Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.02.2021, Az.: 2 Sa 730/20

Dispositionsfreiheit und Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien bei der Regelung unterschiedlicher tariflicher Zuschlagshöhen für Nachtarbeit und ihre Belastungen; Angemessene Differenzierung der tariflichen Zuschläge bei Nachtarbeit und ihren Belastungen; Tariflicher Schichtzuschlag als Ausgleich für die Belastungen der Nachtarbeit

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
17.02.2021
Aktenzeichen
2 Sa 730/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 14844
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2021:0217.2Sa730.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Verden - 03.03.2020 - AZ: 2 Ca 260/19

Amtlicher Leitsatz

§ 6 Ziff 3 iVm. Ziff 4 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer und Auszubildenden in der Milch-, Käse- und Schmelzkäseindustrie (MTV) ist nicht gleichheitswidrig.

Die Zuschlagsregeln in § 6 Ziff 3 und Ziff 4 MTV stellen einen vorrangigen tariflichen Zuschlag iSv. § 6 Abs 5 ArbZG dar.

Die von den Tarifvertragsparteien in § 6 Ziff 3 und Ziff 4 MTV gewählten Zuschlagshöhen halten sich im Rahmen der Angemessenheit von § 6 Abs 5 ArbZG und schaffen einen angemessenen Ausgleich von der Nachtarbeit und ihren Belastungen.

Eine Kompensation der geleisteten Nachtarbeit in Form von Schichtfreizeit stellt sich grundsätzlich als vorzugswürdig gegenüber der monetären Kompensation (Nachtarbeitszuschlag) dar.

Der Schichtzuschlag in § 6 Ziff. 2 MTV ist ebenfalls ein Ausgleich für die Belastungen der Nachtarbeit.

Ein Anspruch auf höhere Nachtzuschläge ergibt sich nicht aus unionsrechtlichen Erwägungen.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Verden vom 3. März 2020 - 2 Ca 260/19 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.387,04 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Nachtarbeitszuschläge.

Die klagende Partei ist bei der Beklagten in deren Werk in A-Stadt in der Produktion beschäftigt. In diesem Werk beschäftigt die Beklagte ca. 1000 Mitarbeiter. Es gibt Bereiche mit (durchgehendem) Drei-Schicht-Betrieb und Zwei-Schicht-Betrieb.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Auszubildenden in der Milch-, Käse- und Schmelzkäseindustrie vom 16. März 1989 Anwendung (im Folgenden: MTV). In dem MTV heißt es unter anderem (Bl. 5 ff. d. A.).:

"...

§ 5

Begriffsbestimmungen

für Mehr-, Schicht-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit

1. Mehrarbeit ist nach Möglichkeit zu vermeiden.

2. Mehrarbeit ist die Arbeit, die über die im Rahmen des § 3 betrieblich festgelegte regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinaus geleistet wird. Dies gilt nicht für Vor- und Nacharbeit im Sinne des § 4 AZO.

3. Jede angefangene halbe Stunde angeordneter Mehrarbeit wird als halbe Überstunde bezahlt.

4. Schichtarbeit muss sich im Rahmen des § 3 auf mind. eine Woche erstrecken. Wird aus betrieblichen Gründen in durchgehenden drei Schichten gearbeitet, so ist innerhalb der Arbeitszeit eine bezahlte Essenspause von 30 Minuten zu gewähren.

5. Nachtarbeit ist die in der Zeit von 20.00 bis 6.00 Uhr geleistete Arbeit, soweit es sich nicht um Schicht- und Nachtschichtarbeit handelt. Als Nachtschichtarbeit gilt die in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr geleistete Schichtarbeit. Für Jugendliche und Frauen gelten die gesetzlichen Bestimmungen.

6. ...

7. Erforderliche Mehr-, Schicht-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit ist zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat zu vereinbaren. In dringenden Fällen ist den Betriebsinteressen der Vorrang zu geben. Das Einverständnis des Betriebsrates ist unverzüglich herbeizuführen.

§ 6

Zuschläge für Mehr-, Schicht-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit

Die Zuschläge zum vereinbarten (= effektiven) Stundenlohn betragen:

1. Mehrarbeit

für die ersten zwei Stunden täglich

25 %

ab der 3. Stunde täglich

50 %

...

2. Schichtarbeit

Wird in Schichten gearbeitet, so ist für die zweite Schicht ein Zuschlag von 10 % zu zahlen, sofern diese Schicht nach 18.00 Uhr endet.

3. für Nachtschichtarbeit

30 %

4. für unregelmäßige Nachtarbeit

60 %

...

7. Von mehreren Zuschlägen ist jeweils nur der höchste zu zahlen, jedoch ist der Schichtzuschlag gem. Ziff. 2 und 3 daneben gesondert zu zahlen.

8. ...

9. Mehrarbeitsentgelt und -zuschlag können in Abstimmung mit dem Arbeitnehmer in Freizeit abgegolten werden; darüber ist der Betriebsrat zu informieren.

§ 7

Schichtfreizeit

Anspruch auf Schichtfreizeit entsteht, wenn mehr als die Hälfte der geleisteten Nachtschichtarbeit in die Zeit von 22 bis 6 Uhr fällt.

Für Nachtschichtarbeit wird folgende Schichtfreizeit gewährt:

a) Für Nachtschichtarbeit in ausschließlicher Nachtschicht

je 1 Tag Schichtfreizeit für 60 geleistete Nachtschichten.

b) Für Nachtschichten im 3-Schicht-Betrieb

je 1 Tag Schichtfreizeit für 15 geleistete Nachtschichten.

c) Das Entgelt für die Schichtfreizeit bemisst sich nach § 11 Ziff. 4.

Der Zeitpunkt der Schichtfreizeit richtet sich nach den Erfordernissen des Betriebes.

Ganze Tage an Schichtfreizeit sind im Bezugsjahr zu nehmen. Nachtschichten, die in einem Jahr nicht zu Schichtfreizeiten führen, weil ihre Summe die Bezugszahl nicht erreicht, werden auf das nächste Kalenderjahr vorgetragen.

Ist die Bezugszahl im Falle des Ausscheidens aus dem Betrieb eines Mitarbeiters nicht erreicht, verfällt der Restanspruch.

..."

Für die Nachtschichtarbeit im Drei-Schicht-Betrieb zahlt die Beklagte den Zuschlag gemäß § 6 Ziff. 3 MTV. Diese Schichten sind für die Mitarbeiter langfristig planbar, weil ein langfristig erstellter Schichtplan besteht.

Die klagende Partei ist im Wechselschichtbetrieb tätig und leistet auch Nachtschichten. In dem Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 31. März 2019 leistete sie 168 Stunden Nachtschichtarbeit (Januar 2019: 40 Stunden, Februar 2019: 72 Stunden, März 2019: 56 Stunden). Die klagende Partei erhielt von der Beklagten für die geleistete Nachtschichtarbeit den Zuschlag gemäß § 6 Ziff. 3 MTV in Höhe von 30 %.

Die klagende Partei vertritt die Auffassung, dass ihr für die geleistete Nachtarbeit der Zuschlag gemäß § 6 Ziff. 4 MTV in Höhe von 60 % zusteht.

