Landgericht Hannover
Urt. v. 19.09.2003, Az.: 13 O 331/02
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 19.09.2003
- Aktenzeichen
- 13 O 331/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 39510
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2003:0919.13O331.02.0A
In dem Rechtsstreit
...
wegen Schadensersatzes aus Anlageberatung
hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 27.08.2003 durch
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10 737,13 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 04.12.2002 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte und Freistellung von den Pflichten aus der Beteiligung an der Dreiländer Beteiligung DLF 94/17 - ... in Höhe von nominell 20 000,- DM (Teilhaberregister - ....
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter fehlerhafter Anlageberatung auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagte ist ein in ganz Deutschland tätiges Wirtschaftsberatungs- und Finanzbetreuungsunternehmen. Sie unterhält mit Hilfe ihrer selbstständigen Handelsvertreter eine Außendienstorganisation.
Vermittelt durch den für die Beklagte tätigen Handelsvertreter ... erwarben die Klägerin und ihr Ehemann am 11.06.1996 Anteile am DLF 94/17 in Höhe von 20 000,00 DM zuzüglich einer Abwicklungsgebühr von 1 000,00 DM .
Bei dem Dreiländer-Fonds 94/17 handelt es sich um einen in Form einer Kommanditgesellschaft organisierten geschlossenen Immobilienfonds, der Immobilien und Wertpapiere in Deutschland, der Schweiz und den USA unterhält, darunter das Freizeit und Erlebniszentrum International in Stuttgart, dessen Hauptmieterin die ... ... war. Diese führte in den Räumlichkeiten das Musical "Miss Saigon" auf, bis sie 1999 insolvent wurde. In Folge von Mietausfällen reduzierten sich die Ausschüttungen des Fonds, die bis 1998 jährlich 7% betrugen, auf 3% im Jahre 1999, auf 0 im Jahre 2000 und auf 2,5% im Jahre 2001.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Zahlung von Schadensersatz, nämlich Rückzahlung des eingezahlten Eigenkapitals zuzüglich der Bearbeitungsgebühr Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche aus dem Dreiländer-Fonds. Die Klägerin klagt aus eigenem und abgetretenem Recht und bezieht sich dazu auf eine Erklärung ihres Ehemannes vom 24.3.2003 (Bl. 139 d.A.).
Mit Schreiben vom 03.08.1998 baten die Klägerin und ihr Ehemann die Beteiligungsgesellschaft um Bekanntgabe ihrer "Rückforderung" bezogen auf den Monat Juni 1999. Die ... wies mit Schreiben vom 06.08.1998 darauf hin, dass eine Kündigung erst zum 31.12.2010 möglich sei. Mit Schreiben vom 15.09.1998 unterbreitete die ... sodann der Klägerin und ihrem Ehemann ein konkretes Kaufangebot zur Übernahme ihres Anteils und zwar per 31.03.2000 zum Kaufpreis von 17 000,- DM (85% der Beteiligungssumme) und per 31.03.2001 zum Preis von 19 000,- DM (95% der Beteiligungssumme). Das Angebot wurde von der Klägerin und ihrem Ehemann nicht angenommen.
Die Klägerin behauptet, sie und ihr Ehemann hätten eine sichere und risikolose Anlage gewollt, die zur Altersvorsorge geeignet sei. Der Handelsvertreter habe damit geworben, dass es nichts Besseres als den Dreiländerfonds gebe, über die Risiken der Anlage, insbesondere die Möglichkeit eines Totalverlustes, habe er nicht aufgeklärt. Auch habe er eine 7%-ige jährliche Verzinsung als sicher zugesagt. Weiterhin habe der Handelsvertreter darauf hingewiesen, dass die Klägerin und ihr Ehemann über ihr Geld jederzeit verfügen könnten, über die Langfristigkeit der Anlage sei nicht aufgeklärt worden. Auch habe der Handelsvertreter lediglich positive Presseartikel den DLF 94/17 betreffend überreicht, auf negative Presse sei nicht hingewiesen worden. Vor Zeichnung der Beteiligung hätten die Klägerin und ihr Ehemann lediglich Teil B des Prospekts erhalten.
