Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 23.09.2021, Az.: 4 A 23/19
Rauchlos; Tabakerzeugnisse; Verbrennungsprozess
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 23.09.2021
- Aktenzeichen
- 4 A 23/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 70973
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 12 Abs 1 TabakerzG
- § 9 Abs 5 TabakerzV
- Art 2 Nr 14 EURL 40/2014
- Art 2 Nr 5 EURL 40/2014
- Art 2 Nr 9 EURL 40/2014
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Bei der Klassifizierung eines „neuartigen Tabakerzeugnisses“ als „Rauchtabakerzeugnis“ im Rahmen der Zulassung nach § 12 Abs. 1 TabakerzG kommt es einzig darauf an, ob dieses mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert wird. Ob bei dem Konsum des Tabakerzeugnisses „Rauch“ entsteht, ist hierfür irrelevant.
2. Der Begriff „Verbrennungsprozess“ ist im Sinne der RL 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 3. 4. 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG dahingehend auszulegen, dass dieser den Vorgang der Reaktion eines Brennstoffes mit Sauerstoff umfasst, der exotherm, also Energie freisetzend und solange Brennstoff und Sauerstoff vorhanden sind, selbsterhaltend abläuft. Hierfür bedarf es einer ausreichend hohen Entzündungstemperatur in der Umgebung des Brennstoffes.
3. Wird der Tabak bei dem Konsumvorgang kontrolliert erhitzt, ohne dass es zu einer Entzündung des Tabaks kommen kann, liegt noch kein „Verbrennungsprozess“ im Sinne der RL 2014/40/EU vor. Ein derartig konsumiertes Tabakprodukt ist dann als „rauchloses Tabakerzeugnis“ einzustufen.
Tenor:
Die Ziffer 2 des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2018 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass das in Ziffer 1 des Bescheids vom 10. Dezember 2018 genannte Tabakprodukt ein „rauchloses Tabakerzeugnis“ ist.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass es sich bei einem von ihr entwickelten Tabakprodukt um ein im rechtlichen Sinne „rauchloses Tabakerzeugnis“ handelt.
Sie ist ein Tochterunternehmen des Konzerns „G.“, hat ihren Sitz in A-Stadt bei H. und Produktionsstandorte in I. und J..
Seit März 2016 vertreibt die Klägerin das hier streitgegenständliche Tabakprodukt unter dem Markennamen „K.“ (zuvor: „L.“) auf dem deutschen Markt. Bei „K.“ handelt es sich um Tabaksticks, die zum Gebrauch in ein elektrisch betriebenes Heizgerät (Markenname „M.“) eingesteckt und über ein einzelnes Heizblatt kontrolliert auf ca. 310 °C erhitzt werden. Bei diesem Erhitzungsprozess entsteht ein nikotinhaltiges Aerosol, welches vom Konsument durch einen Zug am Mundstück inhaliert wird. Da der in den „K.“ enthaltene Tabakstrang mit einem colaminierten Papier mit Aluminiumbeschichtung umhüllt ist, kann dieser nicht mit einem Feuerzeug angezündet und abgeraucht werden. Im Hinblick auf den konstruktiven Aufbau des Produkts sowie die Nutzung beider Komponenten („K.“ und „M.“) als System wird Bezug genommen auf Bl. 2, 3, 49 und 69 d. VV sowie auf Bl. 92 f. d. Gerichtsakte Bd. 1.
Nach dem Inkrafttreten des Tabakerzeugnisgesetzes (TabakerzG) beantragte die Klägerin für dieses Tabakprodukt mit Schreiben vom 8. Juni 2016 bei der Beklagten die Zulassung als „neuartiges Tabakerzeugnis“ und seine Klassifizierung als „rauchloses Tabakerzeugnis“. Letzteres begründete sie im Wesentlichen damit, dass für diese Einstufung allein entscheidend sei, dass beim Konsum kein „Verbrennungsprozess“ stattfinde. Der Konsumvorgang an sich sei für die Klassifizierung unbeachtlich. Bei einem „Verbrennungsprozess“ würden bei hohen Temperaturen unter Sauerstoffeinwirkung Ausgangsstoffe in Verbrennungsprodukte umgesetzt. Hieran fehle es bei der Erhitzung von „K.“, da der Tabak ohne Licht- und Flammenbildung sowie ohne selbsterhaltenden Prozess bis unterhalb der Verbrennungstemperatur erwärmt werde und es auch nicht zu einer zumindest temporären Entzündung des Tabaks komme. Es entstehe dabei ein Aerosol mit Partikeln in Tröpfchenform, also „Dampf“, und kein „Rauch“ mit entsprechenden Feststoffpartikeln.
Da es keine allgemeingültige, werkstoffunabhängige Definition des Begriffs „Verbrennungsprozess“ oder „Verbrennung“ in Abgrenzung zu „reiner Erwärmung“ gebe, müsse im Einzelfall für den betreffenden Werkstoff ermittelt werden, unter welchen Bedingungen von einer „Verbrennung“ gesprochen werden könne. Auf Grundlage der geltenden technischen Rechtsvorschriften für den baulichen Brandschutz sowie dem chemischen Begriffsverständnis beginne eine „Verbrennung“ in den meisten Fällen bei Temperaturen oberhalb des „Glimmens“ mit dem „Entflammen“ der flüchtigen, brennbaren Produkte, die aus dem „Verschwelungsprozess“ hervorgehen würden. Abgrenzungskriterien einer „Verbrennung“ gegenüber anderen Formen endo- oder exothermer Zersetzung von Materialien seien also eine Temperatur oberhalb der Glimmtemperatur und eine zumindest temporäre Entflammung. Die Entstehung von „Rauch“ sei keine zwingende Voraussetzung für einen „Verbrennungsprozess“. Hierzu verwies die Klägerin auf den mitübersandten „Abschlussbericht B16082. Bewertung eines neuen Tabakprodukts hinsichtlich Verbrennung und Rauchbildung“ der Technischen Universität München, Holzforschung München, aus Mai 2016. In dem Bericht werde zusammenfassend festgestellt, dass bei der ermittelten Temperatur von maximal ca. 310 °C am Tabak keine „Verbrennung“ vorliege, da keine Entflammung, kein selbsterhaltender Prozess und keine Ascherückstände festgestellt worden seien. Es liege eine thermische Zersetzung in der Art vor, dass eine Versprödung und eine kohleähnliche Struktur entstünden. Somit handele es sich bei dem Prozess um eine „Erwärmung des Tabaks bis unterhalb eines Verbrennungsprozesses“.
Nach vorheriger Anhörung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. März 2018 den Antrag ab und begründete dies damit, dass es sich bei dem Produkt nicht um ein „neuartiges Tabakerzeugnis“ handele, weil dieses bereits vor dem 19. Mai 2014 im Rahmen einer Test-Markteinführung in Verkehr gebracht worden sei.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 19. April 2018 fristgemäß Widerspruch ein und trug zur Begründung im Wesentlichen vor, dass es sich bei den im Jahr 2010 in Verkehr gebrachten „N.“ um ein im Vergleich zu den „K.“ anderes Tabakerzeugnis handele und es somit an der Produktidentität fehle.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nahm zu einer entsprechenden Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 30. Juli 2018 Stellung und kam zu dem Ergebnis, dass die Emissionen von „M.“ nach chemisch-toxikologischen Kriterien als „Rauch“ einzustufen und daher das Produkt als ein „neuartiges Rauchtabakerzeugnis“ zu betrachten sei, welches eine technische Innovation zur Raucherzeugung nutze. Insoweit stützte sich das BfR auf eine Studie aus dem Jahr 2018, worin festgestellt worden sei, dass die in dem Aerosol des antragsgegenständlichen Tabakerzeugnisses enthaltenen Teilchen aus verdampfbaren und nicht-verdampfbaren, d. h. festen Materialien bestünden. Diese könnten daher nach Inhalation in der Lunge abgelagert werden. Bei der Erörterung der Frage, ob „Verbrennungsprozesse“ an der Rauchentstehung beteiligt seien, führte das BfR aus, dass unter einer „Verbrennung“ die Reaktion eines Stoffes mit Sauerstoff verstanden werde, die – im engeren Sinne – mit hoher Reaktionsgeschwindigkeit bei hoher Temperatur und unter Emission von Licht und – im erweiterten Sinne – als Oxidationsprozess ohne Flammenbildung (stille Verbrennung) verlaufe. In ihrem Design seien Tabakerhitzer auf die Vermeidung von Verbrennungen ausgerichtet. Der Rauch werde im Wesentlichen durch Verdampfung flüchtiger Substanzen (einschließlich der Feuchthaltemittel) sowie durch Pyrolyseprozesse (thermische Zersetzung chemischer Verbindungen) und Dampfdestillation gebildet. Die Pyrolyse erfordere im Gegensatz zur exothermen Verbrennung Energie, welche hier durch das Heizsystem bereitgestellt werde. Einige im Rauch von „M.“ nachgewiesenen Substanzen wie z.B. Acetaldehyd und Formaldehyd seien typische Pyrolyseprodukte, andere Stoffe wie Kohlenmonoxid könnten sowohl durch Pyrolyse als auch durch unvollständige Oxidation entstehen. Auch Pyrolyseprodukte könnten nachfolgend oxidiert werden, sofern die Erhitzung nicht unter Sauerstoffausschluss stattfinde. Die Reaktion mit Luftsauer-stoff könne im weiteren Sinne als „partielle Verbrennung“ betrachtet werden. Allerdings ermögliche die freigesetzte Energie keine sich selbst erhaltende Verbrennung des Tabakstrangs. Eine genaue Charakterisierung der abgelaufenen Reaktion bleibe schwierig. Jedoch sei eine Beteiligung oxidativer Prozesse an der Rauchbildung von „M.“ grundsätzlich anzunehmen. Es wäre aus Sicht der Risikobewertung „sachlich falsch, Tabakerzeugnisse, die Rauch erzeugen, als rauchlose Tabakerzeugnisse einzustufen.“
Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 8. August 2018 nach § 71 VwGO erneut an, da sie beabsichtigte, die Zulassung als „neuartiges Tabakerzeugnis“ mit der Einstufung als „Rauchtabakerzeugnis“ zu erteilen. Letzteres begründete sie im Wesentlichen wie folgt: Weder in der Richtlinie 2014/40/EU (TPD) noch in der deutschen Tabakgesetzgebung könne man Ausführungen zum Begriff „Verbrennungsprozess“ bzw. eine Definition von „Rauch“ vorfinden. Daher werde für die Auslegung dieser Begrifflichkeiten der in Art. 2 Nr. 5 TPD enthaltene Vergleich mit den dort genannten „rauchlosen“ Produkten herangezogen. Bei diesen Erzeugnissen werde der Tabak offensichtlich weder erhitzt noch durch die Benutzung sonstiger Hilfsmittel oder technischer Geräte konsumiert, sondern direkt in Kontakt mit Mund- bzw. Nasenschleimhäuten gebracht. Gestützt werde diese Auslegung durch die Definition von „Wasserpfeifentabak“ in Art. 2 Nr. 13 TPD. Darin werde die bestimmungsgemäße Verwendung „mithilfe einer Wasserpfeife“ genannt. Das dabei entstehende Aerosol werde inhaliert. Obwohl der Tabak in einer Wasserpfeife bestimmungsgemäß nicht „verbrannt“, sondern nur „erhitzt“ werde, gelte Wasserpfeifentabak für die Zwecke dieser Richtlinie als „Rauchtabakerzeugnis“. Die bestimmungsgemäße Verwendung des antragsgegenständlichen Produkts sei dazu vergleichbar. Dieses werde mithilfe eines elektronischen Heizgerätes auf ca. 300 °C erhitzt und das dabei entstehende Aerosol werde anschließend inhaliert. Bei dem Aerosol der „K.“ handele es sich zudem um „Rauch“. In den von der Klägerin vorgelegten Emissionsunterlagen, in denen der Vergleich zur Zigarette gezogen werde, seien alle 60 der für Tabak- bzw. Zigarettenrauch typischen Stoffe nachgewiesen worden.
