Landgericht Lüneburg
Urt. v. 18.03.2003, Az.: 6 S 9/03
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 18.03.2003
- Aktenzeichen
- 6 S 9/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 39582
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2003:0318.6S9.03.0A
Amtlicher Leitsatz
Grundsätzlich trägt der Vermieter das Risiko, die Rechtslage bei einer Kündigung falsch zu beurteilen. Er muss dann dem Mieter den aus der unberechtigten Kündigung entstandenen Schaden ersetzen (BGH NJWRR 2002, 730).
Dies gilt nicht, wenn der Mieter nicht wegen der Unsicherheit über die Wirksamkeit der Kündigung auszieht, sondern weil er auch bei feststehender Unwirksamkeit der Kündigung dort nicht länger wohnen bleiben will.
In dem Rechtsstreit
wegen Miete und Schadensersatz aus unberechtigter Kündigung
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 04.03.03 durch den ... als Einzelrichter für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Uelzen vom 11.12.2002 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 43,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten erster Instanz tragen die Klägerin 32% und die Beklagte 68%. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin zu 18% und die Beklagte zu 82%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung der Beklagte hat teilweise Erfolg.
Nachdem die Klägerin die Klage in Höhe von 2 x 7,83 € (Mietminderung für Juni und Juli 2002) zurückgenommen hat, geht es bei der Klage noch um 206,67 € Restmiete für Juli.
Gegenüber diesem unstreitigen Anspruch der Klägerin rechnet die Beklagte mit einem Schadensersatzanspruch auf, der ihr aus der Bezahlung von Anwaltsgebühren und von Umzugskosten entstanden ist.
Diese Aufrechnung ist zulässig, weil die Anwaltskosten und die Umzugskosten inzwischen bezahlt sind und die Rechtsschutzversicherung der Beklagten, auf die gemäß § 67 VVG der Schadensersatzanspruch der Beklagte übergegangen ist, diesen Anspruch an die Beklagte zurückabgetreten hat.
Die Aufrechnung ist begründet. Die Beklagte hat nämlich gegen die Klägerin einen Schadenersatzanspruch in Höhe von 250,56 €. Dies ergibt sich aus folgendem:
Die Klägerin ist der Beklagten gem. § 280 Absatz 1 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der der Beklagten aus der unberechtigten fristlosen Kündigung der Klägerin entstanden ist Die Klägerin war auch bei dem von ihr mitgeteilten angeblichen Verhalten der Beklagten nicht berechtigt, fristlos zu kündigen. Sie hätte vielmehr zunächst die Beklagte abmahnen und damit der Beklagten Gelegenheit geben müssen, sich entsprechend dem Mietvertrag zu verhalten. Nach § 543 Abs.3 BGB ist, wenn der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag liegt, zunächst eine Abmahnung erforderlich. Erst wenn diese erfolglos bleibt, kann der Vermieter fristlos kündigen. Soweit nunmehr die Beklagte auf § 569 BGB hinweist, verkennt sie den Zusammenhang mit § 543 BGB. § 569 ergänzt die wichtigen Kündigungsgründe des § 543 Abs.1, lässt aber § 543 Abs.3 unberührt. Das bedeutet: Auch bei den wichtigen Gründen des § 569 ist eine Abmahnung erforderlich, bevor fristlos gekündigt werden kann.
Damit war die fristlose Kündigung unberechtigt. Eine solche unberechtigte fristlose Kündigung stellt eine Verletzung der sich aus dem Mietvertrag ergebenden Pflichten im Sinne von §§ 280 Abs.1, 241 Abs.2 BGB dar. Der daraus kausal entstandene Schaden ist zu ersetzen, soweit nicht den Mieter ein Mitverschulden oder gar überwiegendes Mitverschulden trifft.