Wenn sie und ihr Ehemann ordnungsgemäß beraten worden wären, hätten sie die Anlage nicht gezeichnet.
Die Klägerin meint, ihr stände entgangener Gewinn in Höhe von 5% aus 21 000,- DM für 6 Jahre für die Zeit ab 21.06.1996 zu. Diesen Anlageverlustschaden verrechnet die Klägerin mit den Ausschüttungen, für die sie einen Betrag in Höhe von 2 639,70 EUR zugrundelegt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10 737,13 EUR nebst 5% Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbanken seit Klageerhebung, Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte und Freistellung von den Pflichten aus der Beteiligung an der Dreiländer Beteiligung DLF 94/17 - ... i.H.v. nominell 20 000,- DM (Teilhaberregister - Nr. ...) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Darüber hinaus vertritt sie die Auffassung, nicht passivlegitimiert zu sein, weil die Beratung durch einen selbstständigen Handelsvertreter erfolgt sei, für dessen Handeln sie nicht einzustehen brauche. Der Klägerin und ihrem Ehemann seien bekannt gewesen, dass der Handelsvertreter ... keine rechtsverbindlichen Erklärungen für sie habe abgeben dürfen.
Die Beklagte sieht auf ihrer Seite keine Pflichtverletzung und behauptet, die Klägerin und ihr Ehemann seien umfassend von dem Vertreter ... über Chancen und Risiken des Dreiländer-Fonds aufgeklärt worden. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten eine Kapitalanlage zwecks Verbesserung ihrer Einkünfte insbesondere mit Blick auf die Altersversorgung erwerben und zugleich möglichst Steuern sparen wollen. Der Vertreter ... habe der Klägerin und ihrem Ehemann verschiedene Anlagemöglichkeiten vorgestellt und ihnen anhand des Prospektes für den DLF 94/17 die Einzelheiten der Beteiligung erläutert. Zusicherungen habe der Vertreter nicht gegeben, vielmehr habe er das typische unternehmerische Risiko der Beteiligung hervorgehoben und erwähnt, dass es zu einer Reduzierung der Ausschüttungen kommen könne, etwa wenn Mietausfälle in wesentlicher Höhe zu beklagen seien. Er habe auch betont, dass es sich bei der Immobilie in ... um eine Spezialimmobilie handle, deren wirtschaftlicher Erfolg eng mit der Auslastung des Musicals, der Theater und Hotels verbunden sei, dass der Erfolg des Musicals "Miss Saigon" allerdings nicht garantiert sein könne und dass dies Auswirkungen auf die Gewinnsituation der Fondsgesellschaft und damit auf Ausschüttungen bzw. evtl. eintretende Verluste hätte. Er habe auch die Konkurrenzsituation zwischen den beiden vorhandenen Musicaltheatern deutlich gemacht. Hinsichtlich der Anlagedauer habe der Vermittler Meyn die Klägerin und ihren Ehemann zutreffend informiert und ihnen mitgeteilt, zu welchen Bedingungen der Anteil an die ... Gesellschaft in Notfällen würde veräußert werden können. Er habe dazu angegeben, was im Schreiben der ... ausgeführt sei und auf die entsprechenden Ausführungen im Prospekt verwiesen.