Hierzu nahm die Klägerin mit Schreiben vom 7. September 2018 Stellung und machte im Wesentlichen geltend, dass die in Art. 2 Nr. 5 TPD genannten Regelbeispiele keine tatbestandsbegrenzende Wirkung hätten und dass die von dem Gesetzgeber geschaffene Gruppe der „neuartigen“, „rauchlosen Tabakerzeugnisse“ keinen praktischen Anwendungsbereich hätte, sofern alle erhitzten Erzeugnisse mit inhalativer Aufnahme hiervon ausgeschlossen wären. Auch die Definition des Wasserpfeifentabaks in Art. 2 Nr. 13 belege gerade kein enges Verständnis des Gesetzgebers in Bezug auf das Merkmal „mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert“. Gerade weil Tabak in einer Wasserpfeife bestimmungsgemäß nicht verbrannt, sondern nur erhitzt werde, sei eine gesetzliche Fiktion erforderlich gewesen, damit Wasserpfeifentabak regulatorisch dem Regime der Rauchtabakerzeugnisse im Sinne der TPD unterworfen werden könne. Aus Sicht des historischen Gesetzgebers habe Wasserpfeifentabak offenbar nicht hinreichend schlüssig und zweifelsfrei produktrechtlich als „Rauchtabakerzeugnis“ eingeordnet werden können. Da die Beklagte das Merkmal „mittels eines Verbrennungsprozesses“ nicht definiere, stelle sie allein darauf ab, ob als Verbrennungsprodukt „Rauch“ entstehe. Allerdings würden Forschungsergebnisse ergeben, dass die scheinbar in der vom BfR und der Beklagten herangezogenen Studie nachgewiesenen Feststoffpartikel nicht als Verbrennungsprodukte, sondern als flüssige Partikel mit einem Siedepunkt oberhalb von 300 °C zu qualifizieren seien. Die Klägerin legte hierzu eine durch das neuseeländische Gesundheitsministerium in Auftrag gegebene Studie des Forschungsinstituts „CRL Energy Ltd“ vor (Bl. 359 ff. d. VV, Anlage 8). Diese komme zu dem Ergebnis, dass beim Konsum von „K.“ unter Verwendung des „M.“-Geräts keine „Verbrennungsprozesse“ stattfände.
Unter Vorlage des Schreibens der Klägerin vom 7. September 2018 und der experimentellen Studie bat die Beklagte das BfR um eine Einschätzung hierzu. Dem kam das BfR mit Schreiben vom 5. November 2018 nach und führte aus, an der bereits geäußerten Auffassung weiterhin festzuhalten. Trotz deutlich reduzierter Schadstofffreisetzung könnten verminderte gesundheitliche Risiken noch nicht bestätigt und zuverlässig bewertet werden. Aus toxikologischer Sicht wäre daher die Abgrenzung der „Tabakerhitzer“ von konventionellen „Rauchtabakerzeugnissen“ durch abgeschwächte Warnhinweise noch nicht ausreichend begründet und gegebenenfalls verfrüht, zumal die Risiken von Tabakerhitzern üblicherweise mit „Rauchtabakerzeugnissen“ und nicht mit Schnupf- oder Kautabaken vergleichbar seien. Das gasförmige, sichtbare Aerosol der „K.“ sei bislang unzureichend charakterisiert worden und unterscheide sich nach aktueller Studienlage vom Zigarettenrauch. Eine Einordnung der Emissionen als „Dämpfe“ oder „Rauch“ sei schwierig. Aus verfahrenstechnischer Sicht bestehe die größte Ähnlichkeit zum Wasserpfeifentabak, welcher ebenfalls durch Erhitzung konsumiert werde und als „Rauchtabakerzeugnis“ eingestuft worden sei. Das BfR führte weiter aus, dass sich die Definition von „Rauchtabakerzeugnissen“ in der TPD aus den Leitlinien zum Artikel 8 des WHO Tabakrahmenabkommens aus dem Jahre 2007 ableite. Darin sei ein Zusammenhang zwischen „Rauch“ und „Verbrennungsprozessen“ hergestellt worden. Allerdings bestehe dieser Zusammenhang aus wissenschaftlich-toxikologischer Sicht nicht zwingend, da „Rauch“ auch durch chemische Prozesse oder durch Pyrolyse entstehen könne. Aufgrund der „Raucheigenschaften“ betrachtet das BfR Tabakerhitzer vorläufig weiterhin als „neuartige Rauchtabakerzeugnisse“. Auch wenn bei Tabakerhitzern eine sich selbst erhaltende exotherme Verbrennung im Gegensatz zu konventionellen Rauchtabakerzeugnissen nicht stattfinde, könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine oxidative Umsetzung einzelner Substanzen erfolge. Die Emissionen von Tabakerhitzern würden Stoffe enthalten, die auch im Tabakrauch feststellbar seien, jedoch normalerweise nicht in den Dämpfen von E-Zigaretten auftreten würden. Der von der Klägerin eingereichte CRL Energy Limited Report No: O. bestätige, dass der Tabak einem irreversiblen thermochemischen Zersetzungsprozess unterliege, d.h. sich chemisch verändere, wobei er sich aber weder entzünde noch verbrenne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2018 gab die Beklagte dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. März 2018 und dem Antrag der Klägerin vom 8. Juni 2016 auf Zulassung des Produktes „L.“ als neuartiges Tabakerzeugnis vorbehaltlich der Erfüllung der geltenden rechtlichen Anforderungen statt (Ziff. 1.) und stellte zugleich gemäß § 9 Abs. 5 TabakerzV fest, dass das neuartige Tabakerzeugnis ein „Rauchtabakerzeugnis“ sei (Ziff. 2.). Letzteres begründete sie wie folgt: Für die erforderliche Einstufung des neuartigen Tabakerzeugnisses als „Rauchtabakerzeugnis“ komme es maßgeblich auf den unbestimmten Rechtsbegriff „Verbrennungsprozess“ an, welcher einer Auslegung bzw. rechtlichen Gewichtung bedürfe. Hierbei seien die vom Gesetzgeber aufgeführten Beispiele für „rauchlose Tabakerzeugnisse“ ebenso wie die definierten „Rauchtabakerzeugnisse“ zu berücksichtigen. Die in Art. 2 Nr. 5 TPD nicht abschließend genannten Kategorien von „rauchlosen Tabakerzeugnissen“, bei denen es sich nicht um Regelbeispiele handele, würden für die Anwendung der Norm eine bestimmte Richtung vorgeben, nämlich, dass weitere „neuartige rauchlose Tabakerzeugnisse“ damit vergleichbar sein müssten. Die Definitionen der konventionellen „Rauchtabakerzeugnisse“ in der TPD würden alle den Wortlaut „mittels eines Verbrennungsprozes konsumiert“ enthalten. Der gleiche Wortlaut werde als Ausschlusskriterium für ein „rauchloses Tabakerzeugnis“ formuliert. Eine Ausnahme hierzu bilde der „Wasserpfeifentabak“. Dieser werde bestimmungsgemäß nicht „verbrannt“, sondern „erhitzt“. Dennoch werde Wasserpfeifentabak der Kategorie „Rauchtabakerzeugnis“ zugeordnet. Aus dem Erwägungsgrund 26 werde deutlich, dass diese Zuordnung als selbstverständlich betrachtet worden sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin handele es sich bei der Regelung in Art. 2 Nr. 13 TPD nicht um eine gesetzliche Fiktion. Diese sei nämlich nicht erforderlich gewesen, denn die Einstufung von „Wasserpfeifentabak“ als „Rauchtabakerzeugnis“ entspreche den Tatsachen und sei hier lediglich klarstellend formuliert worden. Schon zum Zeitpunkt der Geltung des Vorläufigen Tabakerzeugnisgesetzes habe Wasserpfeifentabak nach allgemeinem Verständnis zu den „Rauchtabakerzeugnissen“ gehört, obwohl beim bestimmungsgemäßen Konsum kein „Verbrennungsprozess“ stattfinde. Es sei dabei nämlich entscheidend darauf abzustellen, dass anhand der Charakterisierung des entstehenden Aerosols dieses als „Rauch“ anzusehen sei. Gestützt werde diese Auslegung durch die Definition „smoke free air“ aus den Leitlinien zu Artikel 8 des WHO-Rahmenabkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs, dessen Bestimmungen im Rahmen der TPD in gesetzliche Maßnahmen umgesetzt worden seien. Dort heiße es, dass Luft nur dann als „rauchfrei“ anzusehen sei, wenn Tabakrauch nicht sichtbar bzw. olfaktorisch oder auf andere Art wahrnehmbar bzw. messbar sei. Unter Berücksichtigung dieser Definition werde ersichtlich, dass bei dem Konsum von Wasserpfeifentabak die Luft nicht als rauchfrei angesehen werden könne, dies allerdings beim Konsum von Kautabak, Schnupftabak und Tabak zum oralen Gebrauch dagegen der Fall sei. Auch bei dem inhalierbaren Aerosol des hier streitgegenständlichen Produkts handele es sich aufgrund der darin enthaltenen Feststoffpartikel um „Rauch“. Dieses habe qualitativ eine mit Zigaretten vergleichbare Zusammensetzung und sei aufgrund seiner Partikelkonzentration in der Luft sichtbar.
