Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.08.2017, Az.: 13 ME 204/17

Beurteilung des Vorliegens einer Beschäftigung als leitender Angestellter mit Generalvollmacht oder Prokura i.R.d. vertraglichen Gestaltung des Anstellungsverhältnisses; Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Ausübung einer Beschäftigung als leitender Angestellter mit Prokura in dem China-Restaurant

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.08.2017
Aktenzeichen
13 ME 204/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 20469
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 14.07.2017

Fundstellen

  • AUAS 2017, 218-220
  • InfAuslR 2017, 437-439
  • NdsVBl 2017, 4

Amtlicher Leitsatz

Das Vorliegen einer Beschäftigung als leitender Angestellter mit Generalvollmacht oder Prokura im Sinne des § 3 Nr. 1 BeschV ist nicht allein mit Blick auf die vertragliche Gestaltung des Anstellungsverhältnisses zu beurteilen. Eine solche Beschäftigung muss auch den tatsächlichen Gegebenheiten und den tatsächlichen Fähigkeiten des Ausländers entsprechen.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 11. Kammer (Einzelrichter) - vom 14. Juli 2017 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 14. Juli 2017 hat keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine andere Entscheidung.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass dem Antragsteller ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 2 Satz 1 AufenthG für die Ausübung einer solchen Beschäftigung als leitender Angestellter mit Prokura in dem China-Restaurant "C." voraussichtlich nicht zusteht, weil die Bundesagentur für Arbeit dem nicht zugestimmt hat und die Zustimmung auch nicht nach § 3 Nr. 1 BeschV entbehrlich ist. Nach § 3 Nr. 1 BeschV bedarf die Erteilung eines Aufenthaltstitels an leitende Angestellte mit Generalvollmacht oder Prokura keiner Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, sprechen die Indizien im vorliegenden Fall dagegen, dass der Antragsteller tatsächlich als leitender Angestellter im Sinne von § 3 Nr. 1 BeschV tätig werden soll.

Der Begriff des leitenden Angestellten im Sinne von § 3 Nr. 1 BeschV ist objektiv zu verstehen. Bei dem Arbeitgeber, der den in Rede stehenden Ausländer beschäftigt bzw. beschäftigen will, muss daher objektiv der Bedarf an einer entsprechenden Führungskraft bestehen, und der in Aussicht genommene ausländische Bewerber muss in der Lage sein, diese Führungsaufgaben umfassend wahrzunehmen, und dies auch tatsächlich tun bzw. beabsichtigen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 2.3.2017 - 11 ME 57/17 -sowie vom 22.2.2013 - 11 ME 56/13 -). Wegen der offensichtlich bestehenden Missbrauchsmöglichkeiten reicht alleine die vertragliche Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses für die Annahme einer Stellung als leitender Angestellter mit Prokura im Sinne des § 3 Nr. 1 BeschV nicht aus. Diese muss vielmehr auch den tatsächlichen Gegebenheiten und den tatsächlichen Fähigkeiten des Ausländers entsprechen. Das ist hier nicht der Fall.

Es bestehen bereits Zweifel daran, ob in der D. GmbH, die das Restaurant betreibt, in dem der Antragsteller tätig ist, überhaupt ein Bedürfnis für die Beschäftigung eines leitenden Angestellten mit Prokura besteht. Nach den unwidersprochenen Angaben des Antragsgegners sind in dem Restaurant "C." ein oder zwei Spezialitätenköche sowie einige Servicekräfte angestellt. Es ist fraglich, ob in einem derart übersichtlichen Unternehmen neben der Geschäftsführerin ein Bedürfnis für einen leitenden Angestellten besteht, auch wenn die Geschäftsführerin angibt, sich künftig mehr im Bereich der Verwaltung, Werbung und Repräsentation engagieren zu wollen.

Auch schränkt § 1 des Anstellungsvertrags vom 2. Mai 2016 (BeiA, Bl. 347 ff.) die dem Antragsteller erteilte Prokura im Innenverhältnis stark ein. So ist dem Antragsteller ausdrücklich nur "für die oben genannten Geschäfte die Handlungsvollmacht eines Prokuristen übertragen" worden. Bei diesen Geschäften handelt es sich um den Ankauf und die Lieferung von Lebensmitteln sowie die Ersatzbeschaffung von Küchengeräten. Neben weiteren Einschränkungen ist dem Antragsteller insbesondere auch die Begründung von Rechtsgeschäften, deren Verbindlichkeiten einen Wert von 3.000,00 Euro übersteigen, sowie die Einleitung von gerichtlichen Schritten im Namen der Firma oder die Abgabe von rechtlichen Erklärungen und die Vornahme von Prozesshandlungen gegenüber Gerichten verboten. Zudem verwendet der Vertrag mehrfach den Begriff der "Handlungsvollmacht". Daraus wird deutlich, dass dem Antragsteller im für die Bestimmung seiner Rechtsstellung als leitender Angestellter entscheidenden Innenverhältnis (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG) allenfalls die Stellung eines Handlungsbevollmächtigten im Sinne des § 54 HGB, nicht aber die eines Prokuristen nach § 49 HGB eingeräumt werden sollte.

Diese Vertragsgestaltung spiegelt sich auch in dem vorgesehenen Gehalt von brutto 2.500,00 Euro wider, das sein ihm als Spezialitätenkoch im gleichen Restaurant bisher zustehendes Gehalt von brutto 2.175,00 Euro (BeiA, Bl. 296) unabhängig von einem Rückgriff auf die Zweifelsregelung des § 5 Abs. 4 Nr. 4 BetrVG (vgl. dazu: VG Göttingen, Beschl. v. 15.1.2013 - 2 B 597/12 -, Rn. 10) nicht in einer Weise übersteigt, dass von einer Stellung als leitender Angestellter ausgegangen werden kann. Wer als leitender Angestellter in einem Unternehmen tätig ist, erhält regelmäßig eine deutlich höhere Vergütung als im selben Unternehmen beschäftigte, seinen Weisungen unterstellte Angestellte. Auch der Verweis des Antragstellers darauf, dass es sich um ein Anfangsgehalt handle, führt nicht zu einem anderen Ergebnis, da der unbefristet abgeschossene Anstellungsvertrag keine Regelung über etwaige Gehaltssteigerungen enthält.

Hinzu kommt, dass der Antragsteller nicht in der Lage wäre, die ihm durch den Anstellungsvertrag vom 2. Mai 2016 übertragenen Aufgaben auszufüllen.

In § 1 des Anstellungsvertrages vom 2. Mai 2016 heißt es, dass zur Entlastung des Geschäftsführers der bisherige Spezialitätenkoch und Chefkoch als Prokurist mit Handlungsvollmacht angestellt werden soll. Im Rahmen der Qualitätsverbesserung der angebotenen Dienstleistungen solle der Antragsteller einige Aufgaben der Geschäftsführerin übernehmen. Er solle entsprechend seiner Fachkenntnisse als Spezialitätenkoch über die Bestellungen der Lebensmittel entscheiden und Aufgaben der Personalführung wahrnehmen. Er solle mit Wirkung für die Firma Geschäfte abschließen, insbesondere betreffend den Restaurant- und Küchenbereich. Weiterhin solle er eigenverantwortlich entscheiden können, welche Lebensmittel und in welcher Menge diese zum Betrieb der Gaststätte von den jeweiligen Vertragspartnern bestellt würden. Dabei solle er selbst bei den Vertragsverhandlungen eigenverantwortlich im Hinblick auf die Vertragsgestaltung, den Preis und die Qualität der Ware handeln, entscheiden und verhandeln. Er solle eingegangene Ware prüfen und gegebenenfalls Gewährleistungsansprüche gegenüber den Vertragspartnern geltend machen. Der Antragsteller solle entscheiden, welche Küchengeräte ersetzt werden müssten, und ggf. berechtigt sein, neue Geräte im Namen der Firma zu bestellen.

Unabhängig von der für die betriebsinternen Abläufe benötigten oder benutzten Sprache ist erforderlich, die auch und vor allem im geschäftlichen und bürokratischen Umfeld des Betriebes übliche oder gar vorgeschriebene Amtssprache in dem Maße zu beherrschen, wie es den betrieblichen Erfordernissen und der gesellschaftsrechtlichen Rechtsmacht entspricht und wie die wirtschaftliche Gesamtverantwortung für den Betrieb und dessen ökonomische sowie rechtliche Repräsentanz nach außen es erfordern (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 28.7.2016 - 24 K 1872/16 -, Rn. 24). Danach setzt die Wahrnehmung der dem Antragsteller übertragenen Aufgaben zumindest Grundkenntnisse der deutschen Sprache und des deutschen Rechtssystems voraus. Ansonsten können Verhandlungen und Gespräche mit Geschäftspartnern nicht sachgerecht wahrgenommen werden. Dass der Antragsteller über entsprechende Kenntnisse verfügt, hat er nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr hat er nach den unwidersprochenen Angaben des Antragsgegners Behördentermine regelmäßig in Begleitung eines Dolmetschers wahrgenommen. Im Visumverfahren wurde mitgeteilt, dass der Antragsteller keine Fremdsprachenkenntnisse habe (BeiA, Bl. 3). Unter dem 15. November 2011 wurden ihm geringfügige Kenntnisse der englischen Sprache bescheinigt (BeiA, Bl. 23). Belege über Kenntnisse des deutschen Rechtssystems fehlen ebenfalls. Der schlichte Hinweis in der Beschwerdebegründung darauf, dass die Geschäftsführerin die Fähigkeiten und Deutschkenntnisse des Antragstellers zutreffend beurteilen könne, reicht insoweit nicht.

Wie das Verwaltungsgericht zu Recht dargelegt hat, spricht der gesamte Geschehensablauf dafür, dass die Beschäftigung als leitender Angestellter vorgeschoben worden ist, um dem Antragsteller die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zu ermöglichen. Denn der Antragsteller hatte zunächst einen Arbeitsvertrag als Spezialitätenkoch vorgelegt und hat erst, nachdem die Bundesagentur für Arbeit einer weiteren Beschäftigung unter dem 12. April 2016 wegen Überschreitung der Vierjahresfrist des § 18 Abs. 2 BeschV nicht zugestimmt hatte (BeiA, Bl. 336), und er durch den Antragsgegner mit Schreiben vom 18. April (BeiA, Bl. 338) zur beabsichtigten Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis angehört worden war, einen neuen Arbeitsvertrag als leitender Angestellter mit Prokura eingereicht. Offensichtlich soll auf diese Weise unter Umgehung der gesetzlichen Frist des § 18 Abs. 2 BeschV die Weiterbeschäftigung des Antragstellers als Spezialitätenkoch auch unter Inkaufnahme eines etwas erhöhten Gehalts sichergestellt werden. Ob es für die D. GmbH tatsächlich erheblich wirtschaftlicher gewesen wäre, auf vier Jahre befristet einen neuen Spezialitätenkoch aus China einzustellen, wie der Antragsteller in der Beschwerdebegründung angibt, ist im Hinblick auf die innerhalb der letzten vier Jahre gesammelten Erfahrungen des Antragstellers zweifelhaft, bedarf hier aber keiner Entscheidung, denn letztlich entspricht die tatsächliche Stellung des Antragstellers aus den aufgeführten Gründen nicht der eines leitenden Angestellten mit Prokura im Sinne des § 3 Nr. 1 BeschV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 8.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).