Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.03.2021, Az.: 16 Sa 1157/20

Vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG; Tarifvertragliche Verlängerung der Einsatzzeiten der Leiharbeitnehmer

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
05.03.2021
Aktenzeichen
16 Sa 1157/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 51851
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 08.11.2022 - AZ: 9 AZR 226/21

Redaktioneller Leitsatz

1. Eine Arbeitnehmerüberlassung, die von Beginn an für einen begrenzten Zeitraum erfolgt, ist als "vorübergehend" zu qualifizieren, wenn die Überlassungsdauer die Höchstgrenze des § 1 Abs. 1 b AÜG nicht überschreitet. Dabei ist es unerheblich, ob der Leiharbeitnehmer auf einem Dauerarbeitsplatz im Entleihunternehmen eingesetzt wird.

2. Nach § 1 Abs. 1 b Satz 3 AÜG kann in einem Tarifvertrag von den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. Eine tarifvertragliche Erweiterung der Höchstüberlassungsdauer auf bis zu 48 Monate ist durch § 1 Abs. 1 b Satz 3 AÜG gedeckt.

In dem Rechtsstreit
A., A-Straße, A-Stadt
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
B. u. a., B-Straße, A-Stadt
gegen
C., C-Straße, A-Stadt
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
D., D-Straße, A-Stadt
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 2021 durch den Richter am Arbeitsgericht Dr. Kleingers sowie den ehrenamtlichen Richter Herrn Detmers und die ehrenamtliche Richterin Frau Unger als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 07.10.2020 - 11 Ca 174/20 - abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen aufgrund des Leiharbeitnehmer-Einsatzes des Klägers kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist oder der Kläger zumindest einen Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages mit der Beklagten über eine Vollzeittätigkeit als "Logistiker" hat.

Der am 3. Juli 1980 geborene Kläger ist Mitglied der IG Metall und seit dem 17. Oktober 2016 auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 12. Oktober 2016 (Anlage K 1 zur Klagschrift, Bl. 28 ff. d. A.) bei der R Deutschland GmbH & Co. KG (nachfolgend kurz "R" genannt), die seit dem 24. Oktober 1973 über eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung verfügt (vgl. Anlage 2 zum Beklagtenschriftsatz vom 17. Juli 2020, Bl. 85 d. A.), als Produktionsmitarbeiter mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war zunächst befristet bis zum 31. Januar 2017 und wurde über diesen Zeitpunkt hinaus verlängert.

Seit Beginn seines Arbeitsverhältnisses mit R wurde der Kläger im Wege der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung als Logistiker von der Beklagten in ihrem Werk in A-Stadt eingesetzt.

Die Beklagte - Mitglied im D. Niedersachsens e.V. - vereinbarte mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrats am 11. November 2020 eine "Gesamtbetriebsvereinbarung über den Einsatz von Leiharbeitnehmern in M&L vari" (vgl. Anlage K 3 zur Klagschrift, Bl. 40 d. A., nachfolgend kurz "GBV Zeitarbeit" genannt), in der es - auszugsweise - heißt:

"Zwischen dem Gesamtbetriebsrat der Standorte A-Stadt & G und den Geschäftsführungen der W GmbH und der W Logistik GmbH (die "W - Gesellschaften") wird folgende Vereinbarung getroffen.

Zur Gewährleistung der Flexibilität in den Produktionsbereichen wird grundsätzlich der Einsatz von Leiharbeit vereinbart.

Folgendes wird zum Einsatz von Leiharbeitnehmern festgelegt:

1. Der Anteil der Leiharbeitnehmer kann insgesamt maximal bis zu 25 % (je Werk A-Stadt / G) der Gesamtbeschäftigten (inkl. unbefristete, befristete und Leiharbeitnehmer) in den Produktions-, Lager- und Logistikbereichen (Mitarbeiterkategorie M & L vari, auch direkte Mitarbeiter genannt) betragen.

Darüber hinaus können Einstellungen von Arbeitnehmern nur über befristete oder unbefristete Arbeitsverhältnisse bei W getätigt werden. [...].

2. Das Entgelt der Leiharbeitnehmer entspricht grundsätzlich dem eines vergleichbaren internen W Mitarbeiters. Ausgenommen davon sind über Betriebsvereinbarungen oder sonstige Regelungen vereinbarte übertarifliche freiwillige Zulagen, unter anderem [...].

3. [...]

4. Die Betriebsvereinbarung tritt mit Wirkung zum 01.01.2011 in Kraft. Sie wird unbefristet abgeschlossen und kann mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende von beiden Seiten gekündigt werden."

Unter dem Datum des 15. Februar 2018 vereinbarten der D. und die IG Metall - Bezirksleitung Niedersachsen und Sachsen-Anhalt - den "Tarifvertrag Leiharbeit / Zeitarbeit (TV LeiZ)" vom 31. Mai 2017 in der Fassung vom 15. Februar 2018, gültig ab dem 01.01.2019" (nachfolgend folgend "TV LeiZ" genannt). In diesem Tarifvertrag heißt es auszugsweise:

"§ 1

Geltungsbereich

Für diesen Tarifvertrag gilt der Geltungsbereich des Manteltarifvertrages (MTV).

§ 2

Einsatz von Leih-/Zeitarbeitsbeschäftigen

(1) Durch den Einsatz von Leih-/Zeitarbeit darf für die Beschäftigten im Entleihbetrieb keine feststellbare Beeinträchtigung der Entgelt- und Arbeitsbedingungen und keine feststellbare Gefährdung der Arbeitsplätze bewirkt werden.

(2) Der vorübergehende Einsatz von Leih-/Zeitarbeitsbeschäftigten ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG zulässig. Die nachfolgenden tariflichen Regelungen erfolgen in Umsetzung der Öffnungsklausel nach § 1 Abs. 1b AÜG und sind in ihrer Anwendung auf den Geltungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes beschränkt.

Ein vorübergehender Einsatz ist danach gegeben, wenn

a) ein Einsatz zeitlich befristet ist

oder

b) ein Sachgrund vorliegt, z. B. der Einsatz erforderlich ist, weil Fachkräfte mit speziellen Qualifikationen im Betrieb nicht vorgehalten werden (z. B. Projekte, die spezielle Qualifikationen verlangen) oder in Vertretungsfällen (z. B. Krankheit, Schwangerschaft)

oder

c) der Einsatz dazu dient, Auftragsspitzen oder anderen zeitlich begrenzten Mehrbedarf abzuarbeiten.

Der Sachgrund nach b) und c) ist nicht auf die Vorgaben und Definitionen des § 14 Abs. 1 TzBfG oder eines anderen gesetzlichen Sachgrundes beschränkt.

(3) Die Tarifvertragsparteien stimmen darin überein, dass die Höchstdauer eines Einsatzes nach diesem Tarifvertrag (§ 3, 4 Ziff. 1) 48 Monate nicht überschreiten darf.

Erfolgt der Einsatz wegen eines Sachgrundes, der voraussichtlich länger als 48 Monate andauert, ist dem Betriebsrat im Rahmen des Verfahrens nach § 99 BetrVG neben dem Sachgrund die voraussichtliche Dauer des Einsatzes mitzuteilen und dies zu dokumentieren. Damit ist die tariflich zulässige Höchstüberlassungsdauer für diesen Fall festgelegt.

(4) [...]

