Landgericht Hannover
Urt. v. 18.12.2003, Az.: 14 O 44/02

Streit über die Einstandspflicht einer Hausratversicherung; Geltendmachung einer Leistungsbefreiung des Versicherers; Wirksame Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung des Versicherten bei Vertragsschluss; Verletzung der Auskunftspflichten des Versicherungsnehmers bei Abschluss des Vertrages

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
18.12.2003
Aktenzeichen
14 O 44/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 33766
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2003:1218.14O44.02.0A

Fundstellen

  • VersR 2004, II Heft 36 (amtl. Leitsatz)
  • VersR 2004, 1599-1600 (Volltext mit amtl. LS)
  • zfs 2004, 419-420 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)

In dem Rechtsstreit
...
hat die 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündlicheVerhandlung vom
13.11.2003
durch
den Richter am Landgericht ... als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Sachversicherer des Klägers hinsichtlich dessen Hausrates für das Objekt aufgrund eines auf der Grundlage des Antrages des Klägers vom 09.05.2000 abgeschlossenen Versicherungsvertrages.

2

Der Kläger behauptet, am 09.03.2001 sei es in seiner Wohnung zu einem Brand gekommen nachdem zuvor dort eingebrochen worden sei. Entwendet worden seien ein Fahrrad, ein Rasierapparat und eine Spardose mit ca. 730,00 DM Hartgeld als Inhalt.

3

Ferner seien durch den Brand (Feuer und Verrußung) und durch das Löschwasser der Feuerwehr die in seiner Schadensaufstellung (Bl. 22/23 d.A.)aufgelisteten Artikel beschädigt worden. Als Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen bleibe festzustellen, dass im Wohnzimmer der Wohnung des Beklagten (richtig wohl: des Klägers) aus zwei Anrichten Bekleidungsstücke herausgerissen und Stühle umgekippt waren und dass im Arbeitszimmer sämtliche Bücher und Zeitschriften aus den Regalen herausgerissen waren. Die Polizei habe daraus gefolgert, dass die Verwüstungen in der Wohnung auf einen Einbruch vor dem Brand hindeuteten.

4

Er selbst vermute, dass der oder die Täter eine der beiden zuvor von ihm in der Küche abgelegten Kerzen zur Beleuchtung des Abstellraumes genutzt haben und dass durch das offene Feuer der Kerze der Brand im Abstellraum entstanden sei, während die polizeilichen Ermittlungen dahin gingen, dass die Ursache für den Brand eine brennende Strahlerlampe im Abstellraum gewesen sei, die mit ihrem Lichtkegel schräg nach oben neige und der Abstand der Lampe zu der Zimmerdeckenverkleidung und der eingezogenen Folie aus Kunststoff lediglich 67 cm betragen habe. Möglicherweise sei durch die eingeschaltete Lampe ein Hitzestau entstanden, der die Kunststofffolie entflammt habe. Am Morgen des Brandereignisses habe der Kläger den Abstellraum nicht betreten.

5

Aufgrund seiner Schadensanzeige habe die Beklagte den Schadensdienst it der Schadensfeststellung beauftragt. Der Sachverständige habe sich die einzelnen Gegenstände angesehen, einige Posten in der Schadensliste korrigiert und - nachdem der Kläger erklärt habe, dass er die Schäden in der nicht mehr bewohnbaren Wohnung selbst beheben wolle - mit Informationsprotokoll vom 16.03. 2001 den Gesamtschaden auf insgesamt 19.787,00 DM akzeptiert.

6

Die Beklagte habe eine Einstandspflicht mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe einen Vorschaden aus dem Jahre 1996 verschwiegen, der Nachweis eines Einbruchsdiebstahls sei nicht gegeben und die Brandursache weiterhin ungeklärt. Er habe aber am 16.03.2001 die korrekte Angabe gemacht, dass während der letzten drei Jahre zu dem Vertrag mit der Beklagten oder zu einer Vorversicherung keine Ansprüche geltend gemacht worden seien. Als Vorversicherer habe er die angegeben.

7

Bei einer Befragung durch die Mitarbeiterin der Beklagten am 02.05.2001 habe diese zu Frage 41 des Fragekataloges eingetragen: " In der Vergangenheit höchstens mal überfallen worden ungefähr ca. 7 - 8 Jahre her. Ansonsten keine Einbruchsschäden oder Brandschäden i. d. Vergangenheit gewesen". Diese Formulierung sei jedoch falsch und vom Kläger so nicht gebraucht worden. Er habe vielmehr der Mitarbeiterin ausführlich von einem von ihm erlittenen Raubüberfall im Februar 1996 als auch von einem Brandereignis in seinem Wochenendhaus Pfingsten 1996 berichtet.

8

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.116,93 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2001 zu zahlen.

9

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Sie bestreitet, dass es am 09.03.2001 zu einem Einbruch in das versicherte Objekt gekommen sei, dass vor dem Einbruchsdiebstahl ein Fahrrad, eine Spardose mit ca. 700,00 DM Hartgeld und ein Rasierapparat in der Wohnung des Klägers gewesen sei, die nach der behaupteten Tat nicht mehr vorgefunden werden konnten und weist weiter darauf hin, das von der ermittelnden Staatsanwaltschaft weder die Brandursache noch die Frage geklärt werden konnte, wie der/die Täter in das versicherte Objekt gelangt seien.

11

Zunächst habe sie auf die Schadensanzeige des Klägers vom 12.03.2001 die mit der Schadensfeststellung der Höhe nach - vorbehaltlich der Ersatzpflicht dem Grunde nach - beauftragt. In einem weiteren Ortstermin am 02.05.2001 habe die Schadensreguliererin der Beklagten gemeinsam mit dem Kläger den Fragebogen der Beklagten ausgefüllt, wobei sie jede Frage einzeln durchgegangen sei und den Kläger darauf hingewiesen habe, dass bewusst unwahre oder unvollständige Angaben die Leistungsfreiheit des Versicherers bewirken könnten. Nach dieser Belehrung habe der Kläger den Fragebogen eigenhändig unterschrieben.

12

Zwischenzeitlich habe sie Kenntnis von einer verschwiegenen Vorversicherung des Klägers bei der erhalten, wo der Kläger seinen Hausrat der Wohnung versichert gehabt habe. Diese Versicherung sei von der gekündigt worden, nachdem es am 16.02.1996 zu einem Einbruchschaden mit einer Schadenshöhe von 5.000,00 DM und am 25.05.1996 zu einem Feuerschaden mit einer Schadenshöhe von ca. 60.000,00 DM gekommen sei.

13

Weiter beruft sie sich auf Leistungsfreiheit nach §§ 22 VVG, 123 BGB, weil sie den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten habe. Zur Begründung beruft sie sich darauf, dass der Kläger bei Abschluss des Vertrages arglistig getäuscht habe. Die Frage nach bestehenden Vorversicherungen habe er im Antragsformular unbeantwortet gelassen, obwohl bei der eine Vorversicherung bestanden habe, in deren Rahmen auch Vorschäden eingetreten seien. Der Kläger habe auch verschwiegen, dass zu dieser Versicherung auch zwei Vorschäden abgerechnet worden seien. Hätte er diese Schäden im Antragsformular angegeben, hätte die Beklagte den Versicherungsvertrag nicht abgeschlossen.

14

Darüber hinaus habe der Kläger auch über die Möglichkeit getäuscht, dass es eine Gelegenheit gegeben habe, über die Terrassentür, deren Schloss bereits längere Zeit defekt gewesen sei, so dass die Tür nicht mehr geschlossen werden konnte, in das versicherte Objekt einzudringen.

15

Auch habe der Kläger die Frage im Schadensanzeigeformular nach früheren Schäden dieser Art verneint und den Einbruchdiebstahl vom 16.02.1996

16

ebenso verschwiegen wie den Brandschaden vom 25.05.1996.

17

Die Frage zu Ziffer 41 im Fragebogen vom 02.05.2001 habe der Kläger erneut -insgesamt zum dritten Mal - unter Verschweigen der bestehenden Vorversicherung und der Vorschäden verneint.

18

Die Beklagte bestreitet ferner den vom Kläger behaupteten Schaden auch der Höhe nach.

19

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

20

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 06.02.2003 (Bl. 187-189 dA).

21

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 14.08.2003 (Bl. 234 - 239 d.A.) und 13.11.2003 (Bl. 257/258 d.A.) verwiesen.

22

Die Akten 402 UJs 16384/01 Staatsanwaltschaft Verden lagen zur Vertiefung des beiderseitigen Parteivorbringens und zu Beweiszwecken vor.

Entscheidungsgründe

23

Die Klage erweist sich aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme als unbegründet. Die Beklagte ist nach §§ 22 Ziffer 1 und 21 Ziffer 2 b VHB 92 leistungsfrei; sie hat zudem den Versicherungsvertrag wirksam gemäß § 22 VVG angefochten, denn der Kläger hat die Beklagte anlässlich der Antragstellung zum Abschluss der Hausratsversicherung insoweit arglistig getäuscht, als er die Frage in dem von ihm unterzeichneten Antragsformular nach Vor- / Nebenversicherer / Vorschäden unbeantwortet gelassen hat. Der Beklagten ist dabei zuzugestehen, dass - gerade wenn wie im vorliegenden Fall mehrere Vorschäden vorgelegen haben - der Frage nach Vorversicherungen und Vorschäden erhebliche Bedeutung bei der Entscheidung über eine Vertragsannahme zukommt.

