Landgericht Hannover
Urt. v. 26.06.2003, Az.: 25 O 91/03
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 26.06.2003
- Aktenzeichen
- 25 O 91/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 39512
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2003:0626.25O91.03.0A
Tenor:
Der Verfügungsbeklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250. 000 € ersatzseite Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, untersagt,
im geschäftlichen Verkehr für den sogenannten "Chi Energizer" zu werben:
"kann in nur 15 Min. eine kalorienverbrennende Anreicherung des Blutes mit Sauerstoff bewirken (vergleichbar mit einem 1,5 Std. Fußmarsch oder 10.000 Schritten), massiert und balanciert Muskeln, innere Organe und die Wirbelsäule aus."
Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zur Beachtung der Regeln des lauteren Wettbewerbs gehört. Er ist branchenübergreifend und überregional tätig.
Die Verfügungsbeklagte bietet in ihrem aktuellen Katalog "... Versand" auf der vorletzten Seite das Gerät "Chi Energizer" an (Anlage A2). Diese Apparatur, die zum Preis von 199 € angeboten wird, hat folgende Funktion: Der Anleger legt sich auf den Boden und zwar so, dass er seine beiden Fersen auf das Gerät legen kann. Sodann wird das Gericht eingeschaltet und übt - mehrstufig und nach Zeiteingabe - eine Vibrationswirkung aus. Der Kläger sieht in der werblichen Aufmachung im Versandkatalog der Beklagten ein täuschendes Wirkungsversprechen bezüglich des Gerätes und behauptet, für das Vorhandensein der versprochenen Wirkungen fehlten sachliche Anhaltspunkte. Er bestreitet jeden Beleg dafür, dass sich durch den Einsatz des Gerätes eine kalorienverbrennende Anreicherung des Blutes mit Sauerstoff bewirken lasse, dass das Gerät Muskeln, innere Organe und die Wirbelsäule massiere und balanciere und dass die Wirkung vergleichbar sei mit einem 1,5 Std. Fußmarsch oder 10.000 Schritten. Es gäbe keine Anhaltspunkte für einen zusätzlichen Energiebedarf und Kalorienverbrauch einer Person bei Verwendung des streitgegenständlichen Gerätes. Der Verfügungskläger will die zur Glaubhaftmachung von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Publikationen über die Wirkungsweise des Gerätes als Mittel der Glaubhaftmachung nicht anerkennen und bestreitet insbesondere die fachliche Qualifikation der Verfasser der dargetanen Beiträge.
Der Verfügungskläger beantragt,
wie erkannt.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte meint, die von der Verfügungsklägerin vorgelegten Beschlussverfügungen weiterer Landgerichte über die streitgegenständliche Maschine seien hinsichtlich der beanstandeten Werbeaussage mit der hier vorliegenden werblichen Äußerung nicht vergleichbar. Sie behauptet, die angepriesene Wirkungsweise des Gerätes treffe zu und verweist auf einen in Ablichtung vorgelegten Artikel aus der Publikation "Bio aktuell", Heft 2001/1, Seite 61 sowie auf Ausführungen des Erfinders des Gerätes, des japanischen Arztes ... dem Bericht über eine Testreihe der TV-Mediziners bzw. Medizin-Journalisten, Die Verfügungsbeklagte sieht insbesondere in der Einschränkung der Werbeaussage durch das Wort "kann" die Einschränkung eines Wirkungsversprechens und meint, die Werbeaussage sei nicht zu beanstanden. Darüber hinaus fehle es an einer Eilbedürftigkeit für die verlangte Entscheidung, weil das Gerät im Internet bereits seit Monaten beworben worden sei.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Verfügungsbeklagte ein Mustergerät vorgeführt, das in Augenschein und in Benutzung genommen wurde. Außerdem hat die Beklagte Ablichtungen vorgelegt, die den Verpackungsaufdruck des Gerätes zeigen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.
Aus Gründen des Wettbewerbsschutzes war der Beklagten zu untersagen, für den Chi Energizer mit der im Tenor dieser Entscheidung näher genannten Anpreisung zu werben (§§ 1, 3, 13, 25 UWG i.V.m. §§ 1, 3 HWG und §§ 935, 940 ZPO, §§ 2, 3, 5 Unterlassungsklagengesetz).
Als eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, ist der Verfügungskläger (nachfolgend nur noch Kläger) antragsbefugt im Sinne § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG sowie aus §§ 2, 3 Abs. 1 Ziffer 2 Unterlassungsklagengesetz.