§ 3

Freiwillige Betriebsvereinbarung

(1) Die Betriebsparteien können im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung den Einsatz von Leih-/Zeitarbeit und die Ausgestaltung der betrieblichen Flexibilität regeln. Auf Verlangen einer Seite sind hierzu Verhandlungen aufzunehmen.

a) In dieser Vereinbarung können zum betrieblichen Einsatz von Leih-/Zeitarbeit unter anderem geregelt werden:

- Einsatzzwecke, Einsatzbereiche und Volumen von Leih-/Zeitarbeit

- [...]

- Höchstdauer des Einsatzes und Übernahmeregeln

b) [...]

(2) [...]

(3) Bestehende betriebliche Regelungen gelten als Betriebsvereinbarungen in diesem Sinne.

§ 4

Betriebe ohne Betriebsvereinbarung

(1) Besteht keine Betriebsvereinbarung gemäß § 3, gilt Folgendes:

a) Nach 18 Monate Überlassung hat der Entleiher zu prüfen, ob er dem Leih-/Zeitarbeitsbeschäftigten einen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten kann.

b) Nach 24 Überlassung hat der Entleiher dem Leih-/Zeitarbeitsbeschäftigten einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten. Dieses kann nach Beratung mit dem Betriebsrat bei akuten Beschäftigungsproblemen entfallen.

[...]

(2) [...]

(3) [...]

§ 8

Übergangsregelung

(1) Für Betriebsvereinbarungen nach § 3 Nr. 3 ohne die Festlegung einer Überlassungshöchstdauer gilt folgendes:

1. [...]

2. [...]

3. [...]

4. Für Beschäftigte, die zum 1. Juni 2017 bereits im Einsatzbetrieb beschäftigt waren, gilt die Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten ab dem 1. Juni 2017 entsprechend.

(2) [...]

(3) [...]"

Die Protokollnotiz zu § 2 Abs. 1 des TV LeiZ lautet:

"Leih-/Zeitarbeitsbeschäftigte sollen nach Auffassung der Tarifvertragsparteien grundsätzlich nicht regelmäßig auf Arbeitsplätzen eingesetzt werden, die im Betrieb auf Dauer angelegt sind."

Am 1. Oktober 2017 vereinbarte die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat die "Anlage zur Gesamtbetriebsvereinbarung über den Einsatz von Leiharbeitnehmern in M&L Vari vom 11.11.2010" (vgl. Anlage zur Klagschrift, B. 41 f. d. A., nachfolgend kurz "Anlage zur GBV Zeitarbeit" genannt), in der es auszugsweise heißt:

"1. Präambel

Diese Vereinbarung dient der praktischen Umsetzung des Tarifvertrages Leiharbeit/Zeitarbeit (TV LeiZ) vom 31.05.2017 in der niedersächsischen Metallindustrie in Ergänzung der geltenden Gesamtbetriebsvereinbarung.

Gemäß § 3 Abs. 1 a werden Höchstdauer des Einsatzes und Übernahmeregeln vereinbart. In der bestehenden Gesamtbetriebsvereinbarung wurde bereits Einsatzzweck, Einsatzbereich und Volumen von Leiharbeit sowie Höhe der Vergütung der Leiharbeitnehmer geregelt.

2. Laufzeit

Die Höchstüberlassungsdauer beträgt 48 Monate. Nach 36 Monaten wird eine finale Bewertung auf Basis der während der Einsatzdauer durchgeführten Qualifikationsgespräche (aktuell GBV über eine persönliche Leistungszulage bei Teamarbeit 12.06.2001) durch den Vorgesetzten vorgenommen, um zu überprüfen, ob der Leiharbeitnehmer grundsätzlich für eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei W in Frage kommt. Sollte die letztmalige Bewertung in Rahmen des Qualifikationsgespräches mehr als sechs Monate zurückliegen, wird die Bewertung nochmals überprüft.

Die Leiharbeitnehmer, die die Bewertungskriterien nicht erfüllen, werden spätestens nach Ablauf von 36 Monaten darüber informiert, dass ihr Einsatz bei W im Rahmen der üblichen Abmeldefrist endet.

3. Übernahmeregelung

Die Prüfung, ob der Leiharbeitnehmer für eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in Frage kommt, findet regelmäßig, jeweils zum Ende des Quartals für das nächste Quartal statt. Der Arbeitgeber stellt sicher, dass zum Zeitpunkt der Übernahmeentscheidung eine aktuelle Bewertung vorliegt. Die Betriebsparteien prüfen gemeinsam die jeweils aktuelle Bewertungssituation.

Darüber hinaus werden zusätzliche Auswahlkonditionen, wie die fachliche Qualifikation (z. B. eine abgeschlossene Berufsausbildung) und besondere Zusatzqualifikationen (wie beispielsweise [...]) berücksichtigt.

Eine Abmeldung in den ersten 36 Monaten ist jederzeit volumens-, leitungs- oder verhaltensbedingt möglich. Der Betriebsrat wird durch HR vorab informiert, wenn seitens des Verleihers Abmeldungen erfolgen.

Die eigentliche Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis erfolgt nach Ablauf der maximalen Höchstdauer des Einsatzes von 48 Monaten.

Der Übernahme des einzelnen Mitarbeiters nach 48 Monaten steht nur die Unterschreitung der Mindestquote von 17,5 % Leiharbeit (M&L Vari A-Stadt & Langenhagen) sowie personen- oder verhaltensbedingte Gründe, die arbeitsrechtliche Konsequenzen zur Folge hatten, entgegen. Sollten arbeitsrechtliche Konsequenzen ursächlich sein, sind im Einzelfall die Interessen durch die Betriebsparteien gemeinsam abzuwägen und zu entscheiden.

Sollte es zu erheblichen Problemen bei der Beschäftigungssituation kommen, kann die Übernahmeregelung mit Zustimmung des Gesamtbetriebsrates ausgesetzt werden. Die Betriebsparteien stimmen sich dazu ab und finden eine gemeinsame Lösung.

4. Wiedereinstellung von Leiharbeitnehmern

[...]"

R meldete den Kläger bei der Beklagten zum 30. April 2020 ab. Der Einsatz des Klägers bei der Beklagten endete zu diesem Datum.

Mit seiner am 20. Mai 2020 bei dem Arbeitsgericht Hannover eingegangenen und der Beklagten am 3. Juni 2020 zugestellten Klage hat der Kläger eine Feststellung zum Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten sowie den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages mit der Beklagten über eine Tätigkeit als Logistiker in Vollzeit zu den tarifvertraglichen Bedingungen begehrt. Darüber hinaus hat der Kläger hilfsweise seine Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des hiesigen Verfahrens gefordert.

Der Kläger hat erstinstanzlich geltend gemacht, dass sein Einsatz als Leiharbeitnehmer bei der Beklagten wegen Überschreitung der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer gem. § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG unzulässig sei. Zwar liege mit dem TV LeiZ ein von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer abweichender Tarifvertrag der Einsatzbranche vor. Sein Einsatz bei der Beklagten sei von den tariflichen Regelungen des TV LeiZ jedoch nicht erfasst. Der TV LeiZ treffe Regelungen ausdrücklich nur für den vorübergehenden Einsatz von Leih- und Zeitarbeitsbeschäftigten. Nur im Falle eines solch vorübergehenden Einsatzes könne die tarifvertraglich erhöhte Überlassungsdauer greifen. Für Leiharbeitnehmer, die - wie er, der Kläger - regelmäßig auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt würden, finde der TV LeiZ dagegen keine Anwendung, wie sich auch aus der Protokollnotiz zu § 2 Abs. 1 TV LeiZ ergebe.