Die Klägerin und ihr Ehemann seien durch die Informationen des Handelsvertreters ... und auch durch die übergebenen Prospektunterlagen umfassend über die Risiken und Chancen des DLF 94/17 aufgeklärt worden. Der Prospekt stelle die Risiken des Fonds ausreichend umfassend dar. Soweit kritische Artikel in Brancheninformationsdiensten erschienen seien, seien diese dem Handelsvertreter nicht bekannt gewesen, er habe die Artikel auch nicht zu kennen und deren Inhalt weiterzugeben brauchen. Die Beklagte verweist ferner darauf, dass der Prospekt zum DLF 94/17 durch eine angesehene deutsche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, nämlich die ... geprüft worden sei und auch eine Plausibilitätsprüfung von ihr, der Beklagten, vorgenommen sei. Sie habe keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür besessen, dass die Beteiligung später einmal hinter den Erwartungen und Prognosen des Prospektes zurückbleiben werde, so dass ihr auch nicht vorgeworfen werden könne, dass die Kapitalanlage später hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei.
Schließlich verweist die Beklagte darauf dass der Klägerin und ihrem Ehemann ein Widerrufsrecht zugestanden habe, von denen diese - unstreitig - keinen Gebrauch gemacht hätten. Auch hätten sie nach der Vermittlung der Anlage an Beschlüssen der Gesellschaft teilgenommen und hierdurch eine neue Anlageentscheidung getroffen. Sie sieht ein Mitverschulden der Klägerin und ihres Ehemannes weiterhin darin, dass diese nicht auf das konkrete Ankaufsangebot der ... vom 15.09.1998 eingegangen seien. Ferner ist die Beklagte der Ansicht, die Klägerin müsse sich die Steuervorteile, die sie und ihr Ehemann aufgrund der gezeichneten Beteiligung erhalten hätten, schadensmindernd anrechnen lassen. Sie beziffert die Ausschüttungen mit 5 563,- DM.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 26. März 2003 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ... und ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 27.08.2003 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist begründet.
Die Beklagte haftet der Klägerin aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes wegen positiver Forderungsverletzung des zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann einerseits und der Beklagten andererseits zustande gekommenen Anlageberatungsvertrages.
- 1
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Auch wenn die Klägerin die eigentlichen Rechte aus der Beteiligung gegenüber der Fondsgesellschaft nur mit ihrem Ehemann zusammen ausüben kann, hat dies keine Auswirkung auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Beklagten, mit der die Klägerin und ihr Ehemann einen von der Beteiligung losgelösten Beratungsvertrag geschlossen haben, aus dem jeder Vertragspartner seine Rechte und Pflichten für sich selbstständig ausüben kann.
Die Klägerin kann Ansprüche für sich und ihren Ehemann geltend machen, denn die Erklärung des Ehemannes vom 24.3.2003 ist auch als Abtretung der Ansprüche gegen die Beklagte auszulegen. Zwar tritt der Zeuge ... dem Wortlaut der Erklärung nach nur seine Ansprüche aus der Beteiligung an dem DLF 94/17 an die Klägerin ab. Aufgrund des in dieser Erklärung enthaltenen Hinweises auf den vorliegenden Rechtsstreit und des Umstandes, dass die Erklärung erst während des laufenden Verfahrens abgegeben wurde, lässt sie sich dahin auslegen, dass der Zeuge ... auch seine Rechte aus dem Erwerb der Beteiligung gegenüber der Beklagten an seine Frau abtreten wollte. Eine Bestimmbarkeit der abgetretenen Forderung ist damit gegeben.
- 2
Zwischen den Parteien ist ein Anlageberatungsvertrag vermittelt durch den Handelsvertreter ... zustande gekommen. Tritt ein Anlageinteressent an einen Anlageberater oder ein Anlageberater an einen Anlageinteressenten heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgespräches angenommen ( BGHZ 100, 117, 118 ). Ein solcher Vertrag kam hier durch das Gespräch zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann und dem für die Beklagte tätigen Handelsvertreter ... zustande.