Zur Einschätzung inwieweit die Rauchentwicklung auf einen „Verbrennungsprozess“ zurückzuführen sei, liege keine eindeutige Datenlage vor. Jedenfalls könne laut dem vorgelegten CRL Energy Limited Report No: O. das Vorliegen eines „Verbrennungsprozesses“ auch nicht ausgeschlossen werden. Insoweit müsse das in dem Erwägungsgrund 9 der TPD enthaltene Prinzip beachtet werden, dass die strengeren Anforderungen gelten sollten, soweit ein Produkt mehr als einer Kategorie unterfalle, für welche es unterschiedliche Anforderungen gebe.
Die Klägerin hat am 11. Januar 2019 fristgemäß Klage erhoben, welche sie wie folgt begründet: Bei der Nutzung von „K.“ finde kein „Verbrennungsprozess“ i. S. d. Art. 2 Nr. 5 TPD statt. Es handele sich bei diesem um das zentrale und einzige Kriterium zur Unterscheidung zwischen einem „rauchlosen“ und einem „Rauchtabakerzeugnis“. Dieses Tatbestandsmerkmal sei kein deutungsoffener, unbestimmter Rechtsbegriff und eröffne keine Bewertungsspielräume, sondern sei in einem naturwissenschaftlich-technischen Sinne zu verstehen.
Soweit die Beklagte die Auffassung vertrete, dass eine „Vergleichbarkeit“ mit der nicht abschließend genannten Auflistung „rauchloser Tabakerzeugnisse“ in Art. 2 Nr. 5 TPD über das Fehlen eines „Verbrennungsprozesses“ hinausgehen müsse, sei dieses Vorgehen rechtsmethodisch unzulässig. Der Gesetzgeber habe das übergeordnete Vergleichsmerkmal („nicht mittels eines Verbrennungsprozesses“) nämlich selbst ausdrücklich benannt. Die Verfasser der TPD seien davon ausgegangen, dass das Produktspektrum der „rauchlosen Tabakerzeugnisse“ über die beispielhaft genannten Produkte hinaus erweitert werden würde. Es gebe keinerlei Grundlage für die Annahme der Beklagten, dass „neuartige“ nicht brennbare Tabakerzeugnisse einem ungeschriebenen – über das Fehlen eines Verbrennungsprozesses hinausgehenden – Merkmal der Vergleichbarkeit mit den Regelbeispielen entsprechen müssten, um als „rauchloses Tabakerzeugnis“ eingestuft zu werden. Das Abgrenzungskriterium der inhalativen Aufnahme von Rauch sei lediglich nach alter Rechtslage maßgeblich gewesen. Demgegenüber habe der Gesetzgeber mit der TPD und der Umsetzung in Gestalt des TabakerzG eine technische Differenzierung eingeführt, die allein daran anknüpfe, ob „mittels einer Verbrennung von Tabak“ konsumiert werde. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei für den vorliegenden Fall auch nicht die sich aus dem Erwägungsgrund 9 der TPD ergebende Zweifelsregelung anwendbar, welche diese dazu heranziehe, um ein „Prinzip der möglichst strengen Regulierung von neuartigen Tabakerzeugnissen“ als Auslegungshilfe für die Klassifizierungsentscheidung zu gebrauchen. Diese Vorgabe habe lediglich den Zweck, dass eine Umgehung der nach dem Gesetz vorgesehenen Regulierung verhindert werden solle, wenn das Erzeugnis gleichzeitig in eine zweite, weniger strenge Kategorie falle. Hier müsse jedoch berücksichtigt werden, dass Tabakerzeugnisse entweder „Rauchtabakerzeugnisse“ oder „rauchlose Tabakerzeugnisse“ sein könnten, sodass der Anwendungsbereich der Zweifelsregelung gar nicht eröffnet sei.
Der Gesetzgeber habe keine vom wissenschaftlichen Verständnis abweichende Definition des Begriffs „Verbrennung“ eingeführt und auch keine Veranlassung dafür gesehen, diesen überhaupt zu definieren, da der Begriff „Verbrennung“ weder unklar noch umstritten sei. „Verbrennung“ sei sowohl in der Laiensprache als auch in der wissenschaftlichen Literatur ein anerkannter und einheitlich verstandener Begriff. Er bezeichne nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Zerstörung einer Substanz durch Feuer, normalerweise unter Wärme- und Lichtbildung. Im wissenschaftlichen Bereich bestehe ein vergleichbares Verständnis von Verbrennung, welches etwas genauer definiert werde als selbsterhaltender, exothermer Oxidationsprozess. Eine „Verbrennung“ erfordere also das Vorliegen einer selbsterhaltenden, exothermen Reaktion, die auf Zufuhr eines Oxidationsmittels (typischerweise Sauerstoff) angewiesen sei, Energie freisetze (oft in Form von Wärme und Licht) und zur Entstehung von Asche führe. Jeder Verbrennungsvorgang setze somit zwingend ein Oxidationsmittel, einen Brennstoff und eine Zündquelle voraus. Nur wenn alle drei Elemente vorhanden seien, könne ein „Verbrennungsprozess“ in Gang gesetzt werden und als selbsterhaltener Prozess ablaufen, bis der Brennstoff verbraucht sei. Für diesen exothermen Prozess werde nach der Entzündung keine von außen zugeführte Energie mehr benötigt.
Der Gesetzgeber habe auch keine Einschränkung oder Erweiterung des Verbrennungsbegriffs vorgenommen, soweit dieser auf die Kategorie der „neuartigen rauchlosen Tabakerzeugnisse“ angewandt werden solle. Nichts deute darauf hin, dass der Gesetzgeber bei der Abgrenzung zwischen „rauchlosen Tabakerzeugnissen“ und „Rauchtabakerzeugnissen“ danach habe unterscheiden wollen, ob der „Verbrennungsprozess“ bei konventionellen Erzeugnissen, wie etwa Zigaretten, oder bei „neuartigen Tabakerzeugnissen“ stattfände. Vielmehr liege sowohl der TPD als auch der deutschen Umsetzungsgesetzgebung ein einheitlicher Verbrennungsbegriff zugrunde.
Keine der zuvor genannten Voraussetzungen einer „Verbrennung“ sei bei dem Konsum von „K.“ erfüllt. Zahlreiche Studien würden bestätigen, dass die Zündtemperatur von Tabak bei ungefähr 400 °C liege. Diese Temperatur werde in dem M. -Gerät nicht erreicht, sodass eine Entzündung des Tabaks folglich nicht stattfinden könne. Im Unterschied zu dem Temperaturanstieg des Tabakmaterials, der auftrete, wenn Luft durch eine brennende Zigarette angesaugt werde, sei bei „K.“ ein deutlicher Temperaturabfall im Tabakmaterial zu erkennen, wenn ein Zug genommen und Luft in „K.“ gezogen werde. Die Temperaturen in der brennenden Spitze einer Zigarette würden mit jedem Zug steigen und Temperaturen von ca. 850 °C bis 900 °C erreichen. Im Gegensatz zu dem exothermen, selbsterhaltenden Verbrennungsprozess in einer Zigarette stelle die Erhitzung von Tabak in „K.“ einen endothermen (also energieverbrauchenden) Prozess dar, welcher von der ständigen Zufuhr von Energie seitens einer externen Quelle, nämlich dem Heizblatt, abhänge. Es werde keine Wärmeenergie erzeugt, wie es bei einem exothermen Prozess der Fall wäre. Ein exothermer, sich selbsterhaltender thermochemischer Prozess finde also nicht statt. Vielmehr sinke die Temperatur sofort ab, wenn das Gerät ausgeschaltet werde. Sauerstoff spiele bei der thermochemischen Veränderung des „K.“-Tabaks keine Rolle, da dieser für die Entstehung des Aerosols nicht benötigt werde. Der Nutzungsvorgang von „K.“ in „M.“ laufe in oxidativer und nicht-oxidativer Atmosphäre nach den Ergebnissen mehrerer Untersuchungen gleich ab. Das Aerosol, das bei der Nutzung von „M.“ in Abwesenheit von Sauerstoff erzeugt werde, habe die gleiche Zusammensetzung wie das unter Sauerstoffatmosphäre entstehende Aerosol. Dies beweise, dass „K.“ nicht mittels eines „Verbrennungsprozesses“ konsumiert würden, da ein solcher zwingend das Vorhandensein von Sauerstoff voraussetze. Nach dem Konsum von „K.“ würden auch keine Ascherückstände verbleiben. Es komme lediglich in unmittelbarer Nähe des Heizblatts zu einer Verfärbung des Tabakmaterials, die durch Trocknung und Niedrigtemperatur-Pyrolyse verursacht werde. Derartige Verfärbungen seien auch bei anderen Verfahren der Niedrigtemperatur-Pyrolyse zu beobachten wie etwa beim Rösten von Kaffeebohnen. Die Größe und Form von K. würden während des Gebrauchs nicht verändert und die Struktur bliebe fast vollständig intakt. Der Tabakstrang werde also nicht verbraucht.
Die Beklagte setze dem Begriff „Verbrennung“ ein naturwissenschaftlich unklares Verständnis voraus, das alle thermischen Zersetzungsprozesse erfasse – potentiell bis hin zur Verarbeitung von Nährstoffen im menschlichen Körper oder zum Verrosten von Metallen. Dabei bleibe die Grenze zu jenen thermochemischen Vorgängen unklar, die nach Ansicht der Beklagten nicht unter den Begriff des „Verbrennungsprozesses“ fallen sollten.
