Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.08.2013, Az.: 1 KN 69/11

Möglichkeit der Heilung von Ausfertigungsmängel im ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.08.2013
Aktenzeichen
1 KN 69/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 44585
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0813.1KN69.11.0A

Fundstellen

  • BauR 2014, 72-76
  • BauR 2014, 737
  • BauR 2014, 882
  • DÖV 2013, 949
  • NdsVBl 2013, 5
  • ZfBR 2013, 795-798

Amtlicher Leitsatz

Ausfertigungsmängel können im ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB geheilt werden. Die Bekanntmachungsanordnung muss der Bürgermeister nicht unterzeichnen; seine Paraphe oder die seines Vertreters genügt. Eine auf die Bewahrung von Freiräumen für Natur und Erholung ausgerichtete Bauleitplanung für den Außenbereich kann mit dem Verbot der Negativplanung vereinbar sein. Eine solche, weite Teile des Gemeindegebiets erfassende Planung muss den im Außenbereich privilegierten Nutzungen noch substantiell Raum lassen. Dem ist für landwirtschaftliche und gewerbliche Tierhaltungsanlagen in jedem Fall dann genügt, wenn die Viehdichte in der Gemeinde bereits vor der Planung weit überdurchschnittlich ist. Das Sicherungsbedürfnis kann in Frage gestellt sein, wenn sich absehen lässt, dass die Gemeinde - etwa, weil sie sich "zu viel vorgenommen" hat - auch unter Inanspruchnahme von § 17 Abs. 2 BauGB nicht mit der Maximalzeit auskommen wird/kann, die eine Veränderungssperre dauern darf.

Tatbestand

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Veränderungssperre der Antragsgegnerin, durch die sie sich an der Errichtung eines Schweinestalles mit 1.440 Plätzen gehindert sieht.

Aus Anlass dieses Vorhabens beschloss der Rat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 16. Februar 2011 die Aufstellung eines einfachen Bebauungsplans Nr. 47 "Tierhaltung I" für eine unregelmäßig zugeschnittene, einzelne Baugrundstücke auch inselartig auslassende Fläche östlich um E. herum. Nach einem zugrunde liegenden Vorentwurf soll der Plan bestimmte Flächen mit einem Baufenster umgeben. Nach den textlichen Festsetzungen dieses Vorentwurfs ist vorgesehen, außerhalb der hierfür festzusetzenden Baugrenzen nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB bauliche Anlagen im Wesentlichen für unzulässig zu erklären; bestimmte Anlagen werden ausdrücklich ausgenommen. In der Ratsvorlage hierfür ist ausgeführt, dass die überbaubaren Bereiche bei bestehender landwirtschaftlicher Bebauung und zur Erweiterung bestehender Tierhaltungsanlagen bzw. Hofstellen in Abstimmung mit den betroffenen Landwirten festgesetzt würden.

Zum Planungsanlass heißt es, der Strukturwandel in der Landwirtschaft habe in der Gemeinde B. ebenso wie in der gesamten Region F. zu einer Konzentration der landwirtschaftlich genutzten Flächen auf immer weniger Betriebe geführt. Gleichzeitig habe sich die Tierhaltung/-mast als wesentlicher Teil der landwirtschaftlichen Produktion ausgeweitet und damit einhergehend die Tierzahl pro Stall bzw. pro Betrieb stark erhöht. Wegen der höheren Wertschöpfung würden dabei immer größere Stallanlagen mit arbeitssparender Betriebstechnik angestrebt. Gleichzeitig bestehe Nachfrage für die Errichtung von Biogasanlagen. Städtebaulich ließen sich solche Anlagen in vielen Fällen nicht mehr auf den bisherigen Hofstellen im dörflichen Bebauungszusammenhang errichten. Mit dem Bebauungsplan solle eine weitere Zersiedelung der noch vorhandenen freien Landschaft dieses Teils des Gemeindegebiets unterbunden werden. Insbesondere im Bereich östlich der Ortslage von B. zwischen den Ortslagen G. im Westen, H. und I. im Süden, dem Naturschutzgebiet "J. K. " im Osten und der L. Straße (L 831) im Nordwesten sei die Zersiedelung noch gering. Diese Bereiche sollten als Erholungslandschaft gesichert werden. Im Bereich vorhandener landwirtschaftlicher Hofstellen bzw. bestehender Tierhaltungsanlagen sollten jedoch Erweiterungsmöglichkeiten für die vorhandenen Betriebe berücksichtigt werden. Der Entwicklungsbedarf werde mit jedem Betrieb abgestimmt. Es komme nicht darauf an, dass die freizuhaltenden Flächen aus naturschutzfachlicher oder landespflegerischer Sicht besonders schutzwürdig seien. Auch der "profane" Außenbereich stelle einen wichtigen Rückzugsraum für Tiere und Pflanzen dar. Der Aufstellungsbeschluss wurde durch Veröffentlichung in der Münsterländischen Tageszeitung vom 21. Februar 2011 und durch Aushang bekannt gemacht.