Zumindest - so der Kläger - habe er aus der GBV Zeitarbeit i.V.m. der Anlage zur GBV Zeitarbeit einen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die Anlage zur GBV Zeitarbeit regele Übernahmevorschriften als Kompensation für die Erhöhung der gesetzlichen limitierten Überlassungsdauer durch den TV LeiZ. Gegen die Übernahmeregelungen der GBV Zeitarbeit habe die Beklagte indes verstoßen. Bis zum Ende seines Einsatzes bei der Beklagten Ende April 2020 sei entgegen Ziff. 2 der Anlage GBV Zeitarbeit keine finale Bewertung von Qualifikationsgesprächen erfolgt. Zudem habe die Beklagte ihn, den Kläger, nach Ablauf der ersten 36 Monate seines Einsatzes nicht mehr durch R abmelden lassen dürfen. Die Beklagte habe entgegen Ziff. 3 Abs. 1 und Abs. 2 der Anlage zur GBV Zeitarbeit keine ordnungsgemäße Prüfung durchgeführt, ob er für eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in Frage komme. Er habe daher gegen die Beklagte Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages zu den bei der Beklagten geltenden tariflichen Bedingungen als Logistiker in Vollzeit. Zudem sei die Beklagte verpflichtet, ihn - den Kläger - zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen, da weiterhin ein Bedarf an seiner Arbeitskraft bestehe.

Der Kläger hat b e a n t r a g t,

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Angebot zum Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages zu den bei der Beklagten geltenden tarifvertraglichen Bedingungen als "Logistiker" in Vollzeit zu unterbreiten,

2. die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages nach Maßgaben der bei der Beklagten geltenden tarifvertraglichen Bedingungen als "Logistiker" in Vollzeit anzunehmen,

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der R Deutschland GmbH & Co. KG auf die Beklagte übergegangen ist und zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35,00 Stunden und einem Bruttostundenlohn von derzeit 9,96 Euro fortbesteht,

4. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1., 2. oder 3. wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Logistiker mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35,00 Stunden und einem Bruttostundenlohn von derzeit 9,96 Euro weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat b e a n t r a g t,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, dass der TV LeiZ wirksam und einschlägig sei. Die dort vorgesehene Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten sei im Fall des Klägers eingehalten worden. Die Protokollnotiz zu § 2 Abs. 1 des TV LeiZ ändere hieran nichts. Der Kläger sei auch nicht auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt worden. Der Einsatz von Logistikern sei schwer abzusehen. Die Produktionslogistik werde im Wesentlichen über die Bedarfe der einzelnen Produktionslinien gesteuert. Insofern könne es zu einer längeren Einsatzzeit kommen, ohne dass der Arbeitsplatz tatsächlich auf Dauer angelegt sei.

Ein gesetzlich nach den Vorschriften des AÜG fingiertes Arbeitsverhältnis lasse sich auch nicht aus einem etwaigen Verstoß gegen Übernahmeregelungen der Anlage zur GBV Zeitarbeit ableiten. Die Übernahmeregelungen würde darauf abzielen, dem Unternehmen die Feststellung zu ermöglichen, ob Leiharbeitnehmer für eine Übernahme geeignet seien. Mit der Wirksamkeit der Arbeitnehmerüberlassung habe dies nichts zu tun. Im Übrigen liege auch kein Verstoß gegen die Anlage zur GBV Zeitarbeit vor. Die dortige Höchstüberlassungsdauer sei im Fall des Klägers nicht überschritten worden. Nach der Anlage zur GBV Zeitarbeit habe eine regelmäßige Beurteilung aller eingesetzten Leiharbeitnehmer anhand eines einheitlichen Kriterienkataloges zu erfolgen. Während der Einsatzzeit des Klägers hätten regelmäßige Qualifikationsgespräche stattgefunden und seien entsprechend dokumentiert worden. Die letzte Beurteilung habe Ende Dezember 2019/Anfang Januar 2020 stattgefunden. Dabei sei der Kläger als Nicht-Übernahmekandidat gekennzeichnet worden. Die letzte Beurteilung im Rahmen der GBV über eine persönliche Leistungszulage bei Teamarbeit habe dann im Februar 2020 stattgefunden. Ein Gespräch mit dem Kläger sei aufgrund seiner zwischenzeitlichen Abmeldung nicht mehr erfolgt. Im März 2020 sei das Ergebnis der Quartalsbeurteilung noch einmal zu Verifizierung an die Vorgesetzten kommuniziert worden, da für 73 Leiharbeitnehmer die Übernahmeentscheidung nach sechsunddreißigmonatiger Überlassungsdauer angestanden habe. Die finale Entscheidung habe am 24. März 2020 vorgelegen. Bei acht Leiharbeitnehmern, zu denen der Kläger gehört habe, sei es bei der Entscheidung geblieben, keine Übernahmen in Aussicht zu stellen. Hierüber sei der Betriebsrat am 25. März 2020 informiert worden. Der Kläger sei dann am 27. März 2020 von seinem Vorgesetzten sowie seinem R-Betreuer ordnungsgemäß informiert und seitens R zum 30. April 2020 abgemeldet worden. Dieses Abmeldegespräch habe das jährliche Qualifikationsgespräch ersetzt. Eine Übernahme des Klägers sei letztlich nicht in Betracht gezogen worden, da ihm verschiedene Meldeverstöße anzulasten seien, welche auch zu Abmahnungen seitens R geführt hätten.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, dort Seite 2 ff. (Bl. 100 ff. d. A.), auf die gewechselten erstinstanzlichen Schriftsätze beider Seiten samt Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 7. Oktober 2020 (Bl. 97 d. A.) verwiesen.

Mit Urteil vom 7. Oktober 2020 hat das Arbeitsgericht Hannover die Beklagte verurteilt, dem Kläger ein Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages zu den bei ihr geltenden tarifvertraglichen Bedingungen als "Logistiker" in Vollzeit zu unterbreiten. Eine Abweisung von Klaganträgen erfolgte nicht. Zu Begründung der Stattgabe hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass ein Übernahmeanspruch gegeben sei, da der Kläger seit dem 1. April 2017 länger als 18 aufeinanderfolgende Monate bei der Beklagten als Leiharbeitnehmer im Einsatz gewesen und damit die gesetzliche Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG überschritten sei. Die durch den TV LeiZ erhöhten Überlassungszeiten würden nicht greifen. Die Tarifvertragsparteien hätten im TV LeiZ deutlich gemacht, dass die Verlängerung der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer nicht dazu dienen solle, Dauerarbeitsplätze dauerhaft mit Leiharbeitnehmern zu besetzen. Vielmehr hätten nur solche Leiharbeitnehmereinsätze ermöglicht werden sollen, die - trotz der tarifvertraglich verlängerten Überlassungshöchstdauer - als vorrübergehend zu qualifizieren seien. Einen lediglich vorrübergehenden Bedarf für den Einsatz des Klägers habe die Beklagte indes nicht dargetan. Wegen der weiteren Einzelheiten der rechtlichen Würdigungen der angefochtenen Entscheidung wird auf die Seiten 6 ff. der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe (Bl. 104 ff. d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 20. Oktober 2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Hannover hat die Beklagte am 2. November 2020 bei dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen Berufung eingelegt und diese mit dem am 10. Dezember 2020 bei dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz begründet. Hierzu führt die Beklagte in Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen aus, dass die erweiterte Überlassungshöchstdauer des TV LeiZ schon dann gelte, wenn ein zeitlich befristeter Einsatz eines Leiharbeitnehmers vorliege, was das erstinstanzliche Gericht verkannt habe. Ob der Arbeitnehmer regelmäßig auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt werde, sei keine Voraussetzung für einen zulässigen Einsatz nach § 2 Abs. 2 a TV LeiZ und die Inanspruchnahme der tarifvertraglich verlängerten Überlassungszeiträume. Hinsichtlich der Überlassung von Arbeitnehmern sei mit R vereinbart gewesen, dass das Überlassungsende entweder angegeben oder mit Erreichen der maximal zulässigen Überlassungsdauer erreicht sei. Der Überlassungsvertrag habe in Bezug auf den Kläger ein Einsatzende bis zum 30. April 2020 vorgesehen (vgl. Anlage 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 9. Dezember 2020, Bl. 129 ff. d. A.). Bei Überlassungsverträgen ohne Beendigungsdatum greife der nachfolgende Satz:

"Ist kein Einsatzende angegeben, endet der Einsatz spätestens beim Erreichen der zulässigen Höchstüberlassungsdauer."

