Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.08.2013, Az.: 4 PA 184/13

Einsatz des Vermögens aus der Nachzahlung einer Grundrente nach dem OEG i.R.d. Zumutbarkeit zur Deckung der Kosten der Prozessführung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.08.2013
Aktenzeichen
4 PA 184/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 46811
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0815.4PA184.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 18.07.2013 - AZ: 3 A 3918/11

Fundstelle

  • DÖV 2014, 47

Amtlicher Leitsatz

§ 90 Abs. 3 SGB XII steht dem Einsatz des Vermögens aus der Nachzahlung einer Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz nicht generell entgegen.

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen den erstinstanzlichen Beschluss ist unbegründet. Denn das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht nach § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 Satz 1, 115 Abs. 3 ZPO abgelehnt.

Der Kläger verfügt nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts über Sparvermögen in Höhe von mindestens ca. 44.000,- EUR. Dieses Vermögen stammt zum einen aus einer Nachzahlung einer Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz und einer Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 BVG für den Zeitraum von August 2008 bis Juli 2010, die sich nach dem Bescheid des Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie - Außenstelle Oldenburg - vom 5. Juli 2010 auf 13.249,- EUR belief, und zum anderen - nach Angaben des Klägers - aus einer Schadensersatzzahlung der Stadtgemeinde B. als ehemaligem Vormund des Klägers wegen verspäteter Stellung eines Antrags nach dem Opferentschädigungsgesetz. Dieses Vermögen ist entgegen der Auffassung des Klägers zur Deckung der Kosten der Prozessführung einzusetzen.

Nach §§ 166 VwGO i.V.m. § 115 Abs. 3 ZPO hat die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist; § 90 SGB XII gilt dabei entsprechend. Nach § 90 Abs. 1 und 2 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen, sofern es nicht unter § 90 Abs. 2 SGB XII fällt, einzusetzen. § 90 Abs. 3 SGB XII bestimmt weiter, dass die Sozialhilfe ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden darf, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, oder für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde, was bei der Leistung nach dem 5. bis 9. Kapitel des SGB XII insbesondere der Fall ist, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.

Das Vermögen des Klägers gehört indessen nicht zu den in § 90 Abs. 2 SGB XII aufgeführten Vermögenarten. Sein Einsatz zur Deckung der Kosten der Prozessführung stellt für den Kläger auch keine Härte in entsprechender Anwendung des § 90 Abs. 3 SGB XII dar.

Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 25. August 2011 (- B 8 SO 19/10 R -) zum Begriff der Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII ausgeführt, dass dieser Begriff zunächst im Zusammenhang mit den Vorschriften über das Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 SGB XII zu sehen sei. Während die Vorschriften über das Schonvermögen typische Lebenssachverhalte regelten, bei denen es als unbillig erscheine, die Sozialhilfe vom Einsatz bestimmter Vermögensgegenstände abhängig zu machen, regele § 90 Abs. 3 SGB XII atypische Fallgestaltungen, die mit den Regelbeispielen des § 90 Abs. 2 SGB XII vergleichbar seien und zu einem den Leitvorstellungen des § 90 Abs. 2 SGB XII entsprechenden Ergebnis führten.

Der Einsatz des Vermögens des Klägers zur Bestreitung der Kosten der Prozessführung stellt ohne das Hinzutreten weiterer besonderer Umstände indessen keine von § 90 Abs. 3 SGB XII erfasste atypische Fallgestaltung dar. Zwar stammt das Vermögen des Klägers teilweise aus einer Nachzahlung einer Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz, die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes geleistet wird und daher nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht zum Einkommen im Sinne des SGB XII gehört. Dieser Umstand rechtfertigt die Annahme des Klägers, dass auch Vermögen, das aus der Nachzahlung der Grundrente stamme, generell nicht einzusetzen sei, jedoch nicht. Hätte der Gesetzgeber ein derartiges Vermögen von einer Verwertung generell ausnehmen wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass er dies in § 90 Abs. 2 SGB XII, der typische Lebenssachverhalte erfasst, geregelt hätte. Eine derartige Regelung fehlt indessen. Der Einsatz von Vermögen, das aus nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht zum Einkommen gehörenden Einkünften wie der Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz stammt, stellt auch nicht generell eine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII dar. Erforderlich ist vielmehr auch in diesem Fall, dass sich die Härte aus besonderen, bei anderen Hilfebedürftigen regelmäßig nicht anzutreffenden Umständen ergibt, da § 90 Abs. 3 SGB XII nur atypische Fallgestaltungen erfasst. Solche besonderen Umstände sind hier aber weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, so dass § 90 Abs. 3 SGB XII dem Einsatz des Vermögens aus der Nachzahlung der Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz nicht entgegensteht.

Abgesehen davon stammt ein nicht unerheblicher Teil des Vermögens des Klägers auch gar nicht aus der Nachzahlung der Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz, sondern aus einer Schadensersatzleistung wegen verspäteter Stellung eines Antrags nach dem Opferentschädigungsgesetz, auf die sich das Argument des Klägers, dass Vermögen, das sich aus nicht anrechenbarem Einkommen gebildet habe, nach § 90 Abs. 3 SGB XII nicht einzusetzen sei, ohnehin nicht übertragen lässt. Ferner übersieht der Kläger, dass die Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BVG, die er neben der Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz erhalten hat, nicht zu den Einkünften gehört, die nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nicht als Einkommen gelten. Daher greift die Argumentation des Klägers auch in Bezug auf den aus der Pflegezulage stammenden Teil seines Vermögens nicht durch.