Ebenfalls in der Sitzung vom 16. Februar 2011 beschloss der Rat der Antragsgegnerin anschließend die hier angegriffene Veränderungssperre, die durch Veröffentlichung in der Münsterländischen Tageszeitung 25. Februar und 1. März 2011 (letztere mit zusätzlichen Hinweisen) und durch Aushang bekannt gemacht wurde. Auf Rüge der Antragstellerin fertigte der Bürgermeister der Antragstellerin die Satzung über die Veränderungssperre am 21. Oktober 2011 erneut aus und ordnete mit Verfügung vom 24. Oktober 2011 die Bekanntmachung mit rückwirkender Inkraftsetzung zum 1. März 2011 an, die in der Münsterländischen Tageszeitung vom 26. Oktober 2011 erfolgte.

Am 16. März 2011 hat die Antragsgegnerin Aufstellungsbeschlüsse für die Bebauungspläne "Tierhaltung II", "Tierhaltung III" und "Tierhaltung IV" gefasst und sie am 11. Juli 2012 durch Veränderungssperren abgesichert. Zusammen erfassen die vier Bebauungspläne einen Großteil des Gemeindegebiets der Antragsgegnerin außerhalb geschlossener Ortslagen.

Gegen die Veränderungssperre zum Bebauungsplan Nr. 47 hat die Antragstellerin den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung führt sie aus: Die Veränderungssperre sei vor der Bekanntmachung nicht ausgefertigt worden. Eine Heilung dieses Mangels nach § 214 Abs. 4 BauGB komme nicht in Betracht, da diese Norm keine Verstöße gegen Landesrecht erfasse und das Erfordernis der Ausfertigung im Landesrecht geregelt sei. Die Bekanntmachungsanordnung sei unzureichend gewesen, weil sie nur paraphiert gewesen sei und Zeitpunkt sowie Art der Bekanntmachung offen gelassen habe. Die Veränderungssperre sei auch materiell rechtswidrig. Der mit ihr abgesicherte Plan sei eine unzulässige Negativplanung ohne klar umrissenes Planungsziel. Es sei nicht erkennbar, welche Art baulicher Anlagen in den Baufenstern zugelassen werden sollten. Unterbleibe die Festsetzung der Nutzungsart, richte sich die Zulässigkeit nach § 35 BauGB, so dass der vorgesehene Plan keine Steuerungskraft entfalte. Hinsichtlich der Flächen außerhalb der Baufenster fehle eine konkrete Planungsabsicht. Insoweit gleiche die Planung derjenigen, welche der Senat in seinem Beschluss vom 6. April 2009 (1 MN 289/08) für unzureichend gehalten habe. Soweit die Absicht ausgedrückt werde, die erforderlichen Festsetzungen in Abstimmung mit den betroffenen Landwirten zu treffen, werde die Planung in Wahrheit in die Hände der Betriebe gegeben. Schließlich sei auch keine städtebauliche Fehlentwicklung erkennbar, die ein Gegenwirken erfordere. Der bloße Hinweis auf die Viehdichte sei unzureichend, die Betroffenheit der Antragsgegnerin durch eine Massierung von Tierhaltungsanlagen zu belegen, denn für diese fehle es an belastbaren Kriterien.

Einen gleichzeitig mit dem Normenkontrollantrag gestellten Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO hat der Senat mit Beschluss vom 28. November 2011 - 1 MN 70/11 - abgelehnt.

