Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.08.2013, Az.: 5 LA 291/12
Geltung des gesetzesimmanenten Vorbehalts der Rückforderung von Versorgungsbezügen für den Fall der Anrechnung einer fiktiven Rente nach § 55 Abs. 1 S. 3 BeamtVG ohne Beantragung derselbigen durch den Versorgungsempfänger
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 07.08.2013
- Aktenzeichen
- 5 LA 291/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 43856
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2013:0807.5LA291.12.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 55 Abs. 1 S. 3 BeamtVG
- § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB
Fundstelle
- NdsVBl 2013, 3
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Der gesetzesimmanente Vorbehalt der Rückforderung von Versorungsbezügen gilt auch für den Fall der Anrechnung einer fiktiven Rente nach § 55 Abs. 1 S. 3 BeamtVG, wenn der Versorgungsempfänger eine ihm zustehende Rente nicht beantragt hat.
- 2.
Zur Frage der grobfahrlässigen Unkenntnis der Behörde vom Bestehen des Rückforderungsanspruchs (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses die Rückforderung von Versorgungsbezügen wegen der Anrechnung einer fiktiven Altersrente für rechtmäßig erachtet hat, hat keinen Erfolg.
1. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Der Kläger hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam:
"Ist dem betroffenen Beamten die Einrede des Wegfalls der Bereicherung unter dem Gesichtspunkt des Bestehens eines gesetzesimmanenten Vorbehalts auch dann abgeschnitten, wenn er nicht etwa neben den Versorgungsbezügen eine nach § 55 BeamtVG anzurechnende Rente aus der gesetzliche Rentenversicherung tatsächlich bezieht, sondern lediglich ein Rentenanspruch besteht und eine Rente aus Unwissenheit nicht beantragt wurde?"
Diese Frage lässt sich schon im Zulassungsverfahren anhand der maßgeblichen Vorschriften und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bejahen und bedarf daher keiner grundsätzlichen Klärung in einem Berufungsverfahren.
Bei der Rückforderung zu viel gezahlter Versorgungsbezüge ist nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG i. V. m. § 818 Abs. 3 BGB die Haftung mit der Möglichkeit der Berufung auf einen Wegfall der Bereicherung, ergänzt durch unbeschränkte Haftung bei Kenntnis des mangelnden Rechtsgrundes (§ 819 Abs. 1 i. V. m. § 818 Abs. 4 BGB) oder bei Offensichtlichkeit des Mangels (§ 52 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG), die gesetzliche Regel. Durch diese Regel hat der Gesetzgeber eine billige Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung oder Rückgängigmachung unberechtigter Zahlungen aus öffentlichen Kassen und dem schutzwürdigen Vertrauen eines Versorgungsempfängers, dem die mangelnde Berechtigung einer Zahlung weder bekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, getroffen. Ausnahmen hiervon, etwa in Anlehnung an den - mangels eines Rechtsgeschäftes nicht unmittelbar heranziehbaren - § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB, bedürfen einer besonderen Rechtfertigung und dürfen nicht zur Umkehrung der gesetzlichen Regel führen. Eine solche Ausnahme nimmt das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung für den Fall einer rückwirkenden Ruhensregelung wegen rückwirkender Gewährung oder nachträglichen Bekanntwerdens anzurechnender anderweitiger Bezüge oder sonst anzurechnenden anderweitigen Einkommens des Versorgungsempfängers (§§ 53 ff. BeamtVG) an. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch auf die Besonderheiten abgestellt, dass die Ruhensberechnungen jedenfalls in der Regel keine endgültigen Bescheide sind und den Vorbehalt einer späteren Änderung in sich tragen, und vor allem, dass im Fall der Ruhensregelung dem Versorgungsempfänger als Empfänger beider Bezüge die Änderung der anzurechnenden Bezüge typischerweise bekannt ist und er deshalb aufgrund der bei ihm vorausgesetzten Kenntnisse davon auszugehen hat, dass die Änderung der einen Bezüge eine Änderung der anderen Bezüge zur Folge haben kann (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 24.9.1992 - BVerwG 2 C 18.91 -, [...] Rn. 19 m. w. N.). Der beschließende Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (vgl. etwa Nds. OVG, Beschluss vom 2.5.2012 - 5 LA 395/10 -).