Vertragspartner der Klägerin und ihres Ehemannes ist die Beklagte, denn der Handelsvertreter ... trat für diese auf. Der Einwand der Beklagten, der Handelsvertreter sei selbstständig, persönlich und wirtschaftlich unabhängig, überzeugt für die Frage der Passivlegitimation nicht. Die Beklagte muss sich - wie der Bundesgerichtshof entschieden hat ( BGH NJW 1998, 1854, 1856) - das Handeln des Handelsvertreters zurechnen lassen, weil sie das mit der Arbeitsteilung verbundene Personalrisiko zu tragen hat, woran auch nichts ändert, dass sie sich selbstständiger Handelsvertreter bedient. Im übrigen wird zu der Frage der Passivlegitimation auf die ausführlichen Erwägungen des Oberlandesgerichtes Celle in seinem Urteil vom 15. August 2002 (11 U 298/01) verwiesen.
- 3
Der Handelsvertreter ... hat die sich aus dem Beratungsvertrag ergebenen Pflichten verletzt, wofür die Beklagte gem. § 278 BGB einzustehen hat.
Dies Beratung eines Anlageinteressenten durch seinen Berater im Rahmen eines Anlageberatungsvertrages hat sowohl anläge- als auch anlegergerecht zu erfolgen. Diesen Anforderungen ist der Handelsvertreter ... nicht gerecht geworden. Zum einen hat er die Klägerin und ihren Ehemann nicht auf negative Pressestimmen bzgl. dieses Fonds hingewiesen, zum anderen hat er die Klägerin und ihren Ehemann auch nicht in ausreichendem Masse über die Risiken und Besonderheiten des DLF 94/17 aufgeklärt.
- a
Der Handelsvertreter ... hat die Klägerin und ihren Ehemann pflichtwidrig nicht über kritische Pressestimmen zum DLF 94/17 informiert, wozu er jedoch verpflichtet war, unabhängig davon, ob er die einschlägigen Mitteilungen kannte oder nicht. Seit dem 30. September 1994 waren in Brancheninformationsdiensten wie ... verschiedene Berichte erschienen, in denen eine Beteiligung beim DLF 94/17 als "mittelbare unternehmerische Beteiligung an der ..." bewertet und darauf hingewiesen wurde, dass Risiken wie Mietausfall und Leerstand nicht einkalkuliert seien (KMI vom 30.09.1994, 29.12.1994, 08.09.1995, 22.09.1995, 17.11.1995, 22.12.1995, 26.01.1996, 16.02.1996 und 23.02.1996). Diese Artikel sind der Kammer aus den hier anhängigen Parallelverfahren, insbesondere dem Verfahren 13 O 3037/01 bekannt. Ob die Beklagte verpflichtet war, Brancheninformationsdienste wie KMI auszuwerten und ggf. durch ihre Handelsvertreter die Kunden auf negative Berichterstattung hinzuweisen, kann dahingestellt bleiben, denn sie war jedenfalls verpflichtet, die seriöse allgemeine Wirtschaftspresse auszuwerten, zu der die Wirtschaftswoche gehört. In deren Ausgabe vom 23. März 1995 war ebenfalls eine kritische Stellungnahme zum DLF 94/17, die auch deutlich machte, dass das Wohl und Wehe des Fonds von dem Erfolg des Musicals Miss Saigon abhängig war und damit genau das Risiko beschrieben hat, das sich später realisierte und zum Einbruch des Fonds geführt hat.
Die Kammer meint in Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht Celle, dass der Berater seine Kunden jedenfalls auf die in diesem Artikel niedergelegten Warnungen hätte hinweisen müssen, weil die dort beschriebenen Risiken sich später realisiert haben.