Im Oktober 2011 hat die Antragsgegnerin Fragebögen an die in ihrem Gemeindegebiet ansässigen Landwirte versandt, um deren Erweiterungsabsichten zu erfragen, und eine nachfolgend zum 31. Dezember 2011 verlängerte Abgabefrist gesetzt. Bis März 2012 hat sie diese ausgewertet. Im Mai bzw. Juli 2012 hat sie die Fragebögen an die Landwirtschaftskammer mit der Bitte übergeben, landwirtschaftliche Fachbeiträge zu den vorgetragenen Erweiterungswünschen zu erstellen. In seiner Sitzung am 12. Februar 2013 hat der Rat der Antragsgegnerin die Verlängerung der hier angegriffenen Veränderungssperre beschlossen. Zur Begründung wiederholt die Ratsvorlage vom 8. Februar 2013 teils die Erwägungen zum Aufstellungsbeschluss. Ergänzend macht sie Angaben zu den in bei der Ausweisung der bebaubaren Flächen anzuwendenden Kriterien: Grundsätzlich werde die vorhandene Hofstelle ausgewiesen. Bei Betrieben, die einen in maximal 5 Jahren akuten Bedarf nachwiesen, der auch von der Landwirtschaftskammer bestätigt werde, sei eine Erweiterungsfläche grundsätzlich im Anschluss an den vorhandenen Bestand auszuweisen. Sei dies aus immissionsschutzrechtlichen Gründen nicht möglich, so solle eine Entwicklungsfläche im Anschluss an einen vorhandenen anderen Standort oder an einem Standort, der den Zielen der Planung nicht widerspreche, ausgewiesen werden. Verpachtete Betriebe erhielten nur den Bestand ausgewiesen. Falls erforderlich, werde die Immissionslage vorab geprüft, damit keine Baufenster ausgewiesen würden, die nicht genutzt werden könnten. Erste Ergebnisse der Befragung seien im Entwurf bereits berücksichtigt; im Wesentlichen sei lediglich für die Betriebe, die sich nicht angrenzend zum vorhandenen Bestand entwickeln könnten, noch eine weitere Bearbeitung und Abstimmung erforderlich. Angesichts der Vielzahl vergleichbar planender Gemeinden habe die Landwirtschaftskammer ihr Gutachten noch nicht abschließen können. Das Plangebiet des Bebauungsplans Nr. 47 werde aber nun vorrangig bearbeitet, damit in der 2. Jahreshälfte die frühzeitige Bürger- und Behördenbeteiligung durchgeführt werden könne. Die Antragsgegnerin hat die Verlängerung der Veränderungssperre in der Münsterländischen Tageszeitung vom 21. Februar 2013 bekannt gemacht.

Die Antragstellerin hat hierzu ergänzend geltend gemacht, die Landwirtschaftskammer sei erst im Frühjahr 2013, nach Ablauf der Geltungsdauer der ursprünglichen Veränderungssperre auf sie zugekommen, um ihre Entwicklungsabsichten zu ermitteln. Nach ihrer Kenntnis befinde sich das Aufstellungsverfahren im Hinblick auf die Beschlusslage weiterhin auf dem Stand des Abschlusses des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens.

Die Antragstellerin beantragt,

die vom Rat der Antragsgegnerin am 16. Februar 2011 beschlossene und am 12. Februar 2013 verlängerte Satzung über eine Veränderungssperre für den Geltungsbereich des Bebauungsplans der Antragsgegnerin Nr. 47 "Tierhaltung I" für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie tritt dem Antragstellervorbringen entgegen. Unter anderem verweist sie darauf, dass die Viehdichte in ihrem Bereich schon im Mai 2010 mit 3,72 GV pro ha landwirtschaftlicher Nutzfläche wesentlich höher als der Bundesdurchschnitt gelegen habe und seitdem weiter angestiegen sei. Sie treibe das Aufstellungsverfahren mit dem möglichen Nachdruck voran. Am 28. August 2013 sei ein Abstimmungsgespräch mit dem Landkreis F. und der Landwirtschaftskammer vorgesehen, im September 2013 die frühzeitige Bürger- und Behördenbeteiligung, im November 2013 der Erlass des Auslegungsbeschlusses, im Dezember 2013 die öffentliche Auslegung und im März 2014 die Beschlussfassung über den Bebauungsplan.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der zulässige Antrag, der ohne Klageänderung auf die Verlängerung der Veränderungssperre zu erstrecken war (BVerwG, Urt. v. 19.2.2004 - 4 C 13.03 -, [...]Rn. 9), ist unbegründet. Die angegriffene Veränderungssperre ist rechtmäßig.

