Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.01.2021, Az.: 17 Sa 957/20
Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber; Auslegung eines Tarifvertrags; Keine tarifliche Altersfreizeit im Zeitraum des Tarifurlaubs
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 13.01.2021
- Aktenzeichen
- 17 Sa 957/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 28071
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2021:0113.17Sa957.20.00
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BAG - 25.01.2022 - AZ: 9 AZR 230/21
Rechtsgrundlagen
- Chem. Industrie v. 24.06.1992 (i.d.F.v. 17.03.2017) § 12a Nr. 6 MTV
- § 130 Abs. 1 BGB
- § 7 Abs. 2 BUrlG
- § 76 Abs. 6 BetrVG
- für die chemische Industrie v. 24.06.1992 (i.d.F. v. 17.03.2017) § 12 Abs. 9 MTV
Redaktioneller Leitsatz
1. Grundsätzlich wird der Urlaub durch eine Erklärung des Arbeitgebers gewährt, mit der der Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum von der Arbeitspflicht befreit wird. Die Freistellungserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit Zugang beim Arbeitnehmer wirksam wird. Der Leistungserfolg tritt ein, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich von der Arbeitspflicht befreit wird.
2. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifregelung mit zu berücksichtigen.
3. Die Auslegung des § 12a MTV Chemie führt dazu, dass ein zusammengefasster Altersfreizeittag entfällt, wenn er im Zeitraum des Erholungsurlaubs liegt, mithin von Urlaub umschlossen ist. Der Altersfreizeitanspruch ist durch die Urlaubsgewährung entfallen.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgericht Hannover vom 27. Juli 2020 - 13 Ca 317/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Gutschrift eines Urlaubstages des Jahres 2019 auf seinem von der Beklagten geführten Urlaubskonto.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist seit August 0000 bei der Beklagten als Angestellter in Normalschicht tätig und erzielt eine Bruttomonatsvergütung von 0,00 €.
Die Beklagte gewährt dem Kläger über x-jährigen Kläger nach § 2a des Manteltarifvertrags für die Chemische Industrie, an den die Parteien kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit gebunden sind (siehe die Erklärung der Parteien zu Protokoll der Sitzung vom 13. Januar 2021), eine sog. Altersfreizeit von 2,5 Stunden pro Woche, die in Form von einem freien Tag alle drei Wochen zusammengefasst wird. Dies beruht auf einer Gesamtbetriebsvereinbarung vom 28. Januar 1993 (Anlage zum Klägerschriftsatz vom 06. Januar 2021, Bl. 186 dA), in der die Betriebsparteien vereinbarten, dass anspruchsberechtigte Normal- und Zweischichtler alle 3 Wochen eine Altersfreizeit an einem vorher festgelegten Wochentag erhalten. Bei der Beklagten können die betroffenen Arbeitnehmer in Abstimmung mit der Führungskraft zwischen den Tagen Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag für die Altersfreizeit wählen. Die Altersfreizeittage werden sodann zu Beginn des Jahres festgelegt in einem sogenannten Altersfreizeitplan. Im Fall des Klägers hat man sich hinsichtlich der Altersfreizeittage auf den Mittwoch alle 3 Wochen verständigt. Im Jahr 2019 ergaben sich für den Kläger insgesamt 16 Altersfreizeittage. Einer dieser Altersfreizeittage fiel auf den 22. Mai 2019. Den Urlaub können die Arbeitnehmer im Angestelltenbereich, in dem der Kläger tätig ist, auch im Laufe des Jahres beantragen. Der Kläger beantragte vom 20. bis 31. Mai 2019 Erholungsurlaub. Dabei wies er ausdrücklich darauf hin, dass er am 22. Mai 2019 keinen Erholungsurlaub nehmen wolle, weil der Tag wegen eines zusammengefassten Altersfreizeittages gemäß § 2a Ziff. 2 Satz 3 MTV für ihn arbeitsfrei sei. Die Beklagte wies den Kläger mit E-Mail vom 14. Mai 2019 2019 darauf hin, dass er wegen des umschließenden Erholungsurlaubs für den 22. Mai 2019 keinen Altersfreizeittag nehmen könne. Sie kündigte an, dass für diesen Tag ein Urlaubstag abgezogen werde, falls der Kläger keinen Gleitzeittag in Anspruch nehmen wolle. Entsprechend dieser Ankündigung zog die Beklagte für den 22. Mai 2019 einen Urlaubstag von dem Urlaubskonto des Klägers ab.