24

Der Kläger kann demgegenüber nicht damit durchdringen, der Versicherungsagent habe diese Frage auf den Versicherungsschutz für die derzeitige Wohnung des Klägers bezogen und die Position offengelassen, ausdrücklich weder ein Ja noch ein Nein in die dafür vorgesehenen Kästchen gesetzt. Folgt bereits aus diesem Vortrag des Klägers, dass das Thema Vorversicherungen bzw. Vorschäden bei der Antragsaufnahme angesprochen worden ist, ergibt sich ferner aus der Aussage des Zeugen , der seinerzeit den Antrag aufgenommen hat, dass der Kläger ihm lediglich einmal erzählt habe, dass er in der Vergangenheit überfallen worden sei, über weitere Vorschäden hingegen nichts gesagt habe.

25

Indem der Kläger darauf den Antrag unterzeichnete, ohne dass er die Frage nach Vorschäden seinerseits beantwortete bzw. darauf drang, dass der Versicherungsvertreter auch zu diesem Punkt Eintragungen machte, hat er sich den Inhalt der Erklärung in vollem Umfang zurechnen zu lassen mit der Folge, dass ihm die Nichtbeantwortung der Frage als versuchte arglistige Täuschung zur Last fallen muss.

26

Die Beklagte ist ferner wegen Verletzung der Obliegenheitsverpflichtung durch den Kläger nach §§ 6 Abs. 3, 34 VVG, 21 Ziffer 2 b VHB 92 von der Verpflichtung zur Leistung aus dem Versicherungsvertrag befreit. Danach ist der Kläger als Versicherungsnehmer verpflichtet, bei eintritt eines Versicherungsfalles jede Auskunft zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfangs der Leistungspflicht der Versicherung erforderlich ist. Vorliegend hat der Kläger hingegen nach Eintritt des Versicherungsfalles keine richtigen Angaben zu Vorschäden erteilt, obwohl ausdrücklich in den Formularen danach gefragt worden ist. Das hat zur Folge, dass die berechtigten Interessen der Beklagten in ernsthafter Weise gefährdet worden sind.

27

Bereits in der Schadensanzeige vom 02.03.2001, die der Kläger - nachdem er diesen Fragebogen mit den Zeugen und nach Aussage des Zeugen im einzelnen durchgegangen war - auch unterzeichnete, war zu der Frage "Haben sie schon früher Schäden dieser Art erlitten" das Nein-Kästchen angekreuzt worden.

28

Auch die Beantwortung der Frage Nr. 41 in dem Fragebogen vom 2.5.01 muss zu Lasten des Klägers gewertet werden, denn er hat diesen Fragebogen Seite für Seite unterzeichnet in der Kenntnis, dass die Angaben zu dieser Ziffer 41 offensichtlich unrichtig waren. Es kommt weniger darauf an, ob dort von derVersicherungsangestellten eingetragen worden ist "In der Vergangenheit höchstens mal Überfallen worden ungefähr ca. 7-8 Jahre her" als das die Eintragung fortgeführt wird mit "Ansonsten keine Einbruchschäden oder Brandschäden i. d. Vergangenheit gewesen". Folgerichtig ist dann auch zu Ziffer 42, worin nach dem Versicherer gefragt wird, der für Schäden aus der Vergangenheit Schadensersatz geleistet hat, eingetragen worden " - keine Schäden i. d. Vergangenheit eingetreten, entfällt somit". Dass diese Eintragungen von der Zeugin entgegen den anderslautenden Aussagen des Klägers gemacht worden sein sollen, hat der Kläger hingegen nicht nachzuweisen vermocht. Spricht einerseits bereits seine Unterschrift auf jeder der Seiten des Fragenkatalogs bereits dafür, dass er den vorstehenden Inhalt auch zur Kenntnis genommen hat, was die Zeugin im Übrigen auch insoweit bestätigt hat, als sie ausgesagt hat, dass sie den Kläger zunächst über seine Wahrheitspflichten belehrt habe und dann nach Ausfüllen des Fragebogens durch sie der Kläger sich dann den Bogen durchgelesen und erst danach unterschrieben habe. Das Gericht sieht keinen Anlass, der Aussage der Zeugin insoweit nicht zu folgen, weshalb es auf die Aussage des Zeugen auch nicht mehr ankommt, der Kläger habe Frau gegenüber erwähnt, dass er sowohl schon mal einen Raubüberfall erlitten habe als auch, dass er schon mal einen Brand in einem Wochenendhaus erlitten habe, denn der Kläger hat sich bereits die Angaben, so wie sie in den Fragebogen aufgenommen worden sind und wie er sie durch seine Unterschriften auch als seine eigenen Angaben genehmigt hat, zurechnen zu lassen.

29

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.

30

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.