Landgericht Lüneburg
Urt. v. 13.02.2003, Az.: 6 S 86/01
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 13.02.2003
- Aktenzeichen
- 6 S 86/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 39571
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2003:0213.6S86.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Lüneburg - AZ: 11 C 86/00
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz:
Die bloße Möglichkeit eines die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustandes reicht nicht aus, um die Mieterin von der grundsätzlich bestehenden Haftung für angerichtete Schäden freizustellen.
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 16.05.2001 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.157,35 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.03.2000 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 66 % und die Beklagte zu 34 ‚%; die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 79 % und die Beklagte zu 21 %.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.
Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, den der Kläger aus der Beschädigung der Wohnung S... erlitten hat. Dieser Schadensersatzanspruch des Klägers ergibt sich aus positiver Vertragsverletzung.
Der Kläger hat der Beklagten im Rahmen eines mit der Beklagten abgeschlossenen Nutzungsverhältnisses die Wohnung S... , die der Kläger gemietet hatte, zur Verfügung gestellt. Ob es sich für die Beklagte dabei um eine Untermiete oder ein sonstiges Nutzungsverhältnis handelte, ist für die hier zu beurteilende Frage nicht entscheidend.
Die Beklagte war aus dem mit der Klägerin bestehenden Nutzungsverhältnis verpflichtet, mit der überlassenen Wohnung und den darin befindlichen Gegenständen sorgsam umzugehen. Diese Pflicht hat sie dadurch verletzt, dass sie die Wohnungseinrichtung beschädigte. Hieraus würde sich ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte nur dann nicht ergeben, wenn die Beklagte dabei nicht schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hätte. Dabei ist die Vorschrift des § 827 BGB, die eine Haftung im Rahmen einer unerlaubten Handlung ausschließt, entsprechend auf Vertragsverhältnisse anzuwenden. Danach haftet die Beklagte nicht, wenn sie nachweisen kann, dass sie sich zur Zeit der Verletzungshandlung in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befand. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich dies jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen. Zwar war die Einsichtsfähigkeit der Beklagten auf Grund ihrer Erkrankung und der akuten Situation gemindert. Dass sie aber auch in dieser Situation ihre Verantwortung für ihre Handlungen und den Schaden überhaupt nicht erkennen und danach bei Anspannung aller Kräfte handeln konnte, hat die Kammer unter Berücksichtigung der Aussage der Zeugin Dr. M... nicht feststellen können. Die Aussage der Zeugin Dr. M... ergibt eher, dass die Beklagte ihre Handlungen frei bestimmen konnte. Sie war zeitlich und örtlich orientiert und ansprechbar. Für ein steuerbares Handeln spricht auch die Tatsache, dass sie vorher mehrfach im Landeskrankenhaus anrief. Eine weitere Aufklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ist nicht möglich, da der Sachverständige keine anderen als die festgestellten Tatsachen zur Verfügung hat und daraus allenfalls die Möglichkeit einer Nichtzurechenbarkeit ableiten könnte. Die bloße Möglichkeit eines die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustandes reicht aber nicht aus, um die Beklagte von der grundsätzlich bestehenden Haftung freizustellen; dies käme nur in Betracht, wenn sich ein solcher Zustand mit einer vernünftige Zweifel ausschließenden Sicherheit feststellen ließe.
Der Kläger kann den ihm entstandenen Schaden ersetzt verlangen. Das sind zum einen die Beträge, die er an den Vermieter S... zahlen musste, ferner die tatsächlichen Ausgaben (Reinigung durch die Fa. H... 261,41 DM, Wiederbeschaffung zerstörter Einrichtungsgegenstände 368,94 DM, Fahrtkosten dafür 49,40 DM, Anstrich der Wohnung 175 DM, Farbe 65,98 DM). Dagegen kann der Kläger den Arbeitslohn für ihren Mitarbeiter Sch... in Höhe von 450 DM nicht ersetzt verlangen. Der Kläger hat nicht dargetan, dass der Mitarbeiter Sch... zusätzlich über seinen monatlichen Lohn hinaus Geld erhalten hat, sodass davon auszugehen ist, dass Sch... die Einkäufe innerhalb der Arbeitszeit erledigt hat und der Kläger keine Mehrausgaben hatte.
Die Telefonkosten, die der Kläger für die Beklagte verauslagt hat, muss die Beklagte nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag in Verbindung mit § 662 BGB erstatten.
Weitergehende Ansprüche hat der Kläger dagegen nicht.
Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass er für Wohnung und Betreuung Geld erhalten hätte, wenn die Beklagte rechtzeitig ausgezogen wäre. Die allgemeine Behauptung, er hätte den Platz mit neuen Bewerbern besetzen können, ist nicht ausreichend. Wollte die Kammer den dafür benannten Zeugen vernehmen, so wäre dies ein Ausforschungsbeweis. Der Zeuge müsste danach gefragt werden, ob eine Bewerberliste vorhanden war, ob auf dieser Liste andere Personen standen, wann diese hätten einziehen können (möglicherweise mussten diese erst ein anderes Mietverhältnis kündigen). Diese Umstände hätte der Kläger vortragen müssen.
Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass für den erledigten Teil nicht feststeht, wie der Prozess ausgegangen wäre. Soweit die Beklagte gekündigt hat, bestand kein Anlass zur Räumungsklage, da sie zeitnah ausgezogen ist. Die Kündigung des Klägers könnte gerechtfertigt gewesen sein, denn - unabhängig von einem Verschulden der Beklagten - muss der Kläger es nicht hinnehmen, wenn die anderen Mitbewohner erheblich gestört werden, wobei natürlich eine Beeinträchtigung durch die dem Kläger bekannte Erkrankung in Rechnung zu stellen ist. Das Ergebnis des Räumungsprozesses hätte daher von einer Beweisaufnahme abgehangen, so dass insoweit die Kosten gegeneinander aufzuheben sind (§ 91 a ZPO); im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 92 ZPO.