Mit ihrer am 26. Juni 2019 beim Arbeitsgericht Verden eingegangenen Klage verlangt die klagende Partei die Differenz zwischen dem gezahlten Zuschlag von 30 % und dem begehrten Zuschlag von 60 %. Sie hat die Auffassung vertreten, die unterschiedliche Behandlung von Nachtarbeit verstoße gegen den Gleichheitssatz aus Artikel 3 GG. Ein sachlicher Grund für die Differenzierung zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit bestehe nicht. Die Gesundheit der Nachtschichtarbeitnehmer sei durch die regelmäßige Nachtarbeit nicht in geringerem Maße gefährdet als die Gesundheit derjenigen Arbeitnehmer, die außerhalb von Schichtsystemen nur unregelmäßig zur Nachtarbeit herangezogen würden. Dies habe das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 21. März 2018 (- 10 AZR 34/71 -) festgestellt. Entscheidend sei dabei nicht die Angemessenheit der Höhe der Zuschläge, sondern die grundsätzliche Differenzierung zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Arbeit in der Nacht. Die im MTV vorgenommene Differenzierung zwischen 60 % Zuschlag für Nachtarbeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr außerhalb von Schichtarbeit und 30 % Zuschlag für Nachtarbeit innerhalb von Schichtsystemen von 22.00 bis 6.00 Uhr überschreite das Maß arbeitswissenschaftlich begründbarer Typisierung, weil sie nicht nur in atypischen Sonderfällen, sondern für den Regelfall zu einer unverhältnismäßigen Benachteiligung führe. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei nicht das Gesamtkonstrukt Manteltarifvertrag zu bewerten. Vielmehr sei ausschließlich auf die Höhe der Nachtzuschläge abzustellen. Andernfalls käme es zu einer unzulässigen gerichtlichen Angemessenheitskontrolle tariflicher Regelungen. Demzufolge könne die Wirksamkeit der gleichheitswidrigen Differenzierung bei Zuschlägen für Nachtarbeit nicht durch etwaige weitere Leistungen aus dem Tarifvertrag hergestellt werden. Dies gelte insbesondere für tarifvertragliche Regelungen, nach denen für eine bestimmte Anzahl von Nachtschichten Schichtfreizeiten gewährt würden. Die Regelung in § 7 MTV gelte nur dann, wenn mehr als die Hälfte der geleisteten Nachtschichtarbeit in die Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr falle. Zudem fielen die Schichtfreizeiten beim Drei-Schicht-Betrieb gemäß § 7 b MTV erst nach Ableistung von jeweils 15 geleisteten Nachtschichten an. Dies könne kein Ausgleich für einen entgangenen 30 %igen Nachtzuschlag sein. Gemäß § 7 a MTV falle bei Nachtschichtarbeit in ausschließlicher Nachtschicht 1 Tag Schichtfreizeit sogar erst nach 60 geleisteten Nachtschichten an. Die Schichtfreizeit stelle einen Ausgleich für geleistete Schichtarbeit dar und nicht für geleistete Nachtarbeit. Dasselbe gelte für die bezahlten Essenspausen. Auch sie stünden mit den Zuschlägen für Nachtarbeit weder unmittelbar noch mittelbar im Zusammenhang und könnten deshalb keinen Ausgleich für die gleichheitswidrige Schlechterstellung von Nachtschichtarbeitnehmern schaffen. Zudem erhielten Mitarbeiter in Dauernachtschicht keine bezahlte Essenspause, weil sie nicht in Wechselschicht arbeiteten.

Die klagende Partei hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei für den Monat Januar 2019 weitere 211,20 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. Februar 2019 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei für den Monat Februar 2019 weitere 380,16 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. März 2019 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei für den Monat März 2019 weitere 295,68 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. April 2019 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, den Arbeitsgerichten sei es wegen der grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien nicht möglich, die Regelungen von Tarifverträgen auf ihre Wirksamkeit oder ihre Angemessenheit hin zu prüfen und nach oben hin zu korrigieren. Ohnehin verstoße die Bestimmung des § 6 MTV nicht gegen den Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG. Soweit es unterschiedliche Zuschlagshöhen gebe, sei der Tarifvertrag als Gesamtregelung zu beachten. Deshalb seien Schichtfreizeiten, die unterschiedliche Behandlung von Mehrarbeitszuschlägen und der Umstand einer bezahlten Essenspause im Drei-Schicht-Betrieb zu berücksichtigen. Die Beklagte hat behauptet, unregelmäßige Nachtarbeit im Sinne von § 6 Ziff. 4 MTV falle im Drei-Schicht-Wechsel-Betrieb in aller Regel nicht an. Diese Tätigkeiten gebe es in aller Regel nur in den Bereichen mit Zwei-Schicht-Betrieb (Früh-/Spätschicht). Im Kalenderjahr 2018 seien im Werk A-Stadt 195.205,62 Arbeitsstunden regelmäßige Nachtarbeit angefallen, hingegen nur 2.046,12 Stunden für unregelmäßige Nachtarbeit. Dies entspreche einem zeitlichen Anteil der unregelmäßigen Arbeit in der Nachtzeit von 1,04 %. Bei der unregelmäßigen Nachtarbeit handele es sich in aller Regel zugleich um Mehrarbeit im tariflichen Sinne. Die unregelmäßige Nachtarbeit sei für die Beschäftigten nicht planbar, weil diese Arbeiten in Folge von Maschinenstörungen oder Produktionsablaufstörungen anfielen und typischerweise erst während der Spätschicht angeordnet würden, weil erst in dieser Zeit die Notwendigkeit der kostenintensiven unregelmäßigen Nachtarbeit evident werde. Für die Beschäftigten sei diese Nachtarbeit weder dem Grund nach noch nach Dauer planbar, weil die Dauer der nächtlichen Mehrarbeit etwa im Fall des Auftretens von Maschinenstörungen nicht vorhersehbar sei. Sofern derartige Störungen im Drei-Schicht-Wechsel-Betrieb anfielen, würden diese von der planmäßig beginnenden nächsten Schicht beseitigt. Der Zuschlag gemäß § 6 Ziff. 4 MTV für unregelmäßige Nachtarbeit beinhalte zwei Komponenten: Einen Ausgleich für die Erschwernisse geleisteter Nachtarbeit und einen Zuschlag für die Unregelmäßigkeit dieser Nachtarbeit. Diese Zuschlagskomponente gleiche den erhöhten Eingriff in die Planbarkeit der Freizeitgestaltung der Mitarbeiter aus.

Im Übrigen sei die tatsächliche Zuschlagsdifferenz gering. Nachtschichtarbeiter besäßen einen Anspruch auf Schichtfreizeit gemäß § 7 MTV. Dieser betrage im Drei-Schicht-Betrieb 1 Tag Schichtfreizeit bei 15 Nachtschichten. Dies entspreche einem Lohnvorteil in Höhe von 6,6 %. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sich die Arbeitszeit der Mitarbeiter, die regelmäßig Nachtschichtarbeit leisteten, weiter reduziere. Im Drei-Schicht-Betrieb werde gemäß § 5 Ziff. 4 MTV eine bezahlte Essenpause von 30 Minuten innerhalb der Arbeitszeit gewährt. Die tatsächliche tägliche Arbeitszeit betrage demnach nur 7,1 Stunden. Dieser Regelung habe einen unmittelbaren Bezug zur Nachtarbeit, weil diese Kompensation nur Mitarbeitern zu Gute komme, die im Drei-Schicht-Betrieb auch Nachtarbeit leisteten. Dies entspreche einem weiteren Lohnvorteil von 6,6 %, der den Mitarbeitern, die Nachtschichtarbeit leisteten, zudem auch im Rahmen ihrer Früh- und Spätschichten gewährt werde. Ferner erhielten Mitarbeiter der Nachtschicht 30 Minuten früher den Mehrarbeitszuschlag gemäß § 6 Ziff. 1 MTV, weil die bezahlte Pause in die Arbeitszeit von 7,6 Stunden falle. Sofern es sich bei unregelmäßiger Nachtarbeit - wie im Regelfall - auch um Mehrarbeit handele, relativiere sich die Höhe der Zuschlagsdifferenz weiter. Mehrarbeit werde gemäß § 6 Ziff. 1 MTV mit 25 % bzw. ab der dritten Mehrarbeitsstunde mit 50 % bezuschlagt. Für unregelmäßige Nachtarbeit sei ein Zuschlag nicht separat im MTV ausgewiesen, weil er bereits im Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit berücksichtigt worden sei. Dies zeige auch § 6 Ziff. 7 MTV, wonach im Falle der unregelmäßigen Nachtarbeit kein (weiterer) Mehrarbeitszuschlag gezahlt werde. Dementsprechend müsse der Zuschlagsbestandteil Mehrarbeit beim Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit herausgerechnet werden, um eine Vergleichsbetrachtung für Nachtarbeit im Schichtbetrieb und unregelmäßiger Nachtarbeit vornehmen zu können.

