Landgericht Hannover
Urt. v. 29.01.2003, Az.: 6 S 120/02

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
29.01.2003
Aktenzeichen
6 S 120/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 39513
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2003:0129.6S120.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - AZ: 555 C 295/02

Fundstelle

  • RRa 2003, 93-94 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit

der Klägerin und Berufungsklägerin

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt

gegen

die Beklagte und Berufungsbeklagte

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte

wegen

Gewährleistung aus Reisevertrag hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 8. Januar 2003 durch Richterin am Landgericht ..., den Richter am Landgericht ... und den Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 13. August 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover -- 555 C 295/02 -- wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Amtsgerichts wird Bezug genommen.

2

Die gerichtsinterne Zuständigkeit der Kammer zur Entscheidung des Rechtsstreits ist unabhängig davon gegeben, ob bei anderen Kammern des Gerichts ältere, Reisen in dieselbe Hotelanlage betreffende Verfahren anhängig sind oder waren, da in diesem Fall eine Weiterleitung an die für zuständig erachtete Kammer binnen einer Woche vom Auftreten der Hinweise an ohne Anberaumung eines Verhandlungstermins hätte erfolgen müssen, was unterblieben ist (vgl. Geschäftsverteilungsplan für das Landgericht Hannover im Geschäftsjahr 2002, C II 5, III). Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht hinsichtlich des 384,64 EUR übersteigenden Betrages nebst Zinsen abgewiesen. Auf die zutreffenden Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung wird in vollem Umfang Bezug genommen.

3

Zur Beeinträchtigung durch eine an der Clubanlage befindlichen Großbaustelle hat das Amtsgericht den Vortrag der Klägerin als wahr unterstellt. Diese Beeinträchtigung ist mit einer Minderungsquote von maximal 20 % zu belegen. Bei Zugrundelegung dieser Quote wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass einerseits die Nacht- und Mittagsruhe ungestört verbracht werden konnte und die Klägerin und ihre Familie andererseits tagsüber dem Lärm nicht ohne weiteres zu entfliehen vermochten.

4

Einer zusätzlichen Beweisaufnahme durch Inaugenscheinnahme diverser Videoaufzeichnungen bedurfte es nicht. Es ist nicht ersichtlich, was an zusätzlichen Informationen dadurch dem Gericht zugänglich gemacht werden sollte, so daß das Abspielen der Videobänder auf die Vornahme eines Ausforschungsbeweises hinausliefe. Dem "Eingesperrt sein" kommt demgegenüber keine eigenständige Bedeutung zu, da sich hierbei das übliche Abwägungsproblem bei all-inclusive-Leistungen realisiert. Unbeachtlich ist, ob die Beklagte bereits bei Abschluss des Reisevertrages Kenntnis von dem Vorhandensein der Baustelle hatte, da dem deutschen Vertragsrecht das Prinzip fremd ist, ein Fehlverhalten des Vertragspartners mit einem Aufschlag auf die Ausgleichsforderung zu sanktionieren. Auch hinsichtlich der Beanstandungen im Servicebereich (Nichtnachfüllen der Behälter, Nichtabräumen des benutzten Geschirrs und Bestecks) hat das Amtsgericht den Vortrag der Klägerin als wahr unterstellt. Das Gericht hat es dabei unabhängig vom konkreten Einzelfall als generelle Beeinträchtigung des Urlaubsgenusses angesehen, wenn das Büfett nicht aufgefüllt und benutztes Geschirr und Besteck nicht abgeräumt werden.

5

Der Vortrag der Klägerin ist allerdings schon unsubstantiiert, da trotz Hinweises des Gerichts nicht dargelegt wurde, wie oft welche Speisen nicht aufgefüllt worden sind und zu welchem Zeitpunkt die Behälter leer waren. Begriffe wie "ständig" und "mehrfach" sind nicht ausreichend. Nach dem erstinstanzlichen Vorbringen, soweit dieses als substantiiert erachtet würde, kommt unter Einbeziehung der von der Klägerin ohne nähere Darlegung behaupteten Wartezeiten daher keinesfalls eine 3 % übersteigende Minderungsquote in Betracht.

