Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.04.2021, Az.: 2 Sa 588/20
Weiter Gestaltungsspielraum und Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien bei ihrer tariflichen Normsetzung; Praktische Konkordanz bei der Grundrechtsausübung als Prüfauftrag der Arbeitsgerichte; Tarifliche Zuschlagsregelung als vorrangige Regelung i.S.d. § 6 Abs. 5 ArbZG; Angemessener tariflicher Ausgleich für die Nachtarbeit und ihre Belastungen; Differenzierung zwischen Zwei-Schicht-System und Nachtarbeit; Schichtzuschlag als angemessener Ausgleich für die Belastungen eines Zwei-Schicht-Systems
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 28.04.2021
- Aktenzeichen
- 2 Sa 588/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 25990
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2021:0428.2Sa588.20.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Oldenburg - 20.02.2020 - AZ: 5 Ca 335/19
Rechtsgrundlagen
- Art. 1 Abs. 3 GG
- Art. 9 Abs. 3 GG
- GRCh Art. 31
- Art. 1 RL 2003/88/EG
- § 3 Abs. 1 TVG
- § 4 Abs. 1 TVG
- § 2 Abs. 5 ArbZG
- § 310 Abs. 4 S. 1 BGB
- Oldenburger Geflügelspezialitäten GmbH v. 03.03.2014 § 5 Nr. 4.a und Nr. 4.b und Nr. 5.c und Nr. 5.e MTV
Amtlicher Leitsatz
§ 5 Ziff. 5 c, 5 d und 5 e des Manteltarifvertrages Oldenburger Geflügenspezialitäten GmbH ..... Co. vom 3. März 2014 (MTV) sind nicht gleichheitswidrig.
Die Zuschlagsregelungen in § 5 Ziff. 5 c und d MTV stellen einen vorrangigen tariflichen Zuschlag iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG dar.
Die von den Tairfvertragsparteien in § 5 Ziff. 5 c und d MTV gewählten Zuschlagshöhen halten sich im Rahmen der Angemessenheit und schaffen einen angemessenen Ausgleich für die Nachtarbeit und ihren Belastungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um einen im Jahr 2014 abgeschlossenen Firmentarifvertrag handelt. Im Jahr 2014 war ein Umbruch bei der Beurteilung der Belastungen durch Nacht(schicht)arbeit bereits eingetreten.
Der Schichtzuschlag in § 5 Ziff. 5 e MTV berücksichtigt in ausreichendem Umfang die Belastungen im Zwei-Schicht-System. Bei dieser Arbeitszeitgestaltung liegt keine "Nachtarbeit im klassischen Sinne" vor.
Redaktioneller Leitsatz
1. Den Tarifvertragsparteien kommt als selbstständigen Grundrechtsträgern aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie haben eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen, gestützt auf sachlich vertretbare Gründe.
2. Der Schutzauftrag aus Art. 1 Abs. 3 GG verpflichtet die staatlichen Arbeitsgerichte dazu, die Grundrechtsausübung durch die Tarifvertragsparteien zu beschränken, wenn diese mit Grundrechten Dritter kollidiert. Die Arbeitsgerichte sind befugt und verpflichtet, insoweit eine praktische Konkordanz herzustellen und z.B. gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen zu unterbinden.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 20. Februar 2020 - 5 Ca 335/19 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 669,66 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über tarifliche Nachtarbeitszuschläge.
Die klagende Partei ist bei der Beklagten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt. Sie ist Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (nachfolgend: NGG).
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der "Manteltarifvertrag C. & Co., Lohne" vom 3. März 2014 (nachfolgend: MTV), abgeschlossen zwischen der Beklagten und der NGG, Anwendung. Die Beklagte hat den MTV mit Schreiben vom 22. Dezember 2016 zum 31. März 2017 gekündigt.
In diesem Tarifvertrag heißt es unter anderem:
"§ 5 Mehr-, Sonn-, Feiertags-, Nacht- und Schichtarbeit
...
4. Die Erschwernisse in der Nacht werden wie folgt durch Zulagen abgegolten:
4.a. Schichtarbeit in der Nacht ist die Zeit von 22.00 Uhr bis 06:00 Uhr in der Früh- und Spätschicht oder in der Tagschicht im Bereich Produktion/Lager.
4.b. Nachtarbeit ist die in der Zeit zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeit. Regelmäßige Nachtarbeit ist die Nachtarbeit in der 3-Schicht-Tätigkeit oder ständige Nachtschichtarbeit.
5. Für Mehr-, Nacht- und Schichtarbeit sind folgende Zuschläge zu bezahlen:
a) für Mehrarbeit | 25 % |
---|---|
... | |
c) für regelmäßige Nachtarbeit | 25 % |
d) für unregelmäßige Nachtarbeit | 50 % |
e) Schichtarbeit in der Zeit von 22:00 bis 06:00 Uhr | 20 % |
...
7. Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge ist jeweils nur ein Zuschlag, und zwar bei unterschiedlichen Zuschlägen der höchste, zu zahlen. Ausgenommen hiervon ist der Zuschlag für Nachtarbeit (§ 5 Ziff. 4.b.) bzw. die Zulage für Schichtarbeit in der Nacht (§ 5 Ziff. 4.a.).
..."
Bei der Beklagten wird im Zwei- und Dreischichtsystem gearbeitet. Ein Teil der Belegschaft arbeitet nur in Früh- und Spätschicht, ein anderer Teil in Früh-, Spät- und Nachtschicht.
Die Frühschicht beginnt um 06:00 Uhr und endet um 14:00 Uhr. Die Spätschicht umfasst den Zeitraum von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr, die Nachtschicht von 20:00 Uhr bis 06:00 Uhr.
Die klagende Partei wird im Zwei-Schicht-System beschäftigt. Sie arbeitet abwechselnd in der Früh- und Spätschicht. Die Frühschicht geht regelmäßig von 06:00 Uhr bis 14:30 Uhr, die Spätschicht regelmäßig von 14:30 Uhr bis 23:00 Uhr. Die klagende Partei verrichtet ihre Arbeit unregelmäßig nach 23:00 Uhr bzw. beginnt ihre Arbeit vor 06:00 Uhr.
Für die Zeit von 20:00 Uhr bis 22:00 Uhr zahlt die Beklagte keine Zuschläge; für die Zeit ab 22:00 Uhr zahlt die Beklagte den 20 %igen Schichtarbeitszuschlag. Nachtzuschläge erhält die klagende Partei nicht.
Mit ihrer am 13. September 2019 beim Arbeitsgericht Oldenburg eingegangenen Klage begehrt die klagende Partei die Zahlung eines Nachtarbeitszuschlages von 50 % für geleistete Arbeitsstunden in dem Zeitraum zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr. Für den Zeitraum zwischen 22:00 und 06:00 Uhr macht sie den Nachtarbeitszuschlag von 50 % zusätzlich zu dem bereits gezahlten 20 %igen Zuschlag geltend.
