Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.10.2018, Az.: 7 ME 75/18

anlassgebende Veranstaltung; Anlassveranstaltung; Ausstrahlungswirkung; Prognose; Sonn- und Feiertagsschutz; verkaufsoffener Sonntag

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.10.2018
Aktenzeichen
7 ME 75/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74222
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 04.10.2018 - AZ: 1 B 69/18

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Ermächtigungsgrundlage für die Freigabe von bis zu vier verkaufsoffenen Sonntagen pro Jahr in § 5 Abs. 1 Satz 1 NLöffVZG kann im Hinblick auf die Vorgaben zum Sonn- und Feiertagsschutz aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV verfassungskonform ausgelegt werden (ständige Rechsprechung des Senats); aus dem von der Landesregierung in der 17. Wahlperiode in den Landtag eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des NLöffVZG (LT-Drucksache17/7921) ergibt sich nichts anderes.

2. Voraussetzung für die Öffnung von Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen ist, dass die Ladenöffnung nicht im Vordergrund steht, sondern lediglich als Annex zu einer anlassgebenden Veranstaltung erfolgt, die ihrerseits den Sonntag eigenständig prägt. Insofern bedarf es einer - gerichtlich überprüfbaren - Prognose, dass die Veranstaltung für sich genommen einen beträchtlichen Besucherstrom anzieht, der die bei einer alleinigen Öffnung der Verkaufsstellen zu erwartende Zahl der Ladenbesucher übersteigt.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 1. Kammer - vom 04. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Auf Antrag des Beigeladenen vom 09. Juli 2018 gestattete die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 06. September 2018 die Öffnung von Ladengeschäften in einem näher begrenzten Bereich der Innenstadt Osnabrücks anlässlich der Charity-Meile „Osnabrück tut Gutes“ am 07. Oktober 2018 in der Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Über die hiergegen von der Antragstellerin erhobene Klage (1 A 281/18) ist noch nicht entschieden.

Mit gesondertem Bescheid vom 02. Oktober 2018 ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass Sonntagsöffnungen nur anlassbezogen zulässig seien und der Anlass hier die Charity-Meile sein solle. Die Charity-Meile, der regionale Markt an der Katharinenkirche und das Street-Food-Angebot auf dem Marktplatz würden maximal jährlich durchgeführt, so dass die Sonntagsöffnung in Verbindung mit diesem Anlass nur am 07. Oktober 2018, ansonsten frühestens wieder in einem Jahr durchgeführt werden könne. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung stehe daher im überwiegenden Interesse des C. und der durch sie vertretenen Kaufmannschaft. Aufgrund der Jährlichkeit der Veranstaltung liege die Durchführung der Sonntagsöffnung auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, zumal keine weiteren Sonntagsöffnungen im Jahr 2018 möglich seien.

Dem Antrag vom 04. Oktober 2018 auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 04. Oktober 2018 mit der Begründung stattgegeben, die Regelung zur Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen in § 5 NLöffVZG sei verfassungswidrig, unabhängig davon sei die Gestattung aber auch deshalb rechtswidrig, weil ein die sonntägliche Öffnung der Verkaufsstellen rechtfertigender Sachgrund nicht gegeben sei. Es sei nicht erkennbar, dass die anlassgebende Veranstaltung der Charity-Meile eine eigene Ausstrahlungswirkung entfalten könnte und sich die Ladenöffnung demgegenüber nur als bloßer Annex darstellen würde. Die Charity-Veranstaltung umfasse lediglich 23 Stände. In diesem Rahmen fände zusätzlich auch noch eine Street-Food-Veranstaltung mit circa 25 Ständen statt. Bereits diese geringe Anzahl von zusammen nur ungefähr 50 Ständen könne als anlassgebende Veranstaltung keine prägende Wirkung entfalten gegenüber der Vielzahl an Geschäften, die am streitgegenständlichen Sonntag öffnen dürfen. Die gemeindliche Prognose, dass die Veranstaltung für sich genommen einen beträchtlichen Besucherstrom anziehe, der die bei einer alleinigen Öffnung der Verkaufsstellen zu erwartende Zahl der Ladenbesucher übersteige, sei zwar gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar, in diesem Fall aber nicht überzeugend. Denn es finde keine differenzierte Gegenüberstellung der Zahl der Besucher der Charity-Meile und der am Sonntag geöffneten Ladengeschäfte statt. Insofern könne nicht die Zahl von 26.000 Besuchern an einem normalen Sonntag ohne verkaufsoffene Geschäfte mit der Zahl von 72.000 Besuchern der im letzten Jahr an einem verkaufsoffenen Sonntag durchgeführten Charity-Meile verglichen werden. Aus diesem Vergleich könne lediglich der Schluss gezogen werden, dass es bei der letztjährigen Veranstaltung aufgrund der Charity-Meile und der Ladenöffnungen 46.000 Besucher mehr gegeben habe, ohne dass daraus abzuleiten wäre, wieviele zusätzliche Besucher allein die Charity-Meile anziehe.

Des Weiteren bestünden Zweifel daran, dass die Öffnung der Verkaufsstellen abgesehen von dem Platz der deutschen Einheit, dem Domhof, der Großen Straße, der Georgstraße und dem Rathausplatz in den übrigen Straßenzügen (Herrenteichstraße, Möserstraße, Hasestraße, Bierstraße, Heger Straße, Marienstraße, Neumarkt und Wittekindstraße) einen hinreichenden räumlichen Bezug zu der Charity-Meile habe.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 05. Oktober 2018 gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 04. Oktober 2018 hat keinen Erfolg.

Hinsichtlich der gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung sprechenden Gründe ist der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die Prüfung der zur Begründung der Beschwerde vorgebrachten Gründe beschränkt. Hinsichtlich der für die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung sprechenden Gründe gilt hingegen der Untersuchungsgrundsatz nach § 86 Abs. 1 VwGO; insofern hat der Senat folglich - unabhängig von den Darlegungen des in erster Instanz obsiegenden Beschwerdegegners - gegebenenfalls auch zu prüfen, ob eine möglicherweise fehlerhaft begründete Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 06.03.2018 - 7 ME 14/18 -, juris Rn. 2; Beschluss vom 04.07.2018 - 7 ME 32/18 -, juris Rn. 14; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2004 - 8 S 1870/04 -, juris Rn. 6 f.; Bay. VGH, Beschluss vom 21.05.2003 - 1 CS 03.60 -, juris Rn. 15 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.08.2002 - 7 B 315/02 -, juris Rn. 3 - 6).

Die von der Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vorgebrachten Gründe geben keinen Anlass für eine Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts.

1. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es in Niedersachsen bereits an einer verfassungsmäßigen Rechtsgrundlage für die Einschränkung der in Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV garantierten Sonntagsruhe fehle. Wie der Senat wiederholt ausgeführt hat (vgl. nur Beschlüsse vom 05.05.2017 - 7 ME 31/17 -, juris, und vom 05.05.2017 - 7 ME 32/17 -, juris), ist die Ermächtigungsnorm für die Zulassung der Sonntagsöffnung von Verkaufsstellen - § 5 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG) - einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich. Das vorliegende Verfahren gibt keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Dies gilt auch mit Blick auf das vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Gesetzesvorhaben zur Änderung der Regelungen über die Zulassung von Sonntagsöffnungen. So wurde in dem von der Landesregierung in der 17. Wahlperiode in den Landtag eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (LT-Drucksache 17/7921) eine Änderung des § 5 Abs. 1 NLöffVZG dergestalt vorgesehen, dass die zuständige Behörde auf Antrag der überwiegenden Anzahl der Verkaufsstellen einer Gemeinde oder eines Ortsbereiches oder einer sie vertretenden Personenvereinigung bis zu vier Sonntagsöffnungen von Verkaufsstellen je Gemeinde und Jahr genehmigen soll (Satz 1). Nach § 5 Abs. 1 Satz 5 (in der Entwurfsfassung) soll eine Öffnung nach den Sätzen 1 bis 4 nur zulässig sein, wenn ein im Verhältnis zum beabsichtigten Öffnungsumfang angemessener Anlass vorliegt. In der Begründung (S. 10 des Entwurfs) heißt es zu Satz 5:

„Als Grundvoraussetzung für jede Öffnungsmöglichkeit (Sätze 1 bis 4) muss ein für den jeweilig festgelegten Öffnungsumfang angemessener Anlass vorliegen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 1. Dezember 2009 (1 BvR 2857/07 und 2858/07) zum Berliner Ladenöffnungsgesetz die Sonntagsöffnung grundsätzlich nur dann für zulässig erklärt, wenn dafür ein Anlass besteht. Die Nennung des Begriffs „angemessener Anlass“ im Gesetz führt zu einer Erhöhung der Rechtssicherheit bei allen Betroffenen, insbesondere bei den für die Genehmigung zuständigen Behörden…“

Dass das Gesetzesvorhaben darauf abzielte, eine derzeitige verfassungswidrige Rechtslage zu beseitigen, lässt sich dieser Begründung nicht entnehmen. Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem weiterhin vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten der derzeitigen Landesregierung. Nach diesem Entwurf soll die zuständige Behörde nach § 5 Abs. 1 Satz 1 NLöffVZG die Öffnung der Verkaufsstellen über § 4 Abs. 1 NLöffVZG hinaus an Sonntagen auf Antrag und nach Maßgabe der Sätze 2 bis 7 dann zulassen, wenn 1. ein besonderer Anlass vorliegt oder 2. ein öffentliches Interesse an der Belebung der Gemeinde oder eines Ortsbereichs oder an der überörtlichen Sichtbarkeit der Gemeinde besteht. In der Begründung des Entwurfs heißt es zu den Zielen der Gesetzesänderung unter anderem:

„1. Es sollen rechtliche Klarstellungen ins Gesetz aufgenommen werden: Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat mit seinem Beschluss vom 5. Mai 2017, Az.: 7 ME 32/17, entschieden, dass die Regelungen des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten bei verfassungskonformer Auslegung den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entsprechen und insoweit keine Gesetzesänderung erforderlich ist. Gleichwohl sieht die Landesregierung vor, zur Erhöhung der Rechtssicherheit einen Sachgrund, wie vom BVerfG mit dem Urteil vom 1. Dezember 2009, Az. 1 BvR 2857/07 und 1 BvR 2858/07 gefordert, in den Gesetzestext aufzunehmen. Der Klarstellung dient auch, dass die neuen Voraussetzungen und die „Soll“- und „Kann“-Zulassungsverfahren ausführlich in mehreren Absätzen beschrieben werden…“

Auch diese Begründung widerspricht nicht der Auffassung des Senats, dass die derzeitige Fassung des § 5 Abs. 1 Satz 1 NLöffVZG einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist.

2. Nach der im Beschwerdeverfahren allein möglichen summarischen Betrachtung der Sach- und Rechtslage hat das Verwaltungsgericht mit der weiteren in seinem Beschluss unter II. 2. (Seite 12 ff.) als selbständig tragend genannten Begründung zu Recht die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen die dem Beigeladenen erteilte Genehmigung vom 06. September 2018 zur Sonntagsöffnung wiederhergestellt.

Maßstab für die Erfolgsaussichten des Rechtsschutzantrages nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO ist eine Interessenabwägung zwischen dem Vollzugsinteresse und dem Aussetzungsinteresse, für die die absehbaren Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs - hier: der Anfechtungsklage der Antragstellerin - maßgeblicher Bezugspunkt sind. Danach ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass derzeit jedenfalls eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Klage spricht.

Der in Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV enthaltene Schutzauftrag an den Gesetzgeber gewährleistet ein Mindestniveau des Sonn- und Feiertagsschutzes. Er statuiert für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis; die typische "werktägliche Geschäftigkeit" hat an Sonn- und Feiertagen zu ruhen (vgl. BVerfG, Urteile vom 01.12. 2009 - 1 BvR 2857/07, 1 BvR 2858/07 -, juris Rn. 152). Das gesetzliche Schutzkonzept für die Gewährleistung der Sonn- und Feiertagsruhe muss diese Tage erkennbar als solche der Arbeitsruhe zur Regel erheben. Jede Ladenöffnung an einem Sonn- oder Feiertag bedarf eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes. Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse ("Shopping-Interesse") potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen (BVerfG, Urteil vom 01.12.2009, a. a. O., Rn. 157). Je weitreichender die Freigabe der Verkaufsstellenöffnung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht sowie in Bezug auf die einbezogenen Handelssparten und Warengruppen ist, umso höher muss angesichts der stärkeren werktäglichen Prägung des Tages das Gewicht der für die Ladenöffnung angeführten Sachgründe sein (BVerwG, Urteil vom 17.05.2017 - 8 CN 1.16 -, juris Rn. 16).