Aus der unberechtigten Kündigung ist der Beklagten als Schaden die Beratung durch einen Anwalt entstanden. Die Beklagte durfte sich ohne eigenes Mitverschulden an einen Anwalt wenden, um sich wegen der von der Klägerin ausgesprochenen fristlosen Kündigung beraten zu lassen. Dadurch ist eine Geschäftsgebühr nach § 118 Nr. 1 BRAGO entstanden, die der frühere Prozessbevollmächtigte der Beklagten nach einem Streitwert von 3. 822 € mit 18. = 196 € zuzüglich 20 € Auslagenpauschale gem. § 26 BRAGO zuzüglich 16% Mehrwertsteuer = insgesamt 250,56 € abgerechnet hat. Dass bei dem angesetzten Streitwert eine falsche Nettomiete zugrunde gelegt worden ist, (die richtige Nettomiete ist höherer) hat hier unberücksichtigt zu bleiben, weil ein etwaiger höherer Anspruch des Anwalts weder von der Beklagten noch von Ihrer Versicherung bezahlt worden ist.
Infolge der Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch in Höhe von 250,56 € ist der Anspruch der Klägerin in Höhe von 206,67 € erloschen. Damit ist die Klage abzuweisen. Für die Widerklage verbleibt aus diesem Schadenseratzanspruch ein Betrag von 43,89 €.
Einen darüber hinausgehenden Schadenseratzanspruch hat die Beklagte nicht.
Die Beklagte kann von der Klägerin die Kosten einer Besprechungsgebühr nicht ersetzt verlangen. Diese Kosten sind von dem Anwalt dafür angesetzt worden, dass er bei der Wohnungsbesichtigung zugegen war. Bei dieser Wohnungsbesichtigung ging es, wie sich aus dem Vermerk vom 18.06.2002 ergibt, um die Rüge der Beklagten in Bezug auf die Schimmelpilzbildung Dazu war ein Herrn Behn hinzugezogen worden. Anlass des Gesprächs war somit nicht die Kündigung der Klägerin. Für ihre in der letzten mündlichen Verhandlung abgegebene anders lautende Behauptung hat die Beklagte keinen Beweis angetreten. Dass im Rahmen des anschließenden Wortwechsels auch die Kündigung zur Sprache kam, führt nicht dazu, dass die der Beklagten durch die Teilnahme ihres Anwalts an der Besichtigung entstandenen Kosten kausal durch die unrichtige Kündigung der Klägerin entstanden wären. Hätte die Klägerin nicht gekündigt, so wären die Kosten der Besichtigung ebenfalls entstanden denn die Besichtigung fand nicht wegen der Kündigung, sondern wegen der von der Beklagten behaupteten Schimmelpilzbildung und der diesbezüglichen Rüge der Beklagten statt.
Die Beklagte kann auch die ihr entstandenen Umzugskosten nicht von der Klägerin ersetzt verlangen, weil diese Umzugskosten nicht kausal auf die Kündigung der Klägerin, sondern auf eine danach liegende eigenverantwortliche Entscheidung der Beklagten zurückzuführen sind. Die Beklagte hatte durch ihren Anwalt die Kündigung der Klägerin umgehend als unberechtigte zurückgewiesen, gleichzeitig aber erklärt, dass sie bereit sei, das Mietverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag zu beenden . Wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 28.11.01 (NJWRR 2002 ,730) ausgeführt hat, geht das Risiko, die Rechtslage falsch zu beurteilen, nicht Lasten des Mieters, sondern des Vermieters. Im vorliegenden Fall hat jedoch der Mieter die Rechtslage nicht falsch beurteilt. Das Risiko, die Rechtslage falsch zu beurteilen, bestand für die Beklagte als Mieterin nicht. Sie ist nicht wegen einer etwaigen Unsicherheit, ob die Kündigung der Klägerin berechtigt war ausgezogen, sondern weil sie nach den aufgekommenen Querelen dort nicht weiter wohnen bleiben wollte. Die Beklagte ist nicht als Konsequenz aus der fristlosen Kündigung ausgezogen, sondern hat selbst in im Juli das Mietverhältnis fristlos gekündigt, nachdem sie eine andere Wohnung gefunden hatte.
Zinsen kann die Beklagten erst ab Rechtshängigkeit der Widerklage verlangen. Sie hat nicht dargetan, dass die Klägerin vorher in Verzug geraten ist.
Die Entscheidung über die Kosten entspricht dem teilweisen Obsiegen und Unterliegen der Parteien (§ 92 Abs. 2 ZPO). Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.