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, für den 22. Mai 2019 einen Urlaubstag vom Urlaubskonto abzuziehen. Der Wortlaut des § 2a MTV bestimme gerade nicht, dass ein Altersfreizeittag nicht von Urlaub umschlossen sein dürfe. Er hat gemeint, dann wäre es einem Arbeitnehmer nie möglich, zwei oder drei Wochen Urlaub zu nehmen, ohne die Altersfreizeittage zu verlieren. Einen derartigen Verlust hätten die Tarifvertragsparteien sicherlich nicht gewollt, sodass die Auslegung der tariflichen Regelung durch die Beklagte unzutreffend sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte wird verurteilt, dem Urlaubskonto des Klägers 1 Urlaubstag wieder gutzuschreiben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf den Wortlaut der Vorschrift des § 2a Ziff. 6 Satz 1 MTV sowie auf Regelung des § 7 Bundesurlaubsgesetz verwiesen, wonach sie den Urlaub zusammenhängend gewähren müsse, weshalb der Altersfreizeittag entfalle, wenn er von Urlaub umschlossen sei.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 27. Juli 2020 Bezug genommen.
Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Rechtstreits auferlegt, den Streitwert auf 150,00 € festgesetzt und die Berufung für den Kläger zugelassen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die besseren Gründe sprächen für die Ansicht der Beklagten, dass der Altersfreizeittag nicht von Urlaub umschlossen sein könne. Werde lediglich die wöchentliche Arbeitszeit um 2,5 Stunden reduziert, habe dies keinen Einfluss auf den Urlaubsanspruch. Aufgrund der tariflichen Möglichkeit, die Altersfreizeit auch zu freien Arbeitstagen zusammenzufassen, ergäbe sich ansonsten gegebenenfalls eine Ungleichbehandlung verschiedener Arbeitnehmergruppen im Hinblick auf die Gewährung des Erholungsurlaubs, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt wäre. Wegen der Erwägungen im Einzelnen, die das Arbeitsgericht zu seiner Entscheidung haben gelangen lassen, wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 12. August 2020 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 04. September 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 11. November 2020 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Antrag des Klägers vom 08. Oktober 2020 bis zum 12. November 2020 verlängert worden war. Die Kammer nimmt auf den Berufungsbegründungsschriftsatz des Klägers sowie seine weiteren Schriftsätze vom 06. und 07. Januar 2021 Bezug.
Der Kläger vertritt auch im Berufungsverfahren die Auffassung, aus dem Wortlaut des § 2a Ziff. 6 Satz 1 MTV ergäbe sich nicht, dass der Altersfreizeittag nicht von Urlaub umschlossen sein könne. Die Altersfreizeit entfalle nur, wenn der Arbeitnehmer am gleichen Tag aus einem anderen Grund, insbesondere wegen Urlaub, Krankheit, Feiertag oder Freistellung von der Arbeit, nicht arbeite. Der Kläger habe aber für den 22. Mai 2019 gerade keinen Urlaub beantragt. Auch hätten die Tarifvertragsparteien nicht grundsätzlich die wöchentliche Arbeitszeit für über x-jährige reduziert, wie dies das Arbeitsgericht meine. § 2a Abs. 1 MTV bestimme vielmehr, dass x-jährige Arbeitnehmer je Woche eine zweieinhalbstündige Altersfreizeit erhielten. Lediglich faktische Folge dieser Regelung sei, dass sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 37,5 auf 35 Stunden reduziere. Er ist der Auffassung, sofern die Tarifvertragsparteien die wöchentliche Arbeitszeit für ältere Arbeitnehmer hätten reduzieren wollen, hätten sie eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden unter Entgeltausgleich vereinbart. Die Betroffenen würden dann 3 Wochen Mehrarbeit leisten, die durch Altersfreizeit ausgeglichen werde. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Anrechnung des Urlaubs auf den Altersfreizeittag würde hingegen zu unbezahlter Mehrarbeit führen, weil der Arbeitnehmer im Zeitraum von 3 Wochen einen Tag mehr gearbeitet hätte als es nach MTV und Betriebsvereinbarung gewollt und vereinbart sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 20. Juli 2020, Az: 13 Ca 317/19, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Urlaubskonto des Klägers einen Urlaubstag wieder gutzuschreiben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 22. Dezember 2020 sowie ihres weiteren Schriftsatzes vom 11. Januar 2021, auf die die Kammer Bezug nimmt.