- b
Die Verpflichtung zur Unterrichtung über negative Pressestimmen hätte allenfalls dann entfallen können, wenn der Handelsvertreter ... tatsächlich - wie die Beklagte behauptet - die Klägerin und ihren Ehemann umfassend über die Besonderheiten des DLF 94/17 und seine besonderen Risiken informiert hätte. Die Beweislast dafür liegt aufgrund des unterlassenen Hinweises auf die negativen Pressestimmen bei der Beklagten. Diesen Beweis hat die Beklagte nicht zu führen vermocht. Der Zeuge ... hatte in seiner Zeugenvernehmung nämlich an Details des mit der Klägerin und ihrem Ehemann geführten Beratungsgesprächs keine konkrete Erinnerung. Der Zeuge hat zwar bekundet, bei den von ihm geführten Beratungsgesprächen betreffend den DLF 94/17 grundsätzlich über alle Risiken der Anlage aufgeklärt zu haben. Diese allgemeine Aussage vermochte die Kammer jedoch nicht davon zu überzeugen, dass diese Aufklärung auch in dem streitgegenständlichen Beratungsgespräch erfolgt ist. Dabei war insbesondere von Bedeutung, dass der Zeuge nach seinen eigenen Angaben den DLF 94/17 ca. 15 bis 20 mal vermittelt hat. Angesichts dieser Vielzahl der Vermittlungen ist nicht auszuschliessen, dass es in Einzelfällen zu einer umfassenden Risikoaufklärung nicht gekommen ist.
Somit hat der Berater die von der Beklagten behauptete und nach Ansicht der Kammer im Rahmen des Anlageberatungsvertrages erforderliche Beratung über den DLF 94/17 nicht vorgenommen.
- c
Die oben geforderte detaillierte Aufklärung der Klägerin und ihres Ehemannes war nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der Handelsvertreter ... der Klägerin und ihrem Ehemann einen Prospekt hinsichtlich des DLF 94/17 übergeben hatte. Denn mit der Übergabe des Prospektes im vorliegenden Fall ist der Handelsvertreter ... seiner Beratungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Zur Begründung wird auf die bereits zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle verwiesen, die auch für den vorliegenden Fall Geltung hat und in der es wie folgt heißt:
"Der Prospekt über die Fondsanlage ist unübersichtlich und undeutlich. Der Anleger, der sich aus ihm über die Risiken informieren will, findet in der von der Beklagten eingereichten Fassung (Auflage Mai 1996), von der der Senat zu deren Gunsten ausgehen kann, eine Untergliederung "Risiken und Chancen", die sich von Seite 77 bis 84 kleingedruckt, engzeilig und zweispaltig hinzieht. Die hier enthaltenen Risikohinweise kranken daran, dass keine zusammenstellende Aufzählung und Gewichtung der Risiken statt findet.
Die Risiken werden vereinzelt dargestellt. Beispielsweise wird das Risiko der dauerhaften Auslastung der Aufführungen des Musicals Miss Saigon zwar aufgezeigt, aber durch den zugleich nachfolgenden Verweis auf die Erfolge der Aufführungen von "Cats, Starlight Express und Phantom der Oper" unverzüglich wieder abgeschwächt (Prospekt Seite 79) Es fehlt an dieser Stelle die thematisch hierher gehörende Auseinandersetzung mit der Erfolgsprognose für das konkrete Musical und die Parallelproduktion "Die Schöne und das Biest", die im zweiten Bauabschnitt der Musicalarenen aufgeführt werden sollte. Ferner fehlt der deutliche Hinweis im Zusammenhang mit der Darstellung der Auslastungsrisiken, das aufgrund der starken Ausrichtung des Hotelbetriebes, der ... und des Einkaufs- und Erlebniszentrums auf die Musicalgäste in ... bei ansonsten für Publikumszulauf ungünstiger Stadtrandlage ein erhöhtes Risiko bestand. Von diesem Risiko waren nicht nur die Musicalarenen selbst betroffen, sondern etwa 50% des Einlagekapitals insgesamt und von demjenigen Teil des Kapitals, der in Deutschland investiert werden sollte (gut 53% der Fondsinvestitionen laut Prospekt Seite 5) der ganz überwiegende Teil, mit Ausnahme desjenigen vergleichsweise geringen Betrages, der auf die ... entfiel. Damit hingen die Investitionen in Deutschland ganz überwiegend vom Prosperieren der Mieterin der Musical- Paläste, der ... ab, bzw. davon, ob im Falle wirtschaftlicher Schwierigkeiten der ... rasch und leicht ein anderer Betreiber gefunden werden konnte, der das Immobilienkonzept nahezu unverändert zu nutzen bereit war.
