Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.08.2013, Az.: 4 LA 155/12

Führen der Rücknahme des Antrags zur Beendigung des Verwaltungsverfahren; Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten gem. §§ 85 ff. SGB IX als reines Antragsverfahren

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.08.2013
Aktenzeichen
4 LA 155/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 45821
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0816.4LA155.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 24.05.2012 - AZ: 4 A 42/11

Fundstellen

  • DÖV 2013, 996
  • NDV-RD 2013, 143

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    In reinen Antragsverfahren führt die Rücknahme des Antrags zur Beendigung des Verwaltungsverfahrens und zur Unwirksamkeit eines noch nicht bestandskräftig gewordenen Verwaltungsaktes.

  2. 2.

    Bei dem Verfahren der Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten gemäß §§ 85 ff. SGB IX handelt es sich um ein reines Antragsverfahren.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf

Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts

hat keinen Erfolg. Denn der von dem Kläger allein benannte Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor bzw. ist nicht hinreichend dargelegt worden.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts, soweit dieses den Hauptklageantrag des Klägers, den Bescheid des Beklagten vom 10. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 aufzuheben, mit der Begründung abgewiesen hat, dass der Kläger kein Rechtsschutzinteresse habe, weil sich der Bescheid vom 10. August 2009 erledigt habe, nachdem die Beigeladene ihren Antrag auf Zustimmung zur Kündigung des Klägers vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 zurückgenommen habe. Nach § 39 Abs. 2 SGB X (ebenso § 43 Abs. 2 VwVfG) bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Hier ist eine Erledigung auf andere Weise eingetreten. Denn in reinen Antragsverfahren führt die Rücknahme des Antrags zur Beendigung des Verwaltungsverfahrens und zur Unwirksamkeit eines noch nicht bestandskräftig gewordenen Verwaltungsaktes (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 43 Rn. 41, § 22 Rn. 70; Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch, VwVfG, § 43 Rn. 24; Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 43 Rn. 50; Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, § 43 VwVfG Rn. 35; vgl. ferner BVerwG, Urteile vom 24.11.2010 - 6 C 16.09 -, BVerwGE 138, 186, und 14.4.1989 - 4 C 22.88 -, NVwZ 1989, 860; BGH, Beschluss vom 29.6.1982 - KVR 5/81 -, NJW 1982, 2775). Hier handelt es sich bei dem Verfahren gemäß §§ 85 ff. SGB IX um ein solches reines Antragsverfahren, da der Antrag des Arbeitgebers beim Integrationsamt, die Zustimmung zur Kündigung des Schwerbehinderten zu erteilen, ein zwingendes Verfahrenserfordernis ist und das Integrationsamt daher ohne diesen nicht tätig werden darf (Cramer/Fuchs/Hirsch/Ritz, SGB IX, § 87 Rn. 3; Knittel, SGB IX, § 87 Rn. 8). Den entsprechenden Antrag der Beigeladenen hat diese vor Eintritt der Bestandskraft des Bescheides des Beklagten vom 10. August 2009, nämlich im noch nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahren zurückgenommen. Damit hat sich dieser Bescheid auf andere Weise erledigt und ist gemäß § 39 Abs. 2 SGB X unwirksam geworden. Der Beklagte hat deshalb in seinem Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2011 zu Recht festgestellt, dass der Kläger im Hinblick auf die begehrte Sachentscheidung kein Rechtsschutzinteresse mehr hat. Das Verwaltungsgericht hat demnach die Klage insoweit zu Recht wegen des fehlenden Rechtsschutzinteresses des Klägers abgewiesen.

Soweit der Kläger zur Begründung seines Zulassungsantrages anführt, dass das arbeitsrechtliche Verfahren betreffend seine Kündigung noch nicht beendet sei und er deshalb durch die Aufhebung der angefochtenen Bescheide eine Verbesserung seiner Rechtsstellung erreichen könne, übersieht er, dass der Bescheid des Beklagten vom 10. August 2009 nach dem oben Gesagten unwirksam worden ist und daher bezüglich seiner Kündigung keine rechtlichen Wirkungen mehr entfalten kann.

Hinsichtlich der Abweisung seines Hilfsklageantrages, festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 10. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 rechtswidrig gewesen ist, durch das Verwaltungsgericht hat der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bereits nicht hinreichend dargelegt, weil sich sein diesbezügliches Vorbringen, dass eine Verbesserung der Rechtsstellung im gerichtlichen Verfahren erreicht werden könne, wenn ein von der Verwaltung als rechtswidrig erkannter Verwaltungsakt von dieser noch nicht aufgehoben worden sei, er hier durch die Aufhebung der angefochtenen Bescheide erreichen könne, "dass er in dem anhängigen Kündigungsschutzprozess ohne weiteres" obsiege, in der Sache seinen Hauptklageantrag betrifft, die Feststellungen des Verwaltungsgerichts betreffend sein fehlendes Feststellungsinteresse für den hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO jedoch nicht in Frage stellt. Darüber hinaus ist dieses Vorbringen nach dem oben Gesagten auch unzutreffend, weil der Bescheid des Beklagten vom 10. August 2009 nach oben Gesagten bereits unwirksam ist und der Kläger aus diesem Grunde eine Verbesserung seiner Rechtsstellung durch dessen Aufhebung nicht mehr erreichen kann.