Die klagende Partei begehrt für den Zeitraum 26. März bis 13. April 2019 unter Zugrundelegung von 28,28 Arbeitsstunden in dem Zeitraum zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr einen 50 %igen Zuschlag in Höhe von 217,75 EUR, für den Zeitraum Mitte 16. April bis 15. Mai 2019 bei 25,28 Arbeitsstunden im Zeitraum zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr einen 50 %igen Zuschlag in Höhe von 194,55 EUR, für den Zeitraum 16. Mai bis 15. Juni 2019 bei 13,53 Arbeitsstunden im Zeitraum zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr einen 50 %igen Zuschlag in Höhe von 104,15 EUR, für den Zeitraum 17. Juni bis 15. Juli 2019 bei 19,88 Stunden Arbeitsstunden im Zeitraum zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr einen 50 %igen Zuschlag in Höhe von 153,08 EUR (Stundenlohn 18,86 EUR). Wegen der von der klagenden Partei vorgetragenen Arbeitszeiten wird auf ihre Auflistung im Schriftsatz vom 24. Oktober 2019 (Bl. 22 ff. d. A.) Bezug genommen.
Die klagende Partei hat die Ansicht vertreten, der Anspruch auf die geltend gemachten Nachtarbeitszuschläge ergebe sich direkt aus der tariflichen Regelung des § 5 Ziff. 4, 5 und 7 MTV. Dabei sei zu beachten, dass die Anrechnungsregelung des § 5 Ziff. 7 MTV gerade nicht für die Schichtzulage gemäß § 5 Ziff. 4 a MTV und den Nachtarbeitszuschlag gemäß § 5 Ziff. 4 b MTV gelte, sondern beide Zuschläge nebeneinander zu zahlen seien. Die klagende Partei hat die Ansicht vertreten, eine Differenzierung zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit durch die Zahlung unterschiedlich hoher Zuschläge stelle einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Dieser Verstoß habe zur Folge, dass ihr ebenfalls der Zuschlag von 50 % zustehe.
Die klagende Partei hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei für März/April 2019 einen Nachtzuschlag in Höhe von 217,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2019 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei für April/Mai 2019 einen Nachtzuschlag in Höhe von 194,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2019 zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei für Mai/Juni 2019 einen Nachtzuschlag in Höhe von 104,18 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2019 zu zahlen;
4. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei für Juni/Juli 2019 einen Nachtzuschlag in Höhe von 153,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. August 2019 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die klagende Partei habe die geleisteten Arbeitszeiten zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr für den geltend gemachten Zeitraum nicht substantiiert dargetan. Sie hat darauf verwiesen, dass gemäß § 3 MTV sowie den Regelungen der "Betriebsvereinbarung zur Gestaltung sowie zur Lage und Verteilung der Arbeitszeit" vom 9. Juni 2016 Flexibilisierungsmöglichkeiten hinsichtlich der Arbeitszeit bestünden. Die klagende Partei hätte deshalb zu ihren Arbeitszeiten unter Berücksichtigung etwaiger Nutzung der Flexibilisierungsmöglichkeiten vortragen müssen. Ferner hat die Beklagte die Auffassung vertreten, eine Auslegung der tarifvertraglichen Regelung des § 5 Ziff. 4, 5 und 7 MTV ergebe, dass der klagenden Partei für den streitgegenständlichen Zeitraum lediglich die gezahlte Zulage von 20 % zustehe. Es liege auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.
Mit Urteil vom 20. Februar 2020 hat das Arbeitsgericht Oldenburg die Klage abgewiesen. Der klagenden Partei stehe kein Anspruch auf einen zusätzlichen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 50 % für geleistete Arbeitsstunden zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr zu. Die Regelung des § 5 Ziff. 4, 5 und 7 MTV lasse sich nicht dahingehend auslegen, dass der klagenden Partei neben dem gezahlten Zuschlag für Schichtarbeit in der Nacht zusätzlich ein weiterer Zuschlag in Höhe von 50 % für geleistete Nachtarbeit zustehe. Nach der tariflichen Regelung des § 5 Ziff. 4 und 5 MTV sei ein Nachtarbeitszuschlag von 50 % lediglich im Falle der unregelmäßigen Nachtarbeit zu zahlen. Es fehle zwar an einer tariflichen Definition des Begriffes der unregelmäßigen Nachtarbeit. Angesichts des Umstandes, dass der MTV hinsichtlich der Höhe der Zuschläge für Arbeit in der Nacht differenziere, sei § 5 Ziff. 4 b MTV auszulegen, dass unregelmäßige Nachtarbeit lediglich im Drei-Schicht-Betrieb anfalle. § 5 Ziff. 4 b MTV regele die Nachtarbeit als Oberbegriff, dem im Hinblick auf die Zuschlagshöhe nicht nur die regelmäßige, sondern auch die unregelmäßige Nachtarbeit unterfielen. Dass regelmäßige Nachtarbeit sowohl bei ständiger Nachtarbeit als auch im Drei-Schicht-System anfalle, verstehe sich von selbst. Unregelmäßige Nachtarbeit könne somit zwangsläufig nur bei einer Tätigkeit im Drei-Schicht-System bei Einteilung in der Spätschicht und einer Überschreitung des Endes der Spätschicht anfallen. Unabhängig davon, dass es an einer entsprechenden Regelung für das Zwei-Schicht-System fehle, lasse der Vortrag der klagenden Partei jedenfalls nicht hinreichend erkennen, ob und wenn ja, in welchem Umfang es sich bei den von ihr vorgetragenen Arbeitszeiten um unregelmäßige Arbeitszeiten in der Nacht handele, also Nachtarbeitszeiten außerhalb der normalen Schichtplanung. Mangels konkretem Tatsachenvortrag könne nicht festgestellt werden, ob und wenn ja, in welchem Umfang das Merkmal der Unregelmäßigkeit erfüllt sei.
Die Abstufung der Zuschläge für Arbeit in der Nacht berücksichtige in hinreichendem Maße die unterschiedliche Belastung der regelmäßigen und unregelmäßigen Nachtarbeit sowie der Schichtarbeit in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr. Vor dem Hintergrund, dass die Tarifvertragsparteien die Früh- und Spätschicht als Zwei-Schicht-System aus dem Drei-Schicht-System und der damit zwangsläufig verbundenen Nachtschichtarbeit ausnehmen wollten und die Belastungen des Zwei-Schicht-Systems weniger stark als die des Drei-Schicht-Systems seien, sei die Begrenzung des Zuschlags auf 20 % im Verhältnis zum höheren Zuschlag für regelmäßige Nachtarbeit mit 25 % und 50 % für unregelmäßige Nachtarbeit angemessen. Der 50%ige Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit sei Abgeltung nicht nur für die Erschwernis der Nachtarbeit, sondern zugleich der hiermit aufgrund der Unregelmäßigkeit der Nachtarbeit zwangsläufig verbundenen Mehrarbeit. Dem in § 5 Ziff. 5 a MTV geregelten Mehrarbeitszuschlag komme eigenständige Bedeutung daher in den Fällen der Schichtarbeit in der Nacht im Zwei-Schicht-System gemäß § 5 Ziff. 4 a MTV zu. Dass die Summe von Mehrarbeitszuschlag und dem Zuschlag für Schichtarbeit in der Zeit von 22:00 Uhr und 06:00 Uhr mit 45 % geringer als der 50 %ige Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit ausfalle, rechtfertige sich aus dem Umstand, dass Schichtarbeit in der Nacht im Zweischichtsystem aus dem zwangsläufig mit Nachtarbeit verbundenen Dreischichtsystem herausgenommen worden und die 5 %ige Zuschlagsdifferenz dem Umstand der höheren Erschwernis der Tätigkeit im Drei-Schicht-System geschuldet sei.