Sie leidet nicht unter Verfahrensfehlern. Der geltend gemachte Ausfertigungsmangel liegt nicht vor. Die Ausfertigung einer kommunalen Satzung liegt in der - datierten -Unterzeichnung eines Satzungsexemplars durch den Bürgermeister nach Beschlussfassung und vor Bekanntmachung (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 der hier noch anwendbaren NGO i.d.F. vom 28.10.2006). Eine ausdrückliche Bezeichnung als "Ausfertigungsexemplar" oder ähnliches ist nicht erforderlich. Diesen Anforderungen genügen bereits die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen, vom Bürgermeister unter dem Datum des 23.02.2011 unterzeichneten Aushangexemplare des gemeindlichen Satzungsbeschlusses. Die Reihenfolge zwischen Ausfertigung und Bekanntmachung war daher bereits vor der erneuten Bekanntmachung im ergänzenden Verfahren eingehalten. Fehler liegen auch nicht hinsichtlich der Bekanntmachungsanordnung vor. Der Senat hat hierzu in seinem Beschluss vom 28. November 2011 - 1 MN 70/11 - ausgeführt:

"Im Übrigen sei angemerkt, dass sich besondere Anforderungen an die Bekanntmachungsanordnung in Niedersachsen weder aus dem Gesetz noch aus der bisherigen Rechtsprechung ergeben. Soweit die Antragsgegnerin für den "ersten Durchgang" gerügt hat, die Bekanntmachungsanordnung sei nur paraphiert worden und gebe weder Zeitpunkt noch Art der Bekanntmachung an, dürfte dies entbehrlich sein, weil sich die Art der Bekanntmachung aus der Hauptsatzung ergibt und der Zeitpunkt im Zweifel immer der (unter Berücksichtigung der Zeitabläufe im Geschäftsgang) nächstmögliche ist. Hier hatte die Bekanntmachungsanordnung dies durch den Zusatz "nach Bekanntgabe des Bebauungsplans" eingegrenzt. Das reicht; der Bürgermeister muss die zeitlichen Abläufe nicht selbst im Detail durchkalkulieren. Auch für eine "volle Unterschrift" im Unterschied zu einer Paraphe ergibt sich keine Notwendigkeit. Der Senat hat in seinem (inzwischen vom Bundesverwaltungsgericht nach Pressemeldungen aus anderen Gründen aufgehobenen) Urteil vom 8. September 2010 (- 1 KN 129/07 -, BauR 2011, 1131) nur ausgeführt, dass die Bekanntmachung vom Bürgermeister selbst im Einzelfall "anzustoßen" ist, damit die richtige zeitliche Reihenfolge zwischen Ausfertigung und Bekanntmachung gewährleistet ist. Auch der 12. Senat hat dies in seinem Urteil vom 21.12.2010 (- 12 KN 71/08 -, BauR 2011, 1140) nur durch die Wendung ergänzt, der Bürgermeister müsse die Ausfertigung selbst veranlassen, ohne insoweit förmliche Anforderungen zu stellen. Hintergrund war in diesem Fall der Umstand, dass die Bekanntmachung fehlerhaft nicht unter dem Bürgermeister "firmierte" und auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich waren, dass der Bürgermeister dabei eine Rolle gespielt hatte. Demgegenüber sähe der Senat bei richtiger zeitlicher Reihenfolge zwischen Ausfertigung der Satzung und deren Bekanntmachung und richtiger Bezeichnung des Urhebers im Bekanntmachungskopf regelmäßig auch bei Schweigen der Akten keinen Anlass, im Detail aufzuklären, in welcher Weise der Bürgermeister den erforderlichen Anstoß gegeben hat."