Das wirtschaftliche Wohl und Wehe der ... hatte also beträchtlichen unmittelbaren und mittelbaren Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebes von etwa 50% der Fondsimmobilien bzw. des Fondsvermögens. Das wird mit hinreichender Klarheit aber an keiner Stelle des Prospektes mitgeteilt.
Ob in diesem Mangel an gewichteter Information ein Prospektmangel zu sehen wäre, darauf kommt es in diesem Rechtsstreit nicht an. Ein Anlageberater jedenfalls, der eine solche Anlage mit derartigem Prospekt vertreibt, schuldet eine eigene Prüfung, Gewichtung und Benennung der wesentlichen Risiken der Anlage, wenn diese sich im Prospekt an keiner Stelle geballt und zusammengefasst und in leicht nachvollziehbarer Form befinden. Eine derartige pointierte und gewichtete Information gegeben zu haben, deren Übermittlung sich im Streitfall auch schon aufgrund der Länge der Ausführungen des Prospekts, die insgesamt etwa 90 Seiten ausmachen, und damit für nicht professionelle Anleger kaum überschaubar sind, aufgedrängt hätte, nimmt die Beklagte nicht für sich in Anspruch."
...
"Die Beklagte ist bei ihrer durch den Handelsvertreter anhand des Prospektes vorgenommenen Beratung des Klägers ihrer vorstehend unter aa) dargestellten Pflicht auch keinesfalls dadurch ausreichend nachgekommen, dass im Prospekt im Rahmen der Ausführungen zum Investitionsteil Deutschland bei der Darstellung der Risiken und Chancen davon die Rede ist, dass durch zukünftige Entwicklungen insbesondere Mietausfälle auch ein vollständiger Vermögensfall eintreten kann (S. 78 d.v.d. Beklagten eingereichten Prospekts der 8. Aufl.) und der Handelsvertreter auf diese Passage hingewiesen haben mag. Diese Angabe ist nicht hinreichend deutlich. Sie wird nicht in Zusammenhang gestellt mit der Erfolgsprognose von Musicalaufführungen in einem prozentual besonders schwer gewichtigen Investitionsteil, sondern in Zusammenhang mit nicht absehbaren Zukunftsentwicklungen insbesondere durch Verbesserungen der Telekommunikation und des Datenverkehrs und des Individualverkehrs. Der erforderliche Bezug zu dem Problem des Musicalerfolges wird nicht hergestellt. Zudem schließt sich an diese Passage nicht etwa die Risikobewertung der ... Objekte an, sondern es folgen Ausführungen zur ... Damit ist die an dieser Stelle vorgenommene Warnung außer Zusammenhang gesetzt zu dem größten Anlageteil, nämlich dem ... Musicalprojekt nebst Hotel, Badewelt und Nebeneinrichtungen. Nähere Ausführungen hierzu beginnen ohne Bezug zur Passage, die vor dem Totalverlust des Anlagekapitals warnt, erst eine Spalte später.
Auch die näheren Angaben zu dem ... Freizeit- und Erlebniszentrum, S. 79 f. des Prospekts, enthalten genügende Risikohinweise nicht. Hier werden die Risiken nur vereinzelt dargestellt, aber an keiner Stelle zusammengefaßt und gewichtet. Das Risiko der dauerhaften Auslastung der Aufführungen des Musicals "Miss Saigon" wird zwar aufgezeigt, aber durch den zugleich nachfolgenden Verweis auf die Erfolge der Aufführung von "Cats, Starlight Express und Phantom der Oper" sofort wieder abgeschwächt. Eine Auseinandersetzung mit der Erfolgsprognose für das konkrete Musical fehlt.
Es wird sodann zwar darauf hingewiesen, dass im Rahmen der 15-jährigen Mietzeit durch die ... des Musical Miss Saigon wahrscheinlich durch eine Nachfolgeproduktion würde ersetzt werden müssen. Hierfür werden aber keine zeitliche Dimensionen genannt; vielmehr werden statt der notwendigen argumentativen Unterfütterung des Risikohinweises etwa aufkommende Bedenken dadurch sogleich zerstreut, dass auf die Nutzbarkeit der Baulichkeiten auch für die Nachfolgeproduktionen und darauf hingewiesen wird, dass das Management der ... nur solche Musicals in Angriff nehme, die in den USA und Großbritanien mit großem Erfolg liefen."
Der Bewertung des Prospektes steht nicht entgegen, dass der Prospekt von der ... geprüft worden ist und diese auch die Angriffe des Oberlandesgerichtes Celle für unberechtigt hält. Denn zum einen geht es in dem hiesigen Rechtsstreit nicht um Prospekthaftungsansprüche sondern um Ansprüche gegen ein Beratungsunternehmen, das gerade von Kunden in Anspruch genommen wird, um eine individuellere verständlichere und objektivere Beratung zu erhalten als sie durch einen vom Fondsinitiator aufgelegten Prospekt erfolgen kann. Zum anderen ist es nachvollziehbar, dass die ... versucht, die letztlich gegen sie selbst gerichteten Angriffe in den Urteilen des Oberlandesgerichts Celle abzuwehren.
- d
Eine Pflichtverletzung des Handelsvertreters ... bzw. der Beklagten entfällt auch nicht etwa deshalb, weil die Beklagte - wie sie vorträgt - eine Plausibilitätsprüfung des Fonds vorgenommen und diese ex-ante betrachtet keine besonderen Risiken beinhaltet habe. Zwar hat das Oberlandesgericht Frankfurt durch Urteil vom 30.08.2000 ( NJW RR 2001, 479) entschieden, dass eine Pflichtverletzung des Anlageberaters bzw. Vermittlers zu verneinen sei, wenn er der ihm obliegenden Plausibilitätsprüfung hinsichtlich der vorhandenen Firmenprospekte, Geschäftsberichte, Bilanzen und sonstigen Unterlagen über das empfohlene Unternehmen sorgfältig nachgekommen sei. Diese Entscheidung ist aber auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da hier der Beklagten nicht vorgeworfen wird, keine sorgfältige Plausibilitätsprüfung vorgenommen zu haben, sondern den Anleger durch ihren Handelsvertreter nicht in ausreichendem Maße über die besonderen Risiken der Beteiligung informiert zu haben.
- 4
Die Beklagte hat der Klägerin das negative Interesse zu ersetzen, das heisst sie so zu stellen, als wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Da die Klägerin und ihr Ehemann nach dem Grundsatz des aufklärungsrichtigen Verhaltens die Geschäftsanteile nicht erworben hätten, hat die Klägerin Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus der Beteiligung.
Dieser Schadensersatzanspruch der Klägerin ist auch nicht aufgrund eines etwaigen Mitverschuldens der Klägerin und ihres Ehemannes zu kürzen. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, nicht auf das Ankaufsangebot der ... vom 15.09.1998 eingegangen zu sein. Angesichts des bei der Akte befindlichen Schriftverkehrs kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin und ihr Ehemann sich im August 1998 von der Beteiligung lösen wollten. Das Schreiben der Klägerin und ihres Ehemannes vom 03.08.1998 enthält lediglich eine Anfrage über die Höhe der Rückzahlungssumme im Jahr 1999, aber nicht die von der Beklagten behauptete Kündigung. Damit bestand für die Klägerin und ihren Ehemann auch keine Veranlassung, auf das Angebot vom 15.09.1998 einzugehen, da diese nicht 100% des eingezahlten Kapitals beinhaltet.
Zum erstattungsfähigen Schaden gehören der in die Beteiligung investierte Betrag von 20 000,00 DM und die Abwicklungsgebühr in Höhe von 1 000,- DM. Ausschüttungen muss die Klägerin sich nicht anrechnen lassen, da sie diese mit dem ihr zustehenden Anlageverlustschaden verrechnet hat. Der Klägerin steht für den Zeitraum vom 21.6.1996 bis 20.06.2002 auf der Grundlage einer 4%-igen Verzinsung ein Anlageverlustschaden in Höhe von 2 848,76 EUR zu. Einen höheren Anlageverlustschaden kann die Klägerin nicht erstattet verlangen, da sie nicht substanziiert dargelegt hat, dass sie und ihr Ehemann tatsächlich das Geld zu einem höheren Zins als 4% angelegt hätten. Demgegenüber muss sich die Klägerin unter Zugrundelegung der von der Beklagten eingereichten Übersicht Ausschüttungen über 2 643,45 EUR anrechnen lassen.
Steuerliche Vorteile muss sich die Klägerin nach Auffassung der Kammer nicht anrechnen lassen. Die Kammer hält insoweit an ihrer bisherigen Auffassung fest, dass steuerliche Vorteile aufgrund der innegehabten Gesellschafterstellung steuerlichen Nachteilen, die durch das Ausscheiden aus der Gesellschaft anfallen, gleichwertig gegenüberstehen und deshalb im Wege der Vorteilsausgleichung im Zivilprozess bei Berechnung des Schadensersatzanspruches nach § 249 BGB jedenfalls in der Regel vernachlässigt werden können. Entgegen der Entscheidung des BGH ( NJW 2002, 1711 [BGH 14.01.2002 - II ZR 40/00]) dürfte es sich zwar bei den Einkünften der Klägerin und ihres Ehemannes aus der Beteiligung nicht um Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb sondern um solche aus Vermietung und Verpachtung handeln, so dass die Schadensersatzleistung für die Klägerin voraussichtlich nicht zu versteuern ist. Es besteht aber die Möglichkeit, dass die Steuervorteile, die die Klägerin und ihr Ehemann aufgrund der Verlustzuweisungen erzielt haben, nachträglich wieder aberkannt werden, was grundsätzlich bei der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung möglich ist. Dass diese Möglichkeit nicht fernliegend ist und auch von der ... gesehen wird, ergibt sich aus deren Schreiben vom 15.09.1998, das der Kammer aus zahlreichen Parallelverfahren bekannt ist und in dem die Vermittlung von Kaufinteressenten für Anteile am DLF 94/17 für die Ankaufstermine 31.03.2000 und 31.03.2001 angeboten wird mit folgendem Hinweis:
"Gleichfalls möchten wir an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass im Falle der vorzeitigen Veräußerung Ihres Geschäftsanteiles die Gefahr besteht, dass die Anerkennung von Werbungskosten (negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) in der Investitionsphase und Bewirtschaftungsphase bis heute seitens der Finanzverwaltung wegen fehlender Einkunftserzielungsabsicht versagt wird. Die Veräußerung könnte als Indiz dafür gewertet werden, dass die Absicht, ein nachhaltig positives Gesamtergebnis (Totalüberschuss) während der Dauer der Vermögensnutzung zu erzielen, nicht bestand und somit steuerlich unbeachtliche "Liebhaberei" vorliegt. Falls dieser Aspekt für ihre Veräußerung wesentlich ist, empfehlen wir ihnen die Consultation ihres steuerlichen Beraters."
Da die Beklagte für das Vorliegen und Verbleiben ungerechtfertigter Steuervorteile bei der Klägerin darlegungs- und beweispflichtig ist, geht das Risiko, dass die Steuervorteile der Klägerin nicht dauerhaft bei dieser verbleiben, zu Lasten der Beklagten.
II.
Die Nebenforderung der Klägerin ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 709 ZPO.