Mit Urteil vom 3. März 2020 hat das Arbeitsgericht Verden die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Der klagenden Partei stehe kein Anspruch auf weitere Nachtarbeitszuschläge zu. Die Arbeitszeit der klagenden Partei im Nachtschichtsystem sei mit einem Zuschlag in Höhe von 30 % und den weiteren Regelungen wie bezahlten Essenspausen und zusätzlichen Freischichten abgegolten worden. Voraussetzung für einen Zuschlag von 60 % sei unregelmäßige Nachtarbeit, die die klagende Partei nicht erbracht habe.

Wegen der Tarifautonomie nach Artikel 9 des Grundgesetzes sei es den Gerichten grundsätzlich nicht gestattet, an die Stelle der von Tarifvertragsparteien für zutreffend und unter Berücksichtigung des gesamten Verhandlungsergebnisses für angemessen erachtete Regelungen eine von dem Gericht als richtig empfundene Lösung zu setzen. Den Tarifvertragsparteien sei ein erheblicher Wertungs-, Beurteilungs- und Ermessenspielraum zugebilligt worden. Es stelle sich bereits die Frage, ob überhaupt eine nähere Prüfung der Regelungen möglich sei. In keinem Fall sei jedoch zu erkennen, worauf eine Korrektur eines Zuschlages allein "nach oben" fußen solle.

Selbst wenn man dies anders beurteile, sei die Regelung des § 6 MTV wirksam. Sie verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz aus Artikel 3 Abs. 1 GG. Nachtarbeit sei grundsätzlich gesundheitsschädlich und solle möglichst vermieden werden. Diese Vermeidungsstrategie erfasse auch zusätzliche Kosten für Zuschläge. Die Gruppe der Arbeitnehmer, die Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit leiste, sei mit der Gruppe der Arbeitnehmer vergleichbar, die außerhalb von Schichtsystemen Nachtarbeit leiste, selbst wenn sich unterschiedliche soziale Auswirkungen ergäben. Bei der Prüfung dürfe nicht allein auf die Regelungen in § 6 Ziff. 3 und 4 des MTV abgestellt werden. Vielmehr seien ergänzend die Regelungen zur Schichtfreizeit nach § 7 MTV und darüber hinaus die Regelung zu Mehrarbeitszuschlägen in die Betrachtung mit einzubeziehen. Die klagende Partei arbeite im Schichtsystem. Für sie sei die Regelung des § 7 b MTV einschlägig, wonach sie einen Tag Schichtfreizeit für 15 geleistete Nachtschichten erhalte. Dies entspreche umgerechnet auf eine Stunde Nachtschichtarbeit einem Zuschlag von 6,6 %. Hinzu trete die unterschiedliche Behandlung von Mehrarbeitszuschlägen. Insoweit sei zu bedenken, dass bei dem Zuschlag von 60 % für Mitarbeiter der Spätschicht bei einer Arbeit über 22.00 Uhr hinaus die Bestimmung des § 6 Ziff. 7 MTV Anwendung finde. Obwohl Mehrarbeit geleistet werde, werde kein Mehrarbeitszuschlag gezahlt. Ein Mitarbeiter der Nachtschicht sei im Falle der Ableistung von Mehrarbeit von dieser Anrechnungsvorschrift ausgenommen. Weiterhin sei die bezahlte Essenspause von 30 Minuten gemäß § 5 Ziff. 4 MTV zu berücksichtigen, wenn aus betrieblichen Gründen in durchgehenden drei Schichten einschließlich Nachtschicht gearbeitet werde. Berücksichtige man zudem die teilweise Kompensation durch die Gewährung von Schichtfreizeiten, fehle es an einem relevanten Unterschied hinsichtlich der Höhe der Vergütung und damit an einer nicht mehr hinzunehmenden Ungleichbehandlung im Sinne von Artikel 3 Abs. 1 GG.

Das Urteil ist der klagenden Partei am 9. April 2020 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit einem am 7. Mai 2020 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 5. Juni 2020 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Mit ihrer Berufung verfolgt die klagende Partei ihre erstinstanzlichen Ziele weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen. Die tarifvertragliche Differenzierung zwischen Nachtschichtarbeit einerseits (§ 6 Ziff. 3 MTV) und unregelmäßiger Nachtarbeit andererseits (§ 6 Ziff. 4 MTV) verstoße gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Dem Gleichheitssatz könne nur dadurch Rechnung getragen werden, dass die klagende Partei bei der im Rahmen von Nachtschichten geleisteten Nachtarbeit wie ein Nachtarbeitnehmer im Sinne des § 6 Ziff. 4 MTV behandelt werde. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes könnten Schichtfreizeiten nach § 7 MTV, bezahlte Essenspausen und Mehrarbeitszuschläge nicht als Kompensationsleistungen einbezogen werden, weil kein sachlicher Zusammenhang zu der geleisteten Nachtarbeit bestehe. Das Arbeitsgericht lasse unberücksichtigt, dass durch die tarifvertragliche Vereinbarung von Zuschlägen für Nachtarbeit regelmäßig der gesetzliche Anspruch aus § 6 Abs. 5 ArbZG ersetzt werden solle. Um den gesetzlichen Anspruch zu ersetzen, müsse die tarifliche Regelung eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundene Belastung vorsehen. Dies folge aus dem Wortsinn des Begriffes Ausgleichsregelung und entspreche dem Sinn und Zweck des dem Gesundheitsschutz dienenden § 6 Abs. 5 ArbZG. Ferner böten Schichtfreizeiten in der Regel schon rechnerisch keinen adäquaten Ausgleich, insbesondere, wenn der Ausgleich nicht schon in der ersten Schicht, sondern erst nach der 15. Schicht erworben werde. Ein solch später Ausgleich widerspreche außerdem medizinischen Erkenntnissen.

Der Zuschlag in Höhe von 30 % für regelmäßige Nachtarbeit gleiche die Nachteile in der Teilhabe am sozialen Leben nur unzureichend aus. Der Arbeitnehmer im Wechselschichtsystem habe wesentlich größere Probleme am Sozialleben teilzunehmen, als der Arbeitnehmer, der nur gelegentlich zur Nachtschicht herangezogen werde. Die Ausrichtung der Lebensumstände an ein regelmäßiges Schichtsystem führe jedenfalls zu wesentlichen Einschränkungen. Dies sei nicht zu vergleichen mit Arbeitnehmern, die nur ausnahmsweise Nachtarbeit verrichteten.

Es werde bestritten, dass es sich bei der Nachtarbeit, die nicht im Rahmen einer Wechselschichtarbeit durchgeführt werde, regelmäßig um Mehrarbeit handele. Anderenfalls hätten die Tarifvertragsparteien diesen Zuschlag auch als Mehrarbeitszuschlag bezeichnet. Der Nachtzuschlag könne auch in Anspruch genommen werden, wenn keine Mehrarbeit vorliege, sondern die Nachtarbeit innerhalb der regulär vereinbarten Arbeitszeit erfolge.