Das Urteil ist der klagenden Partei am 10. März 2020 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit einem am 9. April 2020 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 9. Juni 2020 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren Antrag vom 11. Mai 2020 (Montag) durch Beschluss vom 12. Mai 2020 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. Juni 2020 verlängert worden war.
Mit ihrer Berufung verfolgt die klagende Partei ihre erstinstanzlichen Ziele weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen. Bei den Regelungen in § 5 Ziff. 5 e MTV handele es sich um eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Schlechterstellung von Arbeitnehmern, welche im Rahmen einer Schichtarbeit Nachtarbeit leisteten. Zwischen den Gruppen der Arbeitnehmer, welche im Rahmen einer Schichtarbeit Nachtarbeit leisteten und sonstigen Arbeitnehmern, die Nachtarbeit leitsteten, bestünden keine Unterschiede, welche die Ungleichbehandlung in dem MTV rechtfertigen könnten. Vor dem Hintergrund des Europarechtes und des Arbeitszeitgesetzes müssten die tarifvertraglichen Regelungen zum Ausgleich von Nachtschichtarbeit den Gesundheitsschutz bezwecken. Die Tarifvertragsparteien seien bei der Normsetzung von einem biologischen Gewöhnungseffekt von Nachtschichtarbeitnehmern an Nachtschicht ausgegangen. Sie seien einem Fehlverständnis über die gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnisse unterlegen und hätten die Grenze ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumten Einschätzungsprärogative überschritten. Deshalb sei die gegenständliche Tarifnorm einer Rechtskontrolle durch die Arbeitsgerichte zugänglich. Im Rahmen dieser Rechtsprüfung sei keine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung der Nachtschichtbeschäftigten festzustellen. Als Rechtsfolge sei eine Anpassung nach oben vorzunehmen.
Die klagende Partei beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichtes Oldenburg vom 17. März 2020 - 5 Ca 326/19 - abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei für März/April 2019 einen Nachtzuschlag in Höhe von 217,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2019 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei für April/Mai 2019 einen Nachtzuschlag in Höhe von 194,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2019 zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei für Mai/Juni 2019 einen Nachtzuschlag in Höhe von 104,18 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2019 zu zahlen;
4. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei für Juni/Juli 2019 einen Nachtzuschlag in Höhe von 153,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. August 2019 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Berufung sei unzulässig, weil sich die Berufungsbegründung nicht in ausreichendem Maße mit den Urteilsgründen des Arbeitsgerichts Oldenburg auseinandersetze. Selbst wenn die Berufung noch als zulässig angesehen werde, so sei sie im Hinblick auf die zutreffenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung jedenfalls unbegründet. Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung als zutreffend als Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 31. August 2020.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf das Protokoll der Kammerverhandlung vom 28. April 2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der klagenden Partei ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und insgesamt zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Die Berufungsbegründung setzt sich in noch ausreichender Weise mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinander.
Eine Berufungsbegründung muss gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben.
Die Berufungsbegründung der klagenden Partei genügt diesen Anforderungen. Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung der Nachtarbeitszuschläge den ihnen zustehenden weiten Gestaltungsspielraum nicht überschritten haben. Dem tritt die klagende Partei entgegen und trägt vor, dass die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum vor allem deshalb überschritten hätten, weil sie gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit verkannt hätten.
B.
Die Berufung ist unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
Die bezifferten Zahlungsanträge sind für die streitgegenständlichen Monate als abschließende Gesamtklage zu verstehen. Mit diesem Verständnis sind sie hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
II.
Die Klage ist unbegründet.
1.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht unter I. 1. der Entscheidungsgründe ausgeführt, dass die Regelung des § 5 Ziff. 4, 5 und 7 MTV sich nicht dahingehend auslegen lässt, dass der klagenden Partei neben dem gezahlten Zuschlag für Schichtarbeit in der Nacht gemäß § 5 Ziff. 4 a und 5 e MTV in Höhe von 20 % zusätzlich ein weiterer Zuschlag in Höhe von 50 % für die geleistete Nachtarbeit zusteht. Nach der tariflichen Regelung des § 5 Ziff. 4 b und 5 d MTV ist ein Nachtarbeitszuschlag von 50 % lediglich im Falle der unregelmäßigen Nachtarbeit zu zahlen.
Die Berufungskammer macht sich die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichtes zu eigen, verweist auf diese und stellt dies fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die klagende Partei hat im Rahmen der Berufungsbegründung auch die Auslegung des § 5 Ziff. 4, 5 und 7 MTV durch das Arbeitsgericht nicht angegriffen.
2.
Die klagende Partei hat trotz eines Hinweises in der angefochtenen Entscheidung auch in der Berufung nicht dargetan, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum das Tatbestandsmerkmal des § 5 Ziff. 5 d MTV der unregelmäßigen Nachtarbeit erfüllt hat. Konkreter Sachvortrag, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände die klagende Partei von unregelmäßiger Nachtarbeit statt regelmäßiger Schichtarbeit ausgeht, fehlt gänzlich. Da die tariflichen Regelungen des § 5 Ziff. 5 d und e MTV sich gegenseitig durch die Anknüpfung an die Voraussetzungen der Schichtarbeit in der Nacht oder der unregelmäßigen Nachtarbeit ausschließen, fehlt es auch an einem Ansatzpunkt für eine anderweitige Bewertung. Angesichts des Hinweises in der angefochtenen Entscheidung war ein weiterer Hinweis der Kammer entbehrlich (vgl. BAG, 25. April 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 33; BGH 23. April 2009 - IX ZR 95/06 - Rn. 6).
3.
Der klagenden Partei steht kein Zuschlag gemäß § 5 Ziff. 5 d MTV in Höhe von 50 % für geleistete Nachtarbeit unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung zu.
a.
Die klagende Partei hat keinen Anspruch darauf, mit Arbeitnehmern, die unregelmäßige Nachtarbeit leisten, gleich behandelt zu werden. Die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung zwischen regelmäßiger Nachtarbeit, unregelmäßiger Nachtarbeit und Schichtarbeit in der Höhe der Zuschläge verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie bewegt sich im Rahmen der den Tarifvertragsparteien zustehenden Einschätzungsprärogative.
aa.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes kommt den Tarifvertragsparteien als selbstständigen Grundrechtsträgern aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie haben eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen. Bei der Lösung tarifpolitischer Konflikte sind sie nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Vereinbarung zu treffen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund besteht (BAG, 21. März 2018 - 10 AZR 34/17 - Rn. 43).