Hiergegen wendet der Kläger ein, diese Besonderheiten, die die Berufung auf den gesetzesimmanenten Vorbehalt zuließen, lägen in den Fällen, in denen der Beamte aus Unwissenheit eine nach § 55 BeamtVG anzurechnende Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht beantragt und deshalb nicht tatsächlich bezogen habe, nicht vor. Er meint, ein Rechtswissen könne diesen Beamten, die einer fehlerhaften rechtlichen Vorstellung aufsäßen, anders als in den vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fällen der doppelten Zahlung nicht unterstellt werden.
Diese Einwände des Klägers dringen nicht durch. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beruht auf der Erwägung, dass Ruhensberechnungen - jedenfalls in der Regel - keine endgültigen Bescheide sind und wegen des gesetzlichen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen der Versorgung und dem einem Versorgungsempfänger gleichzeitig gezahlten Verwendungseinkommen den Vorbehalt einer späteren Änderung in sich tragen. Bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge kann die Versorgungsbehörde nicht voraussehen, ob ihr nachträglich ein Einkommen des Versorgungsberechtigten aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst bekannt wird oder ob eine spätere rückwirkende Änderung der Versorgungsbezüge oder des Verwendungseinkommens zugleich eine rückwirkende Änderung der Ruhensberechnung erforderlich macht. Nachträgliche rückwirkende Änderungen früherer Ruhensberechnungen sind daher - für den Versorgungsempfänger erkennbar - unvermeidlich und auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht ausgeschlossen (BVerwG, Urteil vom 25.11.1985 - BVerwG 6 C 37.83 -, [...] Rn. 21).
Hieraus folgt bereits, dass die verschärfte Haftung nicht davon abhängt, ob dem Beamten die Anwendung der Kürzungsvorschrift bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. Anders als die an die Kenntnis des Empfängers vom Mangel des rechtlichen Grundes anknüpfende Regelung des § 819 Abs. 1 BGB ist die verschärfte Bereicherungshaftung nach § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB ausschließlich die gesetzliche Folge des wirksamen gesetzlichen Vorbehaltes (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 2.5.2012 - 5 LA 325/10 -).
Das Bundesverwaltungsgericht hat weiter festgestellt, dass bei Ruhensberechnungen ein gesetzlicher Vorbehalt der nachträglichen Änderung dann nicht besteht, wenn dieses Kriterium der Unsicherheit, in welchem Umfang die Versorgungsbezüge infolge eines Verwendungseinkommens ruhen, nicht gegeben ist (Urteil vom 25.11.1985, a. a. O., Rn. 22).
Das demnach für den gesetzesimmanenten Vorbehalt bei Ruhensberechnungen maßgebende Kriterium der Unsicherheit liegt aber unabhängig davon vor, ob der Beamte seine ihm zustehende Rente beantragen wird oder nicht. In beiden Fällen ist die Rente nach § 55 BeamtVG anzurechnen. Der gesetzliche Vorbehalt erstreckt sich deshalb auch auf die Anrechnung einer zustehenden, aber nicht beantragten Rente.
Der gesetzliche Vorbehalt besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann nicht - wie auch das Verwaltungsgericht bereits dargelegt hat -, wenn der Versorgungsbehörde die für die Ruhensberechnung erheblichen tatsächlichen Umstände bekannt gewesen sind und die Richtigkeit der Entscheidung allein von der Anwendung der einschlägigen Rechtsvorschriften abhängt. In jenen Fällen ist eine etwaige fehlerhafte Rechtsanwendung ausschließlich dem Verantwortungsbereich der Behörde zuzuordnen (Urteil vom 25.11.1985, a. a. O., Rn. 22). Das Bundesverwaltungsgericht verneint zudem eine Haftung entsprechend § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB in den Fällen, in denen es sich bei der Kürzung um eine endgültige Regelung handelt und der Versorgungsempfänger von dem die Kürzung auslösenden Sachverhalt (hier: Rentenansprüche des geschiedenen Ehegatten) typischerweise keine unmittelbare Kenntnis hat (Urteil vom 24.9.1992, a. a. O., Rn. 20) oder wenn die Voraussetzungen für einen Gehaltsbestandteil bereits bei der Festsetzung abschließend zu prüfen sind (Urteil vom 28.2.1985 - BVerwG 2 C 16.84 -, [...] Rn. 23).