Vor dem Hintergrund des Europarechtes und des Arbeitszeitgesetzes müssten die tarifvertraglichen Regelungen zum Ausgleich von Nachtschichtarbeit den Gesundheitsschutz bezwecken. Die Tarifvertragsparteien seien bei der Normsetzung von einem biologischen Gewöhnungseffekt von Nachtschichtarbeitnehmern an Nachtschicht ausgegangen. Sie seien einem Fehlverständnis über die gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnisse unterlegen und hätten die Grenze ihrer durch Artikel 9 Abs. 3 GG eingeräumten Einschätzungsprärogative überschritten. Deshalb sei die gegenständliche Tarifnorm einer Rechtskontrolle durch die Arbeitsgerichte zugänglich. Im Rahmen dieser Rechtsprüfung sei keine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung der Nachtschichtbeschäftigten festzustellen. Als Rechtsfolge sei eine Anpassung nach oben vorzunehmen. Soweit das Arbeitsgericht die Auffassung vertrete, in keinem Fall sei zu erkennen, worauf eine Bestimmung eines Zuschlages allein "nach oben" fußen solle, fehle es an einer Begründung. Das Arbeitsgericht setze sich nicht mit der insoweit ergangenen einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes durch die Urteile vom 21. März 2018 - 10 AZR 34/17 und vom 10. November 2011 - 5 AZR 481/09 - auseinander.

Die klagende Partei beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Verden vom 3. März 2020 - 2 Ca 260/19 - abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei für den Monat Januar 2019 weitere 211,20 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. Februar 2019 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei für den Monat Februar 2019 weitere 380,16 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz sei dem 10. März 2019 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei für den Monat März 2019 weitere 295,68 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz sei dem 10. April 2019 zu zahlen;

4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der klagenden Partei ab dem 1. April 2019 Nachtarbeitszuschläge des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer und Auszubildenden in der Milch-, Käse- und Schmelzkäseindustrie vom 16. März 1989 für zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistete "Nachtschichtarbeit" im Sinne des § 5 Ziff. 5 Satz 2, § 6 Ziff. 3 des Manteltarifvertrags in gleicher Höhe zu gewähren, wie für "unregelmäßige Nachtarbeit" (zur Zeit 60 %) im Sinne des § 5 Ziff. 5 Satz 1, § 6 Ziff. 4 des Manteltarifvertrags.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als zutreffend nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 3. August 2020 (Bl. 253 ff. d. A.).

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf das Protokoll der Kammerverhandlung vom 17. Februar 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der klagenden Partei ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und insgesamt zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 - 4 ZPO. Sie lässt erkennen, in welchen tatsächlichen oder rechtlichen Punkten nach Ansicht der klagenden Partei das angefochtene Urteil unrichtig ist und worauf dies im Einzelnen beruht.

B.

Die Berufung ist unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

Die bezifferten Zahlungsanträge sind für die streitgegenständlichen Monate als abschließende Gesamtklage zu verstehen. Mit diesem Verständnis sind sie hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

II.

Die Klage ist unbegründet.

1.

Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 6 Ziff. 3 MTV. Die klagende Partei leistet regelmäßig Nachtarbeit. Ihr steht gemäß § 6 Ziff. 3 MTV ein Zuschlag von 30 % zu. Dies steht zwischen den Parteien auch nicht im Streit. Die Beklagte hat diesen Anspruch erfüllt.

2.

Der klagenden Partei steht kein Zuschlag gemäß § 6 Ziff. 4 MTV in Höhe von weiteren 30 % für geleistete Nachtarbeit unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung zu.

a.

Die klagende Partei hat keinen Anspruch darauf, mit Arbeitnehmern, die unregelmäßige Nachtarbeit leisten, gleich behandelt zu werden. Die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit in der Höhe der Nachtzuschläge verstößt nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Sie bewegt sich im Rahmen der den Tarifvertragsparteien zustehenden Einschätzungsprärogative.

aa.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt den Tarifvertragsparteien als selbstständigen Grundrechtsträgern aufgrund der durch Artikel 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie haben eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen. Bei der Lösung tarifpolitischer Konflikte sind sie nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Vereinbarung zu treffen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund besteht (BAG, 21. März 2018 - 10 AZR 34/17 - Rn. 43).

Der Schutzauftrag des Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet die staatlichen Arbeitsgerichte dazu, die Grundrechtsausübung durch die Tarifvertragsparteien zu beschränken, wenn diese mit den Freiheits- oder Gleichheitsrechten oder anderen Rechten mit Verfassungsrang der Normunterworfenen kollidiert. Sie müssen insoweit praktische Konkordanz herstellen (BAG, 19. Dezember 2019 - 6 AZR 563/18 - Rn. 21) und gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen unterbinden (BAG, 19. Dezember 2019 - 6 AZR 653/18 - Rn. 25). Dabei haben die Gerichte bei der Erfüllung ihres verfassungsrechtlichen Schutzauftrages in den Blick zu nehmen, dass eine besondere Form der Grundrechtskollision bewältigt und die durch Artikel 9 Abs. 3 GG gewährleistete kollektive Koalitionsfreiheit mit den betroffenen Individualgrundrechten in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden muss. Bei der Prüfung, ob Tarifnormen Grundrechte oder andere Rechte der Arbeitnehmer mit Verfassungsrang verletzen, müssen die Gerichte nicht nur die besondere Sachnähe der Tarifvertragsparteien, sondern außerdem beachten, dass sich die Arbeitnehmer im Regelfall durch den Beitritt zu ihrer Koalition oder durch die vertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag, die die Tarifnormen zum Vertragsinhalt macht, bewusst und freiwillig der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien auch für die Zukunft unterworfen haben. Die Gerichte dürfen mithin nicht eigene Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle von Bewertungen der zuständigen Koalitionen setzen (BAG, 19. Dezember 2019 - 6 AZR 563/18 - Rn. 26). Bei der Überprüfung von Tarifverträgen anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes ist dabei nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abzustellen, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung (vgl. BAG, 11. Dezember 2013 - 10 AZR 736/12 - Rn. 15, BAG, 19. Juli 2011 - 3 AZR 398/09 - Rn. 25).

bb.

Bei der gebotenen Anwendung vorstehender Grundsätze hat die Differenzierung in § 6 Ziff. 3 und 4 MTV zwischen der regelmäßigen Nachtarbeit (30 % Zuschlag) und der unregelmäßigen Nachtarbeit (60 % Zuschlag) Bestand. Sie verstößt nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 GG.

(1).

Aus Artikel 3 Abs. 1 GG folgt das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der MTV unterscheidet in § 6 Ziff. 3 und 4 MTV zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit.

Als Nachtarbeit gilt nach § 5 Ziff. 5 MTV die Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr, im Falle von Schichtarbeit jedoch erst ab 22.00 Uhr. Nach der tariflichen Regelung beginnt damit die Nachtzeit drei Stunden bzw. eine Stunde früher als nach den arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen des ArbZG. Hierfür gewähren § 6 Ziff. 3 und 4 MTV ab der ersten Stunde der definierten Nachtarbeit einen Ausgleich in Form eines Zuschlags in Höhe von 30% bzw. 60%. Zudem wird Schichtarbeit mit einem weiteren Zuschlag von 10% vergütet, sofern die zweite Schicht nach 18.00 Uhr endet. Bei Schichtfreizeiten werden Nachtschichten berücksichtigt, sobald mehr als die Hälfte der geleisteten Nachtschichtarbeit in die Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr fällt.

Die Gruppe der Arbeitnehmer, die regelmäßig Nachtarbeit leistet, ist mit der Gruppe, die unregelmäßige Nachtarbeit leistet, vergleichbar. Dies ergibt sich daraus, dass beide Arbeitnehmergruppen ihre Arbeitsleistung innerhalb des in § 5 Ziff. 5 MTV definierten Zeitraumes erbringen. Insoweit behandeln die Tarifvertragsparteien Arbeitnehmer, die Nachtarbeit im tariflichen und/oder gesetzlichen Sinne leisten, differenziert danach, in welchem Kontext die Nachtarbeit geleistet wird. Während Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit lediglich mit 30% zusätzlich vergütet wird, besteht bei "unregelmäßiger" Nachtarbeit, die außerhalb eines Schichtsystems geleistet wird, ein Zuschlagsanspruch in Höhe von 60%. Nicht unterschieden wird nach dem MTV zwischen Stunden, die lediglich tariflich als Nachtarbeit gelten und den Nachtarbeitsstunden iSd. ArbZG.

