Sachfragen nicht eintritt (VG Regensburg, Urt. v. 8.3.2006 - RN 3 K 05.00184 -, [...] Langtext Rdnr. 68).

12

Entgegen der Ansicht des Antragstellers handelt es sich vorliegend auch nicht um einen Organstreit. Es ist nicht erkennbar, dass eine interorganliche Streitigkeit, das heißt eine solche zwischen zwei verschiedenen Organen eines Verwaltungsträgers, nämlich hier der Klassenelternschaft oder des Schulelternrats gegen die Schulleitung, den Streitgegenstand bildet. Denn der Antragsteller wehrt sich nicht gegen eine Beeinträchtigung tatsächlicher oder vermeintlicher Kompetenzen der Klassenelternschaft. Dass er in seiner Stellung als (stellvertretender) Vorsitzender der Klassenelternschaft - etwa in der Befugnis gemäß § 89 Abs. 2 Satz 1 NSchG, zu einer Elternversammlung einzuladen - gerade durch Äußerungen des Antragsgegners beeinträchtigt wird, hat er ebenfalls nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Deshalb kann auch dahinstehen, ob der Antragsteller zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch eine derartige Funktion innehat. Auch eine intraorganliche Streitigkeit, also eine solche zwischen zwei verschiedenen Teilen eines (kollegialen) Organs, nämlich eines Elternteils oder -vertreters gegen die Klassenelternschaft oder den Schulelternrat, liegt - ungeachtet der weiteren Frage der Beteiligtenfähigkeit gemäß § 61 Nr. 2 VwGO - nicht vor.