Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 15.01.2013, Az.: 2 B 597/12

Scheitern der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG bei zeitlichem Ablauf eines Visums

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
15.01.2013
Aktenzeichen
2 B 597/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 38480
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2013:0115.2B597.12.0A

Gründe

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Der Antrag des Antragstellers,

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die aufschiebende Wirkung seiner am 19. November 2012 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19. Oktober 2012 erhobenen Klage anzuordnen,

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hat keinen Erfolg.

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Bei der im Rahmen des nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaften Antrags vom Gericht vorzunehmenden Ermessensentscheidung kommt es für den Erfolg dieses Antrags maßgeblich darauf an, ob die Rechtsverfolgung in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg haben wird oder nicht; denn an der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht kein öffentliches Interesse. Der Bescheid des Antragsgegners vom 19. Oktober 2012, mit dem er den Antrag des Antragstellers auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels abgelehnt und ihn zur Ausreise aufgefordert sowie seine Abschiebung in sein Heimatland China angedroht hat, wird sich voraussichtlich als rechtmäßig erweisen.

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Der Antragsteller reiste am 24. April 2007 in die Bundesrepublik Deutschland ein und erhielt vom Antragsgegner erstmals am 24. Mai 2007 eine, zuletzt bis zum 23. April 2011 verlängerte, Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG i.V.m. § 28 BeschV als chinesischer Spezialitätenkoch. Vor deren beabsichtigten Widerruf heiratete der Antragsteller eine deutsche Staatsangehörige und erhielt vom Antragsgegner eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG. Diese war bis zum 24. Juli 2012 befristet; seit 15. Oktober 2011 lebten die Eheleute getrennt. Im Zuge der Anhörung zu der deshalb beabsichtigten zeitlichen Befristung dieser Aufenthaltserlaubnis beantragte der Antragsteller am 6. Februar 2012, ihm eine Aufenthaltserlaubnis als Führungskraft zu erteilen. Hierzu legte er einen Arbeitsvertrag und eine Generalvollmacht jeweils vom 30. Dezember 2011 vor; danach wird er für die Inhaberin des aus zwei Filialen bestehenden Chinarestaurants D. für ein Monatsgehalt von 2.200,00 Euro brutto ab 1. Januar 2012 als Manager eingestellt und ermächtigt, in allen gesetzlich zulässigen Fällen die Inhaberin des Restaurants zu vertreten.

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Diesen Antrag hat der Antragsgegner mit dem angegriffenen Bescheid voraussichtlich zu Recht abgelehnt. Unabhängig von der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage, ob der Antragsteller Führungskraft im Sinne von § 4 BeschV ist, scheitert die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Der Antragsteller ist nicht mit dem für sein Aufenthaltsbegehren erforderlichen Visum eingereist.

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Für die Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen gelten gemäß § 8 Abs. 1 AufenthG dieselben Vorschriften wie für die erstmalige Erteilung; folglich kommt auch § 5 AufenthG zur Anwendung.

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Zwar ist der Antragsteller im Jahre 2007 mit dem seinerzeit erforderlichen Visum eingereist, indes kann er sich heute darauf nicht mehr berufen. Dieses Visum ist gemäß § 26 Abs. 2 BeschV auf vier Jahre befristet gewesen und lief folglich am 23. April 2011 aus. Es war zudem für die Tätigkeit als Spezialitätenkoch ausgestellt und nicht für eine solche als Führungskraft. Aus der dem Antragsteller zwischenzeitlich wegen seiner Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen erteilten Aufenthaltserlaubnis kann er ebenso wenig Rechte für sich herleiten. Abgesehen davon, dass diese Erlaubnis durch Zeitablauf am 24. Juli 2012 erloschen ist, liegt dem vom Antragsteller nunmehr angestrebten Aufenthalt ein anderer Zweck zugrunde. Da sich der Antragsteller ersichtlich auch nicht nach § 39 AufenthV darauf berufen kann, ausnahmsweise das erforderliche Visum in der Bundesrepublik einholen zu dürfen, ist er gehalten, auszureisen und gegebenenfalls das Visumverfahren von seinem Heimatland China aus zu betreiben. Derzeit hält er sich ohne erforderliches Visum in Deutschland auf, was im Fall der Verlängerung eines Aufenthaltstitels der Einreise ohne erforderliches Visum entspricht.

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Ohne dass es für die Entscheidung noch darauf ankäme, merkt die Kammer an, dass der Anspruch des Antragstellers auch an §§ 18 Abs. 2, 39 AufenthG scheitern würde. Die Bundesagentur für Arbeit hat seiner Beschäftigungsaufnahme nicht zugestimmt und deren Zustimmung ist auch nicht entbehrlich. Voraussichtlich zu Unrecht nimmt der Antragsteller für seine abweichende Auffassung § 4 BeschV in Anspruch. Nach § 4 Nr. 1 BeschV bedarf die Erteilung eines Aufenthaltstitels an leitende Angestellte mit Generalvollmacht oder Prokura nicht der Zustimmung der Bundesagentur. Zwar hat der Antragsteller einen entsprechenden Arbeitsvertrag abgeschlossen und auch eine Generalvollmacht erhalten, dennoch ist er kein leitender Angestellter im Sinne der genannten Vorschrift.

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§ 4 BeschV hat die Regelung in § 9 Nr. 1 der zuvor geltenden Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer - ArgV - übernommen, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung beabsichtigt war; die Neuregelung sollte lediglich der Transparenz dienen (BR/Ds. 727/04, S. 26). § 9 Nr. 1 ArgV verwies für den Begriff des leitenden Angestellten auf die Regelungen des § 5 Abs. 2 (jetzt Abs. 3) BetrVG. Bei Zweifeln an der Führungseigenschaft, wie sie auch hier wegen der offenkundigen Missbrauchsgefahr nahe liegen, stellt § 5 Abs. 4 Nr. 4 BetrVG auf die Höhe des regelmäßigen Arbeitsentgelts ab. Es sollte bei einer Führungskraft das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV (dies beträgt derzeit 2.625,00 Euro monatlich) übersteigen. Da der Antragsteller für seine "Managertätigkeit" lediglich 2.200,00 Euro monatlich erhalten soll, ist er voraussichtlich nicht leitender Angestellter in diesem Sinne.

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Gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch für das Gericht ersichtlich.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.