Hieran hält der Senat fest. Im Übrigen ist ein ergänzendes Verfahren, wie es hier durchgeführt wurde, nach § 214 Abs. 4 BauGB auch zur Heilung von Verstößen gegen Landesverfahrensrecht wie Ausfertigungsmängeln möglich (OVG Münster, Urt. v. 20.4.2007 - 7 D 83/06.NE, [...]Rn. 48; VGH Kassel, Urt .v .17.6.2010 - 4 C 713/09.N - [...]Rn. 36; Kalb/Külpmann, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Loseblatt § 214 Abs. 4 Rn. 220; Quaas/Kukk, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl., § 214 Rn. 56; Dürr, in: Brügelmann, BauGB, Loseblatt, § 214 Rn. 77), und zwar unabhängig davon, ob das Landesrecht auch selbst ein Fehlerbehebungsverfahren vorsieht. Die Norm selbst spricht nur von "Fehlern" und unterscheidet sich damit von § 214 Abs. 1 BauGB, der von einer "Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs" spricht. Sie steht zudem in der Nachfolge des § 215a Abs. 2 BauGB 2001 bzw. des § 215 Abs. 3 BauGB 1987, in denen jeweils von "den in § 214 Abs. 1 bezeichneten Vorschriften oder sonstigen Verfahrens- oder Formfehlern nach Landesrecht" die Rede war; hiervon waren auch Ausfertigungsmängel erfasst (BVerwG, Beschl. v. 7.4.1997 - 4 B 64.97 -, [...]Rn. 7; Beschl. v. 24.5.1989 - 4 NB 10.89 -, [...]Rn. 3). Es ist nicht erkennbar, dass § 214 Abs. 4 BauGB 2004 insoweit eine inhaltliche Änderung hätte bewirken sollen. Ein Verstoß gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes ist damit nicht verbunden. § 214 Abs. 4 BauGB ändert nichts an der Beachtlichkeit eines Ausfertigungsfehlers nach Landesrecht, sondern stellt lediglich - für das bauplanungsrechtliche Normsetzungsverfahren -, ein nachträgliches Fehlerbehebungsverfahren zur Verfügung. Das ist von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG gedeckt.

Die Veränderungssperre ist auch materiell rechtmäßig. Der Senat hatte hierzu in seinem Beschluss vom 28. November 2011 a.a.O. ausgeführt:

"Die Antragsgegnerin durfte das Bauvorhaben der Antragstellerin zum Anlass für den Erlass einer Veränderungssperre nehmen. Ebenso wie ein bestimmter Bauantrag Anstoß sein darf, eine Planung in Angriff zu nehmen oder eine bestehende Planung zu ändern (vgl. dazu z.B. BVerwG, Beschl. v. 8.1.2002 - 4 BN 61.01 -, BauR 2002, 1358), darf die Gemeinde einen konkreten Bauantrag zum Anlass nehmen, diese Planung mit dem Sicherungsinstrument zu flankieren, welches die §§ 14 ff. BauGB bereithalten. Gerade Bauanträge machen Gemeinden häufig erst bewusst, was das geltende Bauplanungsrecht zulässt. Der Bauantrag muss nach § 71 Abs. 1 NBauO bei ihnen eingereicht und um ihr Einvernehmen nach § 36 BauGB gerade deshalb bei der Gemeinde nachgesucht werden, damit sich diese schlüssig werden kann, ob sie die planungsrechtliche Lage zum Vor- oder Nachteil des Vorhabens verändert. Ein konkretes Baugesuch rechtfertigt daher den Erlass einer Veränderungssperre (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 18.12.1990 - 4 NB 8.90 -, NVwZ 1991, 875; Beschl. v. 26.6.1992 - 4 NB 19.92 -, NVwZ 1993, 475).

Inhaltlich muss sich die Veränderungssperre grundsätzlich nicht dem Abwägungsgebot stellen. Der in Aussicht genommene Bebauungsplan wird namentlich nicht nach Art einer vorgezogenen Normenkontrolle geprüft (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.9.1992 - 4 NB 35.92 -, NVwZ 1993, 473). Die Veränderungssperre wird materiell daraufhin untersucht, ob ihr - erstens - ein Mindestmaß an konkretisierten Planungsabsichten zugrunde liegt und ob sie - zweitens - im Rechtssinne erforderlich ist (Sicherungsbedürfnis) oder ob sie eine reine Verhinderungsmaßnahme darstellt; im letztgenannten Fall ist sie unwirksam.

