Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 12.10.2012, Az.: 2 A 917/11

Billigkeitsentscheidung; fiktive Rente; Fürsorgepflicht; gesetzesimmanenter Vorbehalt; Ruhen; Verjährung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
12.10.2012
Aktenzeichen
2 A 917/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44331
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 07.08.2013 - AZ: 5 LA 291/12

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wehrt sich gegen eine Rückforderung von Versorgungsbezügen wegen der Anrechnung einer fiktiven Altersrente.

Der am D. geborene Kläger trat auf eigenen Antrag mit Ablauf des 31.01.1999 als Regierungsschuldirektor in den Ruhestand. Seine Versorgung wurde mit Bescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Bezüge und Versorgung (NLBV, dem Rechtsvorgänger der Beklagten) vom 28.12.1998 festgesetzt. Vor der Aufnahme seines Lehramtsstudiums hatte er in der Zeit von April 1950 bis April 1958 eine Ausbildung bei der damaligen Deutschen Bundespost absolviert und war sodann als Schaffner tätig gewesen. Diese Dienstzeit wurde später bei der E. nachversichert. Der Zeitraum vom 01.04.1953 bis zum 10.04.1958 wurde im Versorgungsfestsetzungsbescheid als ruhegehaltfähige Dienstzeit nach § 6 BeamtVG berücksichtigt.

Nachdem im Frühjahr 2010 bei einer Prüfung des Versorgungsfalles des Klägers durch den Niedersächsischen Landesrechnungshof aufgefallen war, dass ihm ein Rentenanspruch zustehen könnte, beantragte der Kläger seine Regelaltersrente, die ihm von der F. mit Bescheid vom 21.06.2010 mit Wirkung vom 01.04.2010 in Höhe von 199,74 Euro monatlich gewährt wurde. Da die Anspruchsvoraussetzungen bereits ab dem 22.04.2000 erfüllt waren, legte der Rentenversicherungsträger der Berechnung des Anspruches statt des Zugangsfaktors 1 einen um 0,595 erhöhten Zugangsfaktor zugrunde.

Mit Bescheid vom 20.07.2010 stellte die Beklagte das Ruhen eines Teiles der Versorgung nach § 55 BeamtVG fest und verwies zur Höhe der Beträge auf die Gehaltsmitteilung für den Monat September 2010 und auf beiliegende Vordrucke. Zur Tilgung der für den Zeitraum vom 01.05.2000 bis zum 31.08.2010 entstandenen Überzahlung in Höhe von 8.924,04 Euro erklärte die Beklagte ab dem Monat September 2010 die Aufrechnung gegen die Versorgungsbezüge des Klägers in monatlichen Raten von 1.432,00 Euro.

In seinem mit Schreiben vom 17.08.2010 eingelegten Widerspruch erhob der Kläger für den Zeitraum bis zum 31.12.2006 die Einrede der Verjährung, berief sich für den übrigen Zeitraum auf den Wegfall seiner Bereicherung und beanstandete, die Beklagte hätte eine Billigkeitsentscheidung über die Rückforderung treffen und dabei berücksichtigen müssen, dass sie ihn trotz des für ihre fachkundigen Sachbearbeiter offensichtlichen Bestehens eines Rentenanspruches nicht darauf hingewiesen habe und dass der Überzahlung der Versorgungsbezüge keine Rentenzahlung gegenüberstehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie hielt den Rückforderungsanspruch nicht für verjährt, da dieser erst mit dem Anrechnungsbescheid vom 20.07.2010 entstanden sei. Vorher habe mit dem Rentenfestsetzungsbescheid vom 28.12.1998 ein Rechtsgrund für die Zahlungen vorgelegen. Der Kläger könne sich auch nicht auf eine Entreicherung berufen, da die Versorgungsbezüge hinsichtlich der Anwendung der Ruhensvorschriften nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter einem gesetzesimmanenten Vorbehalt der nachträglichen Änderung stünden. Ein Ausnahmefall, in dem es der Behörde nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf diesen Vorbehalt zu berufen, bestehe nicht. Sie habe keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, wonach der Kläger nicht mehr mit einer Anwendung der Ruhensvorschriften habe rechnen müssen. Auch habe sie ihn nicht darauf hinweisen müssen, dass er aufgrund der durchgeführten Nachversicherung seiner Dienstzeit bei der Post möglicherweise einen Rentenanspruch habe. Den Dienstherrn treffe im Rahmen seiner Fürsorgepflicht keine umfassende individuelle Informationspflicht, was insbesondere gelte, wenn "fremde" Aufgabenbereiche betroffen seien wie hier der des Rentenversicherungsträgers. Zudem sei der Kläger wie jeder Ruhestandsbeamte mit dem Versorgungsfestsetzungsbescheid durch das Merkblatt 3021 darauf hingewiesen worden, dass auch nicht beantragte Renten nach § 55 BeamtVG auf die Versorgungsbezüge anzurechnen seien. Im Rahmen der nach § 52 Abs. 2 S. 3 BeamtVG zu treffenden Billigkeitsentscheidung seien neben den persönlichen Verhältnissen des Beamten der Grund der Überzahlung und auch Art und Umfang möglicher Pflichtverletzungen sowohl des Ruhestandsbeamten als auch der Behörde einzubeziehen. Da es nicht in ihrem Verantwortungsbereich gelegen habe, dass der Kläger seinen Anspruch auf Altersrente verspätet geltend gemacht habe, seien keine Gründe für einen vollen oder teilweisen Verzicht auf die Rückforderung ersichtlich. Unter Berücksichtigung der bekannten wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers sei ihm jedoch zur Tilgung der Überzahlung eine Ratenzahlung eingeräumt worden.