Der Schutzauftrag des Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet die staatlichen Arbeitsgerichte dazu, die Grundrechtsausübung durch die Tarifvertragsparteien zu beschränken, wenn diese mit den Freiheits- oder Gleichheitsrechten oder den anderen Rechten mit Verfassungsrang der Normunterworfenen kollidiert. Sie müssen insoweit praktische Konkordanz herstellen (BAG, 19. Dezember 2019 - 6 AZR 563/18 - Rn. 21) und gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen unterbinden (BAG, 19. Dezember 2019 - 6 AZR 653/18 - Rn. 25). Dabei haben die Gerichte bei der Erfüllung ihres verfassungsrechtlichen Schutzauftrages in den Blick zu nehmen, dass eine besondere Form der Grundrechtskollision bewältigt und die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete kollektive Koalitionsfreiheit mit den betroffenen Individualgrundrechten in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden muss. Bei der Prüfung, ob Tarifnormen Grundrechte oder andere Rechte der Arbeitnehmer mit Verfassungsrang verletzen, müssen die Gerichte nicht nur die besondere Sachnähe der Tarifvertragsparteien, sondern außerdem beachten, dass sich die Arbeitnehmer im Regelfall durch den Beitritt zu ihrer Koalition oder durch die vertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag, die die Tarifnormen zum Vertragsinhalt macht, bewusst und freiwillig der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien auch für die Zukunft unterworfen haben. Die Gerichte dürfen mithin nicht eigene Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle von Bewertungen der zuständigen Koalitionen setzen (BAG, 19. Dezember 2019 - 6 AZR 563/18 - Rn. 26). Bei der Überprüfung von Tarifverträgen anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes ist dabei nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abzustellen, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung (vgl. BAG, 11. Dezember 2013 - 10 AZR 736/12 - Rn. 15; BAG, 19. Juli 2011 - 3 AZR 389/09 - Rn. 25).
bb.
Bei der gebotenen Anwendung vorstehender Grundsätze hat die Differenzierung in § 5 Ziff. 5 c und d MTV zwischen der regelmäßigen Nachtarbeit (25 % Zuschlag) und der unregelmäßigen Nachtarbeit (50 % Zuschlag) Bestand. Sie verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
(1).
Aus Artikel 3 Abs. 1 GG folgt das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der MTV unterscheidet in § 5 Ziff. 5 c und d MTV zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit.
Gemäß § 5 Ziff. 4 b Satz 1 MTV ist Nachtarbeit die zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr geleistete Arbeit. Gemäß § 5 Ziff. 4 b Satz 2 MTV ist regelmäßige Nachtarbeit die in der Drei-Schicht-Tätigkeit oder ständigen Nachtschichtarbeit geleistete Arbeit. Schichtarbeit in der Nacht ist gemäß § 5 Ziff. 4 a MTV die Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr in der Früh- und Spätschicht oder in der Tagschicht im Bereich Produktion / Lager. Es handelt sich bei diesen beiden tariflich definierten Tatbeständen damit um Nachtarbeitszeiten, die jeweils den Charakter von planmäßiger Nachtarbeit haben. Die Anknüpfung an die Nachtarbeit wird zudem noch durch die Einleitung der Ziff. 4 des § 5 MTV verdeutlicht, wonach die nachfolgenden Zulagen die Erschwernisse für die Arbeit in der Nacht abgelten sollen.
Es fehlt an einer tariflichen Definition des Begriffes der unregelmäßigen Nachtarbeit. Wie das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung aber zutreffend herausgearbeitet hat, folgt aus der Systematik des MTV, dass unregelmäßige Nachtarbeit als Unterfall des Begriffes der Nachtarbeit begrifflich auf die Arbeit im Drei-Schicht-System oder in der ständigen Nachtarbeit beschränkt ist. Unregelmäßige Nachtarbeit kann nach dem Wortlaut und der Systematik des MTV nicht innerhalb der geplanten regelmäßigen Schichtarbeit und damit auch nicht innerhalb der Schichtarbeit in der Nacht i.S.d. § 5 Ziff. 4 a MTV anfallen. Die Kammer folgt nach eingehender Prüfung der Argumentation des Arbeitsgerichtes unter I. 1. B. der Entscheidungsgründe und verweist auf diese (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Diese zutreffende Argumentation hat die klagende Partei mit ihrer Berufung auch nicht angegriffen.
Die Gruppe der Arbeitnehmer, die regelmäßig Nachtarbeit leistet, ist mit der Gruppe, die unregelmäßige Nachtarbeit leistet, vergleichbar. Insoweit behandeln die Tarifvertragsparteien aber Arbeitnehmer, die Nachtarbeit im tariflichen und/oder gesetzlichen Sinne leisten, differenziert danach, in welchem Kontext die Nachtarbeit geleistet wird. Während Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit i.S.v. lediglich mit 25% zusätzlich vergütet wird, besteht bei "unregelmäßiger" Nachtarbeit, die außerhalb eines Schichtsystems geleistet wird, ein Zuschlagsanspruch in Höhe von 50%. Nicht unterschieden wird nach dem MTV zwischen Stunden, die lediglich tariflich als Nachtarbeit gelten und den Nachtarbeitsstunden iSd. ArbZG.
(2).
Die Regelungen in § 5 Ziff. 5 c und d MTV beinhalten eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen. Dies gilt sowohl für die regelmäßige als auch für die unregelmäßige Nachtarbeit. Ein sachlich vertretbarer Grund für die Differenzierung bei der Zuschlagshöhe für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit ist gegeben.
Hierbei legt die Kammer neue arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu Grunde. Danach ist Nachtarbeit für die Gesundheit umso schädlicher, in je größerem Umfang sie geleistet wird. Allerdings führt der Umstand, dass der unregelmäßig und damit im Ergebnis weniger Nachtarbeit leistende Arbeitnehmer einen höheren Zuschlag (50 %) erhält als der Arbeitnehmer, der regelmäßig Nachtarbeit leistet (25 %), für sich genommen noch nicht zu einem Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Zwar kann angenommen werden, dass die Gesundheit des Arbeitnehmers, der regelmäßig Nachtarbeit leistet, grundsätzlich in höherem Maße gefährdet ist als die Gesundheit desjenigen, der lediglich unregelmäßig Nachtarbeit leistet. Der Normzweck in § 5 Ziff. 5 c und d MTV beschränkt sich allerdings nicht ausschließlich auf den Gesundheitsschutz. Dies kann unter anderem auch daraus geschlussfolgert werden, dass im Mittel tarifliche Nachtarbeitszuschläge etwa 25 % betragen. Bei Nachtarbeitszuschlägen, die diese Marge überschreiten, ist nicht auszuschließen, dass deren Höhe (auch) auf anderen Gründen beruht (vgl. BAG, 5. September 2002 - 9 AZR 202/01 - Rn. 49).