Die thermische Zersetzung (Pyrolyse) von Tabak sei ein eigenständiger, von der Sauerstoffzufuhr unabhängiger Prozess, der auch ohne dass ein „Verbrennungsprozess“ stattfinde, ablaufen könne. Die stattfindende endotherme Niedrigtemperatur-Pyrolyse müsse von der „Verbrennung“ bei der hier zu beurteilenden Thematik klar unterschieden werden. Zwar könne die Pyrolyse unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Teilschritt einer „Verbrennung“ von Feststoffen sein. Ihr Auftreten sei aber keine hinreichende Bedingung für das Entstehen oder Aufrechterhalten einer „Verbrennung“. Die bei der Nutzung des streitgegenständlichen Produkts entstehenden Pyrolyseprodukte seien hier nicht das Ergebnis eines „Verbrennungsprozesses“. Diese würden nämlich bereits während der bloßen Erhitzung und unabhängig von der Verfügbarkeit von Sauerstoff von Tabakbestandteilen ausgelöst. Letztlich müsse auch berücksichtigt werden, dass viele thermochemische Prozesse, wie etwa Kochen und Backen, offensichtlich keine Formen von „Verbrennungsprozessen“ seien. Wenn man der Auffassung der Beklagten folgen würde, hätte dies zur Konsequenz, dass auch das Erhitzen von Lebensmitteln wie das Rösten von Kaffeebohnen die Kriterien einer „Verbrennung“ erfüllen würden. Dies widerspreche jedoch bereits der alltagssprachlichen Bedeutung des Begriffs „Verbrennung“ in dem hier vorliegenden Zusammenhang.
Für die Klassifizierung von „K.“ komme es rechtlich gesehen auch nicht auf die vermeintliche Entstehung von „Rauch“ an. Die Beklagte verkenne die Bedeutung der Legaldefinition im Recht. Sie wolle offenbar die Definition des Gesetzgebers übergehen und das zu Definierende aus sich selbst heraus bestimmen. Denn sie ziehe das Wort „Rauchtabakerzeugnisse“ oder den Begriffsbestandteil „Rauch“ bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Verbrennungsprozess“ heran. Es widerspreche aber den Grundsätzen der Logik, wenn das zu Definierende – hier also: „Rauchtabakerzeugnis“ – in der Definition selbst wieder vorkomme (Tautologie) oder zur Bestimmung eines der zu definierenden Kriterien herangezogen werde (Zirkelschluss). Der Gesetzgeber habe die Begriffe „Rauchtabakerzeugnis“ und „rauchloses Tabakerzeugnis“ legal definiert und zur Abgrenzung beider Kategorien das technisch-naturwissenschaftliche Merkmal „Verbrennungsprozess“ herangezogen. Indem sich die Beklagte auf Definitionen von „Rauch“ stütze, welche nicht in der Definition des Art. 2 Nr. 5 TPD als maßgebliches Kriterium verankert seien, nehme sie eine gesetzeskorrigierende Auslegung vor. Es müsse dabei im Übrigen auch beachtet werden, dass die Entstehung von „Rauch“ nicht zwangsläufig mit „Verbrennungsprozessen“ in Verbindung stehe. Dies sei zum Beispiel beim Verbrennen von Brennstoffen wie Erdgas, Propangas, Wasserstoff, Brennspiritus oder leichtes Heizöl der Fall. Vor diesem Hintergrund habe sich der EU-Gesetzgeber in der TPD entschlossen, nicht auf einen wissenschaftlich-technischen Rauchbegriff, sondern auf die „Verbrennung“ als einzig relevantes Kriterium abzustellen. Die Entstehung von „Rauch“ allein – ohne zugrundeliegenden Verbrennungsprozess – trage eine Klassifizierung als „Rauchtabakerzeugnis“ daher nicht.
Soweit die Beklagte das Abweichen von dem im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Verbrennungskriterium mit einer vergleichenden Betrachtung mit „Wasserpfeifentabak“ zu rechtfertigen versuche, sei dieser Vergleich unergiebig. Die konkrete Formulierung in Art. 2 Nr. 13 TPD ändere nicht den Schlüsselbegriff des „Verbrennungsprozesses“. Es sei auch dort nicht von einem Tatbestandsmerkmal „Rauch“ oder „Rauchentstehung“ die Rede. Vielmehr habe der Gesetzgeber damit bewusst zu erkennen gegeben, dass Wasserpfeifentabak auch dann als „Rauchtabakerzeugnis“ zu behandeln sei, wenn er nicht mittels eines „Verbrennungsprozesses“ konsumiert werde und sich damit ausdrücklich für eine Fiktion unabhängig von der Tatsachenlage entschieden. Eine vergleichbare Entscheidung habe der Gesetzgeber für erhitzte Tabakerzeugnisse wie „K.“ jedoch nicht getroffen. Zudem sei die Annahme der Beklagten, dass beim Konsum von Wasserpfeifentabak keine „Verbrennung“ stattfinde, falsch. Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch würden Wasserpfeifen nämlich typischerweise Kohle als Hitzequellen nutzen, welche im Rahmen eines sich selbst erhaltenden Verbrennungsprozesses jene Hitze freisetze, die den Konsum von Wasserpfeifentabak ermögliche. Daher entspreche die vom Gesetzgeber vorgenommene Einordnung der Wasserpfeifen grundsätzlich der am Verbrennungskriterium orientierten Systematik von Art. 2 Nr. 5 und 9 TPD. Um eine Fiktion handele es sich bei der Regelung in Art. 2 Nr. 13 TPD jedoch insoweit, als Wasserpfeifentabak kraft Gesetzes ungeachtet des Konsumvorgangs im Einzelfall als „Rauchtabakerzeugnis“ eingeordnet werde – also auch dann, wenn etwa ein elektrisches Heizelement an die Stelle der Verbrennung von Kohle als Hitzequelle trete. Für die Einordnung von „K.“ folge daraus nichts. Der Gesetzgeber habe gerade nicht bestimmt, dass Tabakerhitzer allgemein und unabhängig vom Konsumvorgang im Einzelnen als „Rauchtabakerzeugnisse“ oder als „rauchlose Tabakerzeugnisse“ gelten würden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2. des Bescheides vom 19. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2018 zu verpflichten, festzustellen, dass das in Ziffer 1. des Bescheides zugelassene neuartige Tabakerzeugnis „L.“, Markenname „K.“, ein rauchloses Tabakerzeugnis ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Gründe aus ihrem Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2018 und trägt ergänzend wie folgt vor: Der Begriff „Verbrennungsprozess“ müsse bei „neuartigen“ Tabakerzeugnissen weit ausgelegt werden. Es gehe um die Anwendung von Rechtsvorschriften für ein „neuartiges Tabakerzeugnis“, bei dem das Neuartige Begriffsinhalt sei und für das somit keine in der Vergangenheit entwickelte feststehende Definition herangezogen werden könne außer, dass dieses Erzeugnis bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht in den Verkehr gebracht worden sei. Wenn also ein neuartiges Produkt als „rauchloses Tabakerzeugnis“ oder „Rauchtabakerzeugnis“ eingestuft werde, sei eine gewisse Regelungsunschärfe vorhersehbar. Naturgemäß unterscheide sich ein neuartiges Rauchtabakerzeugnis von einem herkömmlichen und in der TPD ausdrücklich benannten Rauchtabakerzeugnis. Neuartige Tabakerzeugnisse würden sich insbesondere in Bezug auf ihre Verwendung von konventionellen Rauchtabakerzeugnissen unterscheiden. Während Letztere nach der Entzündung über eine sich selbst erhaltende Verbrennung konsumiert würden, erfolge der Konsum des streitgegenständlichen Erzeugnisses mithilfe eines elektronischen Heizgerätes, in welchem eine technisch gesteuerte Erhitzung stattfinde, die gezielt darauf ausgelegt sei, eine sich selbst erhaltende Verbrennung des Tabakerzeugnisses zu vermeiden. Anhand der Definition für „neuartige Tabakerzeugnisse“ in Art. 2 Nr. 14 TPD werde deutlich, dass „Tabakrollen“, die mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert würden und die als Zigaretten, Zigarren oder Zigarillos anzusehen seien, nicht als neuartige Tabakerzeugnisse eingestuft werden könnten. Gleiches gelte auch für Tabak, der zur Herstellung von Zigaretten verwendet werden könne oder der zum Gebrauch mittels Verbrennungsprozess in einer Pfeife bestimmt sei. Bei diesen konventionellen Tabakerzeugnissen werde der „Verbrennungsprozess“ durch eine sich selbst erhaltende Verbrennung „ausgefüllt“. Die in der Definition für ein „neuartiges Tabakerzeugnis“ genannten Kategorien von Rauchtabakerzeugnissen würden folglich alle denkbaren Möglichkeiten abdecken, wie Tabak mittels einer sich selbst erhaltenden Verbrennung konsumiert werden könne. Dennoch sehe Art. 19 TPD ausdrücklich vor, dass ein neuartiges Tabakerzeugnis ein „Rauchtabakerzeugnis“ sein könne. Dieser Aspekt spreche für eine Auslegung des Begriffs „Verbrennungsprozess“, welcher über eine sich selbst erhaltende Verbrennung hinausgehe. Von der Einstufung als „neuartiges Tabakerzeugnis“ ausgenommen seien zudem solche Tabakerzeugnisse, die zum Kauen, den Konsum über Mund und Nase sowie zur Verwendung mithilfe einer Wasserpfeife bestimmt seien. Art. 2 Nr. 14 TPD schließe also aus, dass „neuartige Tabakerzeugnisse“ konventionell in Form einer Tabakrolle oder mithilfe einer Pfeife verbrannt oder direkt über Mund oder Nase konsumiert würden. Eine von diesen Beispielen abweichende Verwendung stelle die Möglichkeit dar, dass Tabak erwärmt bzw. in einem von einer sich selbsterhaltenden Verbrennung abweichenden „Verbrennungsprozess“ verbrannt werde. Die Relevanz der konkreten Verwendung des Tabakerzeugnisses spiegele sich auch in der Zulassung des klagegegenständlichen Produkts wider, denn bei diesem handele es sich um eine „Tabakrolle“. Und nur weil diese nicht auf herkömmliche Weise verwendet und mittels einer sich selbst erhaltenden Verbrennung konsumiert werden könne, sei diese als neuartiges Tabakerzeugnis anzusehen. Die Neuartigkeit liege folglich in seiner konkreten Verwendung, bei der durch Erhitzung in einem elektronischen Heizgerät ein Aerosol entstehe, welches die für Tabakrauch typischen Inhaltsstoffe, einschließlich Produkte einer „unvollständigen Verbrennung“ enthalte und analog zu konventionellen Rauchtabakerzeugnissen in die Lunge inhaliert werde.
