Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.10.2018, Az.: 9 OA 135/18
Erschließungsbeitrag; Streitwert; Stundung; Widerruf; zinslos
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.10.2018
- Aktenzeichen
- 9 OA 135/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 74223
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 13.09.2018 - AZ: 3 A 105/16
Rechtsgrundlagen
- § 238 AO
- § 135 Abs 4 BauGB
- § 52 Abs 3 S 2 GKG
- § 52 Abs 3 S 1 GKG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
In den Fällen einer auf unabsehbare Dauer begehrten zinslosen Stundung von Erschließungsbeiträgen wegen einer landwirtschaftlichen Nutzung der Grundstücke lehnt der Senat das wirtschaftliche Interesse an die in Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit getroffene Regelung für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes an (statt an Ziffer 3.2), weil das erkennbare Klageziel darauf gerichtet ist, weiterhin von einer Zahlung des festgesetzten Beitrags verschont zu bleiben, solange eine landwirtschaftliche Nutzung als Grundlage für die Stundung nach § 135 Abs. 4 BauGB andauert. Dementsprechend ist der Streitwert mit einem Viertel des Betrags zu bemessen, dessen Stundung begehrt wird, nicht aber mit dem Stundungsbetrag insgesamt oder mit dem dreifachen Jahresbetrag der Stundungszinsen von 6 v.H. nach § 238 AO.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 13. September 2018 – Einzelrichterin der 3. Kammer – geändert.
Der Streitwert für den ersten Rechtszug wird auf 1.739,88 EUR festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Die Streitwertbeschwerde, über die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG die Vorsitzende als Berichterstatterin und Einzelrichterin entscheidet, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg und ist im Übrigen, soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine weitergehende Heraufsetzung des Streitwerts auf 6.959,50 EUR begehrt, unbegründet.
Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG deren Höhe maßgebend.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2016 angefochten, mit dem die bisherige unbefristete und zinslose Stundung von Erschließungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 6.959,50 EUR (festgesetzt im Jahre 1984 für zwei landwirtschaftlich genutzte Grundstücke der Klägerin) widerrufen und die Klägerin zur Zahlung des entsprechenden, nunmehr fälligen Betrags aufgefordert wurde. In ihrer Klageschrift hat sie geltend gemacht, die seit über 30 Jahren gestundeten Beiträge seien inzwischen verjährt bzw. die zinslose Stundung habe wegen einer fortbestehenden landwirtschaftlichen Nutzung der Grundstücke weiterhin Gültigkeit. In dem erstinstanzlich geschlossenen Vergleich, der das Klageverfahren beendet hat, haben sich die Beteiligten darauf geeinigt, dass der Beitrag für eines der beiden Grundstücke nach Aufhebung der dieses betreffenden Stundung gezahlt und der Beitrag für das andere Grundstück von der Beklagten weiterhin gestundet wird. Aus diesen Gesamtumständen wird deutlich, dass das Begehren der Klägerin (anders als ihr Prozessbevollmächtigter meint) nicht auf eine isolierte Aufhebung der im Bescheid vom 30. Juni 2016 im Anschluss an den Widerruf der Stundung verfügten Zahlungsaufforderung gerichtet war, sondern auf eine Aufhebung des Widerrufs unter gleichzeitiger Beibehaltung der zinslosen Stundung der Erschließungsbeiträge. Denn mit einer gerichtlichen Aufhebung des Widerrufsbescheides der Beklagten wären die Beiträge weiterhin gestundet geblieben und damit wäre auch die Grundlage für die Zahlungsaufforderung entfallen.
In derartigen Fällen einer auf unabsehbare Dauer begehrten zinslosen Stundung ist der Streitwert nach der Rechtsprechung des Senats entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht mit 6 v.H. des zu stundenden Beitrags pro Jahr entsprechend den Empfehlungen im Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu bemessen (dortige Ziffer 3.2; multipliziert mit dem Dreifachen dieses Werts gemäß § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG), weil es in der Sache nicht um die (gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO im Jahr 6 v.H. ausmachenden) Stundungszinsen geht. Vielmehr lehnt der Senat das wirtschaftliche Interesse gemäß § 52 Abs. 1 GKG in diesen Fällen an die in Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs getroffene Regelung für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes an, weil das erkennbare Klageziel darauf gerichtet ist, weiterhin von einer Zahlung des festgesetzten Beitrags verschont zu bleiben, solange eine landwirtschaftliche Nutzung als Grundlage für die Stundung nach § 135 Abs. 4 BauGB andauert (vgl. den Senatsbeschluss vom 12.5.2014 – 9 LB 111/12 – im Anschluss an das dortige Urteil gleichen Datums = juris, insoweit nicht veröffentlicht).
Dementsprechend ist der Streitwert vorliegend mit einem Viertel des Betrags zu bemessen, dessen Stundung begehrt wird (ein Viertel von 6.959,50 EUR = 1.739,88 EUR), nicht aber mit dem Stundungsbetrag insgesamt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).