Entscheidungsgründe
A.
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Berufungsvorbringen des Klägers gibt keinen Anlass zu einer abändernden Entscheidung.
I.
Die Klage ist zulässig, sie ist insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger verlangt von der Beklagten in Form der Leistungsklage die Gutschrift eines weiteren Urlaubstags auf seinem von der Beklagten geführten Urlaubskonto. Eine solche Klage ist zulässig. Der Arbeitnehmer hat Anspruch darauf, dass sein Urlaubs- und Arbeitszeitkonto richtig geführt wird. Das Klageziel richtet sich darauf, den Urlaubskonto einen weiteren Tag gutzuschreiben und damit letztlich einen Urlaubstag nach zu gewähren (BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 9).
II.
Die Klage ist nicht begründet.
1.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gutschrift eines Urlaubstages für das Jahr 2019 auf seinem Arbeitszeitkonto. Die Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitgeber, der sich im Verzug mit der Urlaubsgewährung befindet, dem Arbeitnehmer Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub zu leisten hat (, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 3, 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB), liegen nicht vor. Unstreitig hat der Kläger an insgesamt 29 Arbeitstagen Urlaub erhalten. Die Beklagte hat dem Kläger aber auch am 22. Mai 2019, mithin an insgesamt 30 Arbeitstagen im Jahr 2019 Urlaub gewährt und damit seinen 30-tägigen tariflichen Urlaubsanspruch (§ 12 II. MTV) des Jahres 2019 erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).
a)
Grundsätzlich wird der Urlaub durch eine Erklärung des Arbeitgebers gewährt, mit der der Arbeitnehmer für eine bestimmte Zeit von der Arbeitspflicht befreit wird. Die Freistellungserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung (§ 130 Abs. 1 BGB), die mit Zugang beim Arbeitnehmer wirksam wird. Der Leistungserfolg tritt ein, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich von der Arbeitspflicht befreit wird.
b)
Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte dem Kläger auch für den 22. Mai 2019 Urlaub gewährt.
Zwar hat der Kläger bei der Beantragung seines Urlaubs im Zeitraum 20. Mai 2019 bis 31. Mai 2019 darauf hingewiesen, dass der 22. Mai 2019 sein Altersfreizeittag sei und er daher Urlaub vom 20. Mai 2019 bis 21. Mai 2019 und vom 23. Mai 2019 bis 31. Mai 2019 (der 30. Mai 2019 war ein Feiertag, Christi Himmelfahrt) nehmen möchte. Die Beklagte hat ihm aber mit E-Mail vom 14. Mai 2019 mitgeteilt, dass sein Altersfreizeittag nicht von Urlaub umschlossen sein dürfe, er daher noch einen weiteren Tag Urlaub benötige und dies erst einmal so eingepflegt worden sei. Sofern dort alternativ ein Gleittag eingetragen werden solle, solle er dies mitteilen. Der Kläger machte keine entsprechende Mitteilung, woraufhin es bei der Eintragung des 22. Mai 2019 als Urlaubstag verblieb. Der Kläger nahm vom 20. Mai 2019 bis 31. Mai 2019 Urlaub. Damit ist der Leistungserfolg eingetreten. Darauf, ob es überhaupt zulässig gewesen wäre, am 22. Mai 2019 einen Gleittag zu nehmen, was der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem LAG am 13. Januar 2020 in Abrede stellte, kommt es hingegen nicht an.
