Landgericht Hannover
Urt. v. 07.07.2003, Az.: 20 S 21/03

Schadensersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit; Pflicht zur Annahme eines Ersatzangebots bei Vereitelung der geplanten Reise; Kündigungsrecht bei schuldhaft herbeigeführter Überbuchung des Veranstalters; Abweichung zwischen gebuchter und alternativ angebotener Reise

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
07.07.2003
Aktenzeichen
20 S 21/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 32608
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2003:0707.20S21.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 29.01.2003 - AZ: 542 C 15431/02

Die 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover hat
auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... und
die Richterinnen am Landgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 29.01.2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 2.100,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2002 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

1

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

2

Das zulässige Rechtsmittel der Kläger hat in vollem Umfange Erfolg, das Urteil des Amtsgerichts beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513, 546 ZPO).

3

Der von den Klägern geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit ist nicht davon abhängig, dass den Reisenden ein Kündigungsgrund i.S.d. § 651 e Abs. 1 BGB zur Seite gestanden hat, weil das Ersatzangebot mit erheblichen Mängel beeinträchtigt gewesen wäre. Wollte man den Ansatz des Amtsgerichtes konsequent weiter denken, hätten die Reisenden, obwohl die gebuchte Reise wegen Verschuldens des Reiseveranstalters nicht durchgeführt werden kann, nicht nur keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit, sondern auch den - geminderten - Reisepreis zahlen müssen, da die vom Amtsgericht festgestellten Mängel die Grenze der Erheblichkeit nicht überschritten. Dies hat allerdings auch die Beklagte nicht von den Klägern erwartet und anstandslos den Reisepreis zurückerstattet.

4

Die Ansicht des Amtsgerichts, die Reisenden könnten bei Überbuchung ein Ersatzangebot nur dann zurückweisen, wenn dieses Mängel über der Erheblichkeitsgrenze des § 651 e BGB aufweist, ist auch nicht mit der Vorschrift des § 651 a Abs. 4 BGB zu vereinbaren. Dort ist normiert, dass bei einer zulässigen, also vertraglich vorgesehenen Absage der Reise durch den Veranstalter der Reisende sein Geld zurückerhält, wahlweise aber das Recht hat, von dem Veranstalter eine Ersatzreise zu verlangen. Mit dieser Vorschrift wäre es nicht zu vereinbaren, bei nicht vereinbarter schuldhafter Absage der Reise durch den Veranstalter dem Reisenden dieses Wahlrecht zu versagen und ihn letztlich zu verpflichten, auf das Alternativangebot einzugehen, das bis zur 50 % Minderungsgrenze auch noch mangelbehaftet sein könnte. Mit einer solchen Rechtsprechung würde einer konsequenten Überbuchung der Urlaubsquartiere durch die Veranstalter oder deren Leistungsträger Vorschub geleistet. Überbuchungen sind für diese wirtschaftlich interessant, da sie eine vollständige Auslastung der gebuchten Hotels und eine Verteilung der Reisenden auf nicht ausgelastete Hotels ermöglichen. Schadensersatzansprüche der Reisenden müßten die Reiseveranstalter demnach nur noch in Extremfällen befürchten.

5

Der Schadensersatzanspruch der Kläger wegen vertaner Urlaubszeit ergibt sich vielmehr aus § 651 f Abs. 2 1. Alternative BGB. Die Beklagte hat die Reise vereitelt, nämlich schuldhaft durch Überbuchung verhindert, dass die von den Klägern gebuchte Reise stattfinden konnte. Die Vorschrift macht den Entschädigungsanspruch der Kläger nicht davon abhängig, dass ihnen ein Kündigungsgrund gemäß § 651 e BGB zur Seite steht (OLG Celle Urteil vom 19.9.2002, Aktenzeichen: 11 U 1/2, Vorinstanz Landgericht Hannover Aktenzeichen: 20 O 1328/01; OLG Düsseldorf NJW-RR 1989.1078).

6

Die Frage, ob die Reisenden verpflichtet sind, ein ihnen zugleich mit der Absage durch den Reiseveranstalter gemachtes Alternativangebot anzunehmen, ist vielmehr im Rahmen des § 254 BGB (OLG Celle a.a.O.) oder unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (OLG Düsseldorf a.a.O.) zu prüfen. Unter beiden Gesichtspunkten ist den Klägern im vorliegenden Fall ein Entschädigungsanspruch nicht zu versagen: Das Oberlandesgericht Celle sieht es als ausreichend an, dass der Reisende einen Urlaub auf der ihm alternativ angebotenen Insel - auch die dortige Entscheidung betraf die Malediven - nicht wünschte, auch wenn diese Entscheidung des Reisenden nur auf einer gefühlsmäßigen Grundlage basierte. Selbst wenn man schärfere Maßstäbe - gleich ob im Rahmen des § 254 BGB oder des § 242 BGB - anlegen wollte, waren die Kläger nicht verpflichtet, das Alternativangebot der Beklagten anzunehmen. Die Kläger haben ihre Ablehnung des Alternativangebotes sachlich begründet. Das Amtsgericht hat in insoweit nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass das Alternativangebot der vertraglich vereinbarten Reise insofern nicht gleichwertig war, als es eine Reisepreisminderung von 30 % rechtfertigen würde. Bei einer solch deutlichen Abweichung zwischen gebuchter und alternativ angebotener Reise waren die Kläger nicht verpflichtet, auf das Ersatzangebot einzugehen. Der strenge Maßstab des § 651 e BGB, der eine Kündigung einer gebuchten Reise nur bei einer erheblichen Beeinträchtigung erlaubt, die erst bei Mängeln vorliegt, die eine Minderung von mehr als 50 % gebieten, ist im Rahmen der vorgenannten Vorschriften des § 254 bzw. 242 BGB jedenfalls nicht anzulegen. Dieses vertrüge sich nicht mit den eingangs dieses Urteils gemachten Erwägungen.

7

Abgrenzungsprobleme, die sich ergeben könnten, wenn Reisende erst am Urlaubsort feststellen, dass die gebuchte Unterkunft überbucht ist, sind im Rahmen dieser Entscheidung nicht zu klären. Verwiesen sei aber auf die oben genannte Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, das einen solchen Fall bei sofortiger Rückreise der Reisenden der Vereitelung i.S.d. § 651 f BGB gleichstellt.

8

Die Höhe der von den Klägern begehrten Entschädigung ist nicht zu beanstanden, sie steht in angemessenem Verhältnis zu dem gehobenen Reisepreis, den die Kläger bereit waren für den Urlaub auszugeben. Der Anspruch ist auch nicht im Hinblick auf den zu Hause verbrachten Urlaub zu kürzen, da ein Urlaub in Berlin im April einem geplanten Urlaub auf den Malediven nicht nahe kommt. Soweit die Beklagte bestreitet, dass die Kläger ihren Urlaub in Berlin verbracht haben, obliegt ihr der Nachweis, dass die Kläger eine andere Urlaubsreise durchgeführt haben (OLG Frankfurt RRa 95, 224).

9

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache im Hinblick auf die vielfach vorkommenden Absagen von Reisen wegen Überbuchung zur Fortbildung des Rechtes zuzulassen.

10

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.