Erforderlich ist im Kern, dass die für die Ladenöffnung am Sonntag anlassgebende Veranstaltung den Sonntag prägt und die Geschäftsöffnung sich als bloßer Annex zu dieser darstellt, die Ladenöffnung in räumlichem Bezug zum konkreten Marktgeschehen verbleibt und prognostiziert werden kann, dass die Veranstaltung für sich genommen einen beträchtlichen Besucherstrom anzieht, der die bei einer alleinigen Öffnung der Verkaufsstellen zu erwartende Zahl der Ladenbesucher übersteigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.2015, a. a. O.). Die gemeindliche Prognose unterliegt nur eingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle; das Gericht hat jedoch zu prüfen, ob die bei der Entscheidung über die Freigabe der Ladenöffnung vorgenommene Prognose schlüssig und vertretbar ist (BVerwG, Urteile vom 11.11.2015, a. a. O., juris Rn. 36; und vom 17.05.2017, a. a. O., juris Rn. 17; Beschluss des Senats vom 13.09.2017 - 7 ME 77/17 -, juris Rn. 12).

Gemessen an diesen Prüfungsmaßstäben hat das Verwaltungsgericht die Freigabe der Ladenöffnung anlässlich der Charity-Meile in zutreffender Weise für sachlich nicht gerechtfertigt gehalten.

Nach den Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrem Bescheid vom 06. September 2018 finde der verkaufsoffene Sonntag anlässlich der Veranstaltung „Osnabrück tut Gutes“ von 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr in dieser Form zum zweiten Mal in der Osnabrücker Innenstadt statt. Die Liste von 23 teilnehmenden karitativen und gemeinnützigen Einrichtungen zeige deutlich, dass ein Rahmen für eine öffentliche Präsentation der Einrichtungen gegeben werde, um den Bekanntheitsgrad noch weiter zu erhöhen und die vielen zum Teil ehrenamtlich Tätigen - beispielsweise der Freiwilligen Feuerwehr, der Polizei, des DRK, des MHD, der Zoogesellschaft Osnabrück, des Sozialdienstes Katholischer Frauen - in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. An den einzelnen Standorten werde über die Arbeit der Organisation informiert, es würden vielfältige Aktionen - auch für Kinder - angeboten. Diese Veranstaltung finde zum zweiten Mal statt, bei der ersten Veranstaltung am 05. November 2017 seien 72.000 Besucher gezählt worden, darunter eine Vielzahl von Familien mit Kindern, wobei letztere die Möglichkeit gehabt hätten, sich schminken zu lassen, in einem Rettungswagen zu sitzen oder sich die Arbeit der Polizei erklären zu lassen. Zusätzlich finde auf dem Markt eine Street-Food-Veranstaltung statt, auf der die Besucher nationale und internationale Köstlichkeiten genießen könnten. Eine Bühne auf dem Platz der Deutschen Einheit mit einem vielfältigen Programm runde die Charity-Meile ab. Ein normaler Sonntag ohne verkaufsoffene Geschäfte verzeichne laut der eingereichten Passantenfrequenzmessung in der Innenstadt lediglich 26.000 Besucher. Damit sei das Erfordernis erfüllt, dass die Besucher nicht vordergründig zum Einkaufen die Innenstadt aufsuchen.

Das Verwaltungsgericht ist demgegenüber zutreffend zu der Bewertung gelangt, dass der von der Antragsgegnerin als ausreichend angesehene Anlass eine Sonntagsöffnung vorliegend nicht rechtfertigen kann. Nach den Gesamtumständen stellt sich die sonntägliche Ladenöffnung nicht als bloßer Annex zur anlassgebenden Charity-Meile dar. Es ist nicht erkennbar, dass diese Veranstaltung gegenüber der sonntäglichen Ladenöffnung von ihrem Umfang und ihrer Attraktivität her eine eigenständige Ausstrahlungswirkung besitzt.

Insofern ist in den Blick zu nehmen, dass die eigentliche Charity-Meile nur aus 23 bzw. 29 Ständen bestehen soll und dies bereits anzahlmäßig gegenüber der Vielzahl der Ladengeschäfte in den zur Sonntagsöffnung freigegebenen 26 Straßenzügen keinen eigenständig dominierenden Umfang erreichen könnte. Dies gilt auch, wenn man darüber hinaus berücksichtigt, dass - ausweislich des Antrags des Beigeladenen vom 09. Juli 2018 - die Charity-Meile noch ergänzt werden soll durch einen zum Erntedankfest an der Katharinenkirche ausgerichteten regionalen Markt sowie ein Street-Food-Angebot auf dem Markplatz mit weiteren circa 25 Ständen.

Hinzu kommt, worauf das Verwaltungsgericht bereits zutreffend hingewiesen hatte, dass die - wenngleich gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare (vgl. Beschluss des Senats vom 13.09.2017 - 7 ME 77/17 -, juris Rn. 12) - gemeindliche Prognose hinsichtlich der für die Charity-Meile zu erwartenden Besucherzahl nicht plausibel ist. Denn aus den von dem Beigeladenen im Antrag mitgeteilten und von der Antragsgegnerin in gleicher Weise verwendeten Vergleichszahlen von 26.000 Besuchern an einem normalen Sonntag ohne verkaufsoffene Geschäfte und 72.000 Besuchern bei der letztjährigen Charity-Meile mit verkaufsoffenen Geschäften lässt sich lediglich ableiten, dass die Charity-Meile mit verkaufsoffenen Geschäften wohl 46.000 zusätzliche Besucher hatte. Die zu erwartende Besucherzahl der Charity-Meile ohne verkaufsoffene Geschäfte lässt sich daraus hingegen nicht ableiten.

Auch die Beschwerdeschrift liefert keine weiteren Erkenntnisse, die die Prognose nachvollziehbarer erscheinen ließen, dass die Charity-Meile für sich alleine steht und die strittige Sonntagsöffnung lediglich einen untergeordneten Annex darstellt. Die Beschwerde nimmt darauf Bezug, dass gegenüber Sonntagen ohne weitere Aktivitäten bei Veranstaltungen eine rund viermal so hohe Zahl von Passantenbewegungen feststellbar gewesen sei (108.532 : 26.000 = 4,17) und bei einer parallel durchgeführten Sonntagsöffnung die Zahl der gemessenen Passantenbewegungen beim Sechsfachen eines normalen Sonntags liege (159.880 : 26.000 = 6,14). Diesen Zahlen fehlt die Aussagekraft, weil die Antragsgegnerin nicht mitteilt, um welche Veranstaltungen welcher Größenordnung es sich bei diesen Nennungen handelt. Eine konkrete Vergleichbarkeit dieser Veranstaltungen mit der Charity-Meile ist weder hinsichtlich der Art noch der Größe der jeweiligen Veranstaltung dargelegt und auch nicht ersichtlich. Insofern weist die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeschrift vielmehr bereits selbst darauf hin, dass insofern natürlich unberücksichtigt bleibe, dass die Veranstaltungen jeweils einen unterschiedlichen Charakter aufweisen, ohne allerdings diese Unterschiede näher zu erläutern.

Es kann daher vorliegend nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei der Charity-Meile um eine „Alibiveranstaltung“ handelt, die lediglich dazu dienen soll, einen Vorwand für eine ansonsten nicht mögliche Sonntagsöffnung von Geschäften am 07. Oktober 2018 zu schaffen. Hierfür spricht im Übrigen auch der Umstand, dass ausweislich des Antrags des Beigeladenen vom 09. Juli 2018 bereits Anfang Dezember 2017 die für das Jahr 2018 geplanten Sonntagsöffnungen mit den örtlichen Vertretern der Kirchen abgestimmt worden sein sollen. Diese Darstellung lässt erkennen, dass insofern offenbar die Sonntagsöffnung im Vordergrund stand, nicht jedoch die Charity-Meile.

Da bereits ein die Sonntagsöffnung rechtfertigender sachlicher Grund nicht vorliegt, bedarf es keiner Auseinandersetzung mehr mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu der Frage, ob hinsichtlich der für die Sonntagsöffnung freigegebenen Straßenzüge noch der erforderliche räumliche Bezug zur der Veranstaltung gegeben wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.