Landgericht Lüneburg
Urt. v. 04.07.2003, Az.: 4 O 160/02
Voraussetzungen der Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung; Zurechenbarkeit einer Handlung im Rahmen einer Insolvenzanfechtung; Umstände zur Bestimmung des formellen Kontoinhabers; Nachweis der Veranlassung von Zahlungen auf ein Konto
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 04.07.2003
- Aktenzeichen
- 4 O 160/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 35321
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2003:0704.4O160.02.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - 18.05.2006 - AZ: 13 U 120/03
Rechtsgrundlagen
- § 133 InsO
- § 134 Abs. 1 InsO
- § 816 Abs. 2 BGB
- § 823 Abs. 2 BGB
- § 826 BGB
- § 830 BGB
- § 266 StGB
In dem rechtsstreit
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 06.06.2003
durch
die Richterin ... als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebenintervention entstandenen Kosten zu tragen.
- 3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Anfechtungsansprüche nach Insolvenz einer Firma.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der F.
Der Beklagte war Angestellter der Schuldnerin und dort in der Funktion eines Hoteldirektors tätig, er war dabei ausschließlich im gastronomischen Bereich tätig. Im August 2000 ist er als Mitarbeiter ausgeschieden.
Am 27.10.2000 wurde das vorläufige Insolvenzverfahren angeordnet (Vgl. Anlage K 2, Bl. 14 d.A.). Am 1. April 2001 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet (Vgl. Anlage K 1, Bl. 12 d.A.).
Es gibt ein Konto Nr. 241 4567 000 bei der ... Als Kontoinhaber ist für dieses Konto "... B. w./F." eingetragen.
Der Kläger erlangte von diesem Konto wenige Tage nach vorläufiger Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kenntnis.
Auf dieses Konto wurden auch nach Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens noch Gelder gebucht und abgebucht.
Unter anderem wurden nach dem 27.10.2000 noch 27 Überweisungen i.H.v. insgesamt 58.662,62 DM (= 29.993,72 EUR) auf dem Konto gutgeschrieben, nachdem bei Erstellung diverser Rechnungen von Seiten der Schuldnerin immer dieses Konto angegeben bzw. nachträglich mitgeteilt worden war. Bzgl. der einzelnen Überweisungen wird auf Bl. 3-10 der Klageschrift soweit die Anlagen K 4 - K 30 verwiesen.
Bei den Abbuchungen ist u.a. auch eine Überweisung an den Kläger selber in Höhe von 10.000,00 DM mit Datum vom 17. April 2001 von diesem Konto enthalten. Ferner wurden auch einige Inhaberschecks eingereicht.
Am 12.12.2000 wurde der Beklagte von der vorläufigen Eröffnung informiert.
Der Kläger behauptet, die Schuldnerin sei bereits seit 31.12.1994 überschuldet und spätestens ab Juni 2000 zahlungsunfähig gewesen, was der Beklagte auch gewußt habe.
Bei dem Konto handele es sich um das Privatkonto des Beklagten, welcher auch alleinverfügungsbefugt gewesen sei und welcher veranlaßt habe, dass auch diese 27 Überweisungen auf dieses Konto getätigt werden, um die Gelder auf dieser Weise der Gläubigergesamtheit der Schuldnerin zu entziehen. Selbst wenn der Beklagte sie nicht selber veranlaßt habe, müsse der Beklagte als Kontoinhaber sich auch Handlungen von übrigen Personen zurechnen lassen.
Daher seien dem Beklagten auch die Abbuchungen der Inhaberschecks zuzurechnen. Abbuchungen mit Zustimmung des Klägers habe es hingegen nicht gegeben.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger 29.993,72 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09. Juni 1998 seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, bei dem Konto habe es sich nicht um ein Privatkonto gehandelt. Vielmehr sei es ein Geschäfts-Konto der Gesellschaft gewesen für den Catering Bereich. Über das Konto sei auch ausschließlich der Zahlungsverkehr der Gesellschaft abgewickelt worden und Verbindlichkeiten gezahlt worden.
Der Beklagte sei auch gar nicht alleine Unterschriftenberechtigt gewesen. Ausweislich der Unterschriftenkarte seien immer nur zwei Personen zusammen gemeinsam bevollmächtigt gewesen.
Über die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Betriebes sei dem Beklagten nichts bekannt gewesen.
Als er im Dezember Kenntnis hiervon erlangt hat, habe er im Januar auch gleich die Daueraufträge gemeinschaftlich mit der Streitverkündeten aufgehoben. An diesem Tag seien auch drei Abbuchungen mit der ausdrücklichen Zustimmung des Klägers vorgenommen worden.