Die Eilbedürftigkeit der begehrten Unterlassungsentscheidung ergibt sich aus der Vermutungswirkung in Wettbewerbssachen, insbesondere auch daraus, dass die Verfügungsbeklagte (nachfolgend: Beklagte) in ihrem noch aktuellen Versand-Katalog mit der inkriminierten Werbebehauptung wirbt und keine Tatsachen dafür vorliegen, dass der Kläger bereits hiervon früher Kenntnis erlangt hat.
Die inkriminierte Werbeaussage ist als irreführende Werbung im Sinne des § 3 UWG und § 3 Ziffer 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) zu verbieten.
Nach der Bedeutungsvorstellung der angesprochenen Verkehrskreise liegt nach Auffassung der Kammer auch unter Berücksichtigung einer richtlinienkonformen Auslegung der Generalklauseln in §§ 1, 3 UWG und § 3 HWG nach dem Verständnis des umsichtigen und kritisch prüfenden Verbrauchers in der angegriffenen Werbeaussage die Eignung zur Irreführung und damit eine Beeinflussungswirkung im Hinblick auf das wirtschaftliche Verhalten. Damit liegt eine sittenwidrige Beeinträchtigung des redlichen Wettbewerbs vor. Nach dem Text der Werbeaussage zielt die werbliche Aussage der Beklagten darauf ab, ohne Einschränkung durch die Benutzung des Gerätes in nur 15 Minuten eine kalorienverbrennende Anreicherung des Blutes mit Sauerstoff, vergleichbar mit einem 1,5 Std. Fußmarsch oder 10.000 Schritten hervorzurufen, darüber hinaus dem Gerät die Eigenschaft zuzumessen, bei seiner Anwendung Muskeln, innere Organe und die Wirbelsäule zu massieren und zu balancieren. Das spricht Verkehrskreise an. die im weiten Markt der Gesundheitsmittel und entsprechender Gegenstände im Sinne des § 3 HWG eine körperliche Wirksamkeit zur Gewichtsreduktion ohne großen körperlichen Aufwand anstreben.
Durch die Verwendung des Wortes "kann" im ersten Satzteil der Werbeaussage erfolgt keine Einschränkung im Sinne einer evtl. Möglichkeit dieser Wirkungen sondern im Gegenteil die Bekräftigung der Vorgabe einer Leistungsfähigkeit im Sinne von "in der Lage sein". Auch der kritische Verbraucher, von dem man möglicherweise gerade im Bereich der Gesundheitswerbung ausgehen muß, wird ohne einschränkende oder aufklärende Zusätze keine Veranlassung haben, die versprochene Wirkungsweise von vornherein gänzlich auszuschließen. Damit bleibt offen, ob im Vergleich zwischen der Bedeutungsvorstellung der angesprochenen Kreise und der Realität des beworbenen Gerätes die genannten Fakten verifiziert werden können. Daraus folgt die Eignung der Werbeaussage zur Beeinflussung von Kaufentschlüssen und damit die Wettbewerbsrelevanz. Die Wirkungsweise des Geräts ist aber umstritten. Sie steht nach verständiger Würdigung jedenfalls keineswegs so eindeutig fest, wie das der Werbeslogan suggeriert. Im Bereich der Gesundheitswerbung, also wie hier mit Gegenständen im Sinne des § 3 Ziffer 1 HWG, findet eine Umkehr der Beweislast zum Schutze des überragenden Rechtsguts der Gesundheitsfürsorge statt, wenn sich der Werbende ungeprüfter oder ungesicherter, insbesondere fachlich umstrittener Werbebehauptungen bedient (Doerner, HWG, 2. Aufl., § 3, Rdn. 34). Zwar bleibt auch in solchen Fällen grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast im Bereich der Gesundheitswerbung beim Kläger, der seinerseits jedoch das Notwendige getan hat, wenn ihm die Darlegung gelungen ist, dass die von ihm angegriffene Werbebehauptung wissenschaftlich ungesichert ist. Dieser Darlegungslast hat der Kläger Rechnung getragen. Das ergibt sich bereits aus einer Interpretation des Werbesatzes, wonach sehr globale Wirkungsbehauptungen aufgestellt werden, ohne einen Nachweis darzutun.