Am Beispiel des Wasserpfeifentabaks sei zudem klar erkennbar, wie der Gesetzgeber ein Tabakerzeugnis einstufe, welches bestimmungsgemäß auf ca. 450 °C erhitzt und dessen beim Konsum entstehender Rauch inhaliert werde. Ein Erzeugnis mit derartigen Gebrauchseigenschaften werde ausdrücklich als „Rauchtabakerzeugnis“ eingestuft und sei aufgrund der inhalativen Aufnahme mit allen anderen typischen Rauchtabakerzeugnissen vergleichbar. Dabei habe es sich um eine Klarstellung durch den Gesetzgeber gehandelt, welche notwendig gewesen sei, da die Art der Verwendung bzw. des Konsums des Wasserpfeifentabaks von der bei den üblichen Rauchtabakerzeugnissen abweiche, denn der Tabak werde nicht unmittelbar mittels einer sich selbst erhaltenden Verbrennung verbrannt, sondern es werde mithilfe einer Wärmequelle Tabakrauch erzeugt, welcher über die Lunge inhaliert werde. Da dies aber der üblichen Verwendung von Rauchtabakerzeugnissen entspreche, sei die ausdrückliche Zuordnung zu den Rauchtabakerzeugnissen erforderlich gewesen. Denn unter die Definition der „rauchlosen Tabakerzeugnisse“ könne Wasserpfeifentabak aufgrund seiner Verwendung nicht fallen.
Die TPD verfolge bei der Einstufung eines Tabakerzeugnisses einen möglichst strengen Ansatz. Für den hier vorliegenden konkreten Fall bedeute dies, dass der Begriff des „Verbrennungsprozesses“ weit auszulegen sei, und eine „unvollständige Verbrennung“ miteinschließe. Nur so könne der Intention des Gesetzgebers, Tabakerzeugnisse möglichst streng zu regeln, nachgekommen werden. Die Klägerin lege den Begriff „Verbrennungsprozess“ sehr eng aus und verkenne, dass dieser nicht zwingend eine Entzündung des Tabaks voraussetze, sondern auch „thermochemische Prozesse“ wie „unvollständige Verbrennungen ohne Flammenbildung“ umfasse, also Prozesse, bei denen ein „Medium auf eine bestimmte Temperatur gebracht werde“. Das Tabakrecht nenne als Bedingung für die Zuordnung zu den „rauchlosen Tabakerzeugnissen“ gem. Art. 2 Nr. 5 TPD nicht eine „Verbrennung im engeren Sinn“, für die eine hohe Temperatur und die Emission von Licht bzw. Flammen charakteristisch sei, sondern stelle auf einen „Verbrennungsprozess“ ab, was nur als eine weiter gefasste Auslegung des Begriffs verstanden werden könne.
Das online-Chemielexikon „Chemie.de“ beschreibe die ablaufenden chemischen Prozesse beim Rauchen von Tabak und stelle fest, dass im Temperaturbereich zwischen 200 - 600 °C, und damit bei Temperaturen, die bei der bestimmungsgemäßen Verwendung im klagegegenständlichen Erzeugnis erreicht würden, eine „unvollständige Verbrennung“ stattfinde. Eine weitere Quelle für Definitionen des Begriffs „Verbrennung“ lasse sich unter anderem auch aus den DIN-Normen entnehmen. Gem. DIN EN ISO 11074_2015-11 finde eine „Verbrennung“ auch statt, wenn ein „Medium auf eine Temperatur gebracht“ werde. Diese Formulierung impliziere einen endothermen Prozess, der unter dem Begriff „Verbrennung“ definiert sei. Es seien daher verschiedene Prozesse von der „lokalen Hitzeeinwirkung“ über die „Spur einer örtlichen thermischen Zersetzung, erkennbar an einer Farbänderung“ bis hin zur „exothermen Reaktion im allgemeinen unter Flammenentwicklung und/oder unter Glimmerscheinungen und/oder unter Rauchentwicklung“ unter dem Begriff der „Verbrennung“ zu fassen.
Hinzu komme, dass das bei der Verwendung des Produkts entstehende Aerosol eindeutig als „Rauch“ zu charakterisieren sei.
Zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor möglichen Gefahren und dem Erreichen eines hohen Schutzniveaus finde im Tabakrecht das Vorsorgeprinzip Anwendung. Das streitgegenständliche Produkt sei besonders für Nichtraucher und junge Menschen attraktiv. Die TPD formuliere in Erwägungsgrund 8 das Ziel, die Verbreitung des Rauchens bei jungen Menschen zu senken. Das streitgegenständliche Produkt sei insbesondere i. V. m. einer Einstufung als „rauchloses Tabakerzeugnis“ geeignet, dieses Ziel zu verfehlen. Um zu verhindern, dass durch die Klassifizierung ausdrücklich junge Menschen und Nichtraucher mit dem Hinweis auf die vermeintlich geringere Schädlichkeit zu Rauchern würden, sei es im Sinne des vorsorgenden Verbraucherschutzes, eine Einstufung als „Rauchtabakerzeugnis“ mit allen Konsequenzen für eine dieser risikogemäßen Kennzeichnung vorzunehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Feststellung, dass es sich bei dem Tabakprodukt „L.“ (Markenname: „K.“) um ein „rauchloses Tabakerzeugnis“ handelt. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2018, mit welchem dieses Produkt als „neuartiges Tabakerzeugnis“ zugelassen wurde, ist im Hinblick auf die darin getroffene Klassifizierung des Tabakprodukts als „Rauchtabakerzeugnis“ rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO.
Bei der im streitgegenständlichen Bescheid verfügten Zulassung des neuartigen Tabakerzeugnisses nebst der Klassifizierung als „Rauchtabakerzeugnis“ handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, sodass die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts anhand der im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts geltenden Rechtslage zu beurteilen ist (BVerwG, Urteil vom 29.09.1994 - 3 C 1/93 -, BVerwGE 96, 372). Maßgeblich sind damit das Gesetz über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse – Tabakerzeugnisgesetz (TabakerzG) vom 4. April 2016 (BGBl I 2016, 569), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 19. November 2020, die Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG (im Folgenden: TPD) und die Verordnung über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse – Tabakerzeugnisverordnung (TabakerzV) vom 27. April 2016 (BGBl I 2016, 980), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 22. Oktober 2020.
Der Anspruch auf die begehrte Feststellungsentscheidung ergibt sich aus § 12 Abs. 1 TabakerzG i. V. m. § 9 Abs. 5 TabakerzV.
Nach § 12 Abs. 1 TabakerzG dürfen neuartige Tabakerzeugnisse nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie zugelassen sind. Die Zulassung enthält die Feststellung, ob das neuartige Tabakerzeugnis ein Rauchtabakerzeugnis oder ein rauchloses Tabakerzeugnis ist (§ 9 Abs. 5 TabakerzV). Sie ist nur zu versagen, wenn das neuartige Tabakerzeugnis, je nachdem ob es sich um ein Rauchtabakerzeugnis oder ein rauchloses Tabakerzeugnis handelt, die für dieses Erzeugnis geltenden Anforderungen dieses Gesetzes oder der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen nicht erfüllt (§ 12 Abs. 3 TabakerzG).
Die vorgenannten Vorschriften verpflichten die Beklagte im Rahmen der Zulassung eines neuartigen Tabakerzeugnisses dazu, dieses entweder als ein Rauchtabakerzeugnis oder als ein rauchloses Tabakerzeugnis zu klassifizieren, da sich erst aus der konkreten Einstufung die gesetzlichen Anforderungen an das Produkt ergeben. Die beiden Möglichkeiten der Einstufung schließen sich gegenseitig aus, da ein neuartiges Tabakerzeugnis entweder ein Rauchtabakerzeugnis oder ein rauchloses Tabakerzeugnis sein kann (vgl. Zipfel/Rathke LebensmittelR/Horst, 179. EL März 2021, TabakerzG § 12 Rn. 8).
Für die Anwendung des TabakerzG und der TabakerzV gelten nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 TabakerzG die Begriffsbestimmungen des Artikels 2 der TPD.
„Neuartige Tabakerzeugnisse“ sind gem. Art. 2 Nr. 14 TPD Tabakerzeugnisse, die nicht in die Kategorien Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen, Pfeifentabak, Wasserpfeifentabak, Zigarren, Zigarillos, Kautabak, Schnupftabak und Tabak zum oralen Gebrauch fallen und die bis zum 19. Mai 2014 noch nicht in den Verkehr gebracht worden sind.
Ein „rauchloses Tabakerzeugnis“ wird in Art. 2 Nr. 5 TPD definiert als ein Tabakerzeugnis, das nicht mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert wird, unter anderem Kautabak, Schnupftabak und Tabak zum oralen Gebrauch. „Rauchtabakerzeugnisse“ sind dagegen alle Tabakerzeugnisse, die nicht als rauchlose Tabakerzeugnisse im Sinne des Art. 2 Nr. 5 TPD anzusehen sind (Art. 2 Nr. 9 TPD).
Das hier streitgegenständliche Tabakerzeugnis erfüllt zum einen unstreitig die Voraussetzungen des Art. 2 Nr. 14 TPD, ist daher als ein „neuartiges Tabakerzeugnis“ zulassungsbedürftig. Zum anderen erfüllt es auch die Voraussetzungen eines „rauchlosen Tabakerzeugnisses“ im Sinne des Art. 2 Nr. 5 TPD, da es nicht mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert wird. Folglich ist es im Rahmen der Zulassung als rauchloses Tabakerzeugnis zu klassifizieren (§ 9 Abs. 5 TabakerzV).