Der Kläger sei also nicht dauerhaft bei ihr, der Beklagte, eingesetzt worden. Bei der vom ihm vorübergehend besetzten Stelle habe es sich auch nicht um einen Dauerarbeitsplatz gehandelt. Der Einsatz des Klägers habe allein dazu gedient, Personalbedarfsschwankungen abzufangen. Die Personalkapazitätsplanung der Produktionslogistik sei gekoppelt an die jeweilige Auftragssituation in den Produktionsbereichen. Sofern es in der Produktion zu Schwankungen komme, sei eine direkte Auswirkung auf den Personalbedarf der Logistik zu verzeichnen. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten zur Auslastungssituation im Produktions- und Logistikbereich wird auf die Ausführungen ab Seite 6 ff. der Berufungsbegründung vom 9. Dezember 2020 (Bl. 126 ff. d. A.) verwiesen. Der Einsatz des Klägers verstoße - so die Beklagte - also weder gegen den TV LeiZ noch gegen die GBV Zeitarbeit bzw. die zu dieser GBV gehörende Anlage. Die GBV Zeitarbeit sei entwickelt worden, da beide Betriebsparteien erkannt hätten, dass ein flexibler Einsatz von Leiharbeitnehmern zwingend erforderlich sei. Um festangestellte Mitarbeiter nicht zu benachteiligen und die Leiharbeitnehmer nicht auszunutzen, sei eine maximale Prozentzahl an einsetzbaren Leiharbeitnehmern vereinbart worden. Auch hätten das Entgelt und weitere Arbeitskonditionen der Leiharbeitnehmern demjenigen der Stammmitarbeiter entsprechen sollen.

Die Beklagte b e a n t r a g t:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 07.10.2020, Az. 11 Ca 174/20, wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger b e a n t r a g t

die Zurückweisung der Berufung.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und ist der Auffassung, dass wegen Überschreitens der zulässigen Überlassungshöchstdauer i.S.d. § 1 Abs. 1 b AÜG der Vertrag zwischen ihm und R gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 b AÜG unwirksam sei, womit nach § 10 Abs. 1 AÜG zwischen der Beklagten und ihm ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Sein Einsatz bei der Beklagten sei nicht von vornherein befristet und damit nicht vorübergehend i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG bzw. des § 2 Abs. 2 TV LeiZ gewesen, was der vorgelegte Arbeitnehmerüberlassungsvertrag belege. Im Zuge der Unterrichtung des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrates anlässlich seiner Einstellung i.S.d. § 99 BetrVG, § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG sei als "voraussichtliche Dauer" seines Einsatzes ein Zeitraum von zwei Jahren genannt worden. Die Angabe einer voraussichtlichen Einsatzdauer, zumal wenn sie nicht eingehalten werde, reiche für einen vorübergehenden Einsatz im Sinne des TV LeiZ jedoch nicht aus. Darüber hinaus habe sein Einsatz auch nicht dazu gedient, Auftragsspitzen oder andere zeitlich begrenzte Mehrbedarfe abzuarbeiten. Die Arbeitsplätze von Leiharbeitnehmern/Logistikern in der Abteilung "interne Logistik" seien auf Dauer angelegt. Zwar sei die interne Logistik abhängig von der Produktion und Montage. Auslastungsschwankungen in der Produktion hätten jedoch keine Auswirkung auf die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern im Betrieb der Beklagten und würden durch interne Flexibilität (Arbeitszeitkontenabbau oder - Aufbau bzw. Freischichten durch AZVK-Tage oder durch Mehrarbeit) aufgefangen. Vielmehr werde im Betrieb der Beklagten Personalbedarf auf Dauer durch Leiharbeitnehmer abgedeckt. Die Beklagte kalkuliere und Plane mit einem Sockel von ca. 20 % entsprechend ca. 200 bis 220 Leiharbeitnehmern. Die Schwankungen im Arbeitsvolumen seien in den letzten vier bis fünf Jahren im gesamten Bereich der Produktion und Logistik so gering gewesen, dass es keine große "Abmeldewelle" bei Leiharbeitnehmern gegeben habe.

Bei seiner immerhin über dreieinhalb Jahre dauernden Tätigkeit für die Beklagte könne jedenfalls nicht mehr - so der Kläger - von einem vorübergehenden Einsatz die Rede sein. Jede andere Bewertung würde eine Umgehung der Richtlinie 2008/104 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 darstellen. Art. 5 Abs. 5 Satz 1 dieser Richtlinie sei so auszulegen, dass Maßnahmen zur Wahrung des vorübergehenden Charakters der Leiharbeit und zur Verhinderung von Umgehungen der Richtlinie durch aufeinanderfolgende Überlassungen eines Leiharbeitnehmers an denselben Entleiher verlangt würden. Die Richtlinie ziele darauf ab, den Zugang der Leiharbeitnehmer zu unbefristeter Beschäftigung bei dem entleihenden Unternehmen zu fördern - ein Ziel, dass sich insbesondere aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie ableiten lasse. Leiharbeit bei demselben entleihenden Unternehmen dürfe nicht zu einer Dauersituation für einen Leiharbeitnehmer werden. Leiharbeitskräfte dürften nicht auf Dauerarbeitsplätzen beschäftigt werden, was sich auch § 2 Abs. 2 TV LeiZ und der dazugehörigen Protokollnotiz sowie dem AÜG entnehmen lasse. Diesen Anforderungen habe - so der Kläger - sein Einsatz bei der Beklagten nicht entsprochen. Mangels eines vorübergehenden Einsatzes greife weder die verlängerte Überlassungshöchstdauer des TV LeiZ noch die verlängerte Überlassungshöchstdauer der Anlage zur GBV Zeitarbeit. Die GBV Zeitarbeit sei auch nicht geeignet, in Zusammenschau mit der dazugehörigen Anlage 1 die Voraussetzungen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung i.S.d. § 3 TV LeiZ zu erfüllen. Die GBV Zeitarbeit ziele darauf ab, durch Leiharbeitnehmer Flexibilität in den Produktionsbereichen zu gewährleisten, was belege, dass es um den - unzulässigen - dauerhaften Einsatz von Leiharbeitnehmern gehe. Wie sich der Protokollnotiz 1 zu § 2 Abs. 1 TV LeiZ entnehmen lasse, hätten die Tarifvertragsparteien genau dies nicht ermöglichen wollen. Die damit geltende gesetzliche Überlassungshöchstdauer habe sein Einsatz bei der Beklagten überschritten.

Unter der Klarstellung, dass es sich bei den im Berufungsverfahren zusätzlich eingebrachten Klaganträgen um eine selbstständige Anschlussberufung handele, b e a n t r a g t der Kläger:

1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 01.10.2018 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Logistiker mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden und einem Bruttomonatslohn von derzeit Euro 20,86 brutto besteht,

hilfsweise:

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Angebot zum Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages zu den bei der Beklagten geltenden tarifvertraglichen Bedingungen als "Logistiker" in Vollzeit zu unterbreiten,

sowie äußerst hilfsweise:

3. Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages nach Maßgaben bei der Beklagten geltenden tarifvertraglichen Bedingungen als "Logistiker" in Vollzeit anzunehmen.

4. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1., 2. oder 3. wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als Logistiker mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden und einem Bruttostundenlohn von derzeit 20,86 Euro weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte b e a n t r a g t - unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Vorbringens -

die Zurückweisung der Anschlussberufung.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens beider Seiten wird auf die Schriftsätze vom 9. Dezember 2020 (Bl. 122 ff. d. A.), vom 14. Januar 2021 (Bl. 147 ff. d. A.), vom 11. Februar 2021 (Bl. 186 ff. d. A.) sowie vom 24. Februar 2021 (Bl. 202 ff. d. A.) und auf das Protokoll der Kammerverhandlung vom 5. März 2021 (Bl. 209 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

I.

Sie ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft, von der Beklagten fristgemäß und formgerecht eingelegt sowie begründet worden (§ 66 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.

1.

Der Klagantrag zu 1., gerichtet auf die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien für die Zeit seit dem 1. Oktober 2018 über eine Tätigkeit des Klägers als Logistiker mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden und einem Bruttostundenlohn von 20,86 Euro, unterliegt der Abweisung.

a)

Der Klagantrag zu 1. ist zulässig. Er ist hervorgegangen aus einer, im Berufungsrechtszug erfolgten und den Anforderungen der §§ 264 Nr. 2, 533 ZPO genügenden Umstellung des erstinstanzlichen Klagantrags zu 3.; das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist aufgrund des Streits der Parteien darüber, ob zwischen ihnen kraft gesetzlicher Fiktion ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist, gegeben.

b)

Der Klagantrag zu 1. ist jedoch unbegründet. Zwischen den Parteien besteht seit dem 1. Oktober 2018 kein Arbeitsverhältnis.

aa)

Ein Arbeitsverhältnis ist gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 b AÜG nicht etwa deshalb kraft Gesetzes zustande gekommen, weil es sich bei dem Einsatz des Klägers im Betrieb der Beklagten - wie der Kläger meint - um eine nicht nur vorübergehende Überlassung i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG gehandelt hätte.

(1)

Nach Wertung der Kammer ist eine Arbeitnehmerüberlassung, die - wie im vorliegenden Fall - von Beginn an für einen begrenzten Zeitraum erfolgt, als vorübergehend i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG zu qualifizieren, sofern die Überlassungsdauer die Höchstgrenzen des § 1 Abs. 1 b AÜG nicht überschreitet (hinsichtlich des Streitstandes zur Frage, ob dem Tatbestandsmerkmal "vorübergehend" neben der in § 1 Abs. 1 b AÜG geregelten Überlassungshöchstdauer noch eine eigenständige Bedeutung zukommt vgl. ErfK/Wank, 21. Aufl., § 1 AÜG/Rn. 54 und 68a). Letzteres ist hier der Fall (zur Wahrung der Überlassungshöchstgrenzen nachfolgend unter A. II. 1. b) bb) der Entscheidungsgründe), so dass es keiner Entscheidung bedarf, ob eine nicht vorübergehende Überlassung die Rechtsfolge nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 b AÜG zeitigt.

Der Einsatz des Klägers bei der Beklagten in der Zeit vom 16. Oktober 2016 bis zum 30. April 2020 war von Beginn an für einen begrenzten Zeitraum geplant. So wurden im Zuge der Unterrichtung des Betriebsrats mit Schreiben vom 13. Oktober 2016 (siehe Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 11. Februar 2021, Bl. 196 d. A.) anlässlich der Tätigkeitsaufnahme des Klägers als voraussichtliche Einsatzdauer zwei Jahre genannt. Der letzte Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen R und der Beklagten (vgl. Anlage 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 9. Dezember 2020, Bl. 129 ff. d. A.) benennt - nach vorheriger Einsatzverlängerung - als Einsatzende den 30. April 2020. Dies deckt sich mit dem Vorbringen der Beklagten im Kammertermin am 5. März 2021. Danach sei der erste Abruf des Klägers befristet erfolgt und sodann für die zulässige Überlassungshöchstdauer verlängert worden. Anhaltspunkt für eine von R und der Beklagten beabsichtigte endgültige oder hinsichtlich ihrer zeitlichen Dauer unabsehbare Überlassung des Klägers an die Beklagte hat der Kläger demgegenüber nicht aufgezeigt.

(2)

Für die Bewertung der Überlassung des Klägers an die Beklagte als "vorübergehend" i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG ist unerheblich, ob der Kläger auf einem Dauerarbeitsplatz der Beklagten eingesetzt worden ist und ob dem Einsatz des Klägers ein lediglich vorübergehender Beschäftigungsbedarf zugrunde lag. Denn die Regelungen des § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG und des § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG stellen schon ihrem Wortlaut nach auf den Leiharbeitnehmer und nicht auf den zu besetzenden Arbeitsplatz ab. Im Übrigen soll laut Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/9232, S. 20) die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1 b AÜG zwar einer dauerhaften Substitution von Stammbeschäftigten entgegenwirken. Dies heißt aber auch, dass eine solche Substitution nicht von vornherein unterbunden werden soll, zumal der Gesetzesgeber mit der Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1 b AÜG den Unternehmen flexible Einsatzmöglichkeiten erhalten wollte (BT-Drucks. 18/9232 S. 20). Ein solches Verständnis des Tatbestandsmerkmals "vorübergehend" steht in Einklang mit der in Art. 2 der Richtlinie 2008/104/EG formulierten Zielsetzung, die auch darin besteht, zur Entwicklung flexibler Arbeitsformen beizutragen. Durch die Regelung der gesetzlichen Überlassungshöchstgrenzen i.S.d. § 1 Abs. 1 AÜG hat der nationale Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, was vernünftigerweise als "vorübergehend" i.S.d. Richtlinie 2008/104/EG anzusehen ist (vgl. zum Begriff des "vorübergehenden" Leiharbeitnehmereinsatzes i.S.d. Richtlinie 2008/104 EG: EuGH 14. Oktober 2020 - C 681/18 - Rn. 69, AP Nr. 3 zu Richtlinie 2008/104/EG = NZA 2020, 1463 ff.).

Es kommt für die Zulässigkeit der Arbeitnehmerüberlassung nach Wertung der Kammer daher nicht auf einen nur vorübergehenden Beschäftigungsbedarf bei dem Entleiher (Arbeitsplatzbezug) an (so auch Schüren/Hamann, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, 5. Aufl. 2018, § 1, Rn. 321). Der Verleiher kann denselben Arbeitsplatz im Betrieb innerhalb der gesetzlichen Überlassungshöchstgrenzen mit ein und demselben Leiharbeitnehmer besetzen und auf diesem Arbeitsplatz nach Ablauf der Höchstüberlassungsdauer einen neuen Leiharbeitnehmer beschäftigen (so auch Erfk/Wank, 21. Aufl., § 1 AÜG, Rn. 68 a, dort mwN. zum Streitstand). Eine Grenze kann sich allenfalls bei institutionellem Rechtsmissbrauch ergeben, für den im vorliegenden Fall auch mit Blick auf die Einsatzverlängerungen und die Gesamteinsatzdauer des Klägers keine Anhaltspunkte bestehen.

bb)

Ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist auch nicht aufgrund eines Verstoßes gegen die gesetzliche Überlassungshöchstgrenze des § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG nach §§ 9 Abs. 1 Nr. 1 b, 10 Abs. 1 AÜG zustande gekommen.

(1)

Nach § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG darf der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen. Zudem darf der Entleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werden lassen. Arbeitsverträge zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmern sind gem. § 9 Abs. 1 Nr. b AÜG mit Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1 b AÜG unwirksam, es sei denn, der Leiharbeitnehmer erklärt schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält. Ist der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 AÜG unwirksam, so gilt gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Verleiher als zustande gekommen. Tritt die Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, so gilt das Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG).

(2)

Nach Maßgabe dieser Vorschriften ist zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis entstanden. Zwar hat der Einsatz des Klägers bei der Beklagten vom 17.10.2016 bis zum 30.04.2020 gedauert und damit die in § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG festgelegte Überlassungshöchstdauer von 18 aufeinander folgenden Monaten - auch unter Berücksichtigung der Übergangsvorschrift des § 19 Abs. 2 AÜG - nicht eingehalten. Der Einsatz des Klägers war jedoch gem. § 1 Abs. 1 b Satz 3 AÜG i.V.m. § 2 Abs. 2 a und Abs. 3 TV LeiZ zulässig.

Nach § 1 Abs. 1 b Satz 3 AÜG kann in einem Tarifvertrag von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine von § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. Dies ist hier durch § 2 Abs. 3 TV LeiZ geschehen. Danach beträgt die Höchstdauer eines vorübergehenden Leiharbeitnehmereinsatzes nach §§ 3 und 4 Ziff. 1 TV LeiZ 48 Monate.

(a)

Die tarifvertragliche Regelung des § 2 Abs. 3 TV LeiZ ist wirksam. Sie ist von § 1 Abs. 1 b Satz 3 AÜG gedeckt.

Die Festlegung einer achtundvierzigmonatigen Überlassungshöchstdauer hält sich im Rahmen der den Tarifvertragsparteien eröffneten Regelungsbefugnis. Dies ergibt eine Auslegung des § 1 Abs. 1 b Satz 3 AÜG.

(aa)

Die den Tarifvertragsparteien eröffnete Möglichkeit, die Höchstdauer der Überlassung abweichend von § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG festzulegen, ist nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 b Satz 3 AÜG nicht eingeschränkt. Sie besteht gleichwohl nicht unbegrenzt. Der systematische Gesamtzusammenhang dieser Regelungen, der Sinn und Zweck des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sowie verfassungs- und unionsrechtliche Gründe gebieten eine immanente Beschränkung der den Tarifvertragsparteien durch § 1 Abs. 1 b Satz 3 AÜG eröffneten Regelungsbefugnis.

Nach Art. 3 Abs. 1 c der Richtlinie 2008/104/EG werden Leiharbeiter nur vorübergehend unter Aufsicht und Leitung dem entleihenden Unternehmen überlassen. Dementsprechend sieht § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG vor, dass die Überlassung von Arbeitnehmern nur vorübergehend zulässig ist. Nach der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG soll die Überlassungshöchstdauer einer dauerhaften Substitution von Stammbeschäftigten entgegenwirken. Die Richtlinie 2008/104/EG und das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in seiner aktuellen Fassung gehen mithin von dem Leitbild aus, dass der Arbeitnehmer im Normalfall bei seinem Vertragsarbeitgeber eingesetzt und beschäftigt wird und Arbeitnehmerüberlassung die Ausnahme bildet. Der durch Art. 12 Abs. 1 GG für Arbeitsverhältnisse garantierte staatliche Mindestbestandsschutz erfordert, um - wie vom Gesetzgeber beabsichtigt - einer Substitution von Stammbelegschaften durch Leiharbeitnehmer entgegenzuwirken, ebenfalls eine Einschränkung der Überlassungszeiträume.

(bb)

In Abgleich mit der vom Bundesarbeitsgericht angenommenen Begrenzung der aus § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG folgenden Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien für die Festlegung der Höchstdauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages auf maximal sechs Jahre (vgl. BAG 26.10.2016 - 7 AZR 140/15 - Rn. 13, AP Nr. 147 zu § 14 TzBfG = EzA § 14 TzBfG Tarifvertrag Nr. 1 = NZA 2017, 463 ff.) und in Anbetracht, dass das Bundesarbeitsgericht hierbei maßgeblich auf den durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz bezweckten Schutz des befristet beschäftigten Arbeitnehmers abgestellt hat, während der Primärzweck der Überlassungshöchstdauer des § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG nicht in einem Schutz des Leiharbeitnehmers vor einem Dauereinsatz bei demselben Entleiher besteht, sondern darin, einer Substitution der Stammbelegschaft durch Leiharbeitnehmer entgegenzuwirken, sieht die Kammer die tarifvertragliche Erweiterung der Überlassungshöchstdauer auf 48 Monate als von § 1 Abs. 1 b Satz 3 AÜG gedeckt an. Zu berücksichtigen ist im Rahmen dieser Wertung auch, dass § 1 Abs. 1 b Satz 6 AÜG den Betriebsparteien eines nicht tarifgebundenen Entleihers die Erhöhung der Überlassungshöchstdauer auf Grund eines Tarifvertrages bis zu 24 Monaten zubilligt und die Tarifvertragsparteien nach dem Willen des Gesetzgebers die Möglichkeit haben sollten, für tarifgebundene Entleiher über diese vierundzwanzigmonatige Überlassungshöchstdauer hinauszugehen, wodurch einen Anreiz zur Tarifbindung gesetzt werden soll (vgl. BT-Drucks. 18/9232, S. 21).

(b)

Der Einsatz des Klägers im Betrieb der Beklagten wird den Anforderungen des § 2 Abs. 2 a TV LeiZ gerecht. Er wahrt die Überlassungshöchstdauer nach §§ 2 Abs. 3, 8 Abs. 2 TV LeiZ von 48 Monaten. Diese Überlassungshöchstdauer hat die Beklagte als ein tarifgebundenes Unternehmen der niedersächsischen Metallindustrie zusammen mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat durch die Anlage zur GBV Zeitarbeit als einer freiwilligen Betriebsvereinbarung i.S.d. §§ 2 Abs. 3, 3 TV LeiZ für das Unternehmen der Beklagten zur Anwendung gebracht.

(aa)

Für den Kläger, der als Mitglied der IG Metall der Bindung an den TV LeiZ gemäß § 3 Abs. 1 TVG unterfällt, ist der Geltungsbereich nach § 1 des Manteltarifvertrages der niedersächsischen Metallindustrie vom 15. Februar 20218 in der Fassung vom 1. Januar 2019 i.V.m. § 1 TV LeiZ eröffnet. Dass die Beklagte nicht Vertragsarbeitgeber des Klägers ist, steht einer Anwendung der Bestimmungen des TV LeiZ - soweit sie als Inhaltsnormen gewertet werden - auf das Arbeitsverhältnis des Klägers mit R nicht entgegen. Die nach § 4 Abs. 1 TVG grundsätzlich erforderliche Tarifbindung beider Arbeitsvertragsparteien wird durch die hiervon abweichende gesetzliche Regelung nach § 1 Abs. 1 b Satz 3 und Satz 4 AÜG, gegen deren Wirksamkeit die Kammer keine im Ergebnis durchgreifenden Bedenken hat, verdrängt (zur Problematik einer etwaigen Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 1 Abs. 1 b Satz 3 AÜG vgl. z.B. LAG Baden-Württemberg 2. Dezember 2020 - 4 Sa 16/20 - Rn. 18, mwN., juris).

(bb)

Der Einsatz des Klägers bei der Beklagten erfüllt die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 a) TV LeiZ i.V.m. Ziff. 2 der Anlage zur GBV Zeitarbeit. Er war - wie oben unter A. II. 1. b) aa) (1) der Entscheidungsgründe ausgeführt - von Beginn an zeitlich befristet i.S.d. § 2 Abs. 2 a) TV LeiZ. Weitergehende Anforderungen an einen der tariflich erhöhten Überlassungsdauer unterfallenden Leiharbeitnehmereinsatz stellt weder der TV LeiZ noch die Anlage zur GBV Zeitarbeit. Insbesondere lässt sich aus der Protokollnotiz zu § 2 Abs. 1 TV LeiZ nicht ableiten, dass ein vorübergehender Einsatz i.S.d. § 2 Abs. 2 TV LeiZ nicht auf einem Dauerarbeitsplatz erfolgen darf. Dies ergibt eine Auslegung der vorgenannten Tarifregelungen unter Heranziehung der für die Auslegung von Gesetzen entwickelten Grundsätze (zu den Grundsätzen der Tarifvertragsauslegung vgl. BAG 11. November 2020 - 4 AZR 210/20 - Rn. 20, mwN., juris).

Dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 TV LeiZ, der inhaltlich die Voraussetzungen für einen vorübergehenden Einsatz i.S.d. TV LeiZ bestimmt, ist eine entsprechende Einschränkung nicht zu entnehmen. Zudem bezieht sich die Protokollnotiz nicht auf Absatz 2 des § 2 TV LeiZ, sondern auf dessen Absatz 1, der - gleich einem Programmsatz - vorsieht, dass durch den Einsatz von Leih- und Zeitarbeit keine feststellbare Gefährdung der Arbeitsplätze bewirkt werden darf. Ergänzend heißt es dann in der Protokollnotiz, dass Leih-/Zeitarbeitsbeschäftigte nach Auffassung der Tarifvertragsparteien grundsätzlich nicht regelmäßig auf Arbeitsplätzen eingesetzt werden sollen, die im Betrieb auf Dauer angelegt sind. Eine Rechtsfolge für den Fall eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 TV LeiZ samt dazugehöriger Protokollnotiz ist im Tarifvertrag weder ausdrücklich angeordnet, noch lässt sie sich dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck des § 2 Abs. 1 TV LeiZ i.V.m. der dazugehörigen Protokollnotiz entnehmen.

Die Annahme, dass der zeitlich befristete Einsatz eines Leiharbeitnehmers auf einem Dauerarbeitsplatz keinen vorübergehenden Einsatz i.S.d. § 2 Abs. 2 TV LeiZ darstellt, hätte zur Konsequenz, dass ein solcher Einsatz von der tarifvertraglich erhöhten Überlassungsdauer nicht erfasst wäre. Mit Überschreitung der - im Vergleich zur tarifvertraglichen Überlassungshöchstdauer des TV LeiZ - kürzeren gesetzlichen Überlassungshöchstdauer i.S.d. § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG könnte dann kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher entstehen (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1 b, 10 Abs. 1 AÜG). Welche Arbeitsplätze als Dauerarbeitsplätze i.S.d. TV LeiZ anzusehen sind und aufgrund welcher Kriterien, dürfte häufig schwer zu beurteilen sein und zu Unsicherheiten bei der Abgrenzung führen, für welche Leiharbeitnehmer aufgrund des Einsatzes auf einem Dauerarbeitsplatz die gesetzliche Überlassungshöchstdauer gilt, und für welche Leiharbeitnehmereinsätze die erhöhte Überlassungsdauer nach § 2 Abs. 3 TV LeiZ greift. Diese Unsicherheiten begründen für den Entleiher das Risiko, dass bei jeder Überschreitung der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer - auch, wenn sie sich im Rahmen der tarifvertraglichen Überlassungshöchstgrenze hält - ein Arbeitsverhältnis mit dem Leiharbeitnehmer kraft gesetzlicher Fiktion entstehen kann. Dass die Tarifvertragsparteien durch den TV LeiZ das Eingreifen der erhöhten Überlassungsdauer mit solchen (Rechts-)Unsicherheiten belasten wollten, ist ohne eine hinreichend deutliche Aussage zu der von den Tarifvertragsparteien für den Fall eines Verstoßes beabsichtigten Rechtsfolge nicht anzunehmen.

Erhärtet wird dieses Auslegungsergebnis durch die von § 2 Abs. 1 TV LeiZ geforderte feststellbare Gefährdung von Arbeitsplätzen, was die Handhabbarkeit dieser Tarifnorm weiter schwächt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Einsatz auf einem Dauerarbeitsplatz einem vorübergehenden Einsatz i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG nicht entgegensteht (siehe oben unter A. II. 1. B) (aa) der Entscheidungsgründe).

Dass die Tarifvertragsparteien durch den TV LeiZ von der ihnen zur Beschäftigungsflexibilisierung durch § 1 Abs. 1 b Satz 3 und 4 AÜG eingeräumten Möglichkeit, die Überlassungshöchstgrenze auszuweiten, nur unter der Bedingung Gebrauch machen wollten, die Anforderungen des AÜG an das Vorliegen von Leiharbeit zusätzlich zu erhöhen, ist nicht ersichtlich.

(c)

Festzuhalten bleibt, dass sich der Einsatz des Klägers in der Zeit vom 16. Oktober 2016 bis einschließlich 30. April 2020 unter Berücksichtigung der Übergangsvorschriften nach § 19 Abs. 2 AÜG i.V.m. § 8 Abs. 2 TV LeiZ im Rahmen der tarifvertraglichen Überlassungshöchstgrenze des § 2 Abs. 3 TV LeiZ hält. Daher ist zwischen den Parteien nach den Vorschriften des AÜG kein Arbeitsverhältnis anlässlich der Überlassung des Klägers an die Beklagte zustande gekommen. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, aufgrund derer zwischen den Parteien für die hier streitrelevante Zeit ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sein sollte. Der Klagantrag zu 1) unterliegt daher als unbegründet der Abweisung.

2.

Der damit zur Entscheidung angefallene und zulässige Hilfsantrag zu 2., den der Kläger außerhalb einer Anschlussberufung gemäß §§ 264 Nr. 2, 533 ZPO innerhalb des Berufungsrechtszuges ändern konnte, unterliegt ebenfalls als unbegründet der Abweisung.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages mit den von ihm geforderten Konditionen. Ein vertraglicher Übernahmeanspruch folgt namentlich nicht aus Ziff. 2. und Ziff. 3. der Anlage zur GBV Zeitarbeit. Durch die dortigen Regelungen wird keinen Anspruch der betroffenen Leiharbeitnehmer auf Übernahme in ein Vertragsverhältnis mit der Beklagten für den Fall begründet, dass gegen die Vorgaben und Verfahrensregelungen zur Qualifikationsprüfung und Feststellung einer etwaigen Übernahmeeignung seitens der Beklagten verstoßen wird. Dies ergibt die Auslegung der Anlage zur GBV Zeitarbeit, die aufgrund ihres normativen Charakters den für Tarifverträgen und für Gesetze geltenden Auslegungsgrundsätzen folgt.

a)

Auszugehen ist demnach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien geben kann. Soweit kein eindeutiges Auslegungsergebnis möglich ist, kommen ohne Bindungen eine Reihenfolge weiterer Auslegungskriterien wie etwa eine regelmäßige Anwendungspraxis oder die Normengeschichte in Betracht. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 3. Juni 2020 - 3 AZR 730/19 - Rn. 54, AP Nr. 78 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung = NZA 2021, 347 ff.).

b)

Ausgehend von diesen Anforderungen folgt aus den Regelungen unter Ziff. 2. und 3. der Anlage zur GBV Zeitarbeit kein Anspruch des betroffenen Leiharbeitnehmers auf Übernahme in ein Vertragsverhältnis mit der Beklagten, wenn diese gegen die Übernahme-Verfahrensbestimmungen der Anlage zur GBV Zeitarbeit verstößt. Die ausdrückliche Anordnung einer solchen Rechtsfolge fehlt. Sie kann auch nicht aus der Regelungssystematik oder dem Regelungszweck abgeleitet werden. Bei den Verfahrensregelungen der Anlage zur GBV Zeitarbeit zur Prüfung einer grundsätzlichen Übernahmeeignung handelt es sich erkennbar um solche, die dazu dienen, eine möglichst objektive Beurteilungsgrundlage zu schaffen, damit die Beklagte - für den Betriebsrat möglichst transparent - über eine Übernahme von Leiharbeitnehmern in ein Arbeitsverhältnis entscheiden kann. Eine Einschränkung der Vertragsabschlussfreiheit der Beklagten sollte hiermit ersichtlich nicht einhergehen. So heißt es unter Ziff. 2. Satz 2 der Anlage zur GBV Zeitarbeit, dass die finale Bewertung der während der Einsatzdauer durchgeführten Qualifikationsgespräche durch den Vorgesetzten vorgenommen wird, um zu überprüfen, ob der Leiharbeitnehmer grundsätzlich für eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in Frage kommt. Nach Ziff. 3. Abs. 4 erfolgt die eigentliche Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nach Ablauf der maximalen Höchstdauer. Ferner heißt es unter Ziff. 3. Abs. 5 der Anlage zur GBV Zeitarbeit, dass bei arbeitsrechtlichen Konsequenzen, die einer Übernahme entgegenstehen, im Einzelfall die Interessen durch die Betriebsparteien gemeinsam abzuwägen und zu entscheiden sind. Insbesondere hieraus wird deutlich, dass der Beklagten - unter Einbeziehung und in Abstimmung mit dem Betriebsrat - die Entscheidung über eine Übernahme vorbehalten bleiben sollte. Bei Annahme eines individualrechtlichen Übernahmeanspruchs des betroffenen Leiharbeitnehmers gäbe es in einer solchen Situation durch die Betriebsparteien nichts mehr gemeinsam abzuwägen und insbesondere nicht zu entscheiden.

Dieses Auslegungsergebnis wird erhärtet durch einen Abgleich der Verfahrensregelungen unter Ziff. 2. und 3. der Anlage zur GBV Zeitarbeit mit § 4 Abs. 1 b TV LeiZ. Auch wenn die vorgenannte Tarifnorm eine andere Konstellation betrifft, wird aus der Klarheit ihrer Formulierung ohne Weiteres deutlich, dass die Tarifvertragsparteien dem Leiharbeitnehmer für bestimmte Konstellationen, nämlich die über 24 Monate hinausgehende Überlassung eines Leiharbeitnehmers an denselben Entleiher, ohne dass bei diesem eine Betriebsvereinbarung nach § 3 TV LeiZ gelten würde, einen Anspruch gegen den Entleiher auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages einräumen wollten. In der Anlage zur GBV Zeitarbeit findet sich nirgends eine auch nur annähernd so deutliche Regelung.

Ohne einen individualrechtlichen Übernahmeanspruch müssen Verstöße gegen die Verfahrensregelungen unter Ziff. 2. und 3. der Anlage zur GBV Zeitarbeit auch nicht sanktionslos bleiben. Etwaige Sanktionsmöglichkeiten könne sich auf der kollektivrechtlichen Ebene im Verhältnis der Betriebsparteien zueinander, namentlich im Hinblick auf den sich aus der Anlage zur GBV Zeitarbeit ergebenden Durchführungsanspruch des Gesamtbetriebsrates ergeben.

Auch der Hilfsantrag zu 2. unterliegt damit als unbegründet der Abweisung.

3.

Entsprechendes gilt für den damit zur Entscheidung angefallenen weiteren Hilfsantrag, den zulässigen Klagantrag zu 3., den der Kläger ebenfalls außerhalb einer Anschlussberufung gemäß §§ 264 Nr. 2, 533 ZPO innerhalb des Berufungsrechtszuges ändern konnte. Auch dieser Antrag war mangels eines Anspruchs des Klägers auf Abschluss eines Arbeitsvertrages mit der Beklagten als unbegründet abzuweisen.

Unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils war die Klage daher insgesamt als unbegründet abzuweisen.

B.

Den bereits erstinstanzlich als Hilfsantrag gestellten Klagantrag zu 4. konnte der Kläger im Wege einer zulässigen Anschlussberufung i.S.d. § 524 ZPO - und als solche ist die als selbständig bezeichnete Anschlussberufung der Beklagten bei interessengerechter Auslegung zu werten - mit Schriftsatz vom 11.02.2021 erneut in das Verfahren einbringen, nachdem der Antrag seitens des Arbeitsgerichts erkennbar versehentlich nicht beschieden worden und seine Rechtshängigkeit mangels einer Urteilsergänzung nach § 321 ZPO mit Ablauf der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO erloschen ist (vgl. BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 24, AP Nr. 8 zu § 68 ArbGG 1979 = EZA § 68 ArbGG 1979 Nr. 4 = NZA 2015, 124 ff.). Mangels eines Obsiegens des Klägers mit den Klaganträge zu 1., 2. oder 3. ist dieser Klagantrag indes nicht zur gerichtlichen Entscheidung angefallen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Angesichts der Zielsetzungen der Richtlinie 2008/104 EG bestehen aus den oben genannten Gründen nach Wertung der Kammer keine durchgreifenden Bedenken an der Europarechtskonformität der hiesigen Bewertungen, weshalb von einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEV angesichts der - aufgrund grundsätzlicher Bedeutung - gebotenen Revisionszulassung abgesehen wurde (anders LAG Berlin-Brandenburg 13. Mai 2020 - 15 Sa 1991/19 - insbesondere zur Frage, ob die Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers auf einem dauerhaft vorhandenen Arbeitsplatz des Entleihers, der nicht vertretungsweise besetzt wird, als vorübergehend im Sinne der Leiharbeitsrichtlinie anzusehen ist und ob die Überlassung eines Leiharbeitnehmers unterhalb einer Zeitspanne von 55 Monaten als nicht mehr "vorübergehend" im Sinne des Art. 1 der Leiharbeitsrichtlinie zu werten ist).

Dr. Kleingers
Detmers
Unger