Die Antragsgegnerin hatte ihre Planungsvorstellungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre hinreichend konkretisiert (vgl. zu diesem Tatbestandserfordernis grundlegend BVerwG, Urt. v. 10.9.1976 - IV C 39.74 -, BVerwGE 51, 121 = NJW 1977, 400 [BVerwG 10.09.1976 - 4 C 39/74]; siehe auch Beschl. v. 12.2.1990 - 4 B 191.89 -, NVwZ 1990, 558 [BVerwG 05.02.1990 - 4 B 191/89]). Ohne hinreichend konkretisierte Planungsabsichten können einem Bauherrn die mit der Veränderungssperre verbundenen Nachteile nicht zugemutet werden. Außerdem sind solche Vorstellungen erforderlich, um sachgerecht Ausnahmeanträge nach § 14 Abs. 2 BauGB bescheiden zu können (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.2.2004 - 4 CN 13.03 -, BauR 2004, 1256).

Diesen Anforderungen wird die Planung gerecht.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin waren die Planungsabsichten im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses hinreichend konkretisiert. Die in dem Planentwurf eingetragenen Baufenster waren räumlich beschränkt und ließen vergleichsweise wenig Spielraum. Zwar war die Festsetzung der Art der Nutzung in diesen Baufenstern nicht vorgesehen, so dass sich die Zulässigkeit letztlich aus § 35 BauGB ergäbe. Das stellt hier aber keinen Mangel dar, weil es sich um Standorte handelt, die durch Tierhaltung vorgeprägt sind. Ernstlich in Betracht kommen deshalb vor dem Hintergrund immissionsschutzrechtlicher Restriktionen nur bauliche Anlagen, die üblicherweise in Verbindung mit einer Hofstelle oder einer gewerblichen Tierhaltung stehen. Auch für die freizuhaltenden Flächen ergibt sich aus dem Entwurf der textlichen Festsetzungen recht genau, was noch zulässig sein soll. Aus bisherigen Entscheidungen des Senats zu Veränderungssperren für Bebauungspläne, mit denen im Ergebnis die Zulässigkeit von Tierhaltungsbetrieben beschränkt wird, lässt sich nichts anderes herleiten; die planerischen Ansätze sind zu unterschiedlich.

Für die Beurteilung der Verlängerung der Veränderungssperre gilt nichts anderes. Die Ratsvorlage zur Veränderungssperre vom 8. Februar 2013 lässt zwar erkennen, dass neben den bereits in den Planentwurf eingetragenen Baufenstern weitere Fenster nach Maßgabe der abgefragten Erweiterungswünsche der Landwirte hinzukommen können. Die Ratsvorlage vom 8. Februar 2013 enthält jedoch einen Kriterienkatalog, anhand dessen die Lage der möglichen zusätzlichen Flächen zumindest näherungsweise bestimmt werden kann.

Auch ein Sicherungsbedürfnis liegt vor. Die planerische Konzeption der Antragsgegnerin ist mit den Mitteln des Städtebaurechts nicht schlechthin unerreichbar (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301 und v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, BVerwGE 81, 111). Die Antragsgegnerin verfolgt insbesondere keine reine Negativplanung. Ihr Anliegen, wie es in der Ratsvorlage zum Planaufstellungsbeschluss vom 16. Februar 2011, aber auch zum Beschluss über die Verlängerung der Veränderungssperre formuliert ist, ist nicht die Verhinderung bestimmter Vorhaben, sondern der Erhalt einer noch bestehenden, relativ freien - wenn auch "profanen" - Fläche als Erholungsgebiet und als Rückzugsraum für Tiere und Pflanzen. Dies ist ein legitimes Planungsziel, auch wenn es mehr auf Bewahrung des Vorhandenen denn auf Veränderung abzielt (Senat, Beschluss vom 7.10.2005 - 1 KN 297/04 -, jurisRn. 33). Es beinhaltet nicht den Ausschluss nur bestimmter Nutzungen, ohne Regelungsabsicht, welche Nutzungen positiv gewünscht sind; vielmehr werden gerade diese - Erholung und Naturentfaltung durch Schaffung eines unzersiedelten "Freiraums" bezeichnet. Der vorliegende Planentwurf bietet auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Ziel nur vorgeschoben sein könnte. Die Antragsgegnerin verfolgt das genannte Ziel vielmehr konsequent dadurch, dass sie nicht nur Stallanlagen der Intensivtierhaltung (und Biogasanlagen) verbietet, auch wenn deren Vermehrung nach Lage der Dinge im Gemeindegebiet Planungsanlass war. Vielmehr werden in Ziff. 1 der textlichen Festsetzungen des Vorentwurfs zum Bebauungsplan (BA A Bl. 27) gerade die allgemein und ausnahmsweise zulässigen Nutzungen, ausgewählt nach ihrer Verträglichkeit mit der Freiraumwirkung, aufgezählt. Das Freihaltungsziel wird auch nicht durch das Bestreben konterkariert, Entwicklungsabsichten der ansässigen Landwirte in Abstimmung mit diesen zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin hat in der Begründung der Ratsvorlage zur Verlängerung der Veränderungssperre deutlich gemacht, dass sie diese nur zu berücksichtigen gedenkt, soweit sie dem Freihaltungsziel nicht entgegenstehen.