(2).

Die Regelungen in § 6 Ziff. 4 und Ziff. 5 MTV beinhalten eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen. Dies gilt sowohl für die regelmäßige als auch für die unregelmäßige Nachtarbeit. Ein sachlich vertretbarer Grund für die Differenzierung bei der Zuschlagshöhe für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit ist gegeben.

Hierbei legt die Kammer neue arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu Grunde. Danach ist Nachtarbeit für die Gesundheit umso schädlicher, in je größerem Umfang sie geleistet wird. Allerdings führt der Umstand, dass der unregelmäßig und damit im Ergebnis weniger Nachtarbeit leistende Arbeitnehmer einen höheren Zuschlag (60 %) erhält als der Arbeitnehmer, der regelmäßig Nachtarbeit leistet (30 %), für sich genommen noch nicht zu einem Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Zwar kann angenommen werden, dass die Gesundheit des Arbeitnehmers, der regelmäßig Nachtarbeit leistet, grundsätzlich in höherem Maße gefährdet ist als die Gesundheit desjenigen, der lediglich unregelmäßig Nachtarbeit leistet. Der Normzweck in § 6 Ziff. 4 und 5 MTV beschränkt sich allerdings nicht ausschließlich auf den Gesundheitsschutz. Dies kann unter anderem auch daraus geschlussfolgert werden, dass im Mittel tarifliche Nachtarbeitszuschläge etwa 25 % betragen. Bei Nachtarbeitszuschlägen, die diese Marge überschreiten, ist nicht auszuschließen, dass deren Höhe (auch) auf anderen Gründen beruht (vgl. BAG, 5. September 2002 - 9 AZR 202/01 - Rn. 49).

Die Nachtzuschläge verfolgen neben dem Gesundheitsschutz auch den Zweck, die sozialen Folgen ("soziale Desynchronisation"), die mit jeder Arbeit außerhalb der üblichen Arbeitszeiten der Mehrheit der Arbeitnehmer und damit außerhalb des üblichen Tagesablaufes verbunden sind, zu mindern (BAG, 11. Dezember 2013 - 10 AZR 736/12 - Rn. 22). Soweit die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind, dass derjenige Arbeitnehmer, der keiner solchen Regelmäßigkeit unterliegt, durch die Heranziehung zur Nachtarbeit höher belastet wird als der Arbeitnehmer, der sich auf einen vorgegebenen Rhythmus einstellt und seine Freizeitaktivitäten daran anpasst, hält sich dies in ihrem Beurteilungsspielraum. Auch wenn das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 21. März 2018 (- 10 AZR 34/17 - Rn. 52) ausführt, dass die Teilhabe am sozialen Leben durch unregelmäßige Nachtarbeit außerhalb von Schichtsystemen nicht in einem höheren Maße gefährdet werde als bei Nachtarbeit innerhalb von regelmäßigen Schichten, so ist doch zu berücksichtigen, dass jede Abweichung von der regulären Arbeitszeit innerhalb - meist lange im Voraus - feststehender Schichten für die davon betroffenen Arbeitnehmer eine erneute Abstimmung der Lebensbereiche Arbeit und Familie, Freunde sowie Freizeit erforderlich macht. Die Balance zwischen (Nacht-)Arbeit und Freizeit sowie Familienverpflichtungen herzustellen ist umso schwieriger, je unregelmäßiger die Nachtarbeit anfällt (LAG Niedersachsen, 6. August 2020 - 6 Sa 64/20 - zu B. II. 1. c. dd. (1) (b) der Entscheidungsgründe). Dieser Aspekt kann damit als sachlicher Grund Anerkennung finden. Dies ist eine Einschätzung der Tarifvertragsparteien, die unter Berücksichtigung der in Artikel 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie und der damit einhergehenden geringeren Kontrolldichte durch die Arbeitsgerichte weitestgehend zu akzeptieren ist.

Auch bei Berücksichtigung des von der Beklagten vorgetragenen Umstandes, wonach unregelmäßige Nachtarbeit nur in geringem Umfang vorkommt, kann unterstellt werden, dass die Tarifvertragsparteien die unregelmäßige Nachtarbeit als einen Ausnahmetatbestand verstanden wissen wollten, welcher die unregelmäßige Nachtarbeit für die Arbeitgeber verteuern und gleichzeitig Arbeitnehmern, die keine regelmäßige Nachtarbeit leisten - etwa deshalb, weil keine vertragliche Verpflichtung besteht oder es sich etwa um Mehrarbeit handelt - als Anreiz für die (ausnahmsweise) Tätigkeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr dienen sollte. Auch dieser Aspekt ist ein sachlich vertretbarer Grund für die Differenzierung bei der Höhe des Zuschlages für die regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit.

Dabei ist bei der Überprüfung von Tarifverträgen anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abzustellen, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung. Durch die Verteuerung der unregelmäßigen Nachtarbeit für Arbeitgeber einerseits und die Schaffung eines Anreizes durch die lukrative Ausgestaltung der Zuschläge für Arbeitnehmer andererseits besteht die generelle Auswirkung der Regelung auch in einer Steuerungsfunktion durch die Tarifvertragsparteien, die unregelmäßige Nachtarbeit auf Ausnahmefälle in Ausnahmesituationen zu beschränken. Hierbei muss es hingenommen werden, dass - insbesondere unter Berücksichtigung der Anreizfunktion - die Einzelfallgerechtigkeit nicht in jedem Fall gegeben ist.

Dass die Differenzierung in der Höhe der Zuschläge zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit unter Berücksichtigung der neuen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse unter Umständen nicht mehr zeitangemessen und nicht die gerechteste Lösung sein mag, ist unter Berücksichtigung der den Gerichten zustehenden geringen Kontrolldichte hinzunehmen. So erscheint der erkennenden Kammer ein anderes Verhältnis der Höhe der Zuschläge bei der unregelmäßigen und der regelmäßigen Nachtarbeit durchaus denkbar und möglicherweise akzeptabler. Eine Entscheidung darüber ist jedoch den Tarifvertragsparteien vorbehalten. Ausreichend ist ein sachlich vertretbarer Grund für die Differenzierung. Dieser liegt vor.

(3).

Auch unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Verpflichtung, den Gesundheitsschutz vor den Belastungen der Nachtschichtarbeit nach den gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnissen sicherzustellen, ist ein Eingriff in den den Tarifvertragsparteien eingeräumten Regelungsspielraum nicht erforderlich. Dem für regelmäßige Nachtarbeit zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Zuschlag steht § 6 Abs. 5 ArbZG nicht entgegen.

§ 6 Abs. 5 ArbZG überlässt die Ausgestaltung des Ausgleiches für Nachtarbeit wegen der größeren Sachnähe den Tarifvertragsparteien und schafft nur subsidiär einen gesetzlichen Anspruch (BAG, 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 18). Nur wenn eine tarifvertragliche Regelung nicht besteht, besteht hiernach ein gesetzlicher Anspruch auf eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag zum Bruttoarbeitsentgelt. Ist eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung nicht einschlägig, entspricht es ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass ein Zuschlag in Höhe von 25 % auf den jeweiligen Brutto(stunden)lohn einen angemessenen Ausgleich darstellt (BAG, 9. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 16; BAG, 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 59). Von dieser Zuschlagshöhe kann abzuweichen sein, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit unter qualitativen oder quantitativen Aspekten vom Regelfall abweicht. Bei der Erbringung der regulären Arbeitsleistung in Dauernachtarbeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes aufgrund der damit einhergehenden erhöhten gesundheitlichen Belastung regelmäßig ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 % als angemessen anzusehen (BAG, 9. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 28).

Im vorliegenden Fall haben sich die Tarifvertragsparteien für regelmäßige Nachtarbeit auf einen Zuschlag verständigt, der den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Angemessenheit von Nachtzuschlägen - wohlgemerkt im Falle des Nichtbestehens einer tarifvertraglichen Regelung - entspricht. Ohne besondere Umstände ist damit auch der tarifvertraglich vereinbarte Nachtzuschlag für regelmäßige Nachtarbeit in § 6 Ziff. 3 MTV unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes als angemessen anzusehen.