Keine dieser Fallkonstellationen trifft jedoch auf den Sachverhalt in der von dem Kläger aufgeworfenen, für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Frage zu. Der Sachverhalt ist auch nicht mit den genannten Fallkonstellationen vergleichbar. Denn es handelt sich bei den eigenen Rentenansprüchen eines Beamten nicht um Umstände, von denen er regelmäßig keine unmittelbare Kenntnis hat, sondern vielmehr um solche, die ihm typischerweise gerade bekannt sind. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kennt der Beamte seine eigene Erwerbsbiographie. Zudem erhält er Auskünfte des Rentenversicherungsträgers (vgl. § 109 Abs. 1 Satz 2, § 115 Abs. 6 SGB VI). Der Dienstherr weist in der Regel - wie auch in dem vorliegenden Einzelfall - in mit den Versorgungsfestsetzungsbescheiden beiliegenden Merkblättern auf die Rechtslage hin. Wenn ein Beamter seinen Rentenanspruch gleichwohl nicht realisiert, ist dies regelmäßig seiner Sphäre zuzuschreiben.
Der Senat hält diese Rechtseinschätzung ebenso wie das Verwaltungsgericht auch unter dem Gesichtspunkt für sachgerecht, dass der Beamte, der den Rentenbeginn über die Regelaltersgrenze hinaus verschiebt, gemäß § 77 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 b) SGB VI einen erhöhten Zugangsfaktor erhält. Auf diese Weise werden die finanziellen Folgen des verspäteten Rentenbeginns abgemildert. Bei entsprechend langer Lebensdauer des Beamten kann die Summe der ab Rentenbeginn gezahlten Zuschläge die Summe der fiktiven Renten zwischen dem Erreichen der Regelaltersgrenze und dem tatsächlichen Rentenbeginn ausgleichen (vgl. Ruland, Zur Berechnung der anzurechnenden Rente gem. § 55 BeamtVG, ZBR 2008, 120 <122>).
2. Aus den unter Ziffer 1. genannten Gründen ist die Berufung auch nicht wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
3. Es bestehen angesichts der obigen Ausführungen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen und ausführlich begründet, warum es zu der von dem Kläger angegriffenen Einschätzung gelangt ist (UA S. 6 - 10). Der Senat macht sich die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils zu Eigen und verweist auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren ist das Folgende hervorzuheben bzw. zu ergänzen:
Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Rückforderungsansprüche der Beklagten für den Zeitraum vom 1. Mai 2000 bis zum 31. Dezember 2006 nicht verjährt.
Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (Dienstherr) von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners (Beamter) Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Bei Behörden oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften ist hierzu auf die Kenntnis des zuständigen Bediensteten der verfügungsberechtigten Behörde abzustellen; verfügungsberechtigt in diesem Sinne sind dabei solche Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für den Rückforderungsanspruch zukommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren ist (BVerwG, Urteil vom 26.4.2012 - BVerwG 2 C 4.11 -, [...] Rn. 15 m. w. N.).
Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt demnach nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung ("Verschulden gegen sich selbst") vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat. Hierbei trifft den Gläubiger generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falles als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 27.9.2011 - VI ZR 135/10 -, [...] m. w. n.).