Am 25.02.2011 hat der Kläger Klage erhoben. Gegen die Anwendung der Ruhensvorschriften hat er keine Bedenken, hält aber die Rückforderung für unberechtigt. Die Beklagte treffe zumindest ein Mitverschulden an der Überzahlung. In dem im September 1998 ausgefüllten Fragebogen habe er seine Beschäftigungszeiten von 1950 bis 1958 angegeben und unter Ziffer 6.2 auch mitgeteilt, dass diese Dienstzeit nachversichert wurde. Dennoch habe der damalige Sachbearbeiter in dem Entwurf des Versorgungsfestsetzungsbescheides vom 28.12.1998 in der Tabelle zur Berechnung des Ruhegehaltssatzes handschriftlich eingetragen "keine Angaben über Nachversicherung etc.". Angesichts seiner bekannten Vortätigkeit und der Nachversicherung hätte die Beklagte prüfen müssen, ob ein Rentenanspruch besteht, oder ihn zumindest darauf hinweisen müssen. Er habe ebenso wie die anderen Versorgungsempfänger einen erkennbaren Beratungsbedarf gehabt, da die Anrechnungsregelung des § 55 Abs. 1 S. 3 BeamtVG erst 1994 geschaffen worden und nicht allgemein bekannt gewesen sei. Zudem habe er den Rentenanspruch lediglich durch Nachversicherung für Zeiten erlangt, die zugleich als ruhegehaltfähige Dienstzeiten anerkannt worden seien. Der Versorgungsfestsetzungsbescheid enthalte nur einen Vorbehalt für eine Kürzung aufgrund des tatsächlichen Bezugs einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und das beigefügte Merkblatt 3021 betreffe Anzeigepflichten und sei intransparent. Andere Versorgungsempfänger mit versicherungspflichtigen Zeiten seien vor ihrem Eintritt in den Ruhestand von der Beklagten auf möglicherweise bestehende Ansprüche hingewiesen worden. Auch in den Folgejahren habe die Beklagte ihm trotz häufiger manueller Bearbeitung der Akte keinen Hinweis gegeben. Vor diesem Hintergrund müsse er sich auf den bei ihm tatsächlich eingetreten Wegfall der Bereicherung berufen können. Überdies könne die Rechtsprechung zum gesetzesimmanenten Vorbehalt bei Ruhensberechnungen auf die Konstellation einer nicht beantragten Rente nicht übertragen werden. Anders als bei dem Ruhen der Versorgung wegen tatsächlich erzielter Einkünfte, die dem Versorgungsempfänger bekannt sind, sei es in dieser Situation typisch, dass aus Unwissenheit mögliche Rentenleistungen nicht in Anspruch genommen würden und der Versorgungsempfänger unter dem Strich nicht mehr erhalte, als er bei Wahrnehmung aller Obliegenheiten beanspruchen könne. Deshalb müsse es in diesen Fällen bei der gesetzlichen Regel bleiben. Selbst wenn ein gesetzesimmanenter Vorbehalt grundsätzlich angenommen werden könne, sei er hier dadurch eingeschränkt, dass die Beklagte im Versorgungsfestsetzungsbescheid ausdrücklich nur einen Vorbehalt für tatsächlich gezahlte Renten formuliert habe. Das Bestehen eines Rentenanspruches und das dadurch bedingte Ruhen seiner Versorgung sei für ihn keineswegs offensichtlich gewesen, mögliche Anlässe für Zweifel reichten dafür nicht aus. Zumindest in der Billigkeitsentscheidung hätte die Beklagte aufgrund ihres eigenen Verschuldens von einem Teil der Forderung absehen müssen. Schließlich greife für die bis Ende des Jahres 2006 aufgelaufenen Beträge die geltend gemachte Einrede der Verjährung. Die Rückforderungsansprüche der Beklagten seien jeweils mit der Auszahlung der Besoldung entstanden, so dass die dreijährige Verjährungsfrist stets mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen begonnen habe. Der Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 28.12.1998 habe keinen Rechtsgrund für die Zahlungen dargestellt, der nachträglich durch die Feststellung der Ruhensbeträge entfallen wäre. Vielmehr sei dort nur der Ruhegehaltssatz bestimmt worden. Hinsichtlich der Höhe der Versorgung verweise der Versorgungsfestsetzungsbescheid auf die maschinellen Versorgungsabrechnungen, die aber keine Verwaltungsakte darstellten. Weiterhin habe die Beklagte die maßgeblichen Umstände gekannt beziehungsweise grob fahrlässig nicht gekannt. Die Kenntnis müsse sich nicht auf die Überzahlung als solche beziehen, sondern lediglich auf die anspruchsbegründenden Tatsachen. Der Maßstab der groben Fahrlässigkeit korrespondiere mit den Anforderungen, die an den Bezügeempfänger im Rahmen der §§ 52 Abs. 2 S. 2 BeamtVG, 12 Abs. 2 S. 2 BBesG gestellt würden. Angesichts der in der Akte vorhandenen Anhaltspunkte für das Bestehen eines Rentenanspruches und der naheliegenden Unkenntnis des Klägers sowohl über den Anspruch als auch über die Konsequenz des Ruhens der Versorgungsbezüge hätte es sich aufgedrängt, einem möglichen Rentenanspruch nachzugehen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 20.