6

Die ausführlich begründete Entscheidung des Amtsgerichts, die Entfernung zum Strand nicht als minderungsrelevanten Reisemangel anzusehen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Unter Berücksichtigung der Angaben im Reisekatalog zur Entfernung zum Strand kann die Klägerin allein aus der Verwendung des Begriffs "Beach" nicht herleiten, es sei ein Hotel in Strandnähe geschuldet. Die Kammer teilt ferner die Einschätzung des Amtsgerichts, dass eine Animation für Erwachsene mangels entsprechender Angaben in der im Reisekatalog enthaltenen Einzelbeschreibung der Anlage nicht geschuldet war. Etwas anderes folgt auch nicht aus der im Reisekatalog enthaltenen Kurzbeschreibung der Kategorie "Family-Hotel", da in dieser ausdrücklich hinsichtlich der in den einzelnen Anlagen vorhandenen Angebote auf die jeweilige Hotelbeschreibung verwiesen wurde.

7

Die Beanstandungen in Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Mahlzeiten stellen auch aus Sicht der Kammer keine minderungsrelevanten Mängel dar. Auch und gerade die im Reisekatalog vorgenommene Bewertung als Mittelklassehaus (Drei-Sterne) trägt die Einschätzung des Amtsgerichts, dass das Fehlen von Tischdecken sowie das Vorhandensein von Sitzgelegenheiten aus Holz oder Plastik ohne Armlehnen allenfalls im Zeitalter des Massentourismus hinzunehmende Unannehmlichkeiten darstellen. Dass die Unfreundlichkeit der Reiseleitung einen Mangel darstellt und nicht lediglich eine Unannehmlichkeit, hat das Amtsgericht mit tragfähiger Begründung abgelehnt. Substantiierte Angaben dazu, wann sich die Reiseleitung ihr gegenüber falsch verhalten haben soll, wurden nicht gemacht. Dass sich ein etwaiges Fehlverhalten der Reiseleitung in minderungsrelevanter Weise auf den Urlaub ausgewirkt hat, ist daher nicht feststellbar. Welche zusätzlichen Informationen sich insoweit aus den Videobändern ergeben sollen, ist nicht ersichtlich.

8

Da der insgesamt der Klägerin zuzubilligende Minderungsbetrag auch bei Bewertung der einzelnen Mängel den durch das Amtsgericht zugesprochenen Betrag von 39 % des Reisepreises nicht übersteigt, ist der Klägerin durch die fehlende Vornahme einer Einzelbewertung der Mängel durch das Amtsgericht ein Nachteil nicht entstanden. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gemäß § 651 f II BGB ist ebenfalls nicht gegeben, da eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise im Sinne dieser Vorschrift angesichts der Möglichkeit der Klägerin und ihrer Familie, sich vom Baulärm ungestört in den Schlafräumen aufzuhalten und den zu Fuß erreichbaren Strand zu nutzen, nicht vorlag. Eine Unvereinbarkeit der Erheblichkeitsschwelle des § 651 f II BGB mit Art. 5 Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 ist nicht ersichtlich, da die Richtlinie eine Einschränkung der Haftung des Reiseveranstalters für immaterielle Schäden ausdrücklich zulässt, ohne diese insoweit auf summenmäßige Beschränkungen der Haftung zu begrenzen. Anhaltspunkte dafür, dass durch die Erheblichkeitsschwelle eine unangemessene Einschränkung der Haftung vorgenommen wurde, sind nicht ersichtlich, da der Gesetzgeber von der Aufnahme eines prozentualen Schwellenwertes in die Vorschrift abgesehen und damit die Auslegung des Merkmals der Erheblichkeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls dem jeweiligen Einzelgericht überlassen hat.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.