Die Abgrenzung zwischen einem Rauchtabakerzeugnis und einem rauchlosen Tabakerzeugnis im Sinne der TPD erfolgt – laut den in Art. 2 aufgeführten Legaldefinitionen dieser Begrifflichkeiten – einzig anhand des Umstandes, ob ein Tabakerzeugnis mittels oder aber ohne einen Verbrennungsprozess konsumiert wird. Das Vorhandensein oder das Fehlen von „Rauch“ bei dem Konsum eines neuartigen Tabakerzeugnisses ist für die Zuordnung zu den Rauchtabakerzeugnissen oder den rauchlosen Tabakerzeugnissen nicht relevant, da dies nicht in den hier maßgeblichen Definitionen als Tatbestandsmerkmal benannt worden ist. Zudem ist weder der „herkömmliche“ Charakter noch die „Neuartigkeit“ eines Tabakerzeugnisses an sich für die Einstufung ausschlaggebend (vgl. EuGH, Urteil vom 17.10.2018 - C-425/17 -, juris Rn. 27), sodass es vorliegend nicht auf eine ähnliche Verwendungsart zu einer bestimmten Produktkategorie ankommt (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 10.10.2019 - 20 BV 18.2234 -, juris Rn. 35). Der inhalative Konsum von „Rauch“ ist daher entgegen der Auffassung der Beklagten für die Klassifizierung eines neuartigen Tabakerzeugnisses als „Rauchtabakerzeugnis“ unerheblich. Im Übrigen wird der inhalative Konsum eines Tabakerzeugnisses in Art. 2 Nr. 8 TPD ausdrücklich mit den „rauchlosen Tabakerzeugnissen“ aus Art. 2 Nr. 5 TPD in Verbindung gebracht, sodass diese Form des Konsums an sich nicht charakteristisch für die Einordnung als „Rauchtabakerzeugnis“ sein kann (Zipfel/Rathke LebensmittelR/Horst (179. EL März 2021, TabakerzG § 1 Rn. 6). Ob ein Tabakerzeugnis im Sinne der TPD „rauchlos“ ist, kann folglich allein anhand der in der Legaldefinition ausdrücklich benannten Voraussetzungen festgestellt werden.
Das Begriffssystem der TPD ist im Verhältnis zu ihrer Vorgängerrichtlinie (Richtlinie 2001/37/EG) als grundlegende Neuerung anzusehen. Letztere hat lediglich zwischen „Tabakerzeugnissen“ („Erzeugnisse, die zum Rauchen, Schnupfen, Lutschen oder Kauen bestimmt sind, sofern sie ganz oder teilweise aus Tabak bestehen, […]“, Art. 2 Nr. 1) und „Tabak zum oralen Gebrauch“ (Art. 2 Nr. 4) unterschieden. In dem Vorschlag für eine Richtlinie der EU Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen (abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52012PC0788&from=EN) wurden erstmals bestimmte Produktkategorien definiert, nämlich Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen, Pfeifentabak, Wasserpfeifentabak, Zigarren, Zigarillos, Kautabak, Schnupftabak und Tabak zum oralen Gebrauch. Zudem enthält der Vorschlag eine generelle Unterteilung zwischen „Rauchtabakerzeugnissen“ auf der einen und „rauchlosen Tabakerzeugnissen“ auf der anderen Seite. Sofern ein Tabakerzeugnis nicht in eine der vorgenannten Produktkategorien fallen sollte und nach dem Inkrafttreten der Richtlinie in den Verkehr gebracht wird, also ein „neuartiges Tabakerzeugnis“ ist, muss auch dieses Erzeugnis, um gleiche Ausgangsbedingungen gewährleisten zu können, einige Bestimmungen der Richtlinie erfüllen. Welche Bestimmungen dies im Einzelnen sind, richtet sich danach, ob das Erzeugnis „mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert“ wird oder nicht (vgl. dort unter 3.6 Neuartige Tabakerzeugnisse, S. 10), ob es also ein rauchloses Tabakerzeugnis oder ein Rauchtabakerzeugnis ist. Dieser Vorschlag wurde letztlich auch in der TPD umgesetzt. Die dort in Art. 2 aufgeführten Produktkategorien „Pfeifentabak“ (Nr. 2), „Zigarette“ (Nr. 10), „Tabak zum Selbstdrehen“ (Nr. 3), „Zigarre“ (Nr. 11), „Zigarillo“ (Nr. 12) und „pflanzliches Raucherzeugnis“ (Nr. 15), welche den „Rauchtabakerzeugnissen“ im Sinne des Art. 2 Nr. 9 TPD zugeordnet werden (vgl. z.B. Erwägungsgrund 26), enthalten in ihrer jeweiligen Definition allesamt (zum Teil jedenfalls mittelbar) die Tatbestandsvoraussetzung des Konsums mittels eines Verbrennungsprozesses. Der Verbrennungsprozess ist daher das Wesensmerkmal von „Rauchtabakerzeugnissen“ (so auch Zipfel/Rathke LebensmittelR/Horst, 179. EL März 2021, TabakerzG § 1 Rn. 7).
Der Begriff „Verbrennungsprozess“ (in der englischen Fassung der TPD lautet der Begriff „combustion process“) wird in den Begriffsbestimmungen der TPD selbst nicht definiert und bedarf folglich der Auslegung. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist bei der Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts ihr Wortlaut, ihr Zusammenhang und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden, zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urteile vom 22.06.2016, Thomas Philipps, C-419/15, EU:C:2016:468, Rn. 18, und vom 26.07.2017, Jafari, C-646/16, EU:C:2017:586, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Der vorliegend auszulegende Begriff besteht aus zwei Wörtern, nämlich aus „Verbrennung“ und „Prozess“. Er umfasst folglich den Vorgang der „Verbrennung“, sodass es maßgeblich auf die Auslegung dieses Begriffes ankommt. Mangels einer ausdrücklichen Definition durch den Richtliniengeber ist dem Begriff ein naturwissenschaftliches Verständnis zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.10.2007 - 7 C 28.07 -, BeckRS 2007, 28146 Rn. 8, beck-online; zur Auslegung des Verbrennungsbegriffs in § 13 Abs. 2 Satz 1 ZuG 2007). Da es hier um einen festen organischen Brennstoff – nämlich Tabak – geht, ist dem Begriff „Verbrennung“ nicht ein biologisches (Energiegewinnung im Organismus durch die Umwandlung von Kohlenhydrate und Fette) oder medizinisches (eine durch Hitzeeinwirkung oder ultraviolette Strahlung hervorgerufene Hautläsion), sondern ein chemisch-technisches Verständnis zugrunde zu legen.
Unter einer „Verbrennung“ von organischen Stoffen wird in diesem Sinne die Reaktion eines Brennstoffes – hier also des Tabaks – mit Sauerstoff verstanden. Dieser Prozess erfolgt grundsätzlich exotherm, setzt also Energie frei und läuft, solange Brennstoff und Sauerstoff vorhanden sind, selbsterhaltend ab (vgl. VG Berlin Urteil vom 17.11.2006 - 10 A 502 5, BeckRS 2009, 41415, beck-online; Abschlussbericht B16082, Bewertung eines neuen Tabakprodukts hinsichtlich Verbrennung und Rauchbildung, TU München, Mai 2016, S. 5; Gutachterliche Stellungnahme Nr. 0103-2019 zur Bewertung der thermischen Prozesse beim Konsumieren von K. Tobacco Sticks mit dem Electrically Heated Tobacco System M., Prof. Dr. Marutzky, Mai 2019, S. 9; Gutachten zum Funktionsprinzip und dem Produktstrom von M., Prof. Dr. Nussbaumer, Mai 2019, S. 12; online-Enzyklopädie RÖMPP, abgerufen unter:
https://roempp.thieme.de/lexicon/RD-22-00348?searchterm=verbrennung&context=search; Wikipedia, Verbrennung (Chemie), abgerufen unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Verbrennung_(Chemie); in diesem Sinne auch CUVS, Stellungnahme vom 11.09.2019, Bl. 165 d. Gerichtsakte und BfR, Stellungnahme vom 30.07.2018, Bl. 332 ff. d. VV. und vom 05.11.2018, Bl. 379 ff. d. VV.).
Der gesamte Verbrennungsvorgang von Tabak kann wissenschaftlich gesehen in drei Phasen unterteilt werden, die jeweils durch die (notwendigerweise) ansteigende Temperatur des festen Brennstoffes einsetzen und gewöhnlich dann auch parallel ablaufen. Dabei handelt es sich um die sog. „Erhitzungs-“ / „Erwärmungs“-, die „Pyrolyse-“ / „Verschwelungs-“ und die sog. „Entzündungsphase“. Während der „Erhitzungsphase“, also der stetig ansteigenden Temperatur des Brennstoffes, können flüchtige Bestandteile wie z.B. das freie und gebundene Wasser in dem Brennstoff freigesetzt werden. Auf diese Phase folgt bei Erreichen einer Temperatur von ca. 200 °C die „Pyrolysephase“, nämlich die thermische Spaltung chemischer Verbindungen (thermisch induzierter Zerfall von Molekülen; vgl: https://www.chemie.de/lexikon/Pyrolyse.html). Bei weiter ansteigender Temperatur und bei Überschreiten der „Zündtemperatur“ des Brennstoffes setzt die „Entzündungsphase“ ein. Die Zündtemperatur bezeichnet die Temperatur, auf die man einen Feststoff oder eine Kontaktoberfläche erhitzen muss, damit die Selbstzündung durch Zersetzung in brennbare Stoffe in Gegenwart von Sauerstoff ausschließlich aufgrund ihrer Temperatur, d.h. ohne eine Zündquelle wie einen Zündfunken, erfolgen kann (vgl: https://www.chemie.de/lexikon/Zündtemperatur.html). Diese Phase, also das Entzünden des Brennstoffes, leitet den Verbrennungsvorgang ein (vgl. Abschlussbericht, a.a.O., S. 10; vgl. auch: „Verbrennung von Holz und anderer organischer Feststoffe: https://www.chemie.de/lexikon/Verbrennung_%28Chemie%29.html; https://de.wikipedia.org/wiki/Verbrennung_(Chemie)#Voraussetzungen_f%C3%BCr_eine_Verbrennung). Erst dann beginnt die exotherme Oxidation. Damit eine Verbrennungsreaktion gestartet wird, müssen daher grundsätzlich drei Voraussetzungen erfüllt sein. Es muss zum einen brennbarer Stoff in ausreichender Menge vorhanden sein. Dieser muss in Kontakt mit einem Oxidationsmittel (i.d.R. Sauerstoff) kommen können. Zuletzt muss eine genügend hohe Entzündungstemperatur in der Umgebung des Brennstoffes herrschen.
Die vorgenannten Ausführungen lassen sich ohne Weiteres auf den Konsum einer „Zigarette“ im Sinne des Art. 2 Nr. 10 TPD übertragen. Alle drei beschriebenen Phasen treten beim Rauchen einer mittels eines Feuerzeugs angezündeten Zigarette in einer räumlich an der Zigarrettenstange orientierten Abfolge auf. Der an der Spitze der Zigarette entzündete Tabak verbrennt in der Glutzone bei einem Zug mit einer Temperatur von ca. 800 °C bis 1.100 °C in oxidierender Atmosphäre. Dicht hinter der Glutzone bei reduzierender Atmosphäre wird der Tabak durch die angesaugten heißen Verbrennungsgase aus der Glutzone aufgeheizt, was die thermochemische Zersetzung (Pyrolose) bewirkt. Die Temperaturen fallen in dieser Zone mit zunehmendem Abstand zur Glutzone ab. In dem Bereich, in dem die Temperatur unter 200 °C beträgt, laufen keine thermochemischen Vorgänge mehr ab. Es werden Wasser und flüchtige organische Stoffe des Tabaks „verdampft“. Der Wasserdampf extrahiert auch höhersiedende Stoffe aus, um diese mit dem Aerosol abzuscheiden (Wasserdampfdestillation). Auf diese Weise gelangen u.a. Nikotin und ätherische Öle in den „Tabakrauch“ (vgl. Gutachterliche Stellungnahme Nr. 0103-2019, a.a.O., S. 4 f.; https://www.chemie.de/lexikon/Tabakrauch.html). Zwischen den Zügen an dem Filter einer Zigarette gelangt viel weniger Sauerstoff in die Glutzone, sodass dann von einer Verbrennung unter Sauerstoffmangel, dem sog. „Schwelbrand“ gesprochen wird. Ein „Schwelbrand“ ist die Bezeichnung für eine „unvollständige Verbrennung“ bei niedriger Verbrennungstemperatur und ungenügender Sauerstoffzufuhr und ist der typische Fall beim Rauchen von Tabak. Eine „Verbrennung“ ist also „unvollständig“, wenn weniger Sauerstoff an der Verbrennung teilnimmt, als für die vollständige Oxidation von Kohlenstoff zu Kohlendioxid und Wasserstoff zu Wasser erforderlich ist. Dagegen verbrennt ein Brennstoff „vollständig“, wenn mindestens genauso viel Sauerstoff an der Verbrennung teilnimmt, wie für die vollständige Oxidation von Kohlenstoff zu Kohlendioxid und Wasserstoff zu Wasser erforderlich ist (vgl. Abschlussbericht, a.a.O., S. 12 mit Verweis auf Römpp online, 2015 und Kreimes und Lachenmayr 2006; vgl. Wikipedia, a.a.O.). Als Folge des „Schwelbrandes“ bzw. der „unvollständigen Verbrennung“ entstehen durch Pyrolyse brennbare Gase und Dämpfe sowie un- oder teilverbrannte Folgeprodukte (https://www.chemie.de/lexikon/Schwelbrand.html). Der „Schwelbrand“ bzw. die „unvollständige Verbrennung“ ist daher nicht mit der „Pyrolyse“ gleichzusetzen.
Die zuvor beschriebenen Phasen laufen auch bei dem Konsum von „Pfeifentabak“, „Tabak zum Selbstdrehen“, „Zigarren“, „Zigarillos“ und „pflanzlichen Raucherzeugnissen“, also den anderen in der TPD als „Rauchtabakerzeugnisse“ aufgeführten Produktkategorien ab, wobei jedoch unterschiedliche Zündtemperaturen bestehen.
Unter Berücksichtigung des vorgenannten Verständnisses des Begriffs „Verbrennung“ liegt eine solche bei dem Konsum des streitgegenständlichen Tabakerzeugnisses nicht vor.
Laut den Messungen des neuseeländischen Forschungsinstituts CRL Energy Ltd. erreicht der Tabak in den „K.“ nahe des Heizblatts in dem „M.“-Gerät eine Temperatur von etwa 300 °C bis 320 °C. Für eine Entzündung des Tabaks wären laut den Untersuchungen des Forschungsinstituts jedoch Temperaturen im Bereich von über 450 °C nötig. Eine Entzündung des Tabaks ist aufgrund der durch das Erhitzungsgerät vorgegebenen Betriebsbedingungen nicht möglich. Das Heizblatt kann nämlich nur maximal eine Temperatur von 350 °C erreichen. Die Untersuchungen zeigen auch, dass die Temperatur im Tabak stets unter derjenigen des elektrischen Heizstabs bleibt. Eine exotherme, also Wärme freisetzende Reaktion, findet nicht statt. Nach Abschaltung der elektrischen Heizung sinkt die Temperatur im Tabak zudem deutlich ab. Folglich liegt auch keine sich selbsterhaltende Reaktion vor.
Zudem untersuchte das Forschungsinstitut den Betrieb des „K.“-„ M.“-Systems bei normalen Sauerstoffverhältnissen, wie sie in der Umgebungsluft vorzufinden sind, und unter einer reinen Stickstoffatmosphäre. Die Analysewerte von Gasbestandteilen des Hauptgasstromes zeigen, dass diese bei beiden Betriebsvarianten nahezu identisch sind. Das Auftreten von CO2 und CO in vergleichbarer Menge während des Stickstoffatmosphärenversuchs, also in Abwesenheit von Sauerstoff, schließt demnach eine Bildung durch „Verbrennung“ aus, da diese das Vorhandensein von Sauerstoff voraussetzt.
Der Betrieb des „M.“-Systems umfasst eine Kombination aus dem Vorgang der Verdampfung von Stoffen („Erhitzungsphase“) und dem Vorgang der „Pyrolyse“ eines Teils des Tabaks in den „K.“.
Eine sich selbsterhaltende exotherme Verbrennung – wie sie bei konventionellen Rauchtabakerzeugnissen stattfindet – liegt nicht vor. Zu diesem Ergebnis sind auch das BfR (Wie gefährlich sind Tabakerhitzer?, 20/2018, 18.05.2018; abgerufen am 16.09.2021 unter: https://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2018/20/wie_gefaehrlich_sind_tabakerhitzer_-204438.html) und das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Sigmaringen (CVUA) in seiner Stellungnahme vom 11. September 2019 (Bl. Bl. 165 ff. d. Gerichtsakte Bd. 1) gekommen. Tabakerhitzer wie das hier streitgegenständliche Produkt sind gerade auf die Vermeidung von „Verbrennungen“ ausgerichtet.
Ein von diesem Ergebnis abweichendes Verständnis des Begriffs „Verbrennungsprozess“ in der Form, dass bereits das Erhitzen des Tabaks bis zu Temperaturen, bei denen sich dieser noch nicht entzündet, unter diesen Begriff zu fassen sei, lässt sich nicht aus der ausdrücklichen Einstufung des „Wasserpfeifentabaks“ zu den „Rauchtabakerzeugnissen“ in der TPD herleiten.
Diese Einordnung steht im Einklang zwischen der grundlegenden Unterscheidung zwischen „Rauchtabakerzeugnissen“ und „rauchlosen Tabakerzeugnissen“ allein anhand des Kriteriums des „Konsums mittels eines Verbrennungsprozesses“ und ist als gesetzliche Fiktion zu verstehen („gilt […] als“).
Zunächst ist festzustellen, dass die Begriffsbestimmungen gemäß Art. 2 Nrn. 2, 10, 11, 15 TPD für Pfeifentabak, Zigaretten, Zigarren und pflanzliche Raucherzeugnisse explizit darauf abstellen, dass das jeweilige Erzeugnis „mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert werden kann“, und sich insoweit von „rauchlosen Tabakerzeugnissen“ (Art. 2 Nr. 5 TPD) unterscheidet (vgl. oben). Bei keinem der Erzeugnisse, die mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert werden, hat der Richtliniengeber den Zusatz mitaufgenommen, dass es sich um ein „Rauchtabakerzeugnis“ handelt. Dies ist nämlich bei diesen Erzeugnissen ganz klar schon aus der Anwendung der Legaldefinition des Art. 2 Nr. 5 TPD ersichtlich.
In Art. 2 Nr. 13 Satz 1 TPD wird „Wasserpfeifentabak“ definiert als ein Tabakerzeugnis, das mit Hilfe einer Wasserpfeife verwendet werden kann. Nach Satz 2 „gilt“ Wasserpfeifentabak für die Zwecke dieser Richtlinie „als Rauchtabakerzeugnis“. Kann ein Erzeugnis sowohl in Wasserpfeifen als auch als Tabak zum Selbstdrehen verwendet werden, so gilt es als Tabak zum Selbstdrehen (Satz 3).
Eine Wasserpfeife besteht aus einem wassergefüllten Glasgefäß (sog. Bowl), einer „Rauchsäule“ mit Ventil, welche auf die Bowl aufgeschraubt wird, einem „Tabakkopf“ und einem Schlauch mit Mundstück. Der Tabakkopf wird mit dem Wasserpfeifentabak befüllt und anschließend mit einem besonderen Metallsieb (oder einfach mit durchlöcherter Alufolie) abgedeckt. Auf dieses Metallsieb bzw. die Alufolie werden anschließend Kohlen aufgelegt. Die Kohlen werden dabei vorher schon angezündet (z.B. auf einem elektrischen Kohleanzünder). Ein unmittelbarer Kontakt des Brennstoffes (Kohlen) zum Tabak besteht nicht. Anders als dies bei dem Tabak der Produktkategorien der TPD, die über den „Verbrennungsprozess“ von den „rauchlosen Tabakerzeugnissen“ abgegrenzt werden, der Fall ist, wird hier der Tabak nicht verbrannt (vgl. zum Aufbau und zur Funktionsweise einer Wasserpfeife: Deutsches Krebsforschungszentrum, Wasserpfeife - die süße Versuchung, 2008, S. 1 - veröffentlicht unter www.dkfz.de; WHO, Tobacco use in shisha: studies on waterpipe smoking in Egypt, 2006, S. 10 f.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 17.10.2018 – 13 ME 107/18 –, Rn. 21, juris).
Daraus wird ersichtlich, dass der Wasserpfeifentabak selbst nicht mittels eines Verbrennungsprozesses im oben verstandenen Sinne konsumiert wird, da er sich beim bestimmungsgemäßen Konsumvorgang nicht entzündet und demnach auch keinen sich selbsterhaltenden Verbrennungsvorgang auslöst. Dieses Verständnis lässt sich auch in Einklang mit der durch den Richtliniengeber vorgenommenen Regelung in Art. 2 Nr. 13 Satz 3 TPD bringen. Danach gilt nämlich ein Tabakerzeugnis, dass sich grundsätzlich auch für die Verwendung in einer Wasserpfeife eignet, als Tabak zum Selbstdrehen, wenn es auf die zuletzt genannte Art und Weise, nämlich über eine durch Entzündung in Gang gesetzte Verbrennung, konsumiert werden kann. Im Umkehrschluss ist ein Tabakerzeugnis, dass nicht durch Anzünden und Verbrennen des Tabaks konsumiert wird und welches sich für die Verwendung in einer Wasserpfeife eignet, als Wasserpfeifentabak einzustufen.
Im Einklang mit diesem Ergebnis stellt die Definition von „Wasserpfeifentabak“ nicht auf den Konsum „mittels eines Verbrennungsprozesses“ ab, sondern setzt die „Verwendung mit Hilfe einer Wasserpfeife“ voraus. Daraus wird ersichtlich, dass der Richtliniengeber bei dem gewöhnlichen Konsumvorgang des Wasserpfeifentabaks in einer Wasserpfeife einen „Verbrennungsprozess“, wie er ihn bei den zuvor genannten Produktkategorien versteht, nicht angenommen hat. Demnach kann die ausdrückliche Zuordnung des „Wasserpfeifentabaks“ zu den „Rauchtabakerzeugnissen“ in Art. 2 Nr. 13 Satz 2 TPD nach Auffassung der Kammer nur als gesetzliche Fiktion verstanden werden (so auch: Fachbereich Europa des Deutschen Bundestags, Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 013/20 des Deutschen Bundestags, Unterabteilung Europa, Fachbereich Europa, abzurufen unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/691862/f64c99cf04cbfa5c5603bb95f51674d4/PE-6-013-20-pdf-data.pdf).
Da Wasserpfeifentabak eine ähnliche gesundheitliche Schädlichkeit aufweist wie herkömmliche Rauchtabakerzeugnisse, wollte der Richtliniengeber offenbar der oftmals bei jungen Leuten bestehenden gegenteiligen Auffassung durch die Anwendung der vollständigen Kennzeichnungsregelung entgegenwirken (Erwägungsgrund 26 der TPD).
Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung die bei dem Konsum einer Wasserpfeife stattfindende „Pyrolyse“ des Wasserpfeifentabaks bislang dem „Verbrennungsvorgang“ bzw. der „Verbrennung“ zugeordnet wurde (vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.11.2014 - 4 A 775/14 -, juris Rn. 22; Urteil vom 17.09.2013 - 13 A 2448/12 -, juris Rn. 136; so wohl auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. Oktober 2018 - 13 ME 107/18 -, juris; VGH München, Beschluss vom 05.03.2014 - 20 ZB 13.2439 -, BeckRS 2014, 48796 Rn. 6, beck-online), lässt sich diese Feststellung nicht auf das vorliegende Verfahren übertragen. Ausgangspunkt der Überlegungen in den vorgenannten Entscheidungen war nämlich das Vorliegen von „Tabakrauch“ im Sinne der jeweiligen Nichtraucherschutzgesetze des Landes Niedersachsen und des Landes Nordrhein-Westfalen bzw. des Vorläufigen Tabakgesetzes. Der VGH München hat in seinem Beschluss vom 05.03.2014 ausgeführt, dass es bei dem damaligen Abgrenzungskriterium in § 3 Abs. 1 VTabakG im Zusammenhang mit der Wasserpfeife nicht auf den konkreten Entstehungsvorgang des Rauches ankomme, sondern auf die vom Tabak maßgeblich (mit-) bewirkte Rauchentwicklung, die unstreitig bestehe, unabhängig davon, ob diesem Rauchen der Wasserpfeife – hier im intransitiven Verständnis einer Rauchentwicklung durch den Tabak – ein Verbrennungsvorgang im engeren Sinne zugrunde liege. Hierfür spreche auch der allgemeine Sprachgebrauch, nach dem die Wasserpfeife „geraucht“ werde. Sowohl nach den Nichtraucherschutzgesetzen als auch nach dem bereits außer Kraft getretenen VTabakG kommt und kam es nicht darauf an, ob der Tabak in der Wasserpfeife selbst angezündet und verbrannt wird. Maßgeblich ist und war vielmehr, dass letztlich Tabakrauch entsteht, der inhaliert werden kann. Und weil dies der Fall ist, wurde ein „Verbrennungsprozess“ (noch) angenommen, auch wenn es hierauf nicht ankam. Diesem Begriff liegt damit ein anderes Verständnis zugrunde, als es im Anwendungsbereich der TPD der Fall ist. In diesem Zusammenhang ist nämlich auch zu beachten, dass der Regelungsbereich der Nichtraucherschutzgesetze nicht von der TPD erfasst wird (Zipfel/Rathke LebensmittelR, C. Teil 9. 908. Vorbemerkung zum neuen Tabakrecht Rn. 12, beck-online). Dies wird gerade aus dem Erwägungsgrund 48 deutlich, in dem es heißt, dass mit dieser Richtlinie die Vorschriften über rauchfreie Zonen oder heimische Verkaufsmodalitäten oder heimischer Werbung oder „brand-stretching“ (Verwendung von Tabak-Markennamen bei anderen tabakfremden Produkten oder Dienstleistungen) nicht harmonisiert werden.
Auch im Rahmen der Frage der Steuerbarkeit des Tabaks kommt es nicht darauf an, ob dieser in der Wasserpfeife verbrennt oder sich die nach Hitzeeinwirkung austretenden Dämpfe durch eine andere Form der Stoffumwandlung ergeben. Entscheidend ist lediglich, ob der nach Hitzeeinwirkung entstehende Rauch durch Einziehen in den Mundraum bzw. Inhalation genossen, also „geraucht“ wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27.07.2016 – 1 StR 19/16 –, Rn. 5, juris). Insoweit muss beachtet werden, dass der Tabaksteuer-RL nicht das sich aus dem Begriffssystem der TPD ergebende Vorverständnis zugrunde gelegt werden kann, dass ein „zum Rauchen“ geeignetes Tabakprodukt lediglich solche Erzeugnisse erfasst, die mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert werden können. Dies zeigt sich bereits an den ergänzenden Verweisen in Art. 2 Nr. 10 und 11 TPD auf die Begriffsbestimmungen Richtlinie 2011/64/EU, derer es nicht bedurft hätte, wenn bereits diese Begriffe auf Erzeugnisse beschränkt wären, die mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert werden können. Der Begriff „Rauchtabak“ darf nach der Tabaksteuer-RL also nicht so eng ausgelegt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 16.09.2020 – C-674/19 –, Begriff ‚Rauchtabak‘ – Wasserpfeifentabak: die Erhitzung und Verbrennung aller Stoffe, aus denen Wasserpfeifentabak besteht, erzeugt Rauch zum Einatmen; daher gilt die Einstufung als „Rauchtabak“ auch für ihn).
Das Gericht verkennt nicht die Absicht des europäischen Richtliniengebers mit der TPD einen hohen Schutz der menschlichen Gesundheit besonders für junge Menschen zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urteile vom 04.05.2016, Philip Morris Brands u. a., C-547/14, EU:C:2016:325, Rn. 171, und vom 04.05.2016, Polen/Parlament und Rat, C-358/14, EU:C:2016:323, Rn. 80) und auch eine Irreführung der Verbraucher durch – dem Gesundheitsrisiko entsprechende – Kennzeichnungsregelungen der Tabakprodukte zu vermeiden (vgl. Erwägungsgrund 26 der TPD).
Diese Absicht findet jedoch in dem ausdrücklichen Regelungsinhalt der maßgeblichen Vorschriften ihre Grenze. Diese muss so bestimmt abgefasst sein, dass sich der Adressat in seiner wirtschaftlichen Betätigung darauf einstellen kann. Soweit die Vorschrift einen Spielraum lässt, bleibt es dem betroffenen Unternehmer unbenommen, diesen zu seinen Gunsten auszufüllen (VG Augsburg Urteil vom 28.07.2015 - 1 K 15.187 -, BeckRS 2015, 52808 Rn. 17, beck-online). Der europäische Richtliniengeber hat in seinen Bestimmungen nicht auf die Entstehung von „Rauch“ oder den Konsum mittels eines „Erwärmungsprozesses“ abgestellt, sondern vielmehr als maßgebliches Kriterium den Konsum mittels eines Verbrennungsprozesses benannt, wie er bei den in der TPD ausdrücklich benannten Rauchtabakerzeugnissen abläuft und damit der unternehmerischen Freiheit zur Entwicklung neuer Produkte einen gewissen Spielraum eingeräumt, welchen die Klägerin in ihrem Sinne auszunutzen wusste.
Dieses Ergebnis wird auch in dem am 20. Mai 2021 veröffentlichten Bericht der EU-Kommission über die Anwendung der TPD bestätigt, worin diese zu dem Schluss kommt, dass das „Prinzip der Verbrennung mehrdeutig“ und das bestehende Regelwerk nicht ohne Weiteres dazu geeignet sei, erhitzte Tabakerzeugnisse wie das hier streitgegenständliche Tabakprodukt anhand des derzeit bestehenden Abgrenzungskriteriums „Verbrennungsprozess“ unzweifelhaft den „Rauchtabakerzeugnissen“ zuzuordnen. Daher vertritt die EU Kommission die Auffassung, dass möglicherweise eine Reihe von Begriffsbestimmungen angepasst werden müssten, um bei der Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie in nationales Recht die derzeit auftretenden Unterschiede bei der Einstufung der erhitzten Tabakerzeugnisse in den Mitgliedstaaten zu vermeiden und die erhitzten Tabakerzeugnisse den „Rauchtabakerzeugnissen“ zuordnen zu können. Denn derzeit erfolgt die Unterscheidung, und das stellt die EU-Kommission in dem Bericht auf S. 14 und 15 nochmals klar, ausschließlich anhand des Kriteriums des Konsums „mittels eines Verbrennungsprozesses“.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinn weist eine Rechtsstreitigkeit dann auf, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist, über den zu entscheidenden Einzelfall hinausgeht und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 124 Rn. 10). Es bedarf der grundsätzlichen Klärung, welche Kriterien ein „neuartiges Tabakerzeugnis“ erfüllen muss, um als „rauchloses Tabakerzeugnis“ eingestuft zu werden.