Mit Schriftsatz vom 1.4.2003 hat der Kläger der Streitverkündeten den Streit verkündet mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beizutreten. Dieser Schriftsatz wurde der Streitverkündeten ... (ehemals ...) am 4.4.03 zugestellt. Die Streitverkündete ... ist daraufhin mit Schriftsatz vom 8.5.2003 dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beigetreten.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen M. über das im Beschluss vom 2.4.2003 angekündigten Beweisthema. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6.6.2003 verwiesen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien zum Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch gegen den Beklagten gem. § 134 Abs. 1 InsO, § 133 Abs. I InsO, § 823 II BGB i.V.m. § 266 StGB, § 830 BGB, § 816 Abs. II BGB oder § 826 zu.
Ein Anspruch gem. § 133 InsO besteht nicht. Gemäß § 133 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung nur anfechtbar, wenn der Schuldner diese mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen und Wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.
Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass der Beklagte die Zahlungen auf das Konto veranlaßt hat. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Beklagte die Zahlungen veranlaßt hat, da er zum damaligen Zeitpunkt gar nicht mehr in dem Betrieb gearbeitet hat, so daß nicht davon auszugehen ist, dass der Beklagte noch Rechnungen unter Angabe des streitgegenständlichen Kontos an Schuldner geschickt bzw. entsprechendes veranlaßt hat.
Dem Beklagten kann insoweit auch nicht das Handeln anderer zugerechnet werden. Es erscheint bereits fraglich, ob es für einen Anspruch nach § 133 InsOüberhaupt als ausreichend anzusehen wäre, wenn dem Beklagten Handlungen anderer lediglich zuzurechnen wären, da § 133 InsO insoweit eine Rechtshandlung - und daher wenigstens eine bloße Mitwirkung erfordert (Vgl. Uhlenbruck, InsO § 133 Rn. 7). Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, da dem Beklagten die Rechtshandlungen ohnehin nicht zuzurechnen sind, da davon auszugehen ist, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Konto nicht um ein Privatkonto des Beklagten, sondern vielmehr um ein Konto der Gesellschaft handelt.
Dies steht nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest.
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die durch den Beklagten in den Prozeß eingeführte Unterschriftenkarte nicht manipuliert war, sondern den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Demzufolge lief das Konto auf ... B. w./Catering F. Als Anschrift war die Anschrift des F. angegeben. Unterschriftenvollmacht hatten weitere 3 Personen, allesamt Mitarbeiter oder ehemalige Mitarbeiter des Betriebes. Es war - zumindest ab dem Zeitpunkt der vorläufigen Insolvenzeröffnung - niemand mehr allein über das Konto verfügungsbefugt. Vielmehr mussten immer zwei gemeinschaftlich handeln (sog. "A"-Vollmacht).
Nach all diesen Aspekten ist davon auszugehen, dass es sich um ein Konto der Gesellschaft handelt.
Zwar verkennt das Gericht nicht, dass das Konto auf den Namen des Beklagten eröffnet war und der Bezeichnung des Kontoinhabers - anders als bei einem Sparkonto - mehr als nur bloße Indizwirkung zukommt (Vgl. BGH, WM 1986, 35). Im Giroverkehr, der auf eine rasche und unkomplizierte Abwicklung angelegt ist, besteht ein starkes praktisches Bedürfnis für einfache und klare Rechtsverhältnisse. Dem entspricht es grundsätzlich, wenn der formelle Kontoinhaber, der sich aus der Kontobezeichnung ergibt, auch als Gläubiger angesehen wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist allerdings für die Frage, wer Kontoinhaber ist, nicht allein entscheidend, wer bei der Kontoeröffnung als Forderungsberechtigter auftritt oder bezeichnet wird, vielmehr ist unter Berücksichtigung des Einzelfalles zu prüfen, wer nach dem erkennbaren Willen des die Einzahlung Bewirkenden Gläubiger der Bank werden sollte (Vgl. BGH, NJW 1996, 840, [BGH 12.12.1995 - XI ZR 15/95] BGH, WM 1990, 537, [BGH 10.10.1989 - XI ZR 117/88] BGHZ 127, (229)).
Hier bestehen jedoch zahlreiche, gewichtige Anhaltspunkte, dass Kontoinhaber die Gesellschaft werden sollte.