Die Nachtzuschläge verfolgen neben dem Gesundheitsschutz auch den Zweck, die sozialen Folgen ("soziale Desynchronisation"), die mit jeder Arbeit außerhalb der üblichen Arbeitszeiten der Mehrheit der Arbeitnehmer und damit außerhalb des üblichen Tagesablaufes verbunden sind, zu mindern (BAG, 11. Dezember 2013 - 10 AZR 736/12 - Rn. 22). Soweit die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind, dass derjenige Arbeitnehmer, der keiner solchen Regelmäßigkeit unterliegt, durch die Heranziehung zur Nachtarbeit höher belastet wird als der Arbeitnehmer, der sich auf einen vorgegebenen Rhythmus einstellt und seine Freizeitaktivitäten daran anpasst, hält sich dies in ihrem Beurteilungsspielraum. Auch wenn das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 21. März 2018 (- 10 AZR 34/17 - Rn. 52) ausführt, dass die Teilhabe am sozialen Leben durch unregelmäßige Nachtarbeit außerhalb von Schichtsystemen nicht in einem höheren Maße gefährdet werde als bei Nachtarbeit innerhalb von regelmäßigen Schichten, so ist doch zu berücksichtigen, dass jede Abweichung von der regulären Arbeitszeit innerhalb - meist lange im Voraus - feststehender Schichten für die davon betroffenen Arbeitnehmer eine erneute Abstimmung der Lebensbereiche Arbeit und Familie, Freunde sowie Freizeit erforderlich macht. Die Balance zwischen (Nacht-)Arbeit und Freizeit sowie Familienverpflichtungen herzustellen ist umso schwieriger, je unregelmäßiger die Nachtarbeit anfällt (LAG Niedersachsen, 6. August 2020 - 6 Sa 64/20 - zu B. II. 1. c. dd. (1) (b) der Entscheidungsgründe). Dieser Aspekt kann damit als sachlicher Grund Anerkennung finden. Dies ist eine Einschätzung der Tarifvertragsparteien, die unter Berücksichtigung der in Artikel 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie und der damit einhergehenden geringeren Kontrolldichte durch die Arbeitsgerichte weitestgehend zu akzeptieren ist.
Dabei ist bei der Überprüfung von Tarifverträgen anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abzustellen, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung. Durch die Verteuerung der unregelmäßigen Nachtarbeit für Arbeitgeber einerseits und die Schaffung eines Anreizes durch die lukrative Ausgestaltung der Zuschläge für Arbeitnehmer andererseits besteht die generelle Auswirkung der Regelung auch in einer Steuerungsfunktion durch die Tarifvertragsparteien, die unregelmäßige Nachtarbeit auf Ausnahmefälle in Ausnahmesituationen zu beschränken. Hierbei muss es hingenommen werden, dass - insbesondere unter Berücksichtigung der Anreizfunktion - die Einzelfallgerechtigkeit nicht in jedem Fall gegeben ist.
Dass die Differenzierung in der Höhe der Zuschläge zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit nicht mehr zeitangemessen und nicht die gerechteste Lösung sein mag, ist unter Berücksichtigung der den Gerichten zustehenden geringen Kontrolldichte hinzunehmen. So erscheint der erkennenden Kammer ein anderes Verhältnis der Höhe der Zuschläge bei der unregelmäßigen und der regelmäßigen Nachtarbeit durchaus denkbar und möglicherweise akzeptabler. Eine Entscheidung darüber ist jedoch den Tarifvertragsparteien vorbehalten. Ausreichend ist ein sachlich vertretbarer Grund für die Differenzierung. Dieser liegt vor.
In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes wird aus dem arbeitskampf- und tarifvertragsrechtlich angestrebten Verhandlungsgleichgewicht von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite auf die sog. Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrags geschlossen (für die Vergütungshöhe: BAG, 24. März 2004 - 5 AZR 303/03 - Rn. 44). Tarifverträge sind dazu bestimmt, einen tatsächlichen Machtausgleich zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu schaffen. Sie bieten eine materielle Richtigkeitsgewähr; sie haben die Vermutung für sich, dass ihre Regelungen den Interessen beider Seiten gerecht werden und keiner Seite ein unzumutbares Übergewicht vermitteln (BAG 6. November 1996 - 5 AZR 334/95 - Rn. 33). Auch der Gesetzgeber trägt dem Rechnung, wenn er in § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB Tarifverträge insgesamt - und nicht etwa nur in Teilbereichen - von der Angemessenheitskontrolle nach den §§ 305 ff BGB ausdrücklich ausnimmt. Aus der Richtigkeitsgewähr folgt der zurückhaltende Berichtigungsanspruch des Staates, der die in Art. 9 Abs. 3 GG geregelte Staatsferne der Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen (mit)garantiert (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 17. November 2020 - 8 Sa 451/19 - Rn. 214 ff.)
(3).
Bedeutung kommt im vorliegenden Fall weiterhin dem Umstand zu, dass es sich bei dem MTV um einen Firmentarifvertrag handelt. Anders als bei einem Flächentarifvertrag, der in einer gewissen Abstraktion auf eine große Vielzahl unterschiedlich gestalteter Arbeitsverhältnisse und Arbeitsbedingungen bei unterschiedlichsten Unternehmen Anwendung finden kann, haben im vorliegenden Fall die Beklagte und die verhandelnde Gewerkschaft NGG lediglich für einen Betrieb die konkreten Arbeitsbedingungen ausgehandelt. Soweit die klagende Partei in der Berufung geltend macht, die Tarifvertragsparteien seien beim Abschluss des Tarifvertrages einem Fehlverständnis über die gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnisse unterlegen, verfängt dieser Einwand nicht. Es mag sein, dass man bis in die Mitte der 1990er Jahre von einer Gewöhnung an die Nacht(schicht)arbeit ausgegangen sein mag und dies in Zuschlagsregelungen in Tarifverträgen möglicherweise seinen Niederschlag gefunden hat. Bei dem streitgegenständlichen Haustarifvertrag handelt es sich - was die klagende Partei bei ihrer Argumentation offensichtlich übersehen hat - um einen Tarifvertrag aus dem Jahr 2014. Im Jahr 2014 war der Umbruch der arbeitsmedizinischen Beurteilung der Belastungen durch Nacht(schicht)arbeit bereits eingetreten. Es ist nicht ersichtlich und seitens der klagenden Partei nicht vorgetragen worden, dass die tarifschließende Gewerkschaft NGG damals - vergeblich - eine Erhöhung der Zuschläge für Nachtarbeit verlangt hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien im Jahr 2014 die Zuschlagsregelungen als ausreichend angesehen haben. Nicht nur dem Arbeitgeber, sondern auch der verhandelnden Gewerkschaft sind bei Abschluss des Tarifvertrages zudem die zugrundeliegenden tatsächlichen betrieblichen Umstände der Arbeitsleistung konkret bekannt gewesen. Es ergibt sich auch ohne nähere Erläuterungen aus dem Geschäftsgegenstand, nämlich der Verarbeitung von Geflügel, dass eine zügige Weiterverarbeitung geboten ist.
Bei Berücksichtigung des von der Beklagten vorgetragenen Umstandes, wonach unregelmäßige Nachtarbeit nur im Umfang von weniger als 1 % der anfallenden Nachtarbeitsstunden vorkommt, kann unterstellt werden, dass die Tarifvertragsparteien die unregelmäßige Nachtarbeit als einen Ausnahmetatbestand verstanden wissen wollten, welcher die unregelmäßige Nachtarbeit für die Arbeitgeber verteuern und gleichzeitig Arbeitnehmern, die keine regelmäßige Nachtarbeit leisten - etwa deshalb, weil keine vertragliche Verpflichtung besteht oder es sich etwa um Mehrarbeit handelt - als Anreiz für die (ausnahmsweise) Tätigkeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr dienen sollte. Tatsächlich wird zusätzliche - unregelmäßige - Nachtarbeit sich typischerweise an bereits erbrachte planmäßige Arbeitszeit anschließen. Bei derartiger, kurzfristig angesetzter zusätzlicher Nachtarbeit wird leicht eine nicht abwendbare Kollision bei der Gestaltung des Soziallebens stattfinden, während bei Schichtarbeit die Koppelung von Arbeit und Privatleben längerfristig planbar ist. Auch dieser Aspekt ist ein sachlich vertretbarer Grund für die Differenzierung bei der Höhe des Zuschlages für die regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit. Nach den Regelungen des MTV ist die Fallgestaltung der sonstigen unregelmäßigen Nachtarbeit als Sammeltatbestand für alle eventuellen, nicht konkret vorhersehbaren Arbeitsbedarfe in den Nachtstunden anzusehen, wobei es sich insoweit um nicht weiter systematisierbare und unregelmäßige Einzeltatbestände handeln mag. Es wäre der klagenden Partei auch gem. § 138 Abs. 1 ZPO abzuverlangen gewesen, beim Betriebsrat oder der Gewerkschaft weitere Informationen einzuholen, sofern sie einen größeren Anwendungsbereich dieser Zuschlagsregelung behaupten will.
Der höhere Zuschlagssatz von 50 % für den äußerst kleinen Anwendungsbereich der unregelmäßigen Nachtarbeit ist damit ausreichend sachlich gerechtfertigt.
(4).
Auch unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Verpflichtung, den Gesundheitsschutz vor den Belastungen der Nachtschichtarbeit nach den gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnissen sicherzustellen, ist ein Eingriff in den den Tarifvertragsparteien eingeräumten Regelungsspielraum nicht erforderlich. Dem für regelmäßige Nachtarbeit zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Zuschlag steht § 6 Abs. 5 ArbZG nicht entgegen.
§ 6 Abs. 5 ArbZG überlässt die Ausgestaltung des Ausgleiches für Nachtarbeit wegen der größeren Sachnähe den Tarifvertragsparteien und schafft nur subsidiär einen gesetzlichen Anspruch (BAG, 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 18). Nur wenn eine tarifvertragliche Regelung nicht besteht, besteht hiernach ein gesetzlicher Anspruch auf eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag zum Bruttoarbeitsentgelt. Ist eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung nicht einschlägig, entspricht es ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass ein Zuschlag in Höhe von 25 % auf den jeweiligen Brutto(stunden)lohn einen angemessenen Ausgleich darstellt (BAG, 9. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 16; BAG, 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 59). Im vorliegenden Fall haben sich die Tarifvertragsparteien für regelmäßige Nachtarbeit auf einen Zuschlag verständigt, der den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Angemessenheit von Nachtzuschlägen - wohlgemerkt im Falle des Nichtbestehens einer tarifvertraglichen Regelung - entspricht. Ohne besondere Umstände ist damit auch der tarifvertraglich vereinbarte Nachtzuschlag für regelmäßige Nachtarbeit in § 5 Ziff. 5 c MTV unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes als angemessen anzusehen.
Die im MTV enthaltene ungleiche Behandlung der Nachtarbeit stellt insgesamt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Die Tarifvertragsparteien haben Nachtarbeit zwar einem unterschiedlichen Zuschlags- und damit Ausgleichssystem unterworfen, je nachdem ob diese Arbeit im Rahmen eines Schichtsystems oder unregelmäßig außerhalb von Schichtarbeit geleistet wird. Sie haben den festgelegten Zuschlägen der Höhe nach unterschiedliche Belastungsausgleichstatbestände zu Grunde gelegt. Zu nennen sind dabei etwa die Verteuerung der unregelmäßigen Nachtarbeit auch im Sinne von Mehrarbeit sowie den besonderen Ausgleich für die Belastungen, die mit der Unvorhersehbarkeit unregelmäßiger Nachtarbeit einhergehen. Selbst wenn diese Zwecke nicht unmittelbar dem in § 6 ArbZG vorgesehen Schutz vor gesundheitsschädlicher Nachtarbeit dienen, so widersprechen sie den Wertungen des § 6 ArbZG jedenfalls nicht. Denn auch wenn es gilt, sämtliche Nachtarbeit zu vermeiden, dient auch die Verteuerung der unregelmäßigen Nachtarbeit dem Gesundheitsschutz.
Dass daneben die Unvorhersehbarkeit von Nachtarbeit eine Belastung darstellt, weil sich ein Arbeitnehmer, der zu unregelmäßiger Nachtarbeit herangezogen wird, nicht in gleicher Weise hierauf einstellen kann, wie dies bei Wechselschichtlern oder gar ausschließlich in Nachtarbeit tätigen Arbeitnehmern der Fall ist, ist auch zu berücksichtigen. Dieser Ausgleich widerspricht nicht dem vom ArbZG vorgesehenen Gesundheitsschutz.
Insgesamt ist damit die Ungleichbehandlung nicht derart erheblich und einseitig, dass von einer (Teil-)Unwirksamkeit der Zuschlagsregeln auszugehen wäre. Die Grenze der Tarifautonomie ist mit den im vorliegenden MTV festgelegten Zuschlagsregeln für Nachtarbeit nicht überschritten.
b.
Es entspricht dem Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien und ihrer Einschätzungsprärogative, wenn sie in Verfolgung dieses Ziels punktuell den Nachtarbeitszuschlag für gelegentlich in der Nacht Arbeitende deutlich anheben, um die Arbeitgeber von der Anordnung von Mehrarbeit in der Nacht abzuhalten. Der allgemeine Gleichheitssatz zwingt sie nicht dazu, den Präventionszweck über alle Arbeitnehmergruppen hinweg, die in der Nacht arbeiten, in gleichem Maße zu verfolgen. Vielmehr ist es Bestandteil der Tarifautonomie, dass die Tarifpartner zur Verfolgung bestimmter Zwecke den Hebel dort ansetzen können, wo er ihnen besonders effektiv zu sein scheint. Dass von dem 50%igen Zuschlag auch Arbeitnehmer profitieren, die in der Nacht gelegentlich zum Einsatz kommen, fällt nicht ins Gewicht. Zum einen dürfte es sich nur um einen verhältnismäßig kleinen Teil der gelegentlich in der Nachtarbeit Beschäftigten handeln. Zum anderen - und das ist entscheidend - gilt auch für diesen Teil das mit dem Zuschlag verfolgte Ziel, möglichst effektiv unnötiger Nachtarbeit entgegenzuwirken. Letztlich soll der hohe Zuschlag für die Gruppe der gelegentlich in der Nacht Beschäftigten keine finanzielle Besserstellung gegenüber den Schichtarbeitern, sondern die Ersparnis des finanziellen Aufwands durch Nichtanordnung von Nachtarbeit bewirken. Die tatsächlich im Einzelfall entstehende finanzielle Besserstellung ist unerwünscht. Sie ist dem Präventionszweck des Zuschlags geschuldet und verstößt daher nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (vgl. LAG Baden-Württemberg, 17. Juli 2020 - 12 Sa 17/20 - Rn. 97 ff.).
4.
Die von den Tarifvertragsparteien in dem MTV vorgenommene Differenzierung in 5 Ziff. 5 c und d MTV zwischen regelmäßiger / unregelmäßiger Nachtarbeit und Schichtarbeit in der Zeit von 22:00 Uhr und 6:00 Uhr, die gem. § 5 Ziff. 5 e MTV zu einem geringeren Zuschlag führt, verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
a.
Nach § 5 Ziff. 4 b MTV ist Nachtarbeit im Tarifsinn die in der Zeit zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeit.
Nach der tariflichen Regelung beginnt damit die Nachtzeit drei Stunden früher als nach den arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen des ArbZG. Gleichzeitig gewährt § 5 Ziff. 5 c MTV bereits ab der ersten Stunde der Nachtarbeit bei regelmäßiger Nachtarbeit einen Ausgleich in Höhe eines 25%igen Zuschlags und bei unregelmäßiger Nachtarbeit in Höhe von 50 %. Wird die Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit geleistet, beträgt der Zuschlag ab 22.00 Uhr hingegen lediglich 20 %.
Insoweit behandeln die Tarifvertragsparteien Arbeitnehmer, die Nachtarbeit im tariflichen und/oder gesetzlichen Sinne leisten, differenziert danach, in welchem Kontext die Nachtarbeit geleistet wird. Dabei setzt der Anspruch auf die entsprechenden Nachtzuschläge nicht voraus, dass es sich bei dem Arbeitnehmer um einen Nachtarbeitnehmer iSd. § 2 Abs. 5 ArbZG handelt.
b.
Diese Regelung im MTV überschreitet den den Tarifvertragsparteien zustehenden Spielraum nicht. Insbesondere haben sie dabei keine gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit verkannt.
aa.
Die Belastung und Beanspruchung der Beschäftigten steigt nach bisherigem Kenntnisstand in der Arbeitsmedizin durch die Anzahl der Nächte pro Monat und die Anzahl der Nächte hintereinander, in denen Nachtarbeit geleistet wird. Dies ergibt sich u.a. aus einer Expertise der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vom 24. Februar 2012. Insgesamt ist anerkannt, dass Nachtarbeit umso schädlicher ist, in umso größerem Umfang sie geleistet wird. Entsprechende Gestaltungsempfehlungen für Arbeitszeitmodelle setzen hier an. Dies gilt unabhängig davon, dass typabhängig die Anpassung an Nachtarbeit von Mensch zu Mensch unterschiedlich gut erfolgt. Für Schichtarbeit gilt das nicht gleichermaßen; insbesondere bringen normale Schichtwechsel zwischen Früh- und Spätschicht nicht dieselben Gefahren mit sich wie der Wechsel zu und von Nachtarbeit. Davon geht auch das ArbZG aus, das die Nachtzeit erst ab 23:00 Uhr und damit nach dem üblichen Ende der Arbeit in Zwei-Schicht-Systemen beginnen lässt (BAG, 11. Dezember 2013 - 10 AZR 736/12 - Rn. 18 f).
bb.
Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten leistet die klagende Partei keine reinen Nachtschichten, auch wenn sie im Schichtdienst arbeitet. Die Frühschicht geht regelmäßig von 06:00 Uhr bis 14:30 Uhr, die Spätschicht regelmäßig von 14:30 Uhr bis 23:00 Uhr. Daneben verrichtet die klagende Partei ihre Arbeit unregelmäßig nach 23:00 Uhr bzw. beginnt ihre Arbeit vor 06:00 Uhr. Es ist weder erkennbar noch von der klagenden Partei dargelegt, dass typischerweise Nachtarbeiten in größerem Umfang oder gar ausschließlich geleistet werden. Gleichzeitig reduziert und begrenzt der Einsatz in Zwei-Schicht-System die Anzahl ggf. anfallender Arbeitsstunden in der tariflichen oder gesetzlichen Nachtzeit. Damit liegt bei dieser Arbeitszeitgestaltung keine "Nachtarbeit im klassischem Sinne" vor. Arbeitnehmer der Beklagten, die im Zwei-Schichtsystem arbeiten, sind bei Beschäftigung innerhalb der von der Beklagten vorgetragenen regelmäßigem Lage der Spätschicht (14:30 Uhr bis 23:00 Uhr) keine Nachtarbeiter i.S.v. § 2 Abs. 5 ArbZG bzw. i.S.v. Art. 2 Ziff. 4 der Richtlinie 2003/88/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung. Es ist aus Sicht der Kammer ein erheblicher Unterschied, ob die Arbeit gar nicht, nur teilweise oder vollständig während der Nachtzeit i.S.d. ArbZG verrichtet wird. Auch das von der klagenden Partei zu den Akten gereichte Gutachten zu arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zu Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit beschreibt auf S. 21 zu Fehlleistungen und Unfällen: "Mehrere Studien, in denen Arbeitstätigkeiten über die 24 Stunden des Tages vergleichbar waren, ergaben ein Leistungstief zwischen 0:00 und 6:00 Uhr und ein Nebentief gegen 14:00 Uhr. In weiteren Studien ist dieses Tief in der Nacht konkretisiert worden auf den Zeitraum zwischen 00:00 Uhr und 04:00 Uhr, mit einem Schwerpunkt zwischen 02:00 Uhr und 03.00 Uhr." Angesichts dessen ist die ungleiche Behandlung der Arbeitnehmer, die Schichtarbeit in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6:00 Uhr verrichten (§ 5 Ziff. 4 a, Ziff. 5 MTV gegenüber den Nachtarbeitern (§ 5 Ziff. 4 b, Ziff. 5 c und d MTV) in dem Firmentarifvertrag durch die sachkundigen Tarifvertragspartner nicht zu beanstanden. Die Regelung der Zuschläge für Nachtarbeit berücksichtigt dabei die unterschiedliche Belastung der Arbeitnehmer bei regelmäßiger, unregelmäßiger Nachtarbeit sowie Schichtarbeit in dem Zeitraum vom 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr. Da die Belastungen des Zweischichtsystems weniger stark als die des Dreischichtsystems sind, ist die Regelung von 20 % Zuschlag im Verhältnis zu den höheren Zuschlägen von 25 % bzw. 50 % rechtswirksam. Tarifvertraglich wird dabei der Zuschlag von 20 % bereits ab 22:00 Uhr gewährt, hingegen beginnt die gesetzliche Nachtarbeit erst um 23:00 Uhr. Dabei durften die Tarifvertragsparteien des vorliegenden Haustarifvertrages auch berücksichtigen, dass sich Arbeitnehmer, die nach einem Schichtplan im Früh- und Spätschicht tätig sind, auf diesen einstellen können. Damit werden die sozialen Folgen ("soziale Desynchronisation"), die mit jeder Arbeit außerhalb der üblichen Arbeitszeiten und damit außerhalb des üblichen Tagesablaufs verbunden sind, gemindert.
Insgesamt ist damit die Ungleichbehandlung nicht derart erheblich und einseitig, dass von einer (Teil-)Unwirksamkeit der Zuschlagsregelungen auszugehen ist. Die Grenze der Tarifautonomie ist mit den im MTV festgelegten Zuschlagsregelungen nicht überschritten.
5.
Der klagenden Partei steht auch kein zusätzlicher Nachtarbeitszuschlag i. H. v. 25 % gem. § 5 Ziff. 5 c MTV zu.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass es sich bei den Tatbeständen der Schichtarbeit in der Nacht gem. § 5 Ziff. 4 a und 5 e MTV und der regelmäßigen Nachtarbeit gem. § 5 Ziff. 4 b und 5 c MTV um sich gegenseitig ausschließende Sachverhalte handelt. Die Kammer macht sich diese zutreffenden Erwägungen zu eigen, verweist auf diese und stellt dies fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG)
Der Zuschlag von 25 % für regelmäßige Nachtarbeit setzt die Arbeit im Dreischichtsystem oder in ständiger Nachtarbeit voraus. Da die klagende Partei jedoch im Zweischichtsystem arbeitet, steht ihr lediglich der Zuschlag von 20 % für Schichtarbeit in der Nacht gem. § 5 Ziff. 4 a und 5 e MTV zu.
6.
Ein Anspruch auf einen höheren Nachtarbeitszuschlag von 50 % ergibt sich auch nicht aus unionsrechtlichen Erwägungen. Unionsrechtliche Regelungen oder Vorgaben zu der Höhe von Nachtarbeitszuschlägen bestehen weder im Primärrecht des Art. 31 GRC noch im Sekundärrecht der Richtlinie 2003/88/EG. Die Höhe des finanziellen Ausgleichs aus § 6 Abs. 5 ArbZG ist nicht unionsrechtlich überformt. Art. 31 GRC und die Richtlinie 2003/88/EG regeln keine Fragen des Arbeitsentgelts, weil die Europäische Union hierfür nach Art. 153 Abs. 5 AEUV nicht zuständig ist (vgl. für die Richtlinie 2003/88/EGEuGH 21. Februar 2018 - C-518/15 - [Matzak] Rn. 49; EuGH, 11. Januar 2007 - C-437/05 - [Vorel] Rn. 32 ff; BAG, 15. Juli 2020 - 10 AZR 123/19 - Rn. 55). Für die vorliegend relevante Frage nach einer etwaigen Ungleichbehandlung durch Gewährung unterschiedlich hoher tarifvertraglicher Nachtarbeitszuschläge kann nach Wertung der Kammer nichts Abweichendes gelten.
7.
Entgegen der Auffassung der klagenden Partei ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 21. März 2018 (-10 AZR 34/17 -) mit der vorliegenden Entscheidung in Einklang zu bringen. In dem Urteil vom 21. März 2018 hatte der 10. Senat - wie die Kammer im vorliegenden Fall auch - praktische Konkordanz zwischen der Grundrechtsausübung durch die Tarifvertragsparteien und den Gleichheitsrechten der Normunterworfenen herzustellen und die Grundrechtsausübung der Tarifvertragsparteien überwiegend deshalb hinter den Gleichheitsrechten der Normunterworfenen zurücktreten lassen, weil der Zuschlag für Nachtarbeit (50 %) im Verhältnis zum Zuschlag im Rahmen von Schichtarbeit (15 %) u. a. "um mehr als das Dreifache höher" war (BAG, 21. März 2018 - 10 AZR 34/17 - Rn. 47) und damit eine deutliche Schlechterstellung der Nachtarbeit leistenden Schichtarbeitnehmer bei der Bezahlung von Nachtarbeit im Vergleich zu Arbeitnehmern, die Nachtarbeit außerhalb von Schichtsystemen leisten, bestehe (BAG, 21. März 2018 - 10 AZR 34/17 - Rn. 48).
Gegenüber dem Sachverhalt, der dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 21. März 2018 zugrunde lag, unterscheidet sich der vorliegend zur Entscheidung stehende Fall vor allem darin, dass Unterschiede in der Zuschlagshöhe hier nur im Umfang von 25 % zu 50 % bestehen und von den Tarifvertragsparteien auch für regelmäßige Nachtarbeit ein der Gesundheitsgefährdung jedenfalls angemessener Zuschlag von 25 % vereinbart wurde. Dafür, dass das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 21. März 2018 (- 10 AZR 34/17 -) jegliche tarifvertragliche Differenzierung zwischen Nachtarbeit und Nachtarbeit in Schichtarbeit bzw. unregelmäßiger und regelmäßiger Nachtarbeit als unzulässig erachtet, bestehen keine Anhaltspunkte. Diese Entscheidung lässt insbesondere nicht erkennen, dass der Senat von der früheren Entscheidung vom 11. Dezember 2013 (- 10 AZR 736/12 -), in welcher über eine Differenzierung von Nachtarbeit (50 %) und Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit (20 %) im Manteltarifvertrag für den Berliner Einzelhandel zu entscheiden war, abrücken wollte (vgl. BAG, 21. März 2018 - 10 AZR 34/17 - Rn. 54).
III.
Da ein sachlicher Grund für die Differenzierung zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit in der Zuschlagshöhe gegeben ist, kann dahingestellt bleiben, ob eine "Angleichung nach oben" in jedem Fall zu erfolgen hat, insbesondere auch dann, wenn die unregelmäßige Nachtarbeit nach der Auslegung des Tarifvertrages die Ausnahme ist. Gegen eine Anpassung nach oben spricht, dass eine Lückenschließung im Wege der ergänzenden Tarifauslegung zu unterbleiben hat, wenn unter Berücksichtigung von Treu und Glauben den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung verbleibt und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden (BAG, 12. Dezember 2013 - 8 AZR 942/12 - Rn. 19).
IV.
Auch das weitere Vorbringen der klagenden Partei, auf das in diesem Urteil nicht mehr besonders eingegangen wird, weil die Entscheidungsgründe gemäß § 313 Abs. 3 ZPO lediglich eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägungen enthalten sollen, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren war für den Zahlungsantrag in Höhe der bezifferten Klagforderung festzusetzen, §§ 3 ff. ZPO.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung war die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen.