Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.12.2021, Az.: 3 TaBV 1/21

Beteiligtenfähigkeit und Zulässigkeit eines Rechtsmittels; Verlust der Beteiligtenfähigkeit im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren; Erlöschen der Antragsbefugnis im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
09.12.2021
Aktenzeichen
3 TaBV 1/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 57884
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2021:1209.3TaBV1.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Lüneburg - 12.11.2020 - AZ: 4 BV 1/20

Fundstellen

  • FA 2022, 80
  • FA 2022, 113
  • NZA 2022, 361
  • NZA-RR 2022, 141-143

Amtlicher Leitsatz

Erlischt das Amt des antragstellenden Betriebsrats während eines Verfahrens nach BetrVG § 18 Abs 2 durch eine Neuwahl verliert der Antragsteller seine Beteiligtenfähigkeit.

Redaktioneller Leitsatz

1. Ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren die Beteiligtenfähigkeit streitig, wird sie hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsmittels unterstellt. Es entspricht einem allgemeinen prozessualen Grundsatz, dass eine Partei, deren Parteifähigkeit oder gar rechtliche Existenz überhaupt im Streit steht, wirksam ein Rechtsmittel mit dem Ziel einlegen kann, eine Sachentscheidung zu erlangen.

2. Das Interesse, in einem Betrieb mit dem Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG feststellen zu lassen, ob es mehrere betriebsratsfähige Einheiten gibt, besteht nicht abstrakt und losgelöst von dem für einen solchen Antrag Berechtigten. Ein Betriebsrat, dessen Amt erloschen ist, verfügt nicht mehr über dieses Feststellungsinteresse und verliert daher die Antragsbefugnis. Sein Antrag im Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG ist dann nicht mehr zulässig.

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 12.11.2020 (Az.: 4 BV 1/20) wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsteil Rettungsdienst bei dem Arbeitgeber eine betriebsratsfähige Einheit darstellt.

Der zu Ziffer 2 beteiligte Arbeitgeber ist im Bereich ambulante und stationäre Pflege sowie Kindertagesstätten tätig. Darüber hinaus wurde ihm gemeinsam mit dem A. und der städtischen Klinik L. gGmbH der Rettungsdienst übertragen.

Im Betriebsteil Rettungsdienst war langjährig - auch als dieser zwischenzeitlich der gemeinnützigen Gesellschaft für soziale Einrichtungen mbH übertragen war - ein Betriebsrat gewählt worden. Mit diesem Betriebsrat waren Betriebsvereinbarungen für den Rettungsdienst abgeschlossen worden.

Durch den Tarifvertrag zur Überleitung in den D. Kreisverband L. e. V. (der Beteiligte zu 2.) gingen die Mitarbeiter des Rettungsdienstes zum 01.05.2019 auf den Beteiligten zu 2) über.

Der Beteiligte zu 1) ist der zuletzt bei der gemeinnützigen Gesellschaft für soziale Einrichtungen gebildete Betriebsrat für den Bereich Rettungsdienst.

Von der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer her ist der Bereich Rettungsdienst kleiner als die anderen von dem Beteiligten zu 2) betriebenen Einrichtungen. In letzteren Einrichtungen war ebenfalls ein Betriebsrat gebildet worden. Dieser bestellte - auch weil die Anzahl der Betriebsratsmitglieder unter die erforderliche Anzahl gesunken war - am 15.11.2019 einen Wahlvorstand zur Einleitung von Neuwahlen für einen betriebseinheitlichen Betriebsrat. Bei der Wahl vom 21.04.2020 wurde ein neunköpfiger Betriebsrat gewählt. Auch Arbeitnehmer aus dem Bereich Rettungsdienst wurden zu Mitgliedern dieses Betriebsrates gewählt, darunter der Vorsitzende des Beteiligten zu 1). Mehrere Arbeitnehmer fochten die Wahl dieses Betriebsrats an. Noch vor der Entscheidung des Arbeitsgerichts in dem Wahlanfechtungsverfahren traten alle Betriebsratsmitglieder im Oktober 2020 geschlossen zurück. Daraufhin erfolgte im Sommer 2021 eine Neuwahl eines betriebseinheitlichen Betriebsrates, des hier zu 3) beteiligten Betriebsrats. Diese Wahl wurde nicht angefochten.