Zum einen ist bereits in der Kontobezeichnung ausdrücklich der Verwendungszweck (Catering F.) angegeben. Hinzu kommt, dass als Adresse nicht die Privatanschrift des Beklagten, sondern vielmehr die Anschrift des F. angegeben ist. Auch die Tatsache, dass Vollmacht weitere Mitarbeiter des Betriebes hatten, spricht gegen ein Privatkonto.
Weiter muß auch der Verwendungszweck des Kontos berücksichtigt werden. Wie aus der Kontoverdichtung ersichtlich ist, wurden auf dem Konto offensichtlich keine privaten Buchungen des Beklagten (Miete, Telefon o.a.) vorgenommen. Letztlich spricht auch die Tatsache, dass der Kläger als Insolvenzverwalter selber von diesem Konto 10.000,00 DM erhalten hat, dagegen, dass es sich um ein privates Konto gehandelt hat.
Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Zeuge M. bekundet hat, die Insolvenzmitteilungen hätten für das streitgegenständliche Konto nicht gegriffen, da als Namensbezeichnung ... B. w./Catering F. eingetragen war. Dies spiegelt letztlich nämlich nur die Rechtsansicht der ...bank wieder. Ob der Sperrvermerk aber nicht vielmehr auch für das streitgegenständliche Konto hätte eingetragen werden müssen - und dies ggf. im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes hätte durchgesetzt werden müssen, ist eine andere Frage und getrennt davon zu sehen.
Nach all dem ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Konto um ein Konto der Gesellschaft handelt.
Im Übrigen scheitert ein Anspruch auch daran, dass der Kläger nicht nachweisen konnte, dass der Beklagte Kenntnis von dem ggf. bestehenden Benachteiligungsvorsatz hatte hat. Der Beklagte hat angegeben, dass er davon ausgegangen ist, dass es sich um ein Konto der Gesellschaft gehandelt hat und er nicht wußte, dass das Geld auf diesem Konto möglicherweise anderen Zwecken diente. Der Kläger, dem insoweit die Darlegungs- und Beweislast obliegt (vgl. Uhlenbruck, § 133 Rn. 31 f.), konnte diesbezüglich nicht das Gegenteil belegen.
Im Übrigen ist auch - da es sich um ein Konto der Gesellschaft handelt - davon auszugehen, dass die Zahlungseingänge auf dem Konto die Gläubiger ohnehin noch nicht benachteiligen. Allenfalls die Zahlungsabgänge, wie z.B. die Inhaberschecks könnten eine Benachteiligung darstellen. Insoweit hat der Kläger jedoch - trotz ausdrücklichem Hinweis des Gerichts im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 6.6.2003 und eingeräumtem Schriftsatznachlass, nichts vorgetragen.
Auch ein Anspruch gem. § 134 InsO besteht nicht. Ein Anspruch scheitert auch hier daran, dass die Gelder nicht in das Privatvermögen des Beklagten einverleibt wurden, da es sich bei dem Konto gerade nicht um ein Privatkonto des Beklagten gehandelt hat.
Auch ein Anspruch gem. § 823 Abs. II BGB i.V.m. § 266 StGB besteht nicht. Auch dieser Anspruch scheitert daran, dass es sich bei dem Konto nicht um ein Privatkonto des Beklagten gehandelt hat und er mithin keine Gelder einverleibt hat.
Auch hier könnte daher ein Anspruch allenfalls wegen Geldern bestehen, von denen der Beklagte veranlaßt hat, dass diese vom Konto abfließen. Diesbezüglich hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen, um welche Abbuchungen/Einreichungen von Inhaberschecks es sich insoweit handeln sollte. Da der Beklagte jedoch auch nicht allein verfügungsbefugt war, gibt es auch keine Anhaltspunkte, dass er - ggf. gemeinsam mit anderen - zwingend für die Abgänge vom Konto verantwortlich ist. Ein Anspruch gem. § 830 BGB scheitert daher ebenso. Anhaltspunkte für eine Beihilfe hat der Kläger nicht vorgetragen.
Auch ein Anspruch aus § 816 Abs. II BGB scheitert, da es sich nicht um das Privatkonto des Beklagten gehandelt hat, auf welches die Gelder gezahlt wurden. Daher hat der Beklagte auch durch die Zahlungseingänge auf dem Konto nichts erlangt, so dass es auch auf die Frage eine noch bestehenden Bereicherung nicht ankommt.
Für einen Schadensersatzanspruch gem. § 826 BGB ist ebenfalls nichts ersichtlich.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91, 101 ZPO, § 709 S. 1, 2 ZPO.