Gemessen hieran sind die Rückforderungsansprüche der Beklagten für den Zeitraum vom 1. Mai 2000 bis zum 31. Dezember 2006 nicht verjährt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der den Rückforderungsanspruch der Beklagten begründende Umstand der Rentenanspruch des Klägers ist. Die Beklagte hat erst im Jahr 2010 mit Erhalt des Rentenbescheides vom 21. Juni 2010 positive Kenntnis von dem Rentenanspruch des Klägers erlangt. Zwar hat der Kläger bereits in dem Vordruck vom 4. September 1998 Angaben zu seinem Werdegang gemacht und seine Beschäftigungszeiten eingetragen. Er hat ferner in diesem Vordruck der Beklagten mitgeteilt, dass eine Bescheinigung der Landesversicherungsanstalt Hannover vom 12. März 1963 über die Nachversicherung vorliegt. Auf diese Anhaltspunkte hat auch der Landesrechnungshof in seinem Prüfvermerk vom 8. April 2010 hingewiesen. Damit lagen der Beklagten bereits 1998 Hinweise vor, dass dem Kläger bei Erreichen des Regelrentenalters ein Anspruch auf eine anrechnungspflichtige Rente zustehen könnte. Diese Umstände sind aber nur Hinweise auf das mögliche Bestehen einer Rentenanwartschaft gewesen. Die Frage, ob und in welchem Umfang tatsächlich ein Rentenanspruch besteht, hängt dagegen in hohem Maße von speziellen rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen ab (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 18.4.2012 - 1 A 1522/11 -, [...] Rn. 39). Der Senat ist deshalb mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass diese Hinweise den Lauf der Verjährungsfrist nicht auslösen.
Der Senat vermag keine früher liegende, grob fahrlässige Unkenntnis der Versorgungsbehörde von dem Rentenanspruch des Klägers festzustellen. Dem Vortrag des Klägers, der Versorgungsbehörde hätte es sich aufgrund seiner Angaben im Vordruck 3009 vom 4. September 1998 aufdrängen müssen, dass ihm mit Erreichen des Regelrentenalters ab April 2000 ein Anspruch auf eine gesetzliche Rente zustehen würde, und sie hätte dem nachgehen müssen, zumal mit einem Grad hoher Wahrscheinlichkeit davon habe ausgegangen werden können, dass der als Lehrer tätig gewesene Kläger genauso wie vergleichbare andere Beamte über seine rentenrechtliche Situation nicht informiert gewesen sei folgt der Senat nicht. Der Senat teilt insbesondere nicht die von dem Oberverwaltungsgericht Hamburg in einem ähnlich gelagerten Fall (Urteil vom 30. November 20122 - 1 Bf 41/12 -, [...]) vertretene Auffassung, wonach die Versorgungsbehörde es grob fahrlässig unterlassen hätte, eine rechtzeitige Vorlage der Versorgungsakte des Versorgungsempfängers bei Erreichen seiner Altersgrenze zu notieren. Zwar wäre es im vorliegenden Fall wünschenswert gewesen, wenn der zuständige Sachbearbeiter eine Wiedervorlage der Akte des Klägers im Jahr 2000 verfügt und Nachforschungen über etwaige Rentenansprüche des Klägers angestellt hätte. Wie das Verwaltungsgericht jedoch zutreffend festgestellt hat, trifft die Beklagte keine Verpflichtung, das Bestehen etwaiger Rentenansprüche zu prüfen und gegebenenfalls Indizien dafür nachzugehen. Eine solche Verpflichtung ginge über die vom Dienstherrn zu beachtende Fürsorgepflicht hinaus. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebietet es auch grundsätzlich nicht, seine Beamten von sich aus auf für sie etwa in Betracht kommende Möglichkeiten einer Antragstellung hinzuweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.1.1997 - BVerwG 2 C 10.96 -, [...] Rn. 16). Hierbei ist im vorliegenden Fall zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger in einem Merkblatt über die gesetzlichen Anrechnungsvorschriften informiert worden ist.
Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, soweit der Kläger vorträgt, die Nichtanrechnung der gesetzlichen Rente gehe wesentlich auf ein individuelles Verschulden oder ein Organisationsverschulden der Beklagten zurück und die Rückforderung sei deshalb um 30 % zu reduzieren.
Der Senat hat in seinem Beschluss vom 29. Juli 2012 (- 5 LA 275/12 -, [...] Rn. 29 f.) ausgeführt:
"...Der Kläger kann seine gegenteilige Rechtsauffassung insbesondere nicht auf die jüngere höchstrichterliche Rechtsprechung stützen, wonach aus Gründen der Billigkeit von der Rückforderung teilweise abzusehen ist, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt, weil ein Beamter, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, besser stehen müsse als ein Beamter, der die Überzahlung allein zu vertreten hat, so dass in diesen Fällen regelmäßig ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 % des überzahlten Betrages angemessen erscheint (BVerwG, Urteile vom 26.4.2012 - BVerwG 2 C 15.10 -, [...] Rn. 26 sowie BVerwG 2 C 4.11, [...] Rn. 20 -).
Diese Grundsätze sind auf den Streitfall nicht übertragbar, weil sich hier die Frage eines überwiegenden Mitverschuldens der Beklagten an der Entstehung der Überzahlung nicht stellt. Die klassischen Fallkonstellationen, in denen die Annahme eines überwiegenden Mitverschuldens der Behörde in Betracht kommt und die auch den o. g. Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. April 2012 zugrunde lagen, sind diejenigen einer fehlerhaften Bezügefestsetzung, bei denen der Beamte oder Soldat nach §§ 818 Abs. 4, 819 BGB in Verbindung mit (z. B.) § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG verschärft haftet, weil der Mangel des rechtlichen Grundes so offensichtlich war, dass er ihn hätte erkennen müssen. Insoweit kommt die Annahme eines überwiegenden behördlichen Mitverschuldens an der Entstehung einer Überzahlung etwa dann in Betracht, wenn die Ursache für die Überzahlung auf einem Fehler des von der Bezügestelle verwendeten Computersystems oder auf einem Eingabefehler beruht und wenn weitere verschärfende Umstände - etwa ein Unbemerktbleiben des Fehlers auch bei nachfolgenden Kontrollen bzw. Eingaben in das System oder aber über lange Zeit (so in den Fällen BVerwG, Urteile vom 26.4.2012 - BVerwG 2 C 15.10 und BVerwG 2 C 4.11 -, a. a. O.) - hinzutreten (vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 24.7.2013 - 5 LB 85/13, zur Veröffentlichung in [...] vorgesehen). Mit einer solchen Fallkonstellation sind die Fälle der unter dem gesetzlichen Vorbehalt des § 2 Abs. 5 BesÜG stehenden Leistung jedoch nicht vergleichbar. Denn hier ist die Überzahlung als solche dadurch entstanden, dass die Beklagte unter Anwendung der gesetzlichen Vorgaben des § 2 Abs. 5 BesÜG die dort vorgesehene vorläufige Zuordnung nach der Beförderung des Klägers mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Beförderung durch eine endgültige Zuordnung ersetzt hat. Damit liegt die wesentliche Ursache der Überzahlung als solche weder in einem sorgfaltswidrigen Verhalten des Klägers noch in einem fehlerhaften Verhalten der Beklagten, sondern ist allein der gesetzgeberischen Entscheidung in § 2 Abs. 5 BesÜG geschuldet..."
Diese Ausführungen gelten für den vorliegenden Fall entsprechend. Der in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. April 2012 (a. a. O.) aufgestellte Grundsatz - im Rahmen der nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG zu treffenden Billigkeitsentscheidung erscheine bei einem überwiegenden behördlichen Mitverschulden regelmäßig ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 % des überzahlten Betrages angemessen - ist hier ebenfalls nicht anwendbar. Denn die Zahlung der Versorgungsbezüge ist unter dem gesetzesimmanenten Vorbehalt geleistet worden, dass die Bezüge infolge späterer Anwendung von Ruhensvorschriften gekürzt werden, der Kläger haftet entsprechend § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB verschärft. Die Überzahlung als solche ist dadurch entstanden, dass die Beklagte unter Anwendung der gesetzlichen Vorgaben des § 55 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG die dort vorgesehene Anrechnung der fiktiven, von dem Kläger nicht beantragten Rente vorgenommen hat. Die wesentliche Ursache der Überzahlung als solche liegt deshalb weder in einem sorgfaltswidrigen Verhalten des Klägers noch in einem fehlerhaften Verhalten der Beklagten.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).