Die von der Beklagten dargelegten Äußerungen Dritter über die Wirkungsweise des in Rede stehenden Gerätes reichen auch unter der erleichterten Beweisführung im Eilverfahren nicht aus, um eine faktenmäßige Absicherung der Werbeangaben glaubhaft zu machen. Zwar kann sich grundsätzlich jede Partei im Wettbewerbsprozess zur Belegung ihrer Behauptung auf wissenschaftliche Monographien berufen und ist nicht gezwungen, eigenes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorzulegen (OLG Stuttgart MD 1993, 160, 169). Dabei wäre es allerdings Sache der Beklagten, die hinreichende wissenschaftliche Absicherung ihrer Werbung nachzuweisen. Eine Verifizierung der in der Werbebotschaft behaupteten Eigenschaften hat die Beklagte hier nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Äußerungen der von ihr angeführten Personen, des Erfinder des Gerätes, des japanischen Arztes ... sowie der in der Zeitschrift "Bio aktuell" veröffentlichte Aufsatz der Ärztin ..., schließlich die Äußerungen des TV-Medizin-Journalisten Professor ... über die positive Wirkungsweise des Gerätes genügen für eine solche Glaubhaftmachung nicht. All diesen Beiträgen fehlt schon der Nachweis wissenschaftliche genauer Untersuchungsmethodik und die nachgewiesene Fachkompetenz der Autoren. Es handelt sich dabei nicht um verwertbare Gerichtsgutachten, sondern lediglich um qualifiziertes Parteivorbringen, wobei insbesondere auch der Beitrag des Erfinders des Gerätes primär verkaufsfördernde Wirkung offenkundig haben soll. Die "Testreihe" der unbekannten Ärztin ..., die an knapp 30 Probanden bereits nach 15 Minuten eine verbesserte Sauerstoffsättigung des Blutes festgestellt haben will und schließlich die Urkundsbeweis noch als sachverständige Äußerung den Anforderungen, die an eine Glaubhaftmachung von umstrittenen Wirkungsbehauptungen im Bereich der Gesundheitswerbung zu stellen sind. Anders als z.B. bei Monographien des Bundesgesundheitsamtes, die als sach- und fachkundig gelten, fehlt ein solcher Nachweis hier völlig. Zwar verkennt die Kammer nicht, dass mit der Anwendung dieser Grundsätze durch die negative Beweislastverteilung im Bereich der Gesundheitswerbung möglicherweise faktisch ein generelles Verbot fachlich umstrittener Wirksamkeitsbehauptungen eintritt. Das beruht indes auf dem im Gesundheitsbereich nach der Rechtsprechung geltenden Strengeprinzip, wonach bei Gesundheitswerbung strenge Maßstäbe hinsichtlich ihrer Wahrheit, Eindeutigkeit und Klarheit anzulegen sind (BGH, GRUR 1991, 848 f. [BGH 07.03.1991 - I ZR 127/89] - "Rheumalind II"; Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Aufl., § 3, Rdn. 22). Der Grund für diese strenge Handhabung liegt in der Fürsorge des Staates im Zusammenhang mit dem wichtigen Schutzgut der Volksgesundheit. Diese Rechtssätze haben auch Bestand vor dem Hintergrund einer Richtlinienkonformen Auslegung der in Frage kommenden Vorschriften nach der Rechtsprechung des EuGH vor dem Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, der aufgrund ausreichender Information in der Lage ist, seine Entscheidung auf dem Markt frei zu treffen. Hier handelt es sich um eine zwar eher marktschreierische Übertreibung der Wirkungsweise des Gerätes, die allerdings sachliche Substanz hat und sich damit von erkennbar nichts sagenden Anpreisungen unterscheidet. Die Übertreibungen der Werbeaussage haben indes noch nicht jene Grenze erreicht, bei der eine Irreführung ausscheidet, weil das Publikum die irreale Übertreibung der Aussage erkennt und sie dementsprechend nicht ernst nimmt (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 3, Rdn. 60). Wie die Rechtsverteidigung der Beklagten zeigt, werden durchaus ernsthafte Versuche unternommen, die Wirkungsweise des Gerätes unter Heranziehung quasi-wissenschaftlicher Methoden zu rechtfertigen.
Der Dringlichkeitsgrund als besondere Prozessvoraussetzung im Wettbewerbsprozess zum Erlaß der beantragten einstweiligen Verfügung ist gegeben. Eine sofortige Unterlassung der angegriffenen Werbung zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den redlichen Wettbewerb ist dringend geboten (§ 25 UWG i.V.m. §§ 2, 3, 5 Unterlassungsklagengesetz). Diese Dringlichkeitsvermutung ist von der Beklagten nicht widerlegt worden, eine solche Widerlegung ergibt sich auch nicht aus dem Verhalten des Antragstellers selbst. Die Beklagte hat nicht glaubhaft gemacht, dass der Kläger bereits früher Kenntnis von der beanstandeten Werbebehauptung erlangt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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