(4).

Die Zuschlagsregelungen in § 6 Ziff. 3 und 4 MTV sind strukturell unterschiedlich ausgestaltet. Zwar sehen beide einen Zuschlag für eine konkrete definierte Tageszeit, nämlich für die Zeit zwischen 20.00 bzw. 22.00 Uhr und 6.00 Uhr vor und sollen damit einen Ausgleich für die Belastungen der Nachtarbeit darstellen. Der Zuschlag für Nachtschichtarbeit ist jedoch nach § 6 Ziff. 7 MTV anrechnungsfrei zu leisten. Mit ihm werden damit nach dem Willen der Tarifvertragsparteien ausschließlich die Belastungen der Nachtarbeit zum Ausgleich gebracht. Eine Verrechnung oder gar ein vollständiges Aufsaugen mit Zuschlägen, die für andere Erschwernisse gezahlt werden, findet nicht statt.

Dies ist bei den Zuschlägen für unregelmäßige Nachtarbeit nach § 6 Ziff. 4 MTV nicht der Fall. Sie unterfallen der Regelung in § 6 Ziff. 7 MTV, wonach von mehreren Zuschlägen jeweils nur der höchste zu zahlen ist. Es erfolgt keine Kumulation von Nachtzuschlägen für unregelmäßige Nachtarbeit und Mehrarbeits-, Sonntags- und Feiertagszuschlägen. Die Tarifvertragsparteien gehen somit erkennbar davon aus, dass im Falle des Zusammentreffens mehrerer Erschwernistatbestände keine lineare Erhöhung der Belastung stattfindet. Bei Sonntags- und Feiertagszuschlägen ist dies ohne weiteres nachvollziehbar. Da jedoch auch die Zuschläge für unregelmäßige Nachtarbeit - anders als für Nachtschichtarbeit - diesem "Ein-Platz-Prinzip" (vgl. Creutzfeldt/Eylert, ZFA 2020, 239, 249) unterliegen, muss dem in § 6 Ziff. 4 MTV geregelten Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 60% denklogisch zumindest ein weiterer - über den reinen Ausgleich der Nachtarbeit, wie ihn § 6 Ziff. 3 MTV vorsieht, hinausgehender - Ausgleichstatbestand innewohnen. Wohnen dem erhöhten Zuschlag nach § 6 Ziff. 4 MTV vom Grundsatz her noch andere Ausgleichstatbestände inne, so sind solche, die den Schichtarbeitern in anderen Normen als § 6 Ziff. 3 MTV separat kompensiert werden, bei der Ermittlung der Unterschiede jedenfalls insoweit zugrunde zu legen, als sie die rein zahlenmäßige Ungleichbehandlung der § 6 Ziff. 3 und 4 MTV im Lichte des Anrechnungstatbestandes des § 6 Ziff. 7 MTV relativieren.

(5.)

In die Prüfung sind auch die in § 7 MTV geregelten Schichtfreizeiten mit einzubeziehen.

In § 7 MTV ist geregelt, dass ein Anspruch auf Schichtfreizeit entsteht, wenn mehr als die Hälfte der geleisteten Nachtschichtarbeit in die Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr fällt. Anspruch auf die bezahlten Tage Schichtfreizeit haben damit nur die Arbeitnehmer, die (auch) regelmäßig Nachtarbeit leisten, denn ein Dreischichtturnus setzt sich in der Regel aus einer Früh-, Spät- und Nachtschicht zusammen. Nur wenn in drei Schichten - und damit auch in der Nachtschicht - gearbeitet wird, besteht ein Anspruch auf bezahlte Schichtfreizeit. Im Falle der lediglich unregelmäßigen Nachtarbeit besteht kein Anspruch auf die Schichtfreizeit.

Für Nachtschichtarbeit in ausschließlicher Nachtschicht wird je 1 Tag Schichtfreizeit für 60 geleistete Nachtschichten (§ 7 a MTV) gewährt. Dies entspricht einem Zuschlag von 1/60, mithin 1,67%. Für Nachtschichten im Drei-Schicht-Betrieb wird je 1 Tag Schichtfreizeit für 15 geleistete Nachtschichten gewährt (§ 7 b MTV). Dies entspricht einem weiteren Zuschlag von 1/15, mithin von 6,67%. Dabei kann sich der prozentuale Wert rechnerisch noch vor dem Hintergrund erhöhen, dass der Anspruch auf Schichtfreizeit bereits dann entsteht, wenn mehr als die Hälfte der geleisteten Nachtschichtarbeit in die Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr fällt. Damit können auch geleistete Stunden außerhalb der tariflich definierten Nachtschichtarbeit zum Entstehen von Schichtfreizeit beitragen.

Der in § 7 MTV geregelte Ausgleich bezweckt damit zum einen, die mit der Wechselschicht einhergehenden Belastungen auszugleichen, zum anderen aber auch den Ausgleich der Erschwernisse, die mit der Nachtarbeit verbunden sind, da der Anspruch auf die bezahlten Schichtfreizeiten die regelmäßige Tätigkeit (auch) in der Nachtschicht voraussetzt. Da es sich vorliegend nicht um einen Zuschlag, sondern um eine Schichtfreizeit handelt, findet auch kein Zusammenrechnen mit sonstigen Zuschlägen nach § 6 Ziff. 7 MTV statt, so dass jedem Arbeitnehmer, der Nachtarbeit im Schichtdienst leistet, die Schichtfreizeit - wie der Nachtschichtarbeitszuschlag - unmittelbar und ungemindert zu Gute kommt.

Die in § 7 MTV geregelte zusätzliche Kompensation der regelmäßigen Nachtarbeit durch Gewährung von Schichtfreizeiten ist bei dem Maß der Differenzierung zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit zu berücksichtigen. Dies ergibt sich bereits aus § 6 Abs. 5 ArbZG, wonach der Ausgleich für Tätigkeiten während der Nachtzeit auch in der Gewährung einer angemessenen Zahl freier Tage bestehen kann. Diese Form der Kompensation entspricht dem in § 1 Nr. 1 ArbZG verfolgen Ziel des Gesundheitsschutzes sogar in höherem Maße als die Zahlung von Zuschlägen (BAG, 26. August 1997 - 1 ABR 16/97 - Rn. 32).

(6).

Ferner ist der Schichtzuschlag nach § 6 Ziff. 2 MTV zu berücksichtigen. Hiernach wird bei Schichtarbeit für die zweite Schicht - also die Spätschicht - ein Zuschlag von 10% gezahlt, sofern die Schicht nach 18.00 Uhr endet. Ein Schichtarbeitnehmer im Drei-Schicht-Betrieb erhält damit für jede geleistete Spätschicht grundsätzlich einen weiteren Zuschlag von 10%, ohne dass weitere Voraussetzungen vorliegen müssen. Für unregelmäßige Nachtarbeit außerhalb der Schichtarbeit ist dagegen keine Erhöhung vorgesehen, so dass der Zuschlag nach § 6 Ziff. 2 MTV die Ungleichbehandlung zwischen Ziff. 3 und Ziff. 4 unmittelbar mindert.

Der Umstand, dass auch der Schichtzuschlag - wie der Nachtschichtarbeitszuschlag - nach § 6 Ziff. 7 MTV vorbehaltlos und anrechnungsfrei zu zahlen ist, verdeutlicht, dass dieser ausschließlich für die besonderen Erschwernisse der Schichtarbeit geleistet wird und durch weitere Erschwernisse nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nicht geschmälert werden soll. Nach Auffassung der Kammer kann damit die Differenz zwischen Nachtschichtarbeit mit einem Zuschlag von 30% und unregelmäßiger Nachtarbeit mit einem Zuschlag von 60% nur im Angesicht des 10%igen Schichtzuschlags nach § 6 Ziff. 2 MTV beurteilt werden, der allerdings nicht alle Nachtschichtarbeiter erfasst. Er gilt nämlich nicht für Nachtschichtarbeit in ausschließlicher Nachtschicht (vgl. § 7 MTV), weil diese Arbeitnehmer keine zweite Schicht leisten. Hierzu gehört die klagende Partei nicht.

(7).

Gemäß § 5 Ziff. 4 MTV erhält (nur) die im Drei-Schicht-Rhythmus arbeitende klagende Partei schließlich eine bezahlte Essenspause von 30 Minuten. Wird eine bezahlte Essenpause von 30 Minuten in einer regulären Schicht von 8 Stunden gewährt, so erhält der Arbeitnehmer tatsächlich für 7,5 geleistete Stunden 8 Stunden bezahlt, was einer Vergütung in Höhe von 106,67% und damit einem rechnerischen Zuschlag von 6,67% entspricht.

(8).

Die im MTV enthaltene ungleiche Behandlung der Nachtarbeit stellt insgesamt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Die Tarifvertragsparteien haben Nachtarbeit zwar einem unterschiedlichen Zuschlags- und damit Ausgleichssystem unterworfen, je nachdem ob diese Arbeit im Rahmen eines Schichtsystems oder unregelmäßig außerhalb von Schichtarbeit geleistet wird. Sie haben den festgelegten Zuschlägen der Höhe nach unterschiedliche Belastungsausgleichstatbestände zu Grunde gelegt und in parallelen Normen weitere Ausgestaltungen hierzu getroffen, die nach dem differenzierenden Sinn und Zweck der in § 6 Ziff. 3 und Ziff. 4 MTV geregelten Nachtarbeitszuschläge bei der Frage der Ungleichbehandlung zu berücksichtigen sind. Zu nennen sind dabei etwa die Verteuerung der unregelmäßigen Nachtarbeit auch im Sinne von Mehrarbeit sowie den besonderen Ausgleich für die Belastungen, die mit der Unvorhersehbarkeit unregelmäßiger Nachtarbeit einhergehen. Selbst wenn diese Zwecke nicht unmittelbar dem in § 6 ArbZG vorgesehen Schutz vor gesundheitsschädlicher Nachtarbeit dienen, so widersprechen sie den Wertungen des § 6 ArbZG jedenfalls nicht. Denn auch wenn es gilt, sämtliche Nachtarbeit zu vermeiden, dient auch die Verteuerung der unregelmäßigen Nachtarbeit dem Gesundheitsschutz.

Dass daneben die Unvorhersehbarkeit von Nachtarbeit eine Belastung darstellt, weil sich ein Arbeitnehmer, der zu unregelmäßiger Nachtarbeit herangezogen wird, nicht in gleicher Weise hierauf einstellen kann, wie dies bei Wechselschichtlern oder gar ausschließlich in Nachtarbeit tätigen Arbeitnehmern der Fall ist, ist auch zu berücksichtigen. Dieser Ausgleich widerspricht nicht dem vom ArbZG vorgesehenen Gesundheitsschutz.

Jedem Wechselschichtarbeiter, der Nachtarbeit leistet, steht neben Zuschlag gemäß § 6 Ziff. 3 MTV nach § 7 MTV Schichtfreizeit im Umfang von rechnerisch mindestens 6,67% zu. Damit steht dem Zuschlag nach § 6 Abs. 4 MTV in Höhe von 60% für unregelmäßige Nachtarbeit" grundsätzlich ein Ausgleich in rechnerisch mindestens 36,67% für Nachtschichtarbeit in Wechselschicht gegenüber. Hinzu kommen weitere 10% als Schichtzuschlag für die Spätschicht. Berücksichtigt man zudem die bezahlte Essenspause, die ebenfalls nur Wechselschichtlern gezahlt wird, schlagen weitere 6,67% zu Buche. Damit können dem 60%igen Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit im Falle von in Wechselschicht geleisteter Nachtarbeit rechnerisch bis zu 30% + 6,67% + 10% + 6,67% = 53,34% gegenüberstehen.

Leistet ein Wechselschichtarbeiter im Rahmen seiner Nachtschicht zudem noch Mehrarbeit, erhält er hierfür 30% Nachtschichtarbeitszuschlag nach § 6 Ziff. 3 MTV und Mehrarbeitszuschläge in Höhe von 25% bzw. ab der 3. Stunde in Höhe von 50% nach § 6 Ziff. 1 MTV, insgesamt somit 55%- 80%. Ein Arbeitnehmer, der außerhalb des Schichtdienstes tätig wird, erhält wegen der Regelung in § 6 Ziff. 7 MTV für die gleiche Nacht-Mehrarbeit gemäß § 6 Ziff. 4 MTV lediglich 60%.

Insgesamt ist damit die Ungleichbehandlung nicht derart erheblich und einseitig, dass von einer (Teil-)Unwirksamkeit der Zuschlagsregeln auszugehen wäre. Die Grenze der Tarifautonomie ist mit den im vorliegenden MTV festgelegten Zuschlagsregeln für Nachtarbeit nicht überschritten.

Es entspricht dem Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien und ihrer Einschätzungsprärogative, wenn sie in Verfolgung dieses Ziels punktuell den Nachtarbeitszuschlag für gelegentlich in der Nacht Arbeitende deutlich anheben, um die Arbeitgeber von der Anordnung von Mehrarbeit in der Nacht abzuhalten. Der allgemeine Gleichheitssatz zwingt sie nicht dazu, den Präventionszweck über alle Arbeitnehmergruppen hinweg, die in der Nacht arbeiten, in gleichem Maße zu verfolgen. Vielmehr ist es Bestandteil der Tarifautonomie, dass die Tarifpartner zur Verfolgung bestimmter Zwecke den Hebel dort ansetzen können, wo er ihnen besonders effektiv zu sein scheint. Dort, wo Nachtarbeit wegen bestimmter Produktionsprozesse oder wegen der besseren Auslastung der Maschinen strukturell erforderlich erscheint (regelmäßiger Schichtbetrieb) ist bei gleichem finanziellen Aufwand eine Verteuerung zur Reduzierung der Nachtarbeit weniger erfolgversprechend als dort, wo Nachtarbeit nur gelegentlich auftritt und daher wohl nicht oder allenfalls in geringem Maße strukturell vorgegeben ist. Dass von dem 60%igen Zuschlag auch Arbeitnehmer profitieren, die in der Nacht gelegentlich zum Einsatz kommen, ohne gleichzeitig Mehrarbeit zu leisten, fällt nicht ins Gewicht. Zum einen dürfte es sich nur um einen verhältnismäßig kleinen Teil der gelegentlich in der Nachtarbeit Beschäftigten handeln. Zum anderen - und das ist entscheidend - gilt auch für diesen Teil das mit dem Zuschlag verfolgte Ziel, möglichst effektiv unnötiger Nachtarbeit entgegenzuwirken. Letztlich soll der hohe Zuschlag für die Gruppe der gelegentlich in der Nacht Beschäftigten keine finanzielle Besserstellung gegenüber den Schichtarbeitern, sondern die Ersparnis des finanziellen Aufwands durch Nichtanordnung von Nachtarbeit bewirken. Die tatsächlich im Einzelfall entstehende finanzielle Besserstellung ist unerwünscht. Sie ist dem Präventionszweck des Zuschlags geschuldet und verstößt daher nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (vgl. LAG Baden-Württemberg, 17. Juli 2020 - 12 Sa 17/20 - Rn. 97 ff.).

(9).

Ein Anspruch auf einen höheren Nachtarbeitszuschlag von 30 % ergibt sich auch nicht aus unionsrechtlichen Erwägungen. Unionsrechtliche Regelungen oder Vorgaben zu der Höhe von Nachtarbeitszuschlägen bestehen weder im Primärrecht des Art. 31 GRC noch im Sekundärrecht der Richtlinie 2003/88/EG. Die Höhe des finanziellen Ausgleichs aus § 6 Abs. 5 ArbZG ist nicht unionsrechtlich überformt. Art. 31 GRC und die Richtlinie 2003/88/EG regeln keine Fragen des Arbeitsentgelts, weil die Europäische Union hierfür nach Art. 153 Abs. 5 AEUV nicht zuständig ist (vgl. für die Richtlinie 2003/88/EGEuGH 21. Februar 2018 - C-518/15 - [Matzak] Rn. 49; EuGH, 11. Januar 2007 - C-437/05 - [Vorel] Rn. 32 ff; BAG, 15. Juli 2020 - 10 AZR 123/19 - Rn. 55). Für die vorliegend relevante Frage nach einer etwaigen Ungleichbehandlung durch Gewährung unterschiedlich hoher tarifvertraglicher Nachtarbeitszuschläge kann nach Wertung der Kammer nichts Abweichendes gelten.

(10).

Entgegen der Auffassung der klagenden Partei ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 21. März 2018 (-10 AZR 34/17 -) mit der vorliegenden Entscheidung in Einklang zu bringen. In dem Urteil vom 21. März 2018 hatte der 10. Senat - wie die Kammer im vorliegenden Fall auch - praktische Konkordanz zwischen der Grundrechtsausübung durch die Tarifvertragsparteien und den Gleichheitsrechten der Normunterworfenen herzustellen und die Grundrechtsausübung der Tarifvertragsparteien überwiegend deshalb hinter den Gleichheitsrechten der Normunterworfenen zurücktreten lassen, weil der Zuschlag für Nachtarbeit (50 %) im Verhältnis für Zuschlag im Rahmen von Schichtarbeit (15 %) u. a. "um mehr als das Dreifache höher" war (BAG, 21. März 2018 - 10 AZR 34/17 - Rn. 47) und damit eine deutliche Schlechterstellung der Nachtarbeit leistenden Schichtarbeitnehmer bei der Bezahlung von Nachtarbeit im Vergleich zu Arbeitnehmern, die Nachtarbeit außerhalb von Schichtsystemen leistet, bestehe (BAG, 21. März 2018 - 10 AZR 34/17 - Rn. 48).

Gegenüber dem Sachverhalt, der dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 21. März 2018 zugrunde lag, unterscheidet sich der vorliegend zur Entscheidung stehende Fall vor allem darin, dass Unterschiede in der Zuschlagshöhe hier nur im Umfang von 30 % zu 60 % - unter Berücksichtigung der Ausgleichsregelungen wie z. B. der Schichtfreizeiten sogar im Umfang von weniger als 30 % bestehen - und von den Tarifvertragsparteien auch für regelmäßige Nachtarbeit ein der Gesundheitsgefährdung jedenfalls angemessener Zuschlag von 30 % vereinbart wurde. Dafür, dass das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 21. März 2018 (- 10 AZR 34/17 -) jegliche tarifvertragliche Differenzierung zwischen Nachtarbeit und Nachtarbeit in Schichtarbeit bzw. unregelmäßiger und regelmäßiger Nachtarbeit als unzulässig erachtet, bestehen keine Anhaltspunkte. Diese Entscheidung lässt insbesondere nicht erkennen, dass der Senat von der früheren Entscheidung vom 11. Dezember 2013 (- 10 AZR 736/12 -), in welcher über eine Differenzierung von Nachtarbeit (50 %) und Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit (20 %) im Manteltarifvertrag für den Berliner Einzelhandel zu entscheiden war, abrücken wollte (vgl. BAG, 21. März 2018 - 10 AZR 34/17 - Rn. 54).

cc.

Da ein sachlicher Grund für die Differenzierung zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit in der Zuschlagshöhe gegeben ist, kann dahingestellt bleiben, ob eine "Angleichung nach oben" in jedem Fall zu erfolgen hat, insbesondere auch dann, wenn die unregelmäßige Nachtarbeit nach der Auslegung des Tarifvertrages und der gelebten Praxis die Ausnahme, die regelmäßige Nachtarbeit die Regel ist. Gegen eine Anpassung nach oben spricht, dass eine Lückenschließung im Wege der ergänzenden Tarifauslegung zu unterbleiben hat, wenn unter Berücksichtigung von Treu und Glauben den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung verbleibt und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden (BAG, 12. Dezember 2013 - 8 AZR 942/12 - Rn. 19).

III.

Der in der Berufung als zulässige Klagerweiterung i.S.v. § 533 ZPO gestellte Feststellungsantrag ist zulässig.

1.

Er ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die klagende Partei begehrt - zukunftsgerichtet ab dem Monat April 2019 und ohne zeitliche Einschränkung - für Nachtschichtarbeit einen Zuschlag in Höhe von 60%, wie er nach der Regelung in § 5 Ziff. 5 Satz 1, § 6 Ziff. 4 MTV für Nachtarbeit "soweit es sich nicht um Schicht- und Nachtschichtarbeit handelt" beansprucht werden kann. Der Feststellungsantrag reicht noch weiter. Neben der Anpassung der Höhe der Zuschläge für (Nacht)Schichtarbeit begehrt der Kläger auch eine Anpassung in zeitlicher Hinsicht für die gesamte Zeit, die in § 5 Ziff. 5 Satz 1 MTV als Nachtarbeit definiert ist und damit nicht nur für die (Nacht)Schichtarbeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr, sondern bereits ab 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr.

2.

Für den Feststellungsantrag besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Der angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die Höhe des Nachtzuschlags unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden (vgl. BAG 15. Dezember 2016 - 6 AZR 603/15 - Rn. 19).

Der Feststellungsantrag wahrt die Ausschlussfrist auch für erst zukünftig entstehende Ansprüche, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt das Feststellungsinteresse nicht in Abrede gestellt werden kann. Soll ein Anspruch zur Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist geltend gemacht werden, so muss der Schuldner zur Erfüllung des Anspruchs aufgefordert werden (BAG 5. April 1995 - 5 AZR 961/93 - zu 2 b der Gründe). Dies ist mit der Zustellung der Klageschrift geschehen. Die Geltendmachung von Ansprüchen setzt zudem grundsätzlich voraus, dass die rechtserzeugenden Anspruchsvoraussetzungen bei der Geltendmachung erfüllt sind, d. h. der Anspruch entstanden ist. Bei erst in der Zukunft entstehenden Ansprüchen ist diese Voraussetzung nicht gegeben. Eine Besonderheit liegt aber vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht (vgl. BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 863/11 - Rn. 31). So liegt der Fall hier. Die Anzahl der zuschlagspflichtigen Nachtschichtstunden ist in den Entgeltabrechnungen ausgewiesen bzw. lässt sich ohne weiteres bestimmen. Die Parteien streiten dem Grunde nach nur darum, ob für Nachtschichtarbeit ein Zuschlag wie für unregelmäßige Nachtarbeit nach § 5 Ziff. 5 Satz 1 iVm. § 6 Ziff. 4 MTV zu zahlen ist. Damit ist dem Zweck der Ausschlussfrist, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, auch für die Zukunft genüge getan.

IV.

Der Feststellungsantrag ist aus den unter II. dargelegten Gründen, auf die verwiesen wird, unbegründet.

V.

Auch das weitere Vorbringen der klagenden Partei, auf das in diesem Urteil nicht mehr besonders eingegangen wird, weil die Entscheidungsgründe gemäß § 313 Abs. 3 ZPO lediglich eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägungen enthalten sollen, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren war für den Zahlungsantrag in Höhe der Summe der bezifferten Klagforderungen festzusetzen, §§ 3 ff. ZPO. Der Feststellungsantrag ist angesichts der erheblichen Differenzen bei den monatlich geltend gemachten Beträgen sowie im Hinblick auf seine mangelnde Vollstreckbarkeit pauschal mit 1.500 € bewertet worden.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung war die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen.