Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.05.2021, Az.: 15 Sa 1098/20 B

Parallelentscheidung zu LAG Niedersachsen 15 Sa 1096/20 B v. 31.05.2021

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
31.05.2021
Aktenzeichen
15 Sa 1098/20 B
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 49615
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 08.03.2022 - AZ: 3 AZR 362/21

In dem Rechtsstreit
A., A-Straße, A-Stadt
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
B., B-Straße, B-Stadt
gegen
C., C-Straße, C-Stadt
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
D., D-Straße, D-Stadt
hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 31. Mai 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Trapp sowie den ehrenamtlichen Richter Herrn Wolter und den ehrenamtlichen Richter Herrn Kaminski als Beisitzer für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 16.09.2020 - 4 Ca 87/20 B - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung eines Arbeitgeberzuschusses zu seiner betrieblichen Altersversorgung.

Der Kläger ist seit dem 23.10.2000 als Maschinenbediener bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung ein Haustarifvertrag der Beklagten vom 15.4.2019 Anwendung, nach dem die einschlägigen, zwischen dem Landesverband Niedersachsen und Bremen der Holz- und Kunststoffverarbeitenden Industrie und der IG Metall abgeschlossenen Tarifverträge anzuwenden sind. Hierzu zählt unter anderem der Tarifvertrag zur Altersversorgung zwischen dem Landesverband Niedersachen und Bremen der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie eV. und der IG-Metall vom 9. Dezember 2008 (TV AV) Anwendung. Dieser lauter auszugsweise:

"§ 2

Grundsätze der Altersversorgung/Anspruch der Arbeitnehmer/innen

Die Vorschriften dieses Tarifvertrages regeln die Altersversorgung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie.

Beschäftigte haben im Rahmen der nachfolgenden Bestimmungen Anspruch auf einen Altersvorsorgegrundbetrag und auf Entgeltumwandlung durch Umwandlung tariflichen Entgelts zugunsten einer Versorgungszusage zum Zwecke der Altersversorgung.

Die Zugangsvoraussetzungen zu bestehenden Systemen der betrieblichen Altersversorgung bleiben durch die Bestimmungen dieses Tarifvertrages unberührt.

§ 3

Altersvorsorgegrundbetrag

3.1. Der Altersvorsorgegrundbetrag beträgt im Tarifgebiet Niedersachsen und Bremen das 25-fache des Facharbeiter-Ecklohns pro Kalenderjahr.

(...)

§ 4

Angebotspflicht des Arbeitgebers

4.1. Der Arbeitgeber bietet jedem/jeder neu in den Betrieb eintretenden Beschäftigten innerhalb der ersten drei Monate ab dem 7. Monat der ununterbrochenen Zugehörigkeit zum Betrieb den Altersvorsorgegrundbetrag an.

(...)

§ 5

Verwendung des Altersvorsorgegrundbetrages

5.1. Der Altersvorsorgegrundbetrag dient der Entgeltumwandlung in einem Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung.

5.2. Der/die Beschäftigte, der/die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages das 50. Lebensjahr vollendet hat, kann den Altersvorsorgegrundbetrag für eine Anlage gem. § 2 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes nutzen. Die Höhe ist dann beschränkt auf 319,08 EUR/Jahr und errechnet sich nach Ziffer 3.2. dieses Tarifvertrages.

5.3. Eine freiwillige Betriebsvereinbarung kann regeln, dass der Altersvorsorgegrundbetrag für eine Versorgungszusage einheitlich für alle Beschäftigte oder bestimmte Beschäftigungsgruppen genutzt wird.

5.4. Eine Barauszahlung ist ausgeschlossen.

§ 6

Höhe der Entgeltumwandlung

6.1. Der/die Beschäftigte kann verlangen, dass über den Altersvorsorgegrundbetrag hinaus seinen/ihren zukünftigen Entgeltansprüchen Beträge zusammen bis zur steuerlichen Höchstgrenze gem. § 3 Nr. 63 EStG für betriebliche Altersversorgung verwendet werden. Bei dieser Entgeltumwandlung darf 1/160 der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch nicht unterschritten werden.

Die Einzelheiten werden zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem/-er auf der Grundlage dieses Tarifvertrages schriftlich vereinbart.

6.2. Zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem/-er kann auf freiwilliger Basis vereinbart werden, dass er/sie über die steuerliche Höchstgrenze hinaus umwandeln kann."

Beginnend ab dem 1. November 2019 schloss die Beklagte mit der MetallRente GmbH und dem Kläger einen Vertrag zur betrieblichen Altersversorgung, nach dem der Kläger monatlich einen Betrag in Höhe von 86,83 EUR im Wege der Entgeltumwandlung in einen Pensionsfonds zahlt. In dem Zahlbetrag ist ein Altersvorsorgegrundbetrag für 2019 in Höhe von 36,83 EUR monatlich und im Jahr 2020 in Höhe von 37,79 EUR monatlich enthalten.

Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2020, bei dem Arbeitsgericht Osnabrück eingegangen am 21. Februar 2020 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, für den den Altersvorsorgegrundbetrag übersteigenden Teil seiner Zahlungen einen Zuschuss in Höhe von 15% des umgewandelten Entgelts zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Beklagte zu verurteilen, für die Monate Mai 2019 bis November 2019 einen Betrag in Höhe von 7,50 EUR netto betriebliche Altersversorgung im Rahmen des Versorgungswerkes Metallrente als Arbeitgeberzuschuss für eine Pensionsfonds-Vereinbarung mit der Versorgungsverhältnis-Nr. ---- an die M. GmbH zu zahlen;

2. Die Beklagte zu verurteilen, für die Monate Dezember 2019 bis April 2020 einen Betrag in Höhe von 38,46 EUR netto betriebliche Altersversorgung im Rahmen des Versorgungswerkes Metallrente als Arbeitgeberzuschuss für eine Pensionsfonds-Vereinbarung mit der Versorgungsverhältnis-Nr. ---- an die M. GmbH zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, durch den TV AV sei die Entgeltumwandlung abschließend geregelt. Jedenfalls sei nach der Übergangsvorschrift des § 26a BetrAVG derzeit kein Zuschuss gem. § 1a Abs. 1a BetrAVG zu zahlen.

Mit Urteil vom 16. September 2020 hat das Arbeitsgericht Osnabrück die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Zuschusses gem. § 1a Abs. 1a BetrAVG bestehe derzeit nicht. Nach der Übergangsvorschrift des § 26a BetrAVG könne der Kläger den Zuschuss frühestens ab dem 1. Januar 2022 verlangen. Für die Anwendung der Übergangsregelung komme es auf das Datum des Abschlusses des Tarifvertrages an, dieses liege vor dem 1. Januar 2019. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 50R - 51R dA., wegen der rechtlichen Würdigung durch das Arbeitsgericht auf die Entscheidungsgründe (Bl. 51R - 52R dA.) Bezug genommen.

Die Berufung hat das Arbeitsgericht in seinem Urteil zugelassen.

Gegen das ihm am 23. September 2020 zugestellte Urteil vom 16. September 2020 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2020, bei dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangen am 19. Oktober 2020 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 20. November 2020, bei dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangen am 20. November 2020 begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, für die Anwendung der Übergangsregelung des § 26a BetrAVG komme es auf den Zeitpunkt des Abschlusses der individualrechtlichen Entgeltumwandlungsvereinbarung an. Erst diese bewirke, dass Entgeltansprüche des Arbeitnehmers in Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung umgewandelt werden. Der TV AV sei keine nach § 19 BetrAVG zulässige abweichende Regelung zu § 1a Abs. 1a BetrAVG. Von dieser Regelung könne zu Ungunsten der Arbeitnehmer nur durch Tarifverträge abgewichen werden, die nach in Kraft treten des § 19 BetrAVG geschlossen werden.

Auf Hinweis der Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 31.5.2021 hat der Kläger den Antrag zu 2. wegen eines Rechenfehlers reduziert.

Der Kläger beantragt:

1. Unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 16.09.2020, die Az.: 4 Ca 86/20 B, die Beklagte zu verurteilen, für die Monate Mai 2019 bis November 2019 einen Betrag in Höhe von 7,50 EUR netto betriebliche Altersversorgung im Rahmen des Versorgungswerkes Metallrente als Arbeitgeberzuschuss für eine Pensionsfonds-Vereinbarung mit der Versorgungsverhältnis Nr. --- an die M. GmbH zu zahlen;

2. Die Beklagte zu verurteilen, für die Monat Dezember 2019 bis April 2020 einen Betrag in Höhe von 36,94 EUR netto betriebliche Altersversorgung im Rahmen des Versorgungswerkes Metallrente als Arbeitgeberzuschuss für eine Pensionsfonds-Vereinbarung mit der Versorgungsverhältnis Nr--- an die M. GmbH zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiten Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze vom 20. November 2020 und 27. Januar 2021 sowie die Sitzungsniederschrift vom 31. Mai 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist aber unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung eines weiteren Arbeitgeberzuschusses zu seinen Zahlungen an die M. GmbH nicht zusteht.

Ein darauf gerichteter Anspruch des Klägers folgt insbesondere nicht aus § 1a Abs. 1a BetrAVG.

1.

In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob für die Anwendbarkeit der Übergangsregelung gem. § 26a BetrAVG auf den Zeitpunkt des Abschlusses des TV AV oder den des Abschlusses der Individualvereinbarung über die Entgeltumwandlung abzustellen ist. Dies gilt bereits deshalb, weil sowohl die in Betracht kommende kollektivrechtliche Regelung als auch die Individualvertragliche Regelung nach dem 1.1.2019 geschlossen worden sind. Im Hinblick auf die kollektivrechtliche Regelung ist abzustellen auf den Haustarifvertrag vom 15.4.2019, denn vor Abschluss dieses Tarifvertrages gab es im Betrieb der Beklagten eine kollektivrechtliche Regelung zur Entgeltumwandlung nicht. Es kann auch offenbleiben, ob gem. § 19 Abs. 1 BetrAVG durch bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung bestehende Tarifverträge zum Nachteil der Arbeitnehmer in den Anspruch auf Zahlung des Arbeitgeberzuschusses gem. § 1a Abs. 1a BetrAVG eingegriffen werden kann.

2.

Ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Zahlung des gesetzlichen Arbeitgeberzuschusses wäre jedenfalls durch die Zahlung des Altersvorsorgegrundbetrages erfüllt.

a.

Bereits aufgrund eines bestehenden Entgeltumwandlungssystems zu gewährende Zuschüsse sind auf den Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG anzurechnen; vgl. Vogelsang/Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 18. Aufl., § 273 Rn. 58; Blomeyer/Rolfs, Betriebsrentengesetz, 7. Aufl., § 1a Rn. 80, jeweils mit Nachweisen; im Ergebnis auch Bepler, Das "soweit" in § 1a Abs. 1a und § 23 Abs. 2 BetrAVG nF, RdA 2019, 12, 16, der bei einem tarifautonom begründeten Zuschussanspruch von einer Anspruchskonkurrenz mit dem Anspruch aus § 1a Abs. 1a ausgeht, die nach den in § 19 vorgegebenen Regeln aufzulösen ist.

Dies ergibt sich aus der Intention der gesetzlichen Zuschussregelung. Der Zuschussanspruch gemäß § 1a Abs. 1a BetrAVG besteht nur, soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge erspart. Er ist danach verpflichtet, den erlangten Vorteil an den Arbeitnehmer, der Entgeltumwandlung betreibt als zusätzlichen Anreiz weiterzureichen. Damit wird der Umfang der Verpflichtung des Arbeitgebers umrissen und begrenzt. Kommt er dieser Verpflichtung bereits aufgrund einer tariflichen Regelung nach, besteht kein Anlass, ihm weitere Verpflichtungen aufzuerlegen.

b.

Bei dem von der Beklagten gem. §§ 3, 5 TV AV gezahlten Altersvorsorgegrundbetrag handelt es sich um einen Arbeitgeberzuschuss zur betrieblichen Altersversorgung des Klägers.

(1)

Im System der betrieblichen Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung ist Arbeitgeberzuschuss jede Zahlung, die der Arbeitgeber im Hinblick auf die Verwendung des Entgelts des Arbeitnehmers zum Zwecke der Bildung einer Altersversorgung zusätzlich zahlt. Der Altersvorsorgegrundbetrag gem. §§ 3, 5 TV AV ist nur geschuldet, wenn der Arbeitnehmer ihn im Wege der Entgeltumwandlung in einem Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung einsetzt. Dies ergibt sich insbesondere aus § 5.4 TV AV, denn danach ist eine Barauszahlung ausgeschlossen. Es handelt sich somit nicht um einen Entgeltanspruch des Arbeitnehmers, sondern um einen zusätzlichen Anspruch der an besondere Voraussetzungen geknüpft ist.

Die Regelung entspricht auch der Systematik des § 1a Abs. 1a BetrAVG. Im Fall der Entgeltumwandlung setzt sich das umzuwandelnde Entgelt aus einer Leistung des Arbeitsgebers, dem Altersvorsorgegrundbetrag, und vom Arbeitnehmer zur Verfügung gestelltem Entgelt zusammen.

(2)

Der Altersvorsorgegrundbetrag übersteigt die Höhe des ggfs. nach § 1a Abs. 1a BetrAVG geschuldeten Arbeitgeberzuschusses. Dies ergibt sich bereits aus der Berechnung des Klägers selbst, denn danach betrüge der Zuschuss für 2019 7,50 EUR monatlich und für 2020 7,36 EUR monatlich, während der Altersvorsorgegrundbetrag für 2019 36,83 EUR und für 2020 37,79 EUR mithin ein Mehrfaches des Zuschusses nach § 1a Abs. 1a BetrAVG beträgt.

III.

Auch das weitere Vorbringen der Parteien, auf das in diesem Urteil nicht mehr besonders eingegangen wird, weil die Entscheidungsgründe gem. § 313 Abs. 3 ZPO lediglich eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägungen enthalten sollen, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

IV.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Trapp
Wolter
Kaminski