2.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, die Nichtarbeit am 22. Mai 2019 habe nicht zum Erlöschen seines Urlaubsanspruchs geführt, weil er an diesem Tag ohnehin wegen des zu Beginn des Jahres festgelegten Altersfreizeittags nicht hätte arbeiten müssen. Im Streitfall war der Kläger zwar zunächst aufgrund seines Altersfreizeitanspruchs für den 22. Mai 2019 von der Arbeitspflicht befreit, dieser Anspruch ist jedoch durch die Urlaubsgewährung im Zeitraum 20. Mai 2019 bis 31. Mai 2019 entfallen. Dies ergibt die Auslegung der anzuwendenden tariflichen Bestimmungen.
a)
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist unstreitig der Manteltarifvertrag für die C. I. vom 24. Juni 1992 in der Fassung vom 17. Mai 2017 (künftig: MTV) für den hier maßgeblichen Urlaubszeitraum 2019 gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG anzuwenden. Wegen des genauen Wortlauts dieses Tarifvertrags wird auf die Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 06. Januar 2021 (Bl. 168 ff. dA) verwiesen.
b)
Die hier maßgeblichen Tarifvorschriften haben auszugsweise folgenden Wortlaut:
"§ 2a Altersfreizeiten
1. Arbeitnehmer, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, erhalten eine zweieinhalbstündige Altersfreizeit je Woche.
Soweit für Arbeitnehmer aufgrund einer Regelung nach § 2 I Ziffer 3 oder einer Einzelvereinbarung oder aufgrund von Kurzarbeit eine um bis zu zweieinhalb Stunden kürzere wöchentliche Arbeitszeit als die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit gilt, vermindert sich die Altersfreizeit entsprechend. Liegt die Arbeitszeit um zweieinhalb Stunden oder mehr unter der tariflichen Arbeitszeit, entfällt die Altersfreizeit.
2. Die Lage der Altersfreizeiten kann zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG vereinbart werden. Vorrangig sollen Altersfreizeiten am Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag gewährt werden.
Ist aus Gründen des Arbeitsablaufs eine Zusammenfassung der Altersfreizeiten zu freien Tagen erforderlich, können sich die Betriebsparteien hierauf einigen.
Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht, so fallen Altersfreizeiten auf den Mittwochnachmittag.
3. Arbeitnehmer in voll- oder teilkontinuierlicher Wechselschichtarbeit sowie Arbeitnehmer in Zweischichtarbeit, wenn sie regelmäßig auch Spätschichten leisten, erhalten abweichend von Ziffer 1 bereits ab Vollendung des 55. Lebensjahres eine zweieinhalbstündige Altersfreizeit je Woche.
Für Arbeitnehmer in vollkontinuierlicher Wechselschichtarbeit, die das 55. Lebensjahr vollendet oder mindestens 15 Jahre vollkontinuierlich Wechsel-schichtarbeit geleistet haben, erhöht sich die Altersfreizeit je Woche um eine Stunde auf dreieinhalb Stunden.
Ziffer 1 Abs. 2 gilt entsprechend.
Für Arbeitnehmer in voll- oder teilkontinuierlicher Wechselschichtarbeit, sind die Altersfreizeiten zu Freischichten zusammenzufassen. Die Freischichten sind möglichst gleichmäßig verteilt in dem Verhältnis auf Früh-, Spät-und Nachtschichten zu legen, wie diese im Laufe des Kalenderjahres nach dem jeweiligen Schichtplan anfallen.
4. Arbeitnehmer, deren höchstens 24-stündige Anwesenheitszeit im Betrieb sich unterteilt in Arbeit, Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsruhe, erhalten nach dem vollendeten 57. Lebensjahr möglichst gleichmäßig verteilt jährlich 8 weitere 24-stündige Freizeiten als Altersfreizeiten.
5. Für die Arbeitszeit, die infolge einer Altersfreizeit ausfällt, wird das Entgelt fortgezahlt, das der Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn er gearbeitet hätte, einschließlich der Schichtzulagen, jedoch ohne Erschwerniszulagen und ohne die Zuschläge nach § 4 I.
6. Die Altersfreizeit entfällt, wenn der Arbeitnehmer am gleichen Tag aus einem anderen Grund, insbesondere wegen Urlaub, Krankheit, Feiertag oder Freistellung von der Arbeit nicht arbeitet. Macht der Arbeitnehmer von einer Altersfreizeit keinen Gebrauch, so ist eine Nachgewährung ausgeschlossen.
Wird auf Verlangen eines Arbeitgebers aus dringenden betrieblichen Gründen nicht am vorgesehenen Tag gegeben, so ist die innerhalb von drei Monaten nachzugewähren."
3.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (st. Rspr. zuletzt BAG 11. November 2020 - 4 AZR 210/20 - Rn. 20).
4.
Bei der gebotenen Anwendung dieser Rechtsgrundsätze, ergibt die Auslegung der maßgeblichen tariflichen Bestimmungen, dass der aufgrund zusammengefasster Altersfreizeiten im Jahresschichtplan/Altersfreizeitplan festgelegte Altersfreizeittag gem. § 2a Abs. 6 MTV entfällt, wenn dieser nicht vor oder direkt im Anschluss an den Urlaub liegt, sondern im Urlaubszeitraum, mithin von Urlaub umschlossen ist.
a)
Die Altersfreizeitregelung des § 2a MTV stellt nach der gemeinsamen Interpretation der Tarifparteien vom 08 Januar 1993 (Anlage B1 zum SS der Beklagten vom 22. Dezember 2020, Bl. 156 ff. dA) "eine spezielle Form einer Arbeitszeitverkürzung für ältere Arbeitnehmer dar, deren Wochenarbeitszeit sonst 35 Stunden überschreiten würde." Sie soll diesen "den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand erleichtern" und ihnen "in der Wochenmitte Gelegenheit zum Durchatmen" geben. Arbeitnehmer, die besonderen Arbeitszeitbelastungen unterliegen (Wechselschichtarbeit, Arbeit mit Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsruhe) erhalten gem. § 2a Abs. 3 und 4 MTV früher bzw. in erhöhtem Umfang Altersfreizeiten. Dabei gehen die Tarifparteien zunächst von einer wöchentlichen Altersfreizeit von zweieinhalb Stunden aus, deren Lage nach § 2a Abs. 2 MTV zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unter Beachtung des § 76 Abs. 6 BetrVG vereinbart werden kann, wobei diese vorrangig am Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag gewährt werden sollen. Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht, so fallen die Altersfreizeiten auf den Mittwochnachmittag (§ 2a Ziff. Abs. 3 MTV). Ist aus Gründen des Arbeitsablaufs eine Zusammenfassung der Altersfreizeiten zu freien Tagen erforderlich, können sich die Betriebsparteien hierauf einigen (§ 2a Abs. 2 Satz 3 MTV). Für Arbeitnehmer in voll- oder teilkontinuierlicher Wechselschichtarbeit müssen die Altersfreizeiten hingegen zu Freischichten zusammengefasst und möglichst gleichmäßig verteilt in dem Verhältnis auf Früh -, Spät - und Nachtschichten gelegt werden, wie diese im Laufe des Kalenderjahres nach dem jeweiligen Schichtplan anfallen (§ 2a Ziff. 3 Abs. 4 MTV). § 2a Abs. 6 MTV regelt sodann das Zusammentreffen der Altersfreizeit mit anderen Freistellungsgründen. Die Altersfreizeit entfällt nach dieser Vorschrift, wenn der Arbeitnehmer am gleichen Tag aus einem anderen Grund, insbesondere wegen Urlaub, Krankheit, Feiertag oder Freistellung von der Arbeit nicht arbeitet. Für den Fall der wöchentlich gewährten zweieinhalbstündigen Altersfreizeit ist dies zwischen den Parteien auch nicht streitig.
b)
Der Wortlaut sowie Sinn und Zweck und der systematische Zusammenhang der tariflichen Altersfreizeitregelung sprechen aber dafür, dass die Altersfreizeit beim Zusammentreffen mit anderen Freistellungsgründen - wie im Streitfall bei Urlaubsgewährung - auch dann entfallen soll, wenn sie zu freien Tagen zusammengefast wird.
aa)
Schon Wortlaut des § 2a Abs. 6 MTV differenziert hinsichtlich des angeordneten Entfalls der Altersfreizeit nicht danach, ob diese durch zweieinhalbstündige wöchentliche Freistellung oder in Form von freien Tagen gewährt wird.
bb)
Auch Sinn und Zweck der Altersfreizeit und der Regelung in § 2a Abs. 6 MTV sprechen für den Entfall des Altersfreizeittags im Urlaubszeitraum.
(1)
Grundsätzlich setzt die Gewährung von Urlaub voraus, dass dieser im vorgegebenen Zeitraum erfüllbar ist. Das ist nur möglich, wenn der Arbeitnehmer von seiner vertraglichen Arbeitspflicht befreit werden kann. Denn Urlaub kann nur für Tage erteilt werden, an denen der Arbeitnehmer aufgrund der Verteilung seiner Arbeitszeit eigentlich hätte arbeiten müssen, weil Urlaubserteilung die Befreiung von der Arbeitspflicht für einen bestimmten künftigen Zeitraum ist (st. Rspr. BAG vgl. BAG 15.3.2011 - 9 AZR 799/09 - Rn. 20 mwN). Muss er bereits aus anderen Gründen nicht arbeiten, bspw., weil er arbeitsunfähig erkrankt ist (BAG 18. März 2014 - 9 AZR 669/12 - Rn. 16), kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht von der Arbeitspflicht ein weiteres Mal befreien, die von ihm geschuldete Erfüllungshandlung ist mithin nicht möglich und der Urlaubsanspruch erlischt nicht.
(2)
§ 2a Abs. 6 MTV sieht hingegen nicht nur für Urlaub, sondern auch für andere Fallgestaltungen den Entfall der Altersfreizeit an Tagen vor, an denen der Arbeitnehmer aus anderen Gründen ohnehin nicht arbeiten müsste, gleichwohl aber Entgelt (-fortzahlung) erhält. Ebenso wie eine Urlaubsgewährung an einem Tag ohne Arbeitspflicht nicht möglich ist, würde die Entgeltfortzahlung wegen Krankheit oder Feiertag bzw. sonstiger Freistellung entfallen, wenn am betreffenden Tag keine Arbeitspflicht besteht. Es ist davon auszugehen, dass den Tarifvertragsparteien dies bekannt war. Die Regelung in § 2a Abs. 6 MTV, macht daher nur Sinn, wenn mit ihr bezweckt werden sollte, dass der Arbeitnehmer beim Zusammentreffen von Altersfreizeit mit anderen Gründen der Nichtarbeit - insbesondere Urlaub, Krankheit, Feiertag oder Freistellung - nicht bereits durch die festgelegte Altersfreizeit von seiner Arbeitspflicht befreit ist. § 2a Abs. 6 MTV weist damit das Risiko der Nutzungsmöglichkeit der Altersfreizeit dem Arbeitnehmer zu, indem er den Entfall anordnet, wenn er am gleichen Tag aus einem anderen Grund nicht arbeitet. Dies entspricht auch dem von den Tarifparteien in der gemeinsamen Interpretation von 1993 beschriebenen Sinn und Zweck der Regelung, nach dem den älteren Arbeitnehmern der Übergang in den Ruhestand erleichtert und ihnen in der Wochenmitte Gelegenheit zum "Durchatmen" gegeben werden soll. Arbeiten sie schon aus anderen Gründen nicht, bedarf es keiner zusätzlichen Freistellung. Auch § 2a Abs. 6 Satz 2 MTV, nach dem eine Nachgewährung von Altersfreizeit, von der der Arbeitnehmer keinen Gebrauch macht, ausgeschlossen ist, bestätigt dies. Da es sich bei der Altersfreizeit um eine tariflich gewährte Vergünstigung handelt, schließt das im Übrigen die Befugnis der Tarifparteien ein, die Risikoverteilung der Nutzungsmöglichkeit zu Lasten der Arbeitnehmer zu regeln.
c)
Die Systematik der Tarifvorschrift des § 2a MTV spricht schließlich dafür, dass die vorgenommene Risikoverteilung, nach der die Altersfreizeit bei Urlaub, Krankheit, Feiertag oder sonstiger Freistellung entfällt, für alle älteren Arbeitnehmer gelten soll, egal in welcher Form sie ihre Altersfreizeit nehmen. Insb. die Stellung der Vorschrift des § 2a Abs. 6 MTV am Ende der Bestimmungen zur Altersfreizeit, lässt darauf schließen, dass sie sowohl auf die Arbeitnehmergruppen die wöchentlich eine zweieinhalbstündige Altersfreizeit erhalten, wie auf diejenigen, die in voll- oder teilkontinuierlicher Wechselschichtarbeit arbeiten und auch auf diejenigen, für die aus Gründen des Arbeitsablaufs eine Zusammenfassung der Altersfreizeit zu freien Tagen durch Betriebsvereinbarung erforderlich ist, gleichermaßen angewendet werden soll (vgl. ähnlich auch LAG München 15.3.2017 - 10 Sa 753/16 - unter II. 4. dGr.).
d)
Im Fall des hier streitigen Zusammentreffens von Altersfreizeit mit Urlaub streitet zudem der tarifliche Gesamtzusammenhang für die vorgenommene Auslegung. Denn der tarifliche Urlaub ist nach § 12 Abs. 9 MTV (wie auch der gesetzliche nach § 7 Abs. 2 BurlG) grundsätzlich in längeren zusammenhängenden Abschnitten zu nehmen. Auch ist ein Rückruf aus dem Urlaub rechtlich nicht möglich, während gem. § 2a Abs. 6 Satz 3 MTV auf Verlangen des Arbeitgebers eine Altersfreizeit, die am vorgesehenen Tag aus dringenden betrieblichen Gründen nicht gegeben wird, verlegt werden kann. Dies spricht dagegen, dass der Altersfreizeittag von Urlaub umschlossen ist.
e)
Ein anderes Verständnis der Tarifnorm führte im Übrigen auch zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) verschiedener Arbeitnehmergruppen. Soweit nämlich § 2a Ziff. 6 MTV bestimmt, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Altersfreizeit entfällt, wenn er am gleichen Tag aus einem anderen Grund - insbesondere wegen Urlaub, Krankheit, Feiertag oder Freistellung von der Arbeit - nicht arbeitet, würde die tariflich nach § 2a Abs. 2 MTV durch Betriebsvereinbarung mögliche bzw. nach § 2a Abs. 3 MTV für voll- oder teilkontinuierliche Wechselschichtarbeit angeordnete Zusammenfassung der wöchentlichen zweieinhalbstündigen Altersfreizeit zu einer Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer führen, die eine wöchentliche zweieinhalbstündige Altersfreizeit erhalten, weil für diese während des 6-wöchigen Urlaubs die Altersfreizeit ersatzlos entfällt. Dem tariflichen Gesamtzusammenhang ist aber nicht zu entnehmen, dass der Tarifvertrag diese beiden Arbeitnehmergruppen ohne erkennbaren sachlichen Grund ungleich behandeln wollte. Schließlich kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen wollten. Hingegen führt die hier vorgenommene Auslegung- entgegen der Auffassung des Klägers - nicht deshalb zu einer Schlechterstellung der Arbeitnehmergruppe, deren Altersfreizeit zu freien Tagen zusammengefasst ist, weil sie durch die zusammengefassten Altersfreizeiten in Vorleistung gegangen sind. Zwar verlieren sie durch die Urlaubsgewährung in der Woche, in der ein Altersfreizeittag liegt, ihren bereits in den beiden Vorwochen erarbeiteten Altersfreizeitanspruch, sie sammeln jedoch auch während des Urlaubs wieder Altersfreizeitansprüche an, ohne dass sie gearbeitet haben. Entsprechendes gilt auch für Arbeitsunfähigkeitszeiten, Feiertage oder sonstige Freistellung. Dieses - von der Beklagten als Glück-Pech beschriebene Prinzip - war zwischen den Parteien im Laufe der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 13. Januar 2021 auch nicht streitig. Für den Urlaub bedeutet dies, dass bei geschickter Urlaubsplanung, wie sie jedenfalls für den Kläger grundsätzlich möglich ist, sofern er von Donnerstag nach einem Altersfreizeittag bis Dienstag vor dem nächsten Altersfreizeittag Urlaub nimmt, kein Entfall von Altersfreizeittagen eintritt (Glück). Andererseits können durch Urlaubsname ebenso wie durch die Lage der Feiertage oder Arbeitsunfähigkeitszeiten Altersfreizeittage entfallen (Pech).
B.
Als unterlegene Partei der Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 97Abs. 1 ZPO zu tragen.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a ArbGG wird hingewiesen