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2011 aufzuheben, soweit darin ein Betrag von 8.924,04 Euro zurück gefordert wird,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, die aufgrund der im Bescheid vom 20.07.2010 erklärten Aufrechnung einbehaltenen Versorgungsleistungen in Höhe von 8.924,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält einen gesetzesimmanenten Vorbehalt ohne Unterscheidung, ob die Rente bezogen oder nicht beantragt wurde, für gegeben. Zumindest durch den Hinweis in dem Merkblatt 3021 sei der Kläger ebenso wie alle anderen Versorgungsempfänger über die Konsequenzen der Nichtbeantragung einer Rente informiert worden. Der ausdrückliche Vorbehalt im Versorgungsfestsetzungsbescheid habe den weitergehenden gesetzesimmanenten Vorbehalt nicht eingeschränkt, sondern sei vielmehr eigenständig danebengetreten. Unabhängig von einem gesetzesimmanenten Vorbehalt könne der Kläger sich auch deshalb nicht auf eine Entreicherung berufen, weil er gemäß § 819 Abs. 1 BGB verschärft hafte. Aufgrund seines beruflichen Werdeganges und der Tatsache, dass er Rentenversicherungsbeiträge geleistet habe, hätte ihm bekannt sein müssen, dass er einen Rentenanspruch erworben haben könnte. Bei gewissenhafter Überprüfung des Versorgungsfestsetzungsbescheides und des dort in Bezug genommenen Merkblattes 3021 hätte er erkennen müssen, dass das Unterlassen eines Rentenantrages finanzielle Auswirkungen haben könnte und etwaige Zweifel durch Rückfragen beim Rentenversicherungsträger oder bei ihr ausräumen können. Aus ihrer Fürsorgepflicht ergebe sich keine Verpflichtung zu Hinweisen auf mögliche Rentenansprüche. Bei der Vielzahl der Versorgungsfälle und dem fehlenden Einblick in die persönlichen Verhältnisse der Beamten seien derartige Hinweise nicht leistbar und zudem beträfen sie einen fremden Bereich, da die Beratung über mögliche Rentenansprüche gesetzlich zugewiesene Aufgabe der Rentenversicherungsträger sei. Möglicherweise habe der Kläger gegenüber seinem Rentenversicherungsträger einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, dessen Realisierung sich dann allerdings auf den erhöhten Zugangsfaktor auswirken dürfte. Soweit sie Hinweise an Versorgungsempfänger gebe, sei dies eine Serviceleistung, zu der sie nicht verpflichtet sei und die je nach ihren Ressourcen veränderbar wäre. Gegenwärtig würden alle Versorgungsempfänger maschinell angeschrieben und nach Renteneinkünften gefragt, wenn der Ruhestand vor Erreichen der Regelaltersgrenze begonnen habe. Diese Praxis habe es aber zu der Zeit, als der Kläger die Regelaltersgrenze erreichte, nicht gegeben. Bei den späteren Bearbeitungen der Akte des Klägers sei keine gesamte Durchsicht erfolgt und habe auch nicht erfolgen müssen. Eine Verjährung sei nicht eingetreten. Der Rückforderungsanspruch sei erst mit Bekanntgabe des Ruhensbescheides entstanden, da erst damit der Rechtsgrund für die geleisteten Zahlungen entfallen sei. Die Grundlage und der Beginn der Rentenanrechnung werde regelmäßig durch Verwaltungsakt festgestellt. Sie habe erst durch den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 21.06.2010 positive Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen, nämlich der Rentenzahlung an den Kläger und dem Rentenanspruch ab dem 01.05.2000, erlangt. Da sie nicht zu Nachforschungen über mögliche Rentenansprüche verpflichtet sei, unterrichte sie die Versorgungsempfänger mit dem erwähnten Merkblatt über die Rechtslage und fordere sie auf, entsprechende Sachverhalte anzuzeigen. Hinsichtlich der Billigkeitsentscheidung verweise sie auf den Widerspruchsbescheid und mache darauf aufmerksam, dass dauerhaft nicht die tatsächlich gezahlte Rente mit dem wegen der verspäteten Antragstellung erhöhten Zugangsfaktor, sondern nur die fiktive Rente mit dem einfachen Zugangsfaktor in die Ruhensregelung einfließe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 12.10.2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist mit dem Hilfsantrag zulässig. Da in dem mit dem Hauptantrag angegriffenen Bescheid vom 20.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2011 lediglich eine Regelung über das Ruhen der Versorgungsbezüge getroffen und hinsichtlich des in der Vergangenheit überzahlten Betrages die Aufrechnung erklärt wurde, liegt hier kein Rückforderungsbescheid vor, gegen den der Kläger im Wege der Anfechtung vorgehen könnte. Die Aufrechung überzahlter Dienstbezüge mit laufender Besoldung oder Versorgung stellt grundsätzlich keinen Verwaltungsakt dar (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 20.06.2006, 2 ME 436/05, juris Rn. 3 m.w.N.). Statthafte Klageart ist deshalb die allgemeine Leistungsklage auf Auszahlung der einbehaltenen Bezüge.