Der Rettungsdienst der Arbeitgeberin wird von sechs Rettungswachen betrieben, zwei davon in L., die übrigen vier über den Landkreis verteilt. Eine Rettungswache in L. befindet sich am Geschäftssitz der Beteiligten zu 2). Der Leiter des Rettungsdienstes ist Herr K., der seit dem 01.01.2021 auch als nicht zeichnungsberechtigter Stellvertreter des Geschäftsführers des Beteiligten zu 1) fungiert.

Herr K. hat bezüglich des Rettungsdienstes eigene Entscheidungskompetenzen hinsichtlich des Dienstplanes und des Urlaubplanes. Sowohl Herr K. als auch der Geschäftsführer des Beteiligten zu 2) führen Einstellungsgespräche. Die Arbeitsverträge werden vom Geschäftsführer unterschrieben. Streitig ist, welche Entscheidungsbefugnis Herr K. bei Einstellungen hat. Unstreitig ist, dass Herr K. nach Durchführung von Einstellungsgesprächen durch ihn sich gegen den expliziten Willen der Geschäftsführung für die Einstellung von zwei Mitarbeitern entschlossen hat und dies auch umgesetzt wurde.

Es gibt einen Leitfaden Rettungsdienst für den Landkreis L., in dem auf Seite 2 die Unterzeichner mit ihrer Unterschrift "ihr Einverständnis mit dem Inhalt des Leitfadens Rettungsdienst (erklären)" und "ihn als bindende Dienstanweisung an(erkennen)". Für den Beteiligten zu 2) unterzeichnete Herr K. als "Rettungsdienstleiter D. L." am 05.03.2019. Wegen der genauen Einzelheiten wird auf Blatt 73 ff. der Akte Bezug genommen. Außerdem führte Herr K. Verhandlungen mit einem Fahrzeugbauer zur Einholung eines Angebots für einen neuen Rettungswagen. Herr K. spricht keine Kündigungen von Arbeitnehmern aus, kann jedoch mit Abmahnungen drohen. Bei Verhandlungen über den Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung Arbeitszeit vor Februar 2020 wollte der Beteiligte zu 2) nicht in Abwesenheit von Herrn K. die Verhandlungen führen.

Die Sitzungen des Beteiligten zu 1) fanden regelmäßig freitags statt. Er traf am 31.01.2020 unter den Tagesordnungspunkt 3. den Beschluss, das vorliegende Verfahren einzuleiten und den Prozessbevollmächtigten des Beteiligten zu 1) mit der Durchführung des Verfahrens zu beauftragen. Die Einladung an sämtliche Mitglieder unter Mitteilung der Tagesordnungspunkte erfolgte am 27.01.2020. Von den 5 Betriebsratsmitgliedern waren am 31.01.2020 4 erschienen, die den Beschluss einstimmig trafen. Wegen des genauen Inhalts des Beschlusses wird auf die Anlage AST 2 zum Schriftsatz des Antragstellers vom 05.10.2021 (Bl. 261 d. A.) Bezug genommen. Noch vor der Betriebsratswahl im April 2020 hat der antragstellende Beteiligte zu 1) am 28.02.2020 das vorliegende Verfahren anhängig gemacht.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, er sei auch nach der Neuwahl des betriebseinheitlichen Betriebsrats weiterhin antragsbefugt, da er schon vor der Neuwahl das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet habe und ein Interesse daran habe, zu klären, ob der Bereich Rettungsdienst eine eigene betriebsratsfähige Einheit darstelle.

Durch Herrn K. liege eine eigenständige Leitung des Betriebsteils Rettungsdienst vor, der eine genügende Verselbstständigung aufweise. Der Antragsteller hat behauptet, Herr K. entscheide eigenständig über Einstellungen. Der Geschäftsführung fehlten die notwendigen Kenntnisse bei Verhandlungen über die Betriebsvereinbarung Arbeitszeit.

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, dass der Betriebsteil Rettungsdienst des Beteiligten zu 2) eine betriebsratsfähige Organisationseinheit im Sinne von § 1 Abs. 1 bzw. § 4 Abs. 1 BetrVG darstellt.

Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dem Antragsteller fehle es bereits an seiner Aktivlegitimation. Spätestens mit der Neuwahl des betriebseinheitlichen Betriebsrats am 21.04.2020 sei sein Amt erloschen.

Der Beteiligte zu 2) hat behauptet, auch für die Mitarbeiter des Rettungsdienstes übe der Geschäftsführer zentral die Leitung aus. Beispielsweise bei Einstellungen und Betriebsvereinbarungen sei Herr K. nicht entscheidungsbefugt. Herr K. sei jedoch berechtigt, Vorschläge zu machen; der Geschäftsführer stimme sich mit Herrn K. ab. Die Dienstanweisung des Landkreises habe Herr K. im Auftrag des Geschäftsführers unterzeichnet.

Durch Beschluss vom 12.11.2020 hat das Arbeitsgericht Lüneburg den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass der Beteiligte zu 1) antragsberechtigt sei. Es entspreche dem Sinn und Zweck des in § 18 Abs. 2 BetrVG vorgesehenen Verfahrens, den Betriebsrat eines Betriebsteils, der bisher als selbstständig angesehen worden ist, auch nach Neuwahl eines betriebseinheitlichen Betriebsrats weiterhin als antragsberechtigt anzusehen. Der Antrag sei jedoch nicht begründet, denn der Rettungsdienst sei weder räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt noch gelte er wegen Eigenständigkeit in Aufgabenbereich und Organisation als selbstständig. Er verfolge keinen "gesonderten arbeitstechnischen Zweck". Herr K. übe nicht die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten aus. Wegen der genauen Einzelheiten der Begründung wird auf Ziffer 2 der Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss, der dem Beteiligten zu 1) am 04.12.2020 zugestellt worden ist, hat dieser am 04.01.2021 Beschwerde eingelegt. Der Beschwerdeschriftsatz enthielt nicht eingebettete Schriftarten. Nachdem das Landesarbeitsgericht den Beteiligten zu 1) mit Beschluss vom 01.02.2021, der dem Beteiligten zu 1) am 03.02.2021 zugestellt worden war, darauf hingewiesen hat, hat dieser am 03.02.2021 die Beschwerde erneut eingereicht mit durchgehend eingebetteten Schriftarten. Am 05.02.2021 ist eine dementsprechende anwaltliche Versicherung beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Beschwerdebegründung ging sodann am 04.03.2021 ein, nachdem die Begründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.

Das Landesarbeitsgericht hat den Beteiligten zu 3) mit Beschluss vom 08.10.2021 im Beschwerdeverfahren beteiligt. Ihm wurde der Beschluss des Arbeitsgerichts am 16.10.2021 zugestellt.

Der Antragsteller wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er behauptet, der Rettungsdienst sei auch wegen räumlich weiter Entfernung vom Hauptbetrieb als betriebsratsfähige Einheit anzusehen. Im Übrigen vertritt er die Auffassung, dass aufgrund der unstreitigen Tatsachen eine genügende Eigenständigkeit des Rettungsdienstes für eine betriebsratsfähige Einheit vorliege.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 12.11.2020 zum Az. 4 BV 1/20 abzuändern und festzustellen, dass der Betriebsteil Rettungsdienst des D.-Kreisverbandes L. e.V. eine betriebsratsfähige Organisationseinheit im Sinne von § 1 Abs. 1 bzw. § 4 Abs. 1 BetrVG darstellt.

Der Arbeitgeber beantragt,

die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 12.11.2020, Az. 4 BV 1/20, zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 3) hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

B.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

I.

Die Beschwerde ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft.

1.

Sie ist gemäß §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 89 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Die per beA am 04.01.2021 übermittelte Beschwerde war allerdings formatfehlerhaft. Sie genügte nicht den Anforderungen an ein elektronisches Dokument gemäß § 46 c Abs. 1, 2 ArbGG. Nach Ziff. 1 Satz 1 der ERVB 2019, die aufgrund §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 5 Abs. 1 Ziff. 1 der ERVV (§ 46 c Abs. 2 Satz 2 ArbGG) gilt, müssen sämtliche Schriftarten in ein elektronisches Dokument eingebettet sein. Dies war nicht der Fall. Keine der verwendeten Schriftarten war in das Dokument eingebettet.

Die mit dem fehlerhaften Dateiformat versehene Beschwerde gilt jedoch als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, denn der Antragsteller hat gemäß § 46 c Abs. 6 Satz 2 ArbGG das Dokument unverzüglich nach dem gerichtlichen Hinweis auf die Unwirksamkeit in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachgereicht und glaubhaft gemacht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt. Der entsprechende Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 01.02.2021 ist dem Antragsteller-Vertreter am 03.02.2021 zugegangen. Binnen 4 Tagen und damit unverzüglich, nämlich bis zum 05.02.2021, hat der Antragsteller diese Voraussetzungen erfüllt. Noch am 03.02.2021 ist bei dem Landesarbeitsgericht die Beschwerde in zulässiger Form mit in das Dokument eingebetteten Schriftarten eingegangen. Die anwaltliche Versicherung, dass der am 03.02.2021 per beA versandte Schriftsatz inhaltlich mit dem Schriftsatz vom 03.01.2021 übereinstimme, ist sodann am 05.02.2021 erfolgt.

2.

Für die Zulässigkeit der Beschwerde fehlt es auch nicht an der Beteiligtenfähigkeit des Beschwerdeführers.

Ist die Beteiligtenfähigkeit eines Betriebsrats streitig, wird sie hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsmittels unterstellt. Es entspricht einem allgemeinen prozessualen Grundsatz, dass eine Partei, deren Parteifähigkeit oder gar rechtliche Existenz überhaupt im Streit steht, wirksam ein Rechtsmittel mit dem Ziel einlegen kann, eine Sachentscheidung zu erlangen (vgl. BAG 18.03.2015 - 7 ABR 42/12 - Rn. 12; vom 19.12.2018 - 7 ABR 79/16 - Rn. 20).

So liegt es hier. Zwar ist die Antragsbefugnis und Beteiligungsfähigkeit des Antragstellers streitig. Nach den soeben dargestellten Grundsätzen kann er jedoch das Rechtsmittel der Beschwerde mit dem Ziel einlegen, eine Sachentscheidung zu erlangen.

3.

Eine gesonderte Beschlussfassung des Antragstellers über die Bevollmächtigung seines Rechtsanwaltes zur Einlegung der Beschwerde war nicht erforderlich. Die einem Rechtsanwalt erteilte Verfahrensvollmacht umfasst auch die Berechtigung zur Einlegung von Rechtsmitteln. Für die Zulässigkeit der Beschwerde kommt es nicht darauf an, ob der ursprünglich erteilten Vollmacht zur Einleitung des Beschlussverfahrens ordnungsgemäße Beschlüsse des Antragstellers zugrunde lagen (vgl. BAG 06.12.2006 - 7 ABR 62/05 - Rn. 12).

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist jedoch unbegründet. Denn sein Antrag ist unzulässig geworden. Der Beteiligte zu 1 ist nicht mehr beteiligtenfähig.

1.

Ist das Amt eines an einem Beschlussverfahren beteiligten Betriebsrats erloschen, endet damit dessen Beteiligtenfähigkeit. Wird ein neuer Betriebsrat gewählt, wird der neu gewählte Betriebsrat nach dem Prinzip der Funktionsnachfolge und dem Grundgedanken der Kontinuität betriebsverfassungsrechtlicher Interessenvertretungen Funktionsnachfolger seines Vorgängers und tritt in dessen Beteiligtenstellung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren automatisch ein (vgl. BAG 19.12.2018 - 7 ABR 79/16 - Rn. 19).

Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Antrags ist hier zu unterstellen, dass es sich bei dem Rettungsdienst um eine betriebsratsfähige Einheit handelt. In diesem Fall war der Antragsteller bei Einleitung des Beschlussverfahrens noch im Amt. Es lag kein Übergangsmandat des bei der Arbeitgebergeberin gewählten Betriebsrats nach § 21 a Abs. 2 BetrVG vor. Denn in diesem Fall wären der Rettungsdienst und die übrigen Betriebe oder Betriebsteile des Beteiligten zu 2) nicht zu einem Betrieb zusammengefasst worden, so dass auch der Betriebsrat bei der Beteiligten zu 2) kein Übergangsmandat nach § 21 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG wahrnehmen musste.

Hier gilt erneut, dass bei Doppelrelevanz einer Tatsache diese für die Zulässigkeit unterstellt wird.

Jedoch ist das Amt des Antragstellers mit der Wahl des betriebseinheitlichen Betriebsrates am 21.04.2020 erloschen. Es hat eine Funktionsnachfolge auf den Beteiligten zu 3) stattgefunden. Dies gilt insbesondere, wenn während eines laufenden Beschlussverfahrens anstelle von mehreren in den Betrieben des Unternehmens gewählten Betriebsräten aufgrund der rechtlichen Beurteilung des Wahlvorstands ein Betriebsrat für einen - tatsächlichen oder vermeintlichen - einheitlichen Betrieb gewählt wird (vgl. BAG 12.02.2013 - 7 ABR 36/11 - Rn. 16 sogar für den Fall eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen).

So liegt es hier, der Wahlvorstand hatte die Wahl eines betriebseinheitlichen Betriebsrats ausgeschrieben und diese durchgeführt. Auch wenn diese Wahl angefochten wurde, ändert sich vorliegend nichts, denn spätestens im Sommer 2021 fand aufgrund des Rücktritts aller Betriebsratsmitglieder erneut eine Wahl eines betriebseinheitlichen Betriebsrates statt, die nicht angefochten wurde. Der Beteiligte zu 3) ist somit Funktionsnachfolger des Beteiligten zu 1).

2.

Dies gilt auch in einem Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG, wenn der Antragsteller zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens noch im Amt war und erst während des Verfahrens sein Amt verloren hat.

a)

Nach § 18 Abs. 2 BetrVG kann bei Zweifeln darüber, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, unter anderem jeder beteiligte Betriebsrat eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragen. Das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG klärt eine für die gesamte Betriebsverfassung grundsätzliche Vorfrage, in dem verbindlich festgelegt wird, welche Organisationseinheit als der Betrieb anzusehen ist, in dem ein Betriebsrat gewählt wird und in dem er seine Beteiligungsrechte wahrnehmen kann (BAG 24.03.2021 - 7 ABR 16/20 - Rn. 26). Für die Zulässigkeit eines Antrags nach § 18 Abs. 2 BetrVG kommt es nicht darauf an, in welchen betrieblichen Organisationseinheiten bereits Betriebsräte gewählt sind. Damit ist nämlich die betriebsverfassungsrechtliche Situation allenfalls für die laufende Amtszeit der Betriebsräte geklärt. Für künftige Betriebsratswahlen besteht hingegen ein Interesse an der Feststellung, in welcher Organisationseinheit ein Betriebsrat zu wählen ist (BAG a. a. O. zum Bestehen eines Feststellungsinteresses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO).

Auch für dieses Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG gilt das Prinzip der Funktionsnachfolge (vgl. BAG 13.02.2013 - 7 ABR 36/11 - Rn. 15 ff.).

b)

Damit wird die verfahrensrechtliche Position des (ehemaligen) Betriebsrats nicht unzumutbar verkürzt. Es ist nicht geboten, den Antragsteller für die Durchführung des Verfahrens nach § 18 Abs. 2 BetrVG als fortbestehend zu behandeln.

aa)

Nach dem Ende seiner Amtszeit gilt ein Betriebsrat nur insoweit als fortbestehend, als dies zur ordnungsgemäßen Beendigung des Amtes geboten ist. Die entsprechend anzuwendende Vorschrift des § 49 Abs. 2 BGB bestimmt nämlich, dass ein Verein bis zur Beendigung der Liquidation als fortbestehend gilt, soweit der Zweck der Liquidation dies erfordert (vgl. BAG 19.12.2018 - 7 ABR 79/16 - Rn. 28).

Unter Berücksichtigung dieses Grundgedankens kann vorliegend der Antragsteller nicht als fortbestehend angesehen werden. Bei dem Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG geht es darum, Streitigkeiten über die Zuständigkeit eines gewählten Betriebsrats oder Voraussetzungen für eine (künftige) ordnungsgemäße Betriebsratswahl zu schaffen. In diesem Verfahren geht es daher nicht um Ansprüche, die aus der Amtszeit eines nicht mehr bestehenden Betriebsrats herrühren.

bb)

Auch die Vorschriften über das Restmandat zeigen, dass es für das Fortbestehen eines Betriebsratsmandates, obwohl ein anderer Betriebsrat die Vertretung der Arbeitnehmer übernommen hat, darauf ankommt, dass noch Beteiligungsrechte aus dem beendeten Amt bestehen. Nach § 21 b BetrVG besteht ein Restmandat eines Betriebsrates, dessen Betrieb beispielsweise durch Zusammenlegung untergegangen ist solange fort, wie dies zur Wahrnehmung der damit im Zusammenhang stehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte erforderlich ist. Dieses Restmandat bezieht sich daher lediglich auf die durch die Zusammenfassung ausgelösten Aufgaben des Betriebsrates aus der Vergangenheit (vgl. Fitting 30. Aufl. 2020 § 21 BetrVG Rn. 16 ff.).

cc)

Allein der Umstand, dass bei Einleitung des Beschlussverfahrens der antragstellende Betriebsrat noch im Amt war und zu diesem Zeitpunkt antragsberechtigt für ein Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG war, führt nicht zum Fortbestehen seiner Antragsbefugnis.

Das Interesse, in einem Betrieb festzustellen, ob es mehrere betriebsratsfähige Einheiten gibt, besteht nicht abstrakt und losgelöst von den für einen solchen Antrag Berechtigten. Nach § 18 Abs. 2 können die betroffenen Arbeitgeber, jeder beteiligte Betriebsrat sowie jeder beteiligte Wahlvorstand oder eine im Betrieb vertretende Gewerkschaft eine Entscheidung des Arbeitgebers beantragen. Es kommt dabei darauf an, dass aktuell noch ein Interesse an der Feststellung bestehen kann. Ein Betriebsrat, dessen Amt erloschen ist, verfügt nicht mehr über dieses Interesse und verliert daher die Antragbefugnis (GK-Kreutz, 11. Aufl. 2018, § 18 Rn. 63). Maßgeblich für die Antragsberechtigung ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl ErfK-Koch, 21. Aufl. 2021, § 18 Rn. 6). Zu diesem Zeitpunkt bestand der Beteiligte zu 1 nicht mehr. Sein Antrag ist daher nicht mehr zulässig.

C.

Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.