Landgericht Hannover
Urt. v. 17.09.2003, Az.: 11 O 141/03

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
17.09.2003
Aktenzeichen
11 O 141/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 39508
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2003:0917.11O141.03.0A

In dem Rechtsstreit

....

hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 17.09.2003 durch den Richter am Landgericht als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Kläger kann die Vollstreckung jedoch durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der vollstreckbaren Forderung abwenden, falls nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 120 % der jeweils zur Vollstreckung anstehenden Forderung leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Eigentümer, des Pkws Opel Tigra mit dem amtlichen Kennzeichen . Für dieses Fahrzeug besteht bei der Beklagten eine Teilkaskoversicherung. In diesem Rechtsstreit macht der Kläger Ansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 01.02.2003 geltend, der sich kurz vor Mitternacht auf der Bundesstraße 3 in Schneverdingen/Fahrtrichtung Soltau ereignet hat. Der Kläger kam beim Durchfahren einer Linkskurve nach links von der Fahrbahn ab und geriet auf den unbefestigten Seitenraum, wo er sich mit dem Pkw überschlug. Ausweislich der polizeilichen Unfallaufnahme betrug die Geschwindigkeit des Klägers 85 - 90 km/h.

2

Der Kläger behauptet, dass plötzlich vor ihm auf der Fahrbahn ein Reh aufgetaucht sei. Er habe deshalb gebremst und versucht, dem sich nicht entfernenden Tier nach links auszuweichen. Dabei sei er auf der winter- bzw. schneeglatten Straße ins Schleudern geraten. Seine Fahrweise stelle sich somit als ein objektiv notwendiger Versuch dar, eine Kollision mit dem Reh zu vermeiden. Die Beklagte sei daher nach den §§ 62, 63 VVG verpflichtet, den Schaden, der - nicht bestritten - insgesamt einen Betrag von 7.790,- € ausmache, zu ersetzen. Grobe Fahrlässigkeit könne ihm - dem Kläger - nicht angelastet werden. In dem Schriftsatz vom 18.09. 2003 führt der Kläger weiter aus, dass es keinesfalls sicher sei, dass es sich um eine gefährliche Schneeglätte gehandelt habe. Mit Wildwechsel habe nicht gerechnet werden müssen. Die Geschwindigkeitsangaben im Polizeibericht seien nur Schätzungen.

3

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zur Zahlung von 7.640,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 %- Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.04.2003 zu verurteilen.

4

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Sie ist insoweit der Auffassung, dass selbst dann, wenn man den klägerischen Vortrag zu Grunde lege, von einer groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 61 VVG auszugehen sei, so dass ein Leistungsanspruch nicht in Betracht komme. Vorsorglich werde bestritten, dass das Abweichen von der Fahrbahn überhaupt eine Rettungshandlung im Sinne des § 62 WG sei.

6

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt de gewechselten Schriftsätze verwiesen. Die Akte 30311190-2003001126 PK Schneverdingen lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet.

8

Dabei kann dahinstehen, ob der Unfall tatsächlich dadurch verursacht worden ist, dass der Kläger versucht hat, einem auf der Fahrbahn stehenden Reh auszuweichen. Denn eine Leistungspflicht der Beklagten scheidet gemäß § 61 WG aus, da dem Kläger anzulasten ist, den Unfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt zu haben. Grobe Fahrlässigkeit beinhaltet einen objektiv und subjektiv besonders schwerwiegenden Sorgfaltspflichtenverstoß, Das Verhalten des Versicherungsnehmers muss bei zur ständiger Sicht unentschuldbar erscheinen. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Ausgangspunkt ist, dass der Kläger mit einer Geschwindigkeit zwischen 85 und 90 km/h gefahren ist. Diese Geschwindigkeit hat er ausweislich der beigezogenen Unfallakte den aufnehmenden Polizeibeamten selbst gegenüber angegeben. Soweit der Klägerin in seinem Schriftsatz vom 18.09.2003 die Auffassung vertritt, dass es sich nur um eine ungefähre Angabe handele, die auch von Irrtümern beeinflusst sein könne, ist dies substanzlos. Die Geschwindigkeitsangabe ging vom Kläger selbst aus und war sehr präzise. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger etwa versehentlich eine zu hohe Geschwindigkeit den Beamten gegenüber angegeben hat. Naheliegend wäre es allenfalls gewesen, dass der Kläger seine Geschwindigkeit niedriger als tatsächlich gefahren angegeben hat. Im übrigen fehlt auch jeder substantiierter Vortrag des Klägers dazu, welche Geschwindigkeit der Kläger tatsächlich eingehalten haben will. Eine Geschwindigkeit von 85 bis 90 km/h war aber weit überhöht und in erheblichem Maße geeignet, Gefahrensituationen und Unfälle herbeizuführen. Nach § 3 StVO hat ein Fahrer seine Geschwindigkeit unter anderem den Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnissen anzupassen. Er muss in der Lage sein, sein Fahrzeug ständig zu beherrschen. In der Klagschrift hat der Kläger selbst eingeräumt, dass auf Grund Schneefalls und Hagels die Fahrbahn winter- bzw. schneeglatt war. Soweit er mit seinem Schriftsatz vom 18.09.2003 pauschal Hagel bestritten hat, ist dies angesichts der vorhergehenden Darstellung ohne ausweichende sachliche Substanz, zumal auch in der polizeilichen Unfallaufnahme die Witterung mit "Schneefall/Hagel" beschrieben wird. Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 18.09.2003 die Bedeutung der Glätte auf der Fahrbahn zu relativieren versucht, ist dies ebenfalls ohne ausreichende sachliche Substanz. In der Klageschrift wird nämlich selbst vorgetragen, dass der Kläger beim Bremsen und Ausweichen "auf der schneeglatten Fahrbahn mit dem Pkw ins Schleudern" geriet. Die Möglichkeit einer sicheren und problemlosen Kontrolle des Fahrzeugs war daher in erheblichem Maße eingeschränkt. Das gleich gilt für die Sichtverhältnisse, die durch Dunkelheit und den Schneefall bzw. Hagel beeinträchtigt waren. Berücksichtigt man diese Umstände, kann die Einhaltung einer Fahrgeschwindigkeit, die nur knapp unter der bei günstigsten Verhältnissen geltenden zulässigen Höchstgeschwindigkeit lag, nur als ein gravierender und grober Verstoß gewertet wird, der dem Kläger auch subjektiv in gleicher Weise anzulasten ist. Die durch winterliche Straßenverhältnissen entstehenden Unfallgefahren liegen dermaßen auf der Hand, dass es eine elementarische Erkenntnis für jeden Verkehrsteilnehmer sein muss, hierauf mit einer angepassten und deutlich reduzierten Geschwindigkeit zu reagieren. Es lag auch ohne weiteres auf der Hand, dass durch den Schneefall auf der Fahrbahn gefährliche Glätte entstanden war. Sonstige Umstände, die das Fahrverhalten des Klägers subjektiv weniger schwerwiegend erscheinen lassen, sind vom Kläger nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich.

9

Die Klage war daher mit den Nebenfolgen aus den §§ 91, 708 Ziffer 11, 711 ZPO zurückzuweisen.