Die insoweit zulässige Klage hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil die Aufrechnung rechtmäßig war. Der Beklagten stand ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 8.924,04 Euro gegen den Kläger zu, den sie gemäß § 1 Abs. 3 NBesG in der bis zum 30.11.2011 geltenden Fassung (NBesG) i.V.m. § 51 Abs. 2 BeamtVG in der bis zum 31.08.2006 geltenden Fassung (BeamtVG) im Wege der Aufrechnung geltend machen konnte.

Nach § 1 Abs. 3 NBesG i.V.m. § 52 Abs. 2 BeamtVG regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Beklagte die Ruhensregelung des § 55 Abs. 1 S. 1 bis 3 BeamtVG zutreffend angewandt hat, dem Grunde nach also eine Überzahlung in der genannten Höhe vorlag. Die Beklagte war auch berechtigt, diese Überzahlung zurückzufordern. Der Kläger kann sich weder auf Entreicherung (nachfolgend unter 1.) noch auf Verjährung berufen (2.), und die Billigkeitsentscheidung der Beklagten ist nicht zu beanstanden (3.).

1. Der Kläger kann sich gegenüber dem Rückforderungsverlangen der Beklagten nicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB darauf berufen, dass er die jeweils überzahlten Beträge verbraucht hat und deshalb nicht mehr bereichert ist.