Die Planungskonzeption der Antragsgegnerin wird sich voraussichtlich auch nicht aufgrund des Erfordernisses als undurchführbar erweisen, dass bestimmten, mit dem Plan weitgehend ausgeschlossenen Nutzungen noch "substantiell" Raum verbleiben muss. Diesem, vom Senat im "Erst-Recht-Schluss" aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Festsetzung von Konzentrationszonen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB abgeleiteten Erfordernis (vgl. Senat, Urt. v. 13.9.2011 - 1 KN 56/08 -, [...]Rn. 77 ff.) ist hier Genüge getan. Zwar würde mit den Bebauungsplänen "Tierhaltung I-IV" voraussichtlich fast im gesamten Gemeindegebiet die Außenbereichsnutzung eingeschränkt. Selbst wenn, worauf alles hindeutet, die Bebauungspläne "Tierhaltung II-IV" demselben Muster folgen sollen wie der Bebauungsplan "Tierhaltung I", wäre dies aber unschädlich. Im Gebiet der Antragsgegnerin ist bereits eine sehr hohe Tierhaltungsdichte vorhanden. Den diesbezüglichen tatsächlichen Angaben der Antragsgegnerin ist die Antragstellerin nach wie vor nicht substantiiert entgegen getreten. Diese sind - ungeachtet der vom Senat in seinem Urteil vom 13. September 2011 - 1 KN 56/08 - (ZfBR 2011, 780) gegen die Aussagekraft der Tierdichte im Allgemeinen angesprochenen Vorbehalte hier verwendbar. Die im Normenkontrolleilverfahren angegebene Dichte von 3,72 GV je ha landwirtschaftliche Nutzfläche in der Gemeinde liegt deutlich über dem bundes- und niedersachsenweiten Durchschnitt. Da die Antragsgegnerin eine stark landwirtschaftlich geprägte Gemeinde mit einem verhältnismäßig geringen Anteil an Siedlungsfläche ist, entspricht die hohe Viehdichte auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche zwangsläufig auch einer hohen Viehdichte bezogen auf die Gemeindefläche. Auf die im o.g. Urteil angesprochenen Schwierigkeiten, eine Vergleichbarkeit zwischen beiden Begriffen der Viehdichte herzustellen, kommt es somit nicht an. Die Möglichkeit, die vorhandenen Betriebe weiterzuführen und ggf. sogar an den vorhandenen Standorten zu erweitern, wird durch die Planung nicht angetastet. Bereits hierdurch wird der Viehhaltung - landwirtschaftlich oder gewerblich - im Gebiet der Antragsgegnerin in einer landes- und bundesweg überdurchschnittlichen, also jedenfalls hinreichenden Weise Raum verschafft. Da die Baufenster bereits jetzt für Viehhaltung genutzt werden, ist auch an ihrer Eignung für diesen Zweck nicht zu zweifeln; eine detaillierten Standortsuche, wie sie dem Senat in seinem Urteil vom 13.9.2011 - 1 KN 56/08 -, [...]Rn. 77 ff. in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB vorschwebte, ist daher in diesem Zusammenhang entbehrlich.