Zwar kann eine Entreicherung bei der Höhe der hier erfolgten monatlichen Überzahlungen ohne weiteres unterstellt werden. Dem Kläger ist es jedoch verwehrt, sich auf diese Entreicherung zu berufen, weil er in entsprechender Anwendung von § 820 Abs. 1 S. 2 BGB verschärft haftete. Nach ständiger Rechtsprechung steht die Festsetzung und Zahlung von Versorgungsbezügen unter dem gesetzesimmanenten Vorbehalt, dass die Bezüge infolge späterer Anwendung von Ruhensvorschriften gekürzt und die Überzahlungen zurückgefordert werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.01.2005, 2 C 39/03, NVwZ-RR 2005, 488ff., juris Rn. 26; Urt. v. 24.09.1992, 2 C 18/91, BVerwGE 91, 66ff, juris Rn. 19, jeweils m.w.N.). Dies gilt auch für den Fall der Anrechnung einer fiktiven Rente nach § 55 Abs. 1 S. 3 BeamtVG, wenn der Versorgungsempfänger - wie der Kläger für den Zeitraum vom 01.05.2000 bis zum 31.03.2010 - eine ihm zustehende Rente nicht beantragt hat (VG Hannover, zuletzt im Urt. v. 20.04.2012, 2 A 1897/11, UA S. 7, V.n.b.; ebenso BayVGH, Beschl. v. 07.03.2008, 3 ZB 07.175, juris Rn. 4; VG Augsburg, Gerichtsbescheid v. 08.11.2010, Au 2 K 09.1468, juris Rn. 17). Der Einwand des Klägers, die von der Rechtsprechung entwickelte Ausnahme von der gesetzlichen Regelung dürfe nicht auf den erst 1994 eingeführten Ruhenstatbestand für nicht beantragte Renten ausgeweitet werden, weil hier anders als bei den auf tatsächliche Einkünfte bezogenen übrigen Ruhensregelungen die Versorgungsempfänger typischerweise aus Unkenntnis ihre Rentenansprüche nicht realisierten und im Ergebnis auch keine höheren Einnahmen hätten, ist bedenkenswert, greift jedoch nicht durch. Das Bundesverwaltungsgericht hat bei der Annahme eines gesetzesimmanenten Vorbehalts bei Ruhensregelungen auf die Besonderheiten abgestellt, dass Ruhensberechnungen regelmäßig keine endgültigen Bescheide sind und den Vorbehalt einer späteren Änderung in sich tragen und dass dem Versorgungsempfänger als dem Empfänger beider Bezüge die Änderung der anzurechnenden Bezüge typischerweise bekannt ist und er deshalb aufgrund der bei ihm vorausgesetzten Kenntnisse davon auszugehen hat, dass die Änderung der einen Bezüge die Änderung der anderen Bezüge zur Folge haben kann (BVerwG, Urt. v. 24.09.1992, 2 C 18/91, a.a.O.). Demgegenüber hat es Fallgestaltungen abgegrenzt, in denen die Behörde die Ruhensvorschriften lediglich falsch angewendet hatte (Urt. v. 25.11.1985, 6 C 37/83, NVwZ 1986, 745f., juris Rn. 22), die Voraussetzungen für einen Gehaltsbestandteil bereits bei der Festsetzung abschließend zu prüfen sind (Urt. v. 28.02.1985, 2 C 16/84, BVerwGE 71, ff., juris Rn. 23) oder es sich bei der Kürzung um eine endgültige Regelung handelt und der Versorgungsempfänger von dem die Kürzung auslösenden Sachverhalt typischerweise keine unmittelbare Kenntnis hat (Urt. v. 24.09.1992, 2 C 18/91, a.a.O. Rn. 20). In der Konstellation, dass ein Versorgungsempfänger eine ihm zustehende Rente nicht beantragt, ist entgegen der klägerischen Auffassung und ebenso wie bei anderem Einkommen anzunehmen, dass ihm sein Anspruch typischerweise bekannt ist, weil er nämlich zum einen seine eigene Erwerbsbiographie kennt und zum anderen Hinweise des Rentenversicherungsträgers erhalten hat. Dass der Anspruch nicht realisiert wird, mag zwar häufig auf einer Unkenntnis der versorgungsrechtlichen Folgen beruhen. Deren Ursache liegt jedoch regelmäßig in der Sphäre des Versorgungsempfängers, da die Beklagte mit den den Versorgungsfestsetzungsbescheiden beiliegenden Merkblättern auf die Rechtslage hinweist. Auch wenn es systematisch unglücklich sein mag, eine Belehrung über Anrechnungsvorschriften in einem Merkblatt über Anzeigepflichten vorzunehmen (wie in dem vom Kläger vorgelegten Vordruck P 3021 (12-02.98)), ist der Versorgungsempfänger doch gehalten, die Merkblätter aufmerksam zu lesen und dabei Kenntnis auch von dieser Mitteilung zu nehmen. Darüber hinaus kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Gesetzgeber die Anrechnungsvorschrift des § 55 Abs. 1 S. 3 BeamtVG so ausgestaltet hat, dass es auch bei einer rückwirkenden Anwendung der Ruhensregelung und entsprechender Rückforderung nach einigen Jahren wirtschaftlich zu einem Ausgleich kommt. Denn die Versorgungsbezüge ruhen auch in dem Fall, dass der Versorgungsempfänger die Rente später beantragt und deshalb aufgrund des zeitlich nach hinten verschobenen Rentenbeginns und des damit verbundenen erhöhten Zugangsfaktors höhere monatliche Zahlungen erhält, nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft lediglich in Höhe des niedrigeren Betrages, den der Berechtigte bei frühzeitiger Beantragung erhalten hätte. Es erscheint der Einzelrichterin daher sachgerecht, auch bei diesem Unterfall der Ruhensvorschriften einen gesetzesimmanenten Vorbehalt anzunehmen. Dieser tritt eigenständig neben den im Versorgungsfestsetzungsbescheid formulierten Vorbehalt für den Fall des Bezugs einer Rente.

Ob der Kläger seinen Anspruch auf Altersrente und dessen versorgungsrechtliche Auswirkungen hätte erkennen müssen und deshalb auch gemäß § 819 Abs. 1 BGB, § 52 Abs. 2 S. 2 BeamtVG verschärft haftete, kann daher offen bleiben.

Es besteht keine Ausnahmesituation, in der der Kläger nach den allgemeinen, auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsätzen von Treu und Glauben dennoch Entreicherung geltend machen könnte. Eine derartige Möglichkeit hat die Rechtsprechung angenommen, wenn die Bezüge für die "Lebensnotdurft im engeren Sinne" verbraucht werden mussten (BVerwG, Urt. v. 23.10.1968, VI C 28.66, BVerwGE 30, 296 ff., juris Rn. 19 ff.; Urt. v. 13.10.1971, VI C 137.67, Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 48 S. 48) oder die Behörde vorher einen "Negativ-Bescheid" erlassen hatte (BVerwG, Urt. v. 24.11.1966, II C 119.64, BVerwGE 25, 291 ff., juris Rn. 27). Beides war hier nicht gegeben. Ein etwaiges Verschulden der Beklagten wäre nicht an dieser Stelle, sondern im Rahmen der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen.

2. Die für den Zeitraum vom 01.05.2000 bis zum 31.12.2006 entstandenen Rückforderungsansprüche sind nicht verjährt.

Beginn und Dauer der Verjährungsfrist richten sich nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB. Dies gilt auch, wenn man im Sinne des Klägers unterstellt, dass die Ansprüche bereits mit der jeweiligen Auszahlung der Bezüge entstanden sind. Die Verjährung der bis zum 31.12.2001 entstandenen Ansprüche hätte dann gemäß § 198 BGB in der bis zum diesem Zeitpunkt geltenden Fassung (BGB a.F.) mit ihrer Entstehung begonnen und wäre nach der regelmäßigen Frist von 30 Jahren aus § 195 BGB a.F. abgelaufen. Nach den Übergangsvorschriften des Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 u. 2, Abs. 4 S. 1 EGBGB wäre auf diese zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ab dem 01.01.2002 geltenden Verjährungsrechts noch nicht verjährten Ansprüche neues Recht anzuwenden, wobei der Fristbeginn unter Einbeziehung der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB zu berechnen ist (vgl. BGH, Urt. v. 23.01.2007, XI ZR 44/06, BGHZ 171, 1ff., juris Ls. 1 u. Rn. 19ff.).

Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist aus § 195 BGB war zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Rückforderungsansprüche durch die Aufrechnung im Bescheid vom 20.07.2010 noch nicht abgelaufen, da sie erst mit Ablauf des Jahres 2010 begann. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Auch mit der Annahme, dass der Rückforderungsanspruch jeweils bereits mit der Auszahlung der vollen Bezüge entstanden ist, war die zweite, subjektive Bedingung hier erst im Sommer 2010 erfüllt, als die Beklagte den Rentenbescheid des Klägers vom 21.06.2010 erhielt. Der den Rückforderungsanspruch begründende Umstand ist der Rentenanspruch des Klägers. Die Ruhensregelungen des § 55 BeamtVG knüpfen daran an, dass Renten bezogen werden oder dass ein Rentenanspruch besteht. Letzteres ist zu bejahen, wenn ein Rentenbescheid vorliegt oder der Rentenversicherungsträger auf eine ermittelnde Anfrage des Versorgungsträgers eine entsprechende konkrete Auskunft erteilt. Allein das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch reicht hingegen nicht aus, diese sind lediglich Hinweise auf das Bestehen des Anspruchs. Die Kenntnis derartiger Umstände löst den Lauf der Verjährungsfrist nicht aus. Sie führt auch nicht dazu, dass ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis vom maßgeblichen Umstand, nämlich dem Rentenanspruch, hätte erlangt werden müssen. Der Beklagten ist zuzustimmen, dass sie keine Verpflichtung trifft, das Bestehen etwaiger Rentenansprüche der Versorgungsempfänger zu prüfen und gegebenenfalls Indizien dafür nachzugehen (vgl. auch VG Hannover, Urt. v. 20.04.2012, 2 A 1807/11). Dies ist aus den von ihr genannten Gründen Aufgabe des Versorgungsempfängers und des Rentenversicherungsträgers.

3. Abschließend hat die Beklagte auch die ihr gemäß § 52 Abs. 2 S. 3 BeamtVG obliegende Billigkeitsentscheidung fehlerfrei getroffen.

Gemäß § 52 Abs. 2 S. 3 BeamtVG kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden. Die Billigkeitsentscheidung bezweckt, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, sodass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten abzustellen. Bei der Billigkeitsentscheidung ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung ist in die Ermessensentscheidung einzubeziehen. Deshalb ist aus Gründen der Billigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt (BVerwG (zum wortgleichen § 12 Abs. 2 S. 3 BBesG), Urt. v. 26.04.2012, 2 C 4/11, juris Rn. 18 ff.).

Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid die maßgeblichen Gesichtspunkte für die Billigkeitsentscheidung erkannt und in ihr Ermessen einbezogen. Ein eigenes Verschulden musste sie nicht berücksichtigen, weil es nicht vorlag. Wie bereits erörtert, traf sie keine Verpflichtung, einen möglichen Rentenanspruch des Klägers zu überprüfen. Ebensowenig war sie aus Fürsorgegründen gehalten, dem Kläger weitergehende Hinweise zu geben, als sie es mit dem Merkblatt 3021 getan hat. Der Dienstherr ist grundsätzlich nicht verpflichtet, seine Beamten von sich aus auf für sie etwa in Betracht kommende Möglichkeiten einer Antragstellung aufmerksam zu machen. Eine entsprechende Hinweispflicht besteht nur bei besonderen Fallgestaltungen, etwa wenn die Belehrung allgemeiner Verwaltungspraxis entspricht oder wenn der Beamte sich für den Dienstherrn erkennbar in einem Irrtum befindet oder diesen um eine Auskunft bittet (VG Hannover, Urt. v. 20.04.2012, 2 A 1807/11, UA S. 8 m.w.N.). Beides war hier nicht der Fall. Bei dem Kläger lag kein erkennbarer Irrtum vor, sondern es bestand aufgrund der der Beklagten bekannten Umstände allenfalls die Möglichkeit, dass er wegen der Anerkennung seiner nachversicherten Dienstzeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeit nicht erkennen würde, dass er aufgrund dieser Zeiten einen Rentenanspruch hatte, und dass er die Tragweite des im Merkblatt 3021 "versteckten" Hinweise nicht erfassen würde. Die Praxis der Beklagten, alle Versorgungsempfänger bei Erreichen der Regelaltersgrenze anzuschreiben und nach Renteneinkünften zu fragen, hat sie erst später eingeführt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2 ZPO.