Anhaltspunkte dafür, dass die beabsichtigte Planung anderen außerhalb der Bau-fenster ausgeschlossenen, sonst im Außenbereich privilegierten Nutzungen in unzureichender Weise Raum ließe, hat der Senat nicht. Namentlich für Windenergieanlagen besteht nach den unwidersprochenen Angaben des Bürgermeisters der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung bereits ein Sondergebiet im Bereich eines anderen Bebauungsplans.

Aus dem Ablauf des Planaufstellungsverfahrens nach Erlass der ursprünglichen Veränderungssperre lässt sich auch nicht entnehmen, dass - zum für die Beurteilung der Verlängerung maßgeblichen Zeitpunkt des Verlängerungsbeschlusses - die Sicherungsabsicht der Antragsgegnerin nachträglich entfallen oder der Sicherungszweck unerreichbar geworden wäre. Zwischen den einzelnen Verfahrensschritten, die im Verwaltungsvorgang dokumentiert sind, bestehen keine Lücken eines solchen Ausmaßes, dass sie den Schluss zuließen, die Antragsgegnerin habe vom Schutz des status quo durch die Veränderungssperre profitieren wollen, ohne die geschützte Planung indes noch ernsthaft zu verfolgen. Dass zwischen einzelnen außenwirksamen Verfahrensschritten der Antragsgegnerin selbst mitunter mehrere Wochen liegen, ist mit dem Erfordernis interner Abstimmungsvorgänge unter Berücksichtigung möglicher Urlaubs- und Krankheitszeiten noch erklärbar. Die lange Dauer der an die Landwirtschaftskammer abgegebenen Ermittlungstätigkeit (von Juli 2012 bis in den gegenwärtigen Sommer) hat die Antragsgegnerin in der Ratsvorlage zur Verlängerung der Veränderungssperre sowie in der mündlichen Verhandlung mit einer Überlastung der Landwirtschaftskammer infolge ähnlicher Planungsabsichten benachbarter Gemeinden plausibel erklärt. Eine Obliegenheit, die Ermittlungen angesichts dessen einer anderen Institution zu überlassen oder selbst durchzuführen, bestand angesichts der für die anstehende Aufgabe sich aufdrängenden fachlichen Eignung der Landwirtschaftskammer nicht. Möglicherweise hätte die Antragsgegnerin die Ermittlungen beschleunigen können, hätte sie nicht gleichzeitig Untersuchungen für drei weitere gleichartige Bebauungspläne anstellen lassen. Als Indiz für eine fehlende Verwirklichungsabsicht genügt dies indes nicht; die bloße sachwidrige Verzögerung der Planung durch die Gemeinde steht der Zulässigkeit der Verlängerung einer Veränderungssperre nicht entgegen (BVerwG, Beschl. v. 8.1.1993 - 4 B 258.92 -, [...]Rn. 9).

Dass der von der Antragsgegnerin vorgelegte, auf Abschluss des Planaufstellungsverfahrens bis zum Ablauf der verlängerten Veränderungssperre angelegte Zeitplan realistisch ist, ist fraglich, aber nicht von vornherein unmöglich. Zudem ist die erste Verlängerung einer Veränderungssperre gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB auch dann grundsätzlich zulässig, wenn das Bauleitplanungsverfahren innerhalb ihrer Geltungsdauer voraussichtlich nicht abgeschlossen werden kann (BVerwG a.a.O., [...]Rn. 8). Zwar wird der Sicherungszweck in Frage gestellt, wenn feststeht, dass zwischen dem Ablauf der letzten möglichen Verlängerung einer Veränderungssperre und dem Beschluss eines Bebauungsplans eine Lücke entsteht, in der Vorhaben, die die Gemeinde mit der Veränderungssperre vorläufig verhindern möchte, genehmigt werden müssen. Eine solche Situation liegt aber wenigstens dann nicht vor, wenn es als möglich erscheint, dass mit Ablauf der ersten Verlängerung die Voraussetzungen einer weiteren Verlängerung nach § 17 Abs. 2 BauGB vorliegen werden. Das ist hier mit Blick auf die angesprochenen Bearbeitungsschwierigkeiten der Landwirtschaftskammer, die nicht